Sonntag, 18. Dezember 2022

Kalte Pracht

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­te­rin kön­nen Sie hier er­hal­ten. Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che. Ich über­set­ze auch aus dem Eng­li­schen, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Ab und zu wer­de ich hier privat: Sonn­tags­fo­tos!

Berlin ist mal wieder die Haupt­stadt der Zucker­bäcker. Be­vor es in den nächs­ten Tagen frühlings­haft wird, un­se­re Mut­ter erzählt uns immer vom Hoch, das sich in der Re­gel um den 20. Dezember in Mit­tel­eu­ro­pa zeigt, genie­ße ich die Ruhe der win­ter­lichen Groß­stadt­natur. Ich wünsche all­seits ein schö­nes Jahres­ende!

Winterstimmung am Ufer des Landwehrkanals
Ein Idyll trotz gestutzter Bäume und Vervierfachung der Mobilfunkantennen in zehn Jahren


 
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Foto:
C.E.

Freitag, 16. Dezember 2022

Winter- und Kältegedanken

Hier bloggt eine Dolmet­sche­rin und Überse­tzerin. Als Sprach­ar­bei­te­rin komme ich stän­dig mit einer großen Bandbreite von The­men in Be­rüh­rung. Das ist ein Glück. Ich lerne oft mit Men­schen ken­nen, die Lö­sungen ent­wickelt ha­ben. Zu se­hen, wie quä­lend lang­sam sie an­schlie­ßend umgeset­zt werden, ist eine Last.

Morgenstimmung am Markt
Minus neun Grad am Morgen. Böse Fragen werden gerde laut: Ist Petrus et­wa ein Pu­tin­freund? Eisige Kälte liegt über Nord­europa. Meine Gedan­ken gehen an alle ohne Wärme und feste Wände, von Ost­europa über die Ob­dach­lo­sen bis hin zu den Markt­mitar­bei­ter:innen, die wenigs­tens am Abend in feste, warme Häuser zu­rück­keh­ren dür­fen.
Was können wir tun? DHL liefert derzeit gra­tis Spen­den­pa­kete in die Ukraine, ich hab mich einer Nach­ba­rin an­ge­schlos­sen und Inhalt geliefert. Grund­sätzlich: Diese Tem­pe­ra­turen sind schnell lebens­gefährlich. Es ist daher wichtig, dass wir anderen immer die Nummer des Kälte­bus­ses parat haben, beson­ders am Abend. Sonst kön­nen wir mit kleinen Gesten helfen.

Die Obdach­lo­sen brauchen war­me Klei­dung, Heiß­ge­tränke, immer wieder gehe ich zu Gemüse­schnip­pel­aben­den, wo Eintopf aus dem Gemüse ent­steht, das die Le­bens­mit­tel­stän­de des Markts am Abend ge­spen­det haben.

Ein weiterer gelisteter Baum ist weg

Anschließend geht es auf Verteilrunde, par­tir en ma­raude sagen die Franzosen dazu. Les ma­raudes au­près des per­sonnes SDF, Obdach­lose auf­suchen gehen.
Die SDF sind die per­son­nes sans do­mi­cile fixe, Mens­chen ohne stän­digen Wohn­sitz, auch sans-abri ge­nannt, "ohne Schutz", und das Wort maraude stammt aus dem 30-jährigen Krieg, als die kampf­unfäh­ig­en Soldaten marodierend durch die Ge­gend zogen und, da sie keinen Sold mehr be­ka­men, geplün­dert ha­ben, um zu über­le­ben.

Wörter haben so ihre Ge­schichte und Ent­wick­lung. So heißt die maraude auch je nach Kon­text im zivilen Leben "Mund­raub" oder "nach Kund­schaft Ausschau halten".

Grund­sätz­lich ist das alles nur Was­ser auf heiße Steine oder, der Jahres­zeit an­ge­passt, ein Eis­kris­tall im Kanal. Wir leis­ten uns eine Poli­tik, die es zehn Pro­zent der Ge­sell­schaft er­laubt, mehr als zwei Drittel des gesam­ten Vermögens ihr eigen zu nennen (70 Prozent davon sind ältere Män­ner). Und eine Politik, die nicht längst in großem Stil Wohnungen baut für Ob­dach­lo­se, Kriegs­wai­sen, kin­der­reiche Fa­mi­lien und Men­schen, die aus schlech­ten, über­teu­er­ten Wohn­ver­hält­nis­sen nicht raus­kom­men.

Menschen in Ob­dach­lo­sig­keit zu halten kostet mehr, als ihnen Wohn­raum zu ver­schaffen, das wissen wir längst durch Zahlen­vergleiche, und dass die Erst­ver­sor­gung mit Wohn­raum der bessere Weg ist, als von den Ob­dachlo­sen in diesem Kon­text z.B. den Entzug von Drogen als Voraussetzung zu erwarten. (Letzteres ist ein­fach nur sa­dis­tisch.) 

Am Ufer eine Hütte
Denn auf­su­chende Sozialarbeit, Notarzt­ein­sätze, Kältebus, Not­un­ter­künfte, die gesamte Kri­sen­­ver­­wal­tung ist aufwändig und teuer. Das vor Jahr­zehn­ten in den USA und Finnland ent­wickelte vorbildhafte Projekt "Housing first" hat bewiesen, dass einfache Woh­nungen mit dem Ange­bot einer be­darfs­an­ge­pass­ten Be­treu­ung der beste Weg aus dem Leid sind und dass die Menschen fast ausnahsmlos so in den Alltag zurück­finden. 

Das Modell wurde dann auch noch ein weiteres Mal in Berlin erprobt. Die Erfah­rungen wurden bestätigt. Und jetzt ist es an uns, die wir mit dem Al­ler­wer­tes­ten in der warmen oder nicht ganz so warmen Bude hocken, wir sparen ja alle Energie, Druck auf die Politik aus­zu­üben.

Und noch eine Bitte: Sammeln Sie Einweg­besteck aus Plastik oder aus Holz, das lässt sich prima spülen, geben Sie dieses zur Wei­ter­nut­zung an Menschen weiter, die sich für die Ob­dach­losen engagieren.

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Fotos: C.E.

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Alltagssounds

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che und blogge hier seit 2007. Ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Sprache. Wie arbeiten und lernen wir Dolmetscher:innen? Durch regelmäßige Aktivierung unseres Wissens. Dabei spielt die Akustik eine große Rolle.

Am spä­teren Abend knirscht und knackt, klirrt und kracht es, als sich ein Ausflugs­dam­pfer durch die Ei­sschicht vor dem Fenster hin­durch­ar­bei­tet. Was für ein sel­te­ner Wintersound!

Akzente und Sprachen sind für uns "ange­wandte Lin­guisten" wichtig, Geräu­sche und Klänge aber auch. 

Ich mag den Wochen­markt unten auf der Straße, der diens­tags und freitags vom späten Vormit­tag bis halb sechs, sechs Uhr seine Kun­den an­zieht. Und ich lie­be es, wenn in wär­meren Mona­ten Wort­fet­zen durch die offe­ne Balkon­tür rein­flie­gen, wenn Pizza­bäcker Luigi sich laut­stark mit einem anderen Ita­lo­phonen unter­hält, die fran­zösische Eierfrau dem Men­schen vom Stand schräg vis-à-vis, der fran­zö­si­sche Spe­zia­li­täten an­bie­tet, einen guten Mor­gen wünscht, auf alltäglich, real ge­spro­chenem Fran­zö­sisch würde man üb­ri­gens eher sagen la per­sonne du stand en face. Oder sie tauscht sich mit den Leu­ten vom Käse­wagen aus: der Chef spricht die­ses Idiom, ei­ner der Mitar­beiter kommt aus Frank­reich; nicht zu ver­gessen die Frau­en aus der asia­ti­schen Gar­küche (genauer weiß ich es nicht zu be­nennen), deren Idiom so hell klingt.

Und auch die Musiker:innen bes­chwin­gen meinen oft einsa­men Büro­alltag, meis­tens zu­min­dest. Manch­mal stehen sie einige Dutz­end Meter aus­ein­ander, spielen um die Wette, und bei uns kommt ein ka­ko­phoner Mix an.

Span­nend für Ler­nen­de und Leh­ren­de
Wichtig sind für mich auch Pod­casts, die ich zum Bei­spiel bei mei­nen mit­täg­li­chen Wan­der­touren höre oder in der Küche.
Ganz oben stehen die Pro­gram­me meiner Leib- und Ma­gen­ra­dio­sen­der, als da wä­ren France Cul­ture und BBC4. Spa­ßes­halber sage ich dazu immer, ich müsse "Spra­che nach­fül­len". Was für ein Glück, dass das heu­te so ein­fach ist: In die Jacken­ta­sche passen in­zwi­schen ganze Welt­kul­turen!
Und hier ein Hör­tipp für Men­schen mit mittel­guten und bes­se­ren Eng­lisch­kennt­nissen, die noch Luft nach oben bei sich verspüren. Mein ab­so­lu­ter Lieb­lings­vo­kabel­er­klärer ist Luke Thomp­son, be­son­ders mag ich die Short Stories zum Mit­le­sen. Luke's Eng­lish Pod­cast hab ich spät ent­deckt, dafür mit umso mehr Be­geis­te­rung. Er ist unge­fähr so lange ak­tiv wie ich mit dem Blog­gen ... und bei Epi­so­de num­ber 800. Have fun!

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Foto: YouTube, hier Lukes Webseite

Mittwoch, 14. Dezember 2022

Panta rhei

Bon­jour & hel­lo! Sie lesen hier ein digitales Ta­ge­buch aus der Welt der Spra­chen, das es seit 15 Jah­ren gibt. Ich über­setze ins Deut­sche und dol­met­sche bila­te­ral Franzö­sisch/Deutsch. Gerade bin ich im winter­lichen Bo­xen­stop zu­hause.

Die Baum­pfle­ger kürzen wei­te­re Bäume an der ande­ren Ufer­sei­te, man­che bis auf den Stumpf, es ist herz­zer­rei­ßend. Es wird in Ber­lin nicht in dem Ma­ße nach­ge­pflanzt, wie es das Gesetz auf­gibt.

Zwei von Bibern angefressene Bäume, die gestutzt worden sind
Der erste blaue Himmel seit Wochen

Junge Bäume müssen min­des­tens drei Jahre lang regel­mäßig ge­pflegt und gegos­sen wer­den. Dafür scheint Berlin kein Personal zu haben. Und wo kein Kläger, da kein Rich­ter: Niemand setzt sich mit den un­ter­las­se­nen Pflan­zun­gen ausein­ander, außer viel­leicht hier und dort Anrainer, die auch Bäume pfle­gen — und gegen jene Be­hör­den hier schon ermit­telt haben, da Nach­barn Gieß­was­ser aus dem Kanal ge­nommen hatten ... 

Nun gibt es Zei­ten im Jahr, in denen es verboten ist, den Fließ­ge­wäs­sern Was­ser zu ent­neh­men, ver­ständ­li­cher­weise, aber hier war es eine Frage der Güter­ab­wägung. Al­so Bäu­me ge­ret­tet, Stra­fe per Crowd­fun­ding ge­zahlt, Kro­ne ge­rich­tet, weiter­gegan­gen, Kopf ge­schüt­telt.

Dieses Jahr kamen die Biber hinzu, die sonst in einigen Kilo­metern Ent­fer­nung le­ben. Der Nach­barin zufolge weiten sie ihren Aktions­raum aus, wenn ihr Nah­rungs­an­gebot nicht aus­reicht. Logisch. Und wieder sind es hier zwei Bäume weniger.

Inzwischen merken alle, dass in der Region das Wasser knapp ist. Das er­scheint paradox, denn hier gibt es an allen Ecken Seen und Wasser­läufe, allein in Bran­den­burg mehr als 3000 Seen. Was ja der un­in­for­mierte Chef von Tesla damals auch ge­meint hat, als er sein Werk an der Ber­liner Stadt­grenze irgendwie durch­ge­drückt hat (übrigens im Was­ser­schutz­ge­biet, in dem keine Privat­person eine Bau­ge­neh­mi­gung bekommt).

Berlin liegt in einem Ur­strom­tal, une vallée glaciaire, deren Ausläufer, wie ich neulich beim Dol­metsch­ein­satz ge­lernt habe, bis nach Warschau rei­chen. Ei­gent­lich läuft hier also viel Wasser zusam­men. Noch bietet das Grund­was­ser, la nappe phré­atique, der Stadt genügend Nach­schub, um die Berliner mit unge­chlortem Trink­wasser zu versorgen. Wir trinken hier Grund­was­ser, angereichert durch Ufer­fil­trat, le fil­trat de rive, das mehrfach gefiltert wird.

Es wäre auch ungefil­tert trinkbar, wie ich zusammen mit einer Dele­gation aus Tu­ne­sien erfah­ren habe. Schul­kinder, die auch das Wasser­werk besuchen, qualifi­zie­ren den Nach­ge­schmack des Rohwas­sers übri­gens so: "Das Wasser schmeckt nach Tür­klin­ke!" oder: "Das Wasser schmeckt nach Nagel!" Ferrum halt. Die Ver­gleiche haben alle erfreut.

Die identischen Wasser­moleküle in ihrem natür­lichen Kreis­lauf kommen übrigens bei uns Berliner:innen alle 25 Jahre erneut vorbei. In anderen Worten: Ich sollte im Sommer das Wasser ge­trun­ken habe, das bei meinen Einzug hier am May­bach­ufer bereits ein erstes Mal durch mich hin­durch­ge­flos­sen ist! Und doch, so Heraklit, baden wir nicht zweimal in demselben Fluss, also trinken wir auch nicht zweimal dasselbe Wasser.

Zurück ins Hier und Heute: Das Thema Schwamm­stadt ist eine der Lösungen der Zeit, der all­täg­li­che Um­gang mit Wasser ein anderer Aspekt. Derzeit steigt der Wasser­ver­brauch, was in Brandenburg am Run auf die Pools liegt. Unverständlich, dass nicht seit Jahr­zehn­ten stan­dard­mä­ßig Regen-, Dusch- und Wasch­ma­schi­nen­was­ser, Grau­wasser genannt, eaux grises, separat gesam­melt und ge­nutzt wird, Regen­was­ser aus Zis­ter­nen für Gießwasser, andere Grau­was­ser für die Toilet­ten­spü­lung.

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Foto: C.E.

Dienstag, 13. Dezember 2022

Reiserückblick: Essen

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che und blogge hier seit 2007. Ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Sprache. Berufs­be­dingte Reisen bringen manch­mal uner­war­te­te Heraus­forde­run­gen mit sich.

Wer Dienst­reise sagt, sagt Hotelfrühstück und Restaurant. Ich merke, wie nach zwei Wochen Ernäh­rung mit Lebens­mitteln aus dem konven­tio­nellen Agrar­bereich meine Neuroder­mitis auf­flammt. Genau diese Neuro­der­mitis hat dazu ge­führt, dass ich beizeiten über Ackergifte und Wasser- und Boden­ver­schmut­zung sowie Öko­land­bau nachzu­denken begon­nen habe. Diese Themen gehören heute als Dol­met­sche­rin zu meinen Lieb­lings­themen.

Mich wundert, dass es in meinen Arbeits­län­dern, obwohl immer mehr Men­schen zu Lebens­mit­teln mit Öko­labeln greifen, noch immer kaum Bio-Restau­rants oder Bio-Hotels gibt. Die Kosten für acker- und natur­scho­nen­de Produkte waren schon immer ein wenig teurer als die der indus­tri­el­len Land­wirt­schaft. Da Letzte­re mit hohen Preisen für Dünge- und ähnliche Betriebs­mittel kämpfen, auf Fran­zö­sisch les intrants, die Bio­szene aber nicht, ist der Preis­abstand geringer ge­wor­den. Und grund­sätzlich habe ich mal gelernt, dass der Ma­terial­einsatz oh­ne­hin nur 25 Pro­zent des Endpreises ausmacht. Hier verringern sich die oben erwähnten "Pfen­nig­"un­ter­schie­de ein weiteres Mal.

Absurd: Die Leute kaufen aufgrund der allgemeinen, von Ener­gie­mo­no­po­len ge­trie­be­nen Teuerungskrisen ihre Biolebensmittel vor allem in Super­märkten, wäh­rend immer mehr eigen­tü­mer­ge­führ­te Bio­läden Insol­venz anmel­den müssen. Jene, die das nötige Geld haben, und das sind trotz alledem viele, sollten den Einzel­handel stabil halten, denn Markt­kon­zen­tra­tio­nen ha­ben noch nie Gutes gebracht, QED.

Zurück ins Beher­ber­gungs­we­sen: Bio­ho­tels finde ich online maximal in ir­gend­wel­chen schö­nen, ländlichen Gegen­den, wo die Lebens­mittel z.T. auch vor Ort ange­baut werden. In Städten und touris­ti­schen Gegenden ist das eine Markt­lücke.

Bis die­se Lücke ge­schlos­sen ist (Hal­lo, De­ho­ga!), suche ich mir in den Hotel­buffets raus, was ich eini­ger­maßen zu ver­tra­gen hoffe. Darun­ter ist Müsli, das ver­mutlich Zucker­zusätze hat, Frucht­jo­ghurt aus der großen Schale, der mit che­mi­schen Zu­sät­zen auf­be­rei­tet wurde, Bröt­chen aus der Teig­ling-Feig­ling-Auf­back-Sphä­re, Kä­se von Kü­hen in An­bin­de­hal­tung.

Mal sehen, wie lan­ge es braucht, bis sich die Haut wie­der be­ru­higt hat. Ich reise be­reits mit dem eigenen Kopf­kis­sen und nein, ich möch­te nicht auch noch meine Lebens­mit­tel mitneh­men müssen.

Draufsichten: Frühstücke mit Käse, Obst, Gemüse, Graubrot, Croissants, Kaffee ...
Berliner Frühstückskultur


Schwierig bis unmöglich ist übrigens die Obstmah­lzeit auf Reisen: In den Hotels wird nur Tot­ge­spritz­tes ange­bo­ten, in einen Bio­la­den kommen wir bei eng ge­tak­te­ten Dienst­rei­sen nicht so einfach mal rein. 

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Fotos: C.E. 

Montag, 12. Dezember 2022

Rückblick 2022 (2): Pandemie

Wie Über­setzer:in­nen und Dol­met­scher:in­nen ar­bei­ten, erfahren Sie hier. Meine Arbeits­sprachen sind Fran­zö­sisch und Deutsch (Mutter­sprache) sowie Englisch. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Zu nur einem Rück­blick bin ich nicht fä­hig, dazu ist die La­ge zu kom­plex.

Noch ist die Covid-19-Pan­de­mie nicht vor­bei. Ich war bis­lang drei Mal infi­ziert: Ja­nu­ar 2020 noch als "aty­pi­sche Vi­rus­in­fek­tion" attes­tiert mit den be­kann­ten Symp­to­men, nur Ge­ruchs- und Ge­schmacks­ver­lust tra­ten zeit­ver­setzt ein, die Blut­pro­be ist leider ver­worfen; dann Sep­tember 2021 mit dem Rei­se­mit­brin­gsel ei­ner Sport­freun­din, die in der Bre­tagne war, zu­letzt No­vem­ber 2022 mit Omi­kron.

Maximale Personenanzahl im Raum: 25
An der Tür eines Kon­fe­renz­raums
Den ersten und den jüngsten Durch­lauf habe ich mir höchs­wahr­schein­lich in der Dol­met­scher­ka­bine ge­holt. Al­lei­ne der Ge­danke an den Arbeits­ort stresst mich jetzt. Jetzt pla­ne ich den Er­werb ei­nes klei­nen Luft­fil­ters für die Hand­tasche.
2022 war ein inten­sives Jahr. Es ging mit einem langen Lock­down los. Im Februar hat dann Russ­land die Ukraine über­fal­len, es folgten Sa­bo­ta­ge­akte an den Gas­pipe­lines, die Ener­gie­kri­se und die an­hal­ten­de In­fla­tion. Im Beruf war es lan­ge still. Ich hat­te Glück im Un­glück und durf­te re­la­tiv re­gel­mä­ßig nach NRW rei­sen, um auf einer Bau­stel­le zu dol­met­schen. Mein beim zweiten Co­vid­durch­lauf er­hus­te­ter, nicht ope­ra­tions­pflich­ti­ger Leis­ten­bruch hat bis in den Früh­sommer |ge­muckert| ge­schmerzt.

Und nein, bei fünf Grad Cel­sius auf einer Bau­stelle zu dol­met­schen und nach an­dert­halb Stun­den den Rücken zu spüren, ist keine Freude. Korsett, Ent­span­nungs­übun­gen, sanftes Joga, viel schla­fen, gut essen — in Sa­chen Selbst­für­sor­ge hatte ich Auf­gaben zu erledigen.

Irgendwann ging dann das nor­male Dolmetsch­jahr los und hat uns auf Trab ge­hal­ten, al­ler­dings nicht immer zu den vollen Sätzen. Wir arbeiten seit Jahren im Team für et­li­che Vereine und Initia­ti­ven des kultu­rel­len Aus­tauschs und der Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit, die zwei Jahre lang keine Mit­glie­der­ver­sammm­lungen ab­ge­hal­ten hat­ten. Da­mit die­se wie­der rich­tig of­fi­ziell ak­tiv wer­den und För­der­gelder bean­tra­gen können, gab es et­li­che kaum finan­zier­te Meetings. Dol­met­sche­rin­nen sind mit­un­ter auch Er­mög­li­che­rin­nen.

Was erwartet uns 2023? "Wenn du weißt, was die Zu­kunft bringt, hast du schlechte Infor­man­ten", sagte mir Sep­tem­ber 1989 ein Leip­zi­ger Opti­ker. Ich den­ke in der letz­ten Zeit häu­fi­ger an dieses groß­ar­tige Zitat.

Die Energie­krise geht einher mit fort­ge­setz­tem CO2-Auf­wuchs in der Atmos­phä­re und der Biodi­ver­si­täts­kri­se. Die Ver­zweif­lung der jungen Men­schen, die der­zeit viel de­mons­trieren, teile ich. Zugleich weiß ich, dass wir starke, gute Alter­na­ti­ven sicht­bar machen müs­sen. Es gibt Aus­wege in eine ge­sun­de, schöne Zu­kunf­t. Dafür werden wir an die Subs­tanz unserer Weltan­schau­un­gen ran­müssen. Und wir brauchen wie­der einen po­si­ti­ven Blick auf die Wis­sen­schaft und auf unsere ei­ge­ne Un­wis­sen­heit, mehr Be­schei­den­heit, Ein­sicht in die ei­ge­nen Gren­zen, De­mut, Of­fen­heit und Neu­gier und Bil­dungs­opti­mis­mus.

Wich­tig ist auch, tä­tig zu wer­den, nicht dem Ge­sche­hen ausge­lieferte Opfer zu sein, son­dern ak­tiv das Le­ben zu ge­stal­ten.

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Foto: C.E.

Sonntag, 11. Dezember 2022

Am Wasser gebaut

Aus dem Arbeits­alltag einer Dol­met­scherin können Sie auf diesen Seiten einiges er­fah­ren. Meine Mutter­sprache ist Deutsch, ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Ins Eng­li­sche über­setzt die Büroko­llegin, die aber, genau­so wie ich, nicht durch­gehend da ist. (Kunden auf der Suche nach Do­ku­men­ten­über­set­zung: Wir bieten Termine nach Ab­sprache an. Bitte sen­den Sie uns eine Mail.) 

Sonntagmorgen in Berlin
Es ist kalt in Berlin, und diese drei las­sen die Mama (oder den zwei­ten Papa) ausschlafen (das ist ja manch­mal unklar). Möwen krei­sen über der Brücke. Eben hat noch ein Pas­sant Brot­stücke ins Was­ser gewor­fen und ist dann wei­ter­ge­gan­gen, laut kom­men­tie­ren die En­ten das im Wett­kampf mit den schim­pfen­den Spat­zen im Busch. Die ein­jäh­ri­gen, noch grau­braun­en Schwä­ne üben sich in Eleganz.

Die Älteren, ein rein­weißes Schwa­nen­paar fliegt den Kanal entlang, der Wind streift durch die Fe­dern und es er­klingt das typi­sche Pfei­fen. Hoch und spitz ruft ein Vogel, den ich nicht kenne, von einem Dach­first.

Nach Wochen der Krank­heit und Dienst­reisen bin ich Sonn­tag­früh zum Crois­sant­kau­fen draußen. Links am Ufer fällt der Tribut ins Auge, den unsere Nach­bar­schaft die­ses Jahr an die Trocken­heit be­zahlt hat und weiter bezahlen muss. Hier feh­len gleich meh­rere Bäume in Serie, die auf­grund des sin­kenden Grund­was­ser­spiegels sogar am Rand eines Was­ser­laufs ver­durs­ten. Im Bundesland rund um Berlin sind durch die Trocken­heit jetzt nahezu alle Bäu­me aus­nahms­los ge­schädigt. Vor der Fünf­jah­res­trocken­heit wa­ren noch 40 Prozent ge­sund gewe­sen.

Bei den Ein­sätzen ging es viel um Was­ser und ums Klima. (Einige zu den Ter­mi­nen ge­hö­ren­de Nacht­räge wer­den fol­gen.)

Wie gut, dass mir schon als Erst­se­mes­ter­stu­den­tin mit Teil­zeit-Au-Pair-Job in einer Fa­mi­lie in Fleisch und Blut über­ge­gan­gen ist, dass das Was­ser auf Fran­zö­sisch weib­lich ist.

Vokabel­liste 
cours d'eau, le — Wasserlauf (oder auch Bach), der
ru, le (veraltet oder regional) — Bach, der
ruisseau, le — Bach, der
rivière, la — Fluss, der
fleuve, le — Strom (ein großer Fluss, der ins Meer mün­det), der
canal, le — Kanal, der
mer, la — Meer, das
océan le — Ozean, der oder Welt­meer, das
eau, la — Wasser, das

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Foto: C.E.

Freitag, 9. Dezember 2022

Upcycling: Furo­shiki

Hallo, hier bloggt seit 2007 eine Über­set­ze­rin und Dol­met­sche­rin. Die Kon­gress­sai­son ist zuende, das Jahres­ende gehört der Familie, dem Zuhause, den Bü­chern. Wer im Beruf viel zu Um­welt­the­men ar­bei­tet, orien­tiert sich auch pri­vat um.

8000 Tonnen Geschenk­pa­pier wan­dern jedes Jahr in der Ge­schenk­saison am Jah­res­en­de in die Müll­ton­ne. Viele sind mit gif­tigen Farben, Glit­ter und Lacken be­druckt, so dass sie in die schwarze Tonne gehö­ren, KEINESFALLS in die Papier­tonne.

Nähmaschinen, Stoff, genähte Geschenkverpackungen
Julia fotografiert ihren Arbeitstisch
Ein Weg aus dem Dilemma sind wie­der­ver­wert­ba­re Ge­schenk­tü­cher. Dazu lassen sich Stoff­reste verwenden, aber auch alte, ka­put­te oder kom­plett aus der Mo­de ge­kom­mene Klei­dungs­stücke, sofern der Stoff gut genug ist.
Angefangen hat damit vor Jahr­zehn­ten unser Vater, indem er alte, weiße Stoff­ser­viet­ten da­zu be­nutzt hat. Mit Fa­mi­lien­neu­zu­gän­gen kehr­te das Ge­schenk­pa­pier zurück.

Heute nähe ich Geschenktücher aus bun­ten Stoff­res­ten. Aus Är­meln al­ter Blu­sen oder Her­ren­hemden las­sen sich mit wenig Nähten Beutel für kleine Geschen­ke her­stel­len. Die Schwan­ger­schafts­bluse unserer Mama, in der sie ihren Zwil­lings­bauch getragen hat, wurde Jahr­zehn­te später zu großen Ge­schenk­tüchern und kleinen -beuteln. Wer kei­ne Zeit zum Um­nähen hat, nutzt eine Zickzack­schere: die Kante mit dem Zahn­muster franst lang­samer aus als eine gerade Kante.

Japa­ner kennen diese Me­thode seit Ewig­keiten, und nennen ein quadratisches Ge­schenk­tuch Furo­shiki, was aus den ja­pani­schen Wörtern für "Bad" (furo) und Tuch" (shiki) zusam­men­ge­setzt wurde. Im Tuch wurden einst Toi­let­ten­uten­si­lien ins öf­fent­li­che Bad ge­tra­gen. Bei der Größen­be­stim­mung der Tücher hilft der Grund­satz, dass das Geschenk etwa ein Drittel der Dia­go­nalen des Furo­shiki aus­ma­chen soll. Lose En­den werden ein­ge­schlagen, andere ver­kno­tet, fer­tig ist das Geschenk mit Tra­ge­griff.

So ortho­dox sind unsere unter­schied­lich großen Geschenk­tücher nicht. Auch Stoff­bänder können die Stoff­en­den zusam­men­halten. Wieder andere Beutel stammen aus dem "Sei­ten" von alten Mus­ter­bü­­chern eines Raum­aus­stat­ters.

Die Idee ist um­welt­freund­lich und prak­tisch. Ich habe aus größeren Tüchern schon Einkaufs­taschen geknotet, sie waren beim Pi­cknick als "Tisch­deck­chen" und klei­ne­re als Ser­vi­et­ten genutzt worden; auf dem Rück­weg kauften wir etwas auf dem Markt ein und hatten keine Ein­kaufs­tasche dabei.

Dieses Jahr werde ich ein altes Chintz-Kleid zer­schnei­den, das nicht nur komplett aus der Mode ist, son­dern beim letzten Ball­ein­satz, einer Mottoparty "80-er Jahre", un­rett­bare Schä­den be­kom­men hat, Löcher und Risse. (Ich sage nur Uralt­ses­sel und Stahl­federn, die sich durch Stof­fe boh­ren! Es wurde zum Glück nur Stoff verletzt.)

Dafür wurden Geschenk­tücher aus dem Stoff, der einst den Zwil­lings­bauch einge­hüllt hat, für das auf­ge­ar­bei­te­te Pup­pen­holz­bett von 1900 zu Kopf­kis­sen- und Bett­be­zü­gen umgenäht, die 3. Ver­wen­dung ein- und der­sel­ben Textilie!

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Foto: C.E., Danke an Julia von
JOVIUS Reworked Vintage

Samstag, 5. November 2022

Zum Piepen aber auch!

Hallo, hier bloggt seit 2007 eine Über­set­ze­rin und Dol­met­sche­rin. Die Kon­gress­sai­son neigt sich dem Ende zu. Es ist hohe Zeit für mehr Ruhe.

Bild aus dem Büro: Ein Metallvögelchen sitzt auf Perückekopf
Einen Vogel haben
Ende einer Chaoswoche mit Bu­chun­gen, dubiosen Anfragen, Absagen, Doch-Zusagen, von Agen­tu­ren entnervten Kun­den, sowas gab's noch nie. Mal se­hen, ob ich es schaffe, etwas dazu nachzutragen.

Bei all­dem hab ich als jemand, die im frü­he­ren Be­rufs­le­ben  Jour­na­lis­tin war und auch län­ger an der Uni(*), im­mer ein Auge auf die Me­dien­land­schaft. 

Der reichs­te Mann der Welt hat sich ein Social media als Hobby ge­kauft, das (leider) für die politische Mei­nungs­bil­dung ziem­lich wesent­lich ist, und plant, fee speech ein­zu­füh­ren, frü­her war es free speech. Die Hälf­te der Mit­ar­bei­ter:innen der Seite wird mög­li­cher­wei­se ge­ra­de ent­lassen. Von ihnen ha­ben viele als Mo­de­ra­tor:in­nen dort ge­wirkt, also ge­löscht, was zu ex­trem war. Also im Rah­men der Re­gu­la­rien, die jetzt auf dem Prüf­stand stehen.

In der Zwischenzeit flie­hen die Nutzer:innen, und die Wer­be­kun­den üben sich in Zu­rück­hal­tung. Kurz: Jene, die ver­kauft wur­den, zei­gen dem Käu­fer den Vogel. 

Zugverspätung: Tafel mit der gestrichenen Verbindung
Weit nach Mit­ter­nacht be­ka­men wir Taxi­gut­scheine
Ich bin nur ab und zu bei den Zwit­sche­rern (mit dem Pseu­do­nym "film­dol­met­scher"). Dort sind ei­ni­ge ge­schät­zte Kol­le­g:in­nen aktiv, mein Blog hier wurde dort lan­ge zu­sam­men mit an­de­ren Blogs aus der Sprach­bran­che ver­linkt. Oder wenn ich im Zug sitze und Twit­ter mehr weiß als die Zug­be­gleiter ... (bei der Rei­se, die hier als Il­lus­tra­tion dient, wa­ren wir knapp fünf Stun­den spä­ter am Ziel als ge­plant).

So richtig knuf­fig war das, was dort statt­fand, für mich nie. Ich glaub', ich hab's nie ver­stan­den. Dort éven­tu­el­le­ment or even­tual­ly weg­zuge­hen, wäre also kei­ne große Ein­buße für mich.

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Fotos: C.E.
(*) Langzeitstudentin, Langzeitdozentin,
daneben immer ein Bein in der Berufswelt

Sonntag, 30. Oktober 2022

CQFD

Bon­jour & hel­lo! Sie sind auf den Sei­ten eines digitalen Ta­ge­buchs aus der Welt der Spra­chen ge­lan­det, das es seit 15 Jahren gibt. Heute ganz be­son­de­re Sonn­tags­bil­der.

CQFD sagen die Fran­zo­sen, wenn sie WSBW meinen. What? Naja, quod erat de­mons­tran­dum oder QED aus der Mathe­ma­tik kennen viel­leicht nicht nur die La­tei­ner.

Für mich war nach einem Schul­wer­degang auf Deutsch im Studium in Frank­reich alles mögliche zu lernen, sogar ce qu’il fallait dé­montrer aus dem Ma­the­un­ter­richt. Damit war mein Frank­reich­studium unter Fran­zosen ein wenig intensi­ver als ein Auslands­semester per Eras­mus-Sti­pendium. Solche Programme finde ich super, sie bieten aber leider wohl zu viele Mög­lich­keiten für mehr­mona­tiges Party­leben unter inter­ntionalen Stipendiaten while spea­king simpli­fied English (womit dann andere als die ge­setzten Lernziele er­füllt werden.)

Der Tages­spiegel hat einen oft sehr amü­santen News­let­ter, "Check­point" ge­nannt, zu dem mir nur CQFD ein­fiel. Letzte Notiz übers Wet­ter für dieses Jahr, ich schwöre, nur übers Kli­ma schrei­be ich dann noch. Hier also der TSP:
Fühlen auch Sie sich vom Wetter in die Irre geführt, fragen sich, was das denn nun für eine Jahreszeit sein soll, die sich zugleich mit den Innsignien eines goldenen Herbstes, sommerlichem Grün und frühlingshaften Temperaturen schmückt? Was auch immer das ist, es ist jedenfalls Wochenende. Und war auf ein 47 Stunden verkürztes — wir haben nämlich Zeitumstellung.
Versuchen wir's nochmal mit dem Merk­satz: Im Frühjahr werden die Ter­ras­sen­tische und -stühle vor die Tür gestellt, im Herbst zurück. Auf Eng­lisch viel ele­gan­ter: Spring forward, fall back (denn auf US-amerika­ni­schem Englisch heißt Herbst the fall). Als "Raus­schmeißer" noch einen wei­te­ren Beleg für die Grenzen des sonst span­nen­den Wer­kzeugs "DeepL" das be­kannt­lich nicht selbst denkt, we­der Si­tu­a­tio­nen ein­zu­schät­zen ver­mag noch Wort­witz oder Um-die-Ecke-Den­ken kennt. Hier hat­te die KI maxi­mal die deut­sche Klima­po­li­tik in der pu­tin­schen Erpres­sungs­la­ge im Blick.

Die Maschine übelsetzt: spring forward, fall back mit "vorwärts springen, zurückfallen"
https://www.deepl.com

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Illustrationen: Tagesspiegel und DeepL
(modifiziert: gestaucht und das Mittelblaue)

Samstag, 29. Oktober 2022

Heimat

Will­kom­men im digi­talen Arbeits­ta­ge­buch aus der Spra­chen­welt. Sams­tags brin­ge ich hier, wenn ich es schaf­fe, mei­nen aktu­el­len Lieb-Link.

Haus Simon (Drehort)
In meiner Jugend gab es Begrif­fe, die ver­brannt waren und die es im Grun­de bis heute sind. "Na­tio­nal" ist so einer. Da echo­­te noch zu stark nach, was ei­nige Jahr­zehnte zuvor Leid, Tod und Zer­störung über Eu­ro­pa ge­bracht hatte. Noch heute übertrage ich die solution na­tio­nale als "frank­reich­weit gül­ti­ge Lösung". Ist län­ger, ja, aber klappt.

Natürlich ist es ziemlich blöd, wenn bestimmte Gruppen mit ihren Ver­schwörungs­er­zäh­lungen Begriffe beschmutzen und für lange Zeit un­brauchbar machen. Heute ist das die "Alternative", was schon ziemlich heftig ist, waren "die Alter­na­tiven" doch jahr­zehn­te­lang die juteta­schen­tra­genden Ge­sund­heits­schuh­ler:innen. Oder das Wort "querdenken". Bäh.

Auch "Heimat" war lange so be­schmutzt, klang es doch noch nach "BluBo" (Blut und Boden), nach Nar­zis­sen (Nazi-Frau­en) und "Heimat­schutz", wo Kinder und Opas dem Höllen­feuer des zu Ende ge­hen­den Krie­ges in den Schlund gewor­fen wurden. 

Dann kam Edgar Reitz. Der große Edgar Reitz. Er schenkte uns in den 1980-er und früh­en 90-er Jahren seine Heimat­trilogie. Wir alle wohn­ten damals in Schab­bach und waren in Schnüss­chen verlie­bt, auch wir Fra­uen. (Und Helmut Kohls dialek­tale Einfärbung war plöt­zlich we­ni­ger pein­lich. Ohne "Heimat" und Mauer­fall wäre er En­de der 1990-er abge­wählt wor­den!)

Jetzt (und den ganzen Novem­ber über) ist der erste Teil der Groß­serie (be­ste­hend aus drei Zyklen) auf 3Sat zu sehen. Für die Deutschlerndenden hier: Ich hoffe,  dass ohne Geolokalisierung gesendet wird. Sonst etwas dazwischenschalten, was Euren Standort verwirbelt, ihr wisst schon. Denn Ihr braucht natürlich kulturelles Hin­ter­grund­wis­sen für Eure künf­ti­ge Ar­beit. Und wir hoffen dann auf die nächsten Folgen der Chronik der deutschen Geschichte aus der Perspektive der kleinen Leu­te, liebes 3Sat!

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Foto: Totina, Bauernhaus mit Schmiede
in Gehlweiler
, Wikicommons

Freitag, 28. Oktober 2022

Auf dem Schreibtisch (LXVIII)

Über den Ar­beits­all­tag einer Dol­met­scherin können Sie auf diesen Seiten einiges er­fah­ren. Meine Mut­ter­sprache ist Deutsch, ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Wenn es wie derzeit wie­der kaum Kon­fe­ren­zen vor Ort gibt, f*uck C-19, sit­ze ich am Schreib­tisch.

Am Wochenende darf ich den Schreib­tisch auf dem Bal­kon ver­le­gen. Ich hatte die Som­mer­pols­ter (wie die Sommer­klei­dung) schon ein­ge­mot­tet.

Was liegt gerade auf meinem Schreibtisch?

Perückenkopf als Platzhalter
⊗ Buch­über­set­zung
⊗ Ethi­scher Le­bens­mit­tel­ei­nkauf
⊗ Sahel-Kon­fe­renz, noch eine, die­ses Mal auf Ver­eins­ebene
⊗ EBR-Sit­zung (Redak­tion von Sta­tu­ten, nur einige Stun­den online)
⊗ Was­ser­ma­nage­ment, Schwamm­stadt und andere In­ves­ti­tio­nen für mehr Klima­re­si­lienz

Der klei­ne Nachbar­junge: "Das sollen jetzt die Herbst­fe­rien sein? Das ist doch Som­mer­wet­ter!" Recht hat er, das ist nicht mal mehr Herbst­lings­wet­ter.
Fürs Pro­to­koll: 8 bis 12 Grad überm Durch­schnitt wer­den's heu­te in Deutsch­land.

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Foto: C.E.
 

Donnerstag, 27. Oktober 2022

Buchpreise

Aus dem Arbeits­alltag einer Dol­met­scherin können Sie auf diesen Seiten einiges er­fah­ren. Meine Mutter­sprache ist Deutsch, ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Heute geht es kurz um Buch­preise und nein, litera­rische Aus­zeich­nun­gen sind nicht ge­meint.

Wenn die Dolmet­scherin beim Ko­chen und Ge­schirr­spül­ma­schi­nen­aus­räumen statt Radio einer wis­sen­schaf­tli­chen Konfe­renz lauscht, fal­len Zi­ta­te wie das fol­gende ab:
Die schwere Wirt­schafts­kri­se, von der Deutsch­land er­schüt­tert wird und de­ren Pers­pek­ti­ven den Win­ter verdun­keln, hat auch die Bü­cher­pro­duk­tion in einem früher auch nicht an­nä­hernd er­reich­ten Maße in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen. Zwar wa­ren auch bis­her schon die Bücher­preise er­heb­lich gestie­gen, aber ihre Steige­rung blieb immer noch be­trächt­lich zurück hin­ter der der übr­igen Erzeug­nisse. Jetzt zum ers­ten Male schei­nen sich auch die Bü­cher­prei­se dem Dol­lar­stan­de an­pas­sen zu wol­len, und die Folgen sind für das deut­sche Pub­likum ein­fach ka­tas­tro­phal. Die stetig fort­schrei­ten­de Markt­ent­wer­tung hat den deutschen Buch­handel zu einer neuen Preisre­gu­lierung ge­zwun­gen [….], aber der Kon­su­ment kann nicht mit. […] Die unheil­vollen Folgen und Rück­wir­kun­gen die­ser Ver­hält­nis­se auf das geis­tige Ge­biet brau­chen nicht ange­führt zu wer­den.
Quelle: Ernst Robert Cur­tius in der „Lu­xem­bur­ger Zei­tung" vom 26.11.1922

Wegen des blöden C-19 gibt's weiterhin viel online und per Zoom. Schön wäre es, wenn das als eine Option beibehalten werden könnte!
Internationale Tagung Denkkulturen - Kognitive Ordnungen und kulturelle Paradigmen in der europäischen Verflechtung, 27.-28. Oktober 2022, am Centre Ernst Robert Curtius (CERC) der Universität Bonn. Die CERC-Jahrestagung wird durch die Deutsch-Französische Hochschule gefördert. Sie ist Teil des Programms der INTERNATIONAL DAYS 2022 der Universität Bonn und Auftaktveranstaltung zum universitären Frankreichjahr "BONN*E FÊTE – 60 Jahre Elysée-Vertrag".
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Illustration: CERC, Bonn

Dienstag, 25. Oktober 2022

Jahresvorausblick (2): Delegationsreise

Ob zu­fäl­lig oder ge­plant: Sie sind hier auf Sei­ten eines digi­talen Tage­buchs aus der Ar­beits­welt gelan­det. Ich bin (mit Deutsch als Muttersprache) Dol­met­scherin für die fran­zösische Spra­che (und aus dem Eng­li­schen). Teil zwei mei­nes Jah­res­rück­blicks, der ein Vor­aus­blick ist.

Wir sind mitten im Frühbst, erste Knos­pen gehen auf. Das ist schockierend und zeigt, wie sehr wir Men­schen das Klima schon durch­ein­an­der­ge­bracht haben. Auf der anderen Seite müs­sen wir so weniger heizen. Immerhin das.

In der Mittags­zeit wandere ich durch die Nachbarschaft in Pulli, Woll­strick­jacke und mit Puls­wär­mern, was bei über 19 Grad (gestern Mit­tag, heute etwas küh­ler) angenehm ist.

Zwi­schen­durch schreibe ich ein Angebot, das "post­wen­dend" bestätigt wird. Im November darf ich end­lich wieder fürs Aus­wär­tige Amt arbeiten. Es geht um eine For­schungs­grup­pe, die zum Thema Was­ser­rein­hal­tung und zu anderen Fragen des technischen Umwelt­schut­zes und der Klima­re­si­lienz nach Deutsch­land kommt. 

Projekt Wasserreinigung mit Grafik ... und Wasserprobe
Projekt Wasser

Vor-Ort-Termine sind immer so etwas wie eine Kon­fe­renz auf Reisen. Die Er­schwe­rnis liegt im hohen fach­li­chen Niveau und dass ich als Kon­se­ku­tiv­dol­metsche­rin al­leine arbeiten werde. Dabei ist Dolmet­schen in der Regel Team­ar­beit fürs Be­griffe auf­schreiben, re­cher­chieren, souf­flieren ... ich muss mich hier an­ders be­hel­fen. Wie, werde ich später be­richten.

Kurz­reisen von For­schungs­grup­pen be­gleite ich be­son­ders gerne, denn hier ist mei­ne persön­liche Lern­kurve am steils­ten. Von der Verbraucherseite aus gesehen habe ich ja in Sachen Umwelt­technik ge­ra­de erst viel gelernt. Schön, wenn die Arbeits­fel­der so in­ein­an­der­grei­fen!

Nur dieser Herbst­ling macht mir Sorgen. Aber was ich an meinem be­schei­de­nen Platz machen kann, dafür dass die Mensch­heit mit mehr Wis­sen den Kar­ren aus dem Dreck zieht, das mache ich. So ist mein Beruf wieder sehr be­frie­di­gend.

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Foto: C.E. (Archiv)

Dienstag, 18. Oktober 2022

Rückblick 2022 (1): Industrie

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che und blogge hier seit 2007. Ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Sprache. Hier Bilder aus meinem Be­rufs­all­tag.

Die Feinjustierung der Lüftung folgt
D
ie erste Rückschau des Jahres soll das heute werden, denn so viele Einsätze liegen nicht mehr vor uns.

Als ich vor vier Jahren einen Anruf aus der franzö­sischen Provinz erhielt, ahnte ich nichts. Ich wurde als Dolmetscherin zu den Beratungen über eine Mar­ke­ting­sta­te­gie hinzuge­zogen, allerdings in der Nähe der deutschen Haupt­stadt. Als ich am Morgen des Ter­mins ankam, war­te­ten be­reits an die 20 Leute im Raum. Es sollte erst in ei­ner guten halben Stun­de los­ge­hen.
Die Teil­neh­men­den un­ter­hiel­ten sich lei­se. Der Chef ser­vier­te mir höchst­per­sön­lich einen Kaf­fee, ließ mich an­kom­men, dann frag­te er mich mit der größ­ten Liebens­wür­dig­keit, ob es mir et­was aus­ma­chen würde, wenn wir frü­her an­fan­gen wür­den. "Dann sind wir am Nach­mit­tag schnel­ler durch!", schloss er lä­chelnd.

Alle schau­ten auf mich. Und so be­gann der bis­lang ein­zi­ge Ter­min in meiner bis­he­ri­gen Kar­riere, der eine halbe Stun­de Vorsprung hatte.

Küchenbegehung mit Gästen und Dolmetscherin
Im Nach­hinein be­mer­kens­wert: Alle wa­ren und sind so mo­ti­viert, dass sie frü­her bei Tref­fen an­kom­men. So habe ich diese deutsch-fran­zö­si­sche Fir­ma, die Kan­tinen baut, um­baut und be­treibt, ken­nen- und schät­zen­ge­lernt.

Vieles funk­tio­niert in der Fir­ma zwei­spra­chig. G­­le­gent­lich wird doch eine Dol­metscherin be­nö­tigt, und so übertrage ich Hin­ter­grund­infos zu ethi­schem Einkaufen und Re­zep­ten, dol­met­sche Mitar­bei­ter- und Bilanz­ge­spräche und habe als Kom­mu­ni­ka­tions­fach­frau beim Bau einer Kan­ti­nen­küche mit­ge­wirkt. Diese Kan­tine wur­de nun eröffnet.

Einiges ist noch zu tun, die Lüf­tungs­an­lage kann erst nach eini­gen Wo­chen Be­trieb jus­tiert werden. Dann folgen die Außenanlagen und die Fas­sa­den­be­grü­nung.
Ko­misch, die Kü­che jetzt fer­tig zu se­hen. Ich wünsche ihr und den vie­len Men­schen, die sie be­le­­ben, al­les er­denk­lich Gute!

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Fotos: privat

Montag, 17. Oktober 2022

Bildstörung

Was und wie Kon­fe­renz­dol­metscher und Übersetzer (und Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen) ar­beiten, da­rum geht es hier. 2007 wur­de auf der Ber­linale dieser Weblog ge­bo­ren. Wir sind im drit­ten Herbst der Pande­mie und im ers­ten Herbst der gro­ßen Ener­gie­krise.

Am Abend eile ich noch schnell in den Un­ver­packt­la­den. Aber irgen­dwas ist anders als sonst! Eine Art Bild- oder Tonstörung ...  

Höhle, Gesicht, Windrad, Blüte, Aufkleber von "Stadtträume"
Aufkleber, gesehen in Berlin
Mir kommt es vor wie kurz nach Mitt­sommer, abends nach zehn: Die Stra­ßen voller feiern­der Menschen, die Luft ist 23 Grad warm. Nach ei­­nem lan­gen Über­set­zertag schweift der Kopf ab. Irgendwie seltsam, so spät in der Nacht einkaufen zu gehen. Im Laden treffe ich Nachbarin Mathi­lde samt Sohne­mann, der längst im Bett sein müsste, statt­des­sen darf er Nu­deln auswäh­len (und ent­scheidet sich für sonnen­blumengel­be Mais­nu­deln).
Zurück ins Jetzt: Es ist erst nach sechs Uhr am Abend, wir schreiben den 17. Oktober. Vor zehn Jahren hätten wir uns uns über 26 Grad an einem Spätjunitag gefreut. Jetzt ist die Freude verhan­gen. "Das ist doch nicht nochmal!", sagen die einen, "... wir erst vier Stunden ins­ge­samt", die anderen.

Die Ber­liner meines Um­felds stehen im Wettbewerb darum, wer am wenigsten oft die Gaszeihung anschmeißt. Im Büro am Ufer waren es in letzter Zeit drei Mal nur 16 Grad "warm", sonst immer ein oder zwei Grad mehr. Dicke Pulli, das Plaid auf den Knien, heißer Tee und Wärm­fla­sche helfen weiter. Ich mag nicht an in eini­gen Monaten denken. (Wo bleibt ein Brutus, wenn er ge­braucht wird?)

Nach einem Ein­satz zum Thema Energie­krise neulich verfolge ich weiterhin die News zu den Themen Biogas­an­la­gen, Strom­netze, Grund­last, Re­dis­patch-Prob­le­ma­tik, Gas­füll­stände etc., denn das Grund­in­teresse ist auch privater Art. (Und ich war erschüttert, wie neulich im sonntäglichen TV-Presseclub der Modera­tor nicht wuss­te, dass diese Füll­stände über den Winter immer wieder zu ergänzen sind und dass Teile des Gases gar nicht für den deut­schen Gebrauch be­stimmt sind. Wenn sogar ich das schon weiß!)

Am Abend­brot­tisch wird dann neben der Energie- auch gleich die Mobilitäts­wen­de mit­dis­ku­tiert. Unser Land muss auch hier grund­le­gende Reformen einleiten. Es reicht eben nicht, den Stau auf den Stra­ßen zu elektri­fizieren oder Sonderan­ge­bote ins Schau­fenster zu stellen, dann aber keine guten Ver­bin­dungen bis weit in die Region anzubieten.

So, jetzt folgt noch eine kleine Abend­schicht. Die Kollegen erarbeiten einen Kos­ten­vor­anschlag wieder einmal zum Thema Genossens­chaften und ich ein An­ge­bot für eine In­nen­ar­chi­tek­tin. Ich hoffe, mich bald mit Um- und Einbauten im Alt­woh­nungs­be­stand beschäftigen zu dürfen.

((Am nächsten Tag soll­ten es in Ber­lin dann wieder „nur“ 16 Grad Cel­sius werden.))

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Foto: C.E. / Stadtträume der BUND-
Jugend: hier entlang

Freitag, 14. Oktober 2022

Positive Verstärkung

Sie lesen im ersten deutschen Blog aus dem Inneren der Dol­metsch­kabine. Ich ar­be­ite und lebe in Berlin, Paris und dort, wo Sie mich brauchen.

Frau mit Eis und Mann mit Maske und Jonglierbaellen
Dolmetschen ist Jonglieren mit Sprachen
Manch­mal suchen wir uns einen Wolf, zermar­tern das Hirn, fin­den einen bestimm­ten Begriff nicht um dann fest­zu­stel­len: Fehl­an­zeige, gibt es nicht in der anderen Sprache!

Aus­drücke, die es nur in einigen Kultur­kreisen gibt, sind nicht selten. La nuit blanche be­zeich­net auf Franzö­sisch eine "wei­ße Nacht", eine Nacht ohne Schlaf, in der deshalb viel­leicht das Licht ange­blieben ist. 

Warum ist da jemand schlaflos? Eine Lüge, die nie­man­dem wehtut, ist auf Eng­lisch a white lie, wäh­rend ich das Pendant für den auf Deutsch "weißen Tod" ge­nannten Tod durch Er­fri­e­ren bis­lang nur auf Franzö­sisch gehört habe, la mort blan­che. Eine "weiße Weste" ist auf der anderen Seite des Rheins nicht bekannt, dafür kennt die fran­zö­sische Sprache une arme blanche, eine "weiße Waffe", ein Messer, ver­mut­lich, weil es im Licht auf­blitzt.

Verant­wortung, Gewalt und Tod, ein ewiger Teu­fels­kreis, un cer­cle vi­cieux, auf Eng­lisch the vi­cious cir­cle. Das Gegen­teil davon ist auf Franzö­sisch le cercle ver­tueux, den es wiederum auf Deutsch nicht gibt. Eine posi­tive Sache ver­stärkt die nächste, was in weitere po­si­ti­ve Ereig­nisse mündet. Dieser Kreis­lauf ist auch im engli­schen Sprachraum bekannt, the vir­tuous cir­cle. Auf Deutsch spr­eche ich da von po­si­ti­ver Ver­stär­kung.

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Foto:
C.E.

Donnerstag, 13. Oktober 2022

(Nicht) auf dem Schreibtisch

Wie Über­setzer:in­nen und Dol­met­scher:in­nen ar­bei­ten, erfahren Sie hier. Meine Arbeits­sprachen sind Franzö­sisch und Deutsch (Mutter­sprache) sowie Englisch. Während die Bürokollegin ein Kurztreffen ins Eng­li­sche dolmetscht, bereite ich ein Pau­sen­getränk vor. Dann geht es weiter mit der Buchübersetzung.

Heute versuche ich mal sowas wie einen absurden Blogpost. Dieser Tage sitze ich konzentriert am Übersetzerschreibtisch.
Zitrone, Ingwer, Reibe, Schale, Obstpresse
Ingwertee mit Zitrone

Pa­ral­lel dazu gehen mir lei­de Ar­beits­ein­sät­ze als Dol­met­sche­rin durch die Lap­pen. Such is life. Ich kann mich ja nicht ver­dop­peln! Und ich bin erneut um eine Er­kenntnis rei­cher: Unter dem Strich liebe ich das Dolmet­schen ein wenig mehr als das Über­set­zen.

Dieser Tage verpasste Einsätze:
⊗ Versi­cherungs­recht, ich hätte von jetzt auf gleich in die Kabine gemusst und war gerade in der Buch­über­set­zungs­pause, als das Handy geklin­gelt hat. Was hier pas­siert ist, weiß ich nicht, aber erinnert mich an einen al­ten Fall, wo der Kunde davon ausge­gangen war, dass der Preis fürs Mieten der Ka­binen das Honorar für die Dolmet­scher:innen ein­schließt.

⊗ Sprach­coaching für einen Wis­sen­schaftler, der eine Dele­gation auf Fran­zösisch in ihrer Mutter­spra­che be­grü­ßen möchte, das finde ich ganz großartig. (Der an­schlie­ßende Aus­tausch wird dann auf Eng­lisch geführt, hier hoffe ich, dass alle aus­rei­chend gut Englisch sprechen.)
⊗ Ge­burt­sur­kun­den­über­set­zung (den Auftrag habe ich an eine Netzwerk­kol­le­gin ver­mit­teln können);
⊗ Vater­schafts­an­er­ken­nung in der Behö­rde, das war auch zu kurz­fris­tig.
⊗ Jugend­arbeit (exakt am Tag eines von zwei festen Dol­metsch­ter­minen in diesem Monat an­ge­fragt);
⊗ Euro-Be­triebs­rat, fünf Stunden, als Fern­dol­met­scherin, eine Agen­tur hatte mir etwa 50 Prozent des­sen an­ge­boten, was der Ein­satz wert ist. Hier habe ich ab­ge­sagt.

Es wäre schön, wenn die Be­triebs­rä­te selbst die Dol­metsch­teams anfragen und beauf­tra­gen könnten, und das nicht mehr das Se­kre­ta­riat der Ge­schäfts­füh­rung machen würde. Es ist sehr komisch, Gewerk­schafts­ar­beit von zu Hause aus zum Dum­ping­preis ver­dol­met­schen zu dürfen.

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Foto:
C.E. (Archiv)

Dienstag, 11. Oktober 2022

Das Prinzip der Waagschalen

Hal­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­te­rin kön­nen Sie hier er­hal­ten. Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che. Ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Sprache. Derzeit bin ich seltener auf Kon­fe­ren­zen an­zu­tref­fen. Die Pan­de­mie ist noch nicht vor­bei: Es fin­den we­ni­ger Ver­an­stal­tun­gen statt.

1923 wie 2022: Büroarbeit
Daher reihen sich jetzt Büro­tag an Büro­tag. Das wird sich in der nächs­ten Zeit kaum än­dern. Heute: Nach­denken zum Thema Über­setzungen ... mit den Hän­den auf der Tas­ta­tur.

Gerade über­setze ich einen Es­say. Die Autorin geht stel­len­weise sehr kreativ mit Sprache um, bringt verständ­li­che Be­grif­fe, die aber zum Teil ei­ge­ne Subs­tan­ti­vie­run­gen sind, gerne auch in Ver­bin­dung mit na­tur­wis­sen­schaft­li­chen Ad­jek­ti­ven. Wie­der­holt fin­de ich, wenn ich online recher­chiere, nur diese eine Er­wäh­nung im weltweiten Netz (es wurden dort Buchaus­schnit­te publi­ziert). Auch pflegt sie eine Art verba­len Denk­mal­schutz, der mir sehr ver­traut ist, ich nut­ze selbst ger­ne vom Aus­ster­ben be­droh­te Be­grif­fe.

Sie stammt aus einem Kul­tur­be­trieb, mit dem ich Fran­zö­sisch ge­lernt habe, dem Hör­funk­sender France Cul­ture. Also lauter gute Voraus­setzungen für eine gute Übertragung.

Erst habe ich gefremdelt. Wollte ihre An­spie­lungen und Anklänge immer im Aus­gangs­satz un­ter­brin­gen, verbiss mich in Halb­sätze.

Dann habe ich mich an mein Prinzip der Waag­schalen erinnert, in einer Se­mi­nar­ar­beit 1987/88 be­schrie­ben: Aus­gangs- und Ziel­text sollten gleich viel "wiegen", und hier spreche ich von Rhyth­mus, Inter­punktion, Anspie­lungen, Al­li­te­ra­tio­nen, Schnör­kel oder Schnör­kel­lo­sig­keit, Bildern und Aus­rufen! Was ich im aktu­ellen Satz nicht unter­bekomme, schreibe ich auf, die Liste hilft mir, die Sachen später wieder einzupflegen, Punkt für Punkt darf ich im Lauf der Arbeit wieder ausstrei­chen.

Damals hatte ich zusammen mit einem er­fah­renen Übersetzer Lyrik und Theater über­setzt, und zwar eher aus Neu­gierde denn mit Gewinn­er­zie­lungs­ab­sicht. Der gute Name des bekann­ten Übersetzer hat damals leider einen hef­ti­gen Schlag für mich bekommen, er hat nämlich (entgegen seiner Zusagen) meinen Na­men bei der Ver­öf­fent­li­chung unter den Tisch fallen lassen. Unschön.

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Foto:
Fotoarchiv Elias Lossow

Montag, 10. Oktober 2022

Der Diener

Was Dol­met­scher:in­nen und an­dere Sprach­ar­beiter:in­nen be­schäf­tigt, können Sie hier mit­lesen. Seit 2007 be­ric­hte ich über den Beruf und meinen sprach­be­tonten Alltag. Wir beschäf­ti­gen uns mit der Spra­che bis runter zu den Begriffen.

Seit 1907 stellt das Muttterhaus Technik für Gebäudesicherheit her. Seit 1950 ist "Groom" ein Oberbegriff für "Türheber. Umgangssprachlich wird auch von le valet gesprochen, einem anderen Wort für "Diener".
Le Groom ist der Hotelboy
Neulich, auf der Kan­ti­nen­bau­stel­le: Der Müll­raum hat ein Kühlag­gr­egat, das derzeit läuft, es ist noch recht warm am Stand­ort der Kan­tine. Damit der Müll nicht stinkt, sind solche Küh­lungen üb­lich. Die Tür nach außen steht sperr­an­gel­weit of­fen. Ich trete kurz vors Haus, sehe mir die Lage an. 

Es gibt keinen Tür­schließer (oder Türheber). Statt­des­sen lässt sich das Tür­blatt zu weit öffnen. Die Tür schlägt an die Ver­klei­dung der Laibung. Nach der Be­ge­hung wird die Liste dessen erstellt, was fehlt. Die Dol­met­scherin ergänzt: Tür­stop­per für die nach au­ßen auf­ge­hen­de Tür, un butoir, sowie Türheber.

C'est un valet, ergänzt einer, dem ich kurz auf FR erkläre, was ich meine. Einen "Diener" also. Passt, jemand, der die Tür schließt ... aber eigent­lich müsste so ein Diener die Tür doch auch auf­hal­ten? Die deut­sche Sprache ist da eindeutiger.

Später folgt wie üblich die Nach­be­rei­tung und eine kleine Be­griffs­re­cherche. Der klas­sische Name für das Teil ist eine Mar­ken­be­zeich­nung, das kennen wir hier­zu­lan­de gut von Papier­ta­schen­tü­chern oder Steck­bau­stei­nen.

Le groom
wird der Hotelboy auf Fran­zö­sisch genannt. Ironie der Sprach­ge­schich­te: Auf Deutsch ist das der Page.

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Illustration: histori­sche Auf­nah­men, eigene
Bearbeitung (Link zum Hersteller). Zum
Vergrößern in ein zweites Fenster laden.

Sonntag, 9. Oktober 2022

Die gelben Blätter

Bon­jour & hel­lo! Sie sind auf den Sei­ten eines digitalen Ta­ge­buchs aus der Welt der Spra­chen ge­landet, das es seit 15 Jahren gibt. Sonntags bringe ich hier ge­le­gent­lich meine Sonn­tags­bilder.

Die Trocken­heit hat in Berlin vie­len Bäumen zugesetzt, so vielen, dass die Stadt jetzt drin­gend in landes­ei­gene Baum­schulen inves­tieren müsste. Denn nicht selten wurden hier die Blätter schon im Au­gust braun. Die Bäume lei­den unter der Dür­re. Gefährlich ist es auch. Man­cher Baum verliert seine Stand­fes­tigkeit.

Der Lieblings­mensch saß mal vor dem Haus beim Café (als das noch kein Nacht­club war) und hörte an der anderen Ufer­seite einen Rie­sen­baum umkrachen, einfach so, ohne Vor­war­nung, an einem Sams­tag­mor­gen um neun, quer über den Weg, die Ufer­promenade voller Jog­gerin­nen und walker.

Aufnahmen vom 11.8. und 9.10.2022
Zum Glück lief in diesem Mo­ment niemand unter dem Baum her.
Sonn­tagsspa­zier­gang in der Re­gen­pause: Einige Grün­strei­fen haben sich erholt. Doch fürchte ich, dass die regen­rei­chen Wo­chen seit dem Spät­sommer im fünf­ten zu trockenen Jahr ledig­lich der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein waren.

Als Dol­met­scherin studiere ich stets sehr auf­merk­sam die Dos­siers und weiß, dass das ge­sam­te Was­ser­ma­na­gement der Stadt auf den Prüf­stand gehört, Stich­wort "Schwamm­stadt". Erste An­fänge sind getan. Noch vor fünf Jah­ren habe ich mich als An­rainerin bei Nach­bar­schafts­­tref­­fen in diese Rich­tung mit Fragen und mit Nach­ha­ken un­be­liebt gemacht. Und ich werde es wei­ter tun.

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Fotos:
C.E.

Freitag, 7. Oktober 2022

Himmel und Hölle

Im 16. Jahr bloggt hier eine Sprach­arbeiterin. Ich dolmetsche und übersetze (Fran­zö­sisch, Englisch). Was die Berufe so ausmacht, beschreibe ich hier. Grundsätzlich gilt: Wir Überset­zerinnen und Dol­met­scherin­nen bringen bei der Arbeit immer unseren ge­sam­ten kultu­rellen Hin­tergrund mit ein. Und wir müssen die Kla­viatur des Humors beherrschen, um Ko­mi­sches wenigs­tens als An­deu­tung über­tra­gen zu kön­nen.

  
"Hickelkasten" oder "Himmel und Hölle"
Der siebente Oktober ist noch so ein Feier­tag, für manche war er das zu­min­dest. Denn ein knappes halbes Jahr nach Grün­dung der Bundes­republik entstand 1949 in der eins­ti­gen "Ost­zone" die DDR. Seither wurde dieser Tag in der Gegend, wo Oma, Tante und un­se­re meisten anderen Ver­wand­ten lebten, der "Tag der Republik" begangen.

Dazu fällt mir ein Witz ein, passend zum The­ma "Mangellage". 

Honecker stirbt. Petrus blickt auf die Waag­schale seines Lebens: ausgeglichen. Viele gute Absichten, viel schlechte Durchführung. Honecker darf selbst entschei­den und sagt: "Him­mel!"

Im Himmel lesen ihm die Engel alle Wün­sche von den Augen ab, den ganzen Tag kann er die Beine hochlegen auf den Rücken der Wolken­schafe mit ihrer zauber­haft weichen Wolle. Ein bisschen lang­wei­lig ist das schon. 

Einer der Engel flüstert ihm zu: "Der Him­mel ist vom Kapitalis­mus ge­spon­sort!"

Das empört Honecker sehr. Er erbittet sich bei Petrus eine Urlaubs­partie in die Hölle. Geneh­migt. Dort sitzen die einen beim Bier, die an­de­ren im Kino, es wird gelesen, debattiert wird hier, sich in der Höhlen­natur ergangen dort, anderen­orts wird aus­ge­las­sen an­deren na­tür­lichen Vor­gän­gen ge­frönt. Honecker wundert sich. Er fragt nach. 

Naja, erfährt er, die Hölle werde vom Sozialismus betrieben, die Bücher und Filme seien span­nend, da voller An­spie­lungen, alle reizten die Grenzen der Zensur und der Kon­trolle aus und erfreuten sich dessen, was da sei.

Denn, ja klar, über­haupt ... in der Folter­halle sei so­wieso nie nix los, in der Regel gebe es keine Nä­gel, Fol­ter­räder und Peit­schen seien auch irgen­dwie grund­sätz­lich nicht lie­fer­bar.

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Foto:
SupapleX (über Wikipedia)

Dienstag, 4. Oktober 2022

Büroarbeit

Aus dem Arbeits­alltag einer Dol­met­scherin können Sie auf diesen Seiten einiges er­fah­ren. Meine Mutter­sprache ist Deutsch, ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Ins Eng­li­sche über­setzt die Büroko­llegin, die aber, genau­so wie ich, nicht durch­gehend da ist. (Kunden auf der Suche nach Do­ku­men­ten­über­set­zung: Wir bieten Termine nach Ab­sprache an. Bitte sen­den Sie uns eine Mail.)

Schreib­tisch­tage: Pla­nung, Lek­to­rat, Zu­sam­men­fas­sung, An­trag­stel­lung, Ver­mitt­lung ei­nes Ein­sat­zes, Ab­rech­nung. Während ich das Büro lüf­te, wird unten auf der Straße der Wo­chen­markt auf­ge­baut. Ich bin also (wie jeden Dienstag und jeden Freitag) nicht al­lein an diesem Ar­beits­tag, das ist trö­stlich.

Arbeitsvorbereitung am Ufer
Themen: Mu­sik aus Af­ri­ka, Bau­ab­nahme, Alt­werden, Innen­ar­chi­tektur.

Im Kreis der Kol­leg­in­nen und Kol­legen gibt es erneut Covid-19-Fälle. Wir an­de­ren haben das kul­tu­rel­le Leben schon wie­der ein­ge­schränkt und müs­sen bei kurz­fristigem Ein­springen sehr flexi­bel sein. Lei­der gilt dies im­mer öf­ter auch f­ür die Bu­chun­gen.

Wussten wir frü­her zwei bis drei Mo­nate im Vor­aus, was wir wann zu tun bekom­men, so wer­den wir heute immer öfter zwei Tage oder so­gar sogar zwei Stun­den vorher ein­be­stellt. Manch­mal geschieht dies ohne große Not. In der Veranstal­tungs­wirt­schaft haben wir es derzeit mit sehr vielen Be­rufs­an­fän­ger:in­nen zu tun. Vie­le er­fah­renen Kräf­te sind in den ers­ten Pan­de­mie­jah­ren abge­wan­dert. (Klei­ne Erin­nerung daran, dass Dol­met­schen kom­plexer The­men nur nach in­ten­si­ver Vor­be­rei­tung mühe­los wirkt.)

Wenn Sie an un­se­ren Dienst­leis­tungen In­teres­se haben: Die­sen Herbst sind beim Team und bei mir noch etliche Ter­mi­ne verfüg­bar. Wir stel­len gerne auch den Kon­takt zu Fir­men her, die Kon­fe­renz­tech­nik ver­mi­eten.

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Foto: C.E.

Montag, 3. Oktober 2022

Gedenktag

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che und blogge hier seit 2007. Ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Sprache. Heute kommt das verspätete Sonntagsbild ... aus Gründen!

Brandenburger Tor aus ungewohnter Perspektive
In einem Land, das "Wos­sis" oder "Ge­sam­tis" wie ich an al­len Ecken und En­den nicht als ei­nig er­le­ben, ist der 3. Ok­to­ber für viele nicht der höchs­te Feier­tag. Der Bei­tritt der DDR war ein Verwal­tungs­akt. Der schmerz­volle und tra­gi­sche, erhabene und be­son­de­re Tag der deut­schen Ge­schich­te ist und bleibt der 9. No­vem­ber. 

Deutsche Schuld, Krieg und Zerstö­­rung haben unser Land grund­le­gend ge­prägt; fast jede Stra­ße trägt noch die Spu­ren, durch die Epi­ge­ne­tik auch viele Men­schen.

Heute poste ich des­halb ein Foto vom Bran­den­bur­ger Tor in­mitten von Welt­kriegs­trümmern, das, wie ich finde, dadurch fast ein wenig wie eine antike Aus­gra­bungs­stätte wirkt.

Ich wünsche un­se­rem Land, dass wir zur Bil­dungs­re­publik Deutsch­land werden, dass we­ni­ger Arro­ganz, Hybris und Fatalis­mus die künftige Zeit prägen, sondern Auf- und Umbau­wille, Ent­schluss­kraft, Er­findungs­geist und Demut so­wie In­ter­es­se für die an­deren Menschen, die damals "da­zu­ge­kommen sind", hüben wie drüben, und auch für jene, die seither da­zu­ge­kom­men sind.

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Foto: Fotoarchiv Elias/Lossow

Sonntag, 2. Oktober 2022

Auszug

Hel­lo, bon­jour und gu­ten Tag beim ers­ten deut­schen Weblog aus dem Ka­bi­nen­in­neren. Hier beschreibe ich Erlebnisse von Kon­fe­renzen und aus dem Büro, von Film­set oder Fes­ti­val, von Messen oder der Bau­stelle. Unter Wah­rung dienst­licher Geheim­nisse erzähle ich, was den Beruf ausmacht, und denke über allerlei Th­emen nach.

Zwiebel­muster auf dem Küchen­tisch
Heute ist mein eigener Ge­denk­tag. An einem 2. Ok­to­ber bin ich zum Studium nach Paris auf­ge­bro­chen. Ich nahm den Orient-Ex­press — ab Dorf im Schwä­bi­schen, wo die El­tern berufs­be­dingt hin­zie­hen muss­ten, doch streik­te die SNCF mal wie­der, der Zug fuhr ver­lang­samt, stand stun­den­lang in Metz rum, und die Lie­ge­wa­gen wa­ren auch nicht dabei.

Auf dem Weg zum Bahn­hof hat mein Vater ge­weint. Sein ers­tes Kind zog aus, frisch abituriert, den selbstge­fun­den Studien­platz in Paris wahr­neh­men. Es war vor dem Mau­er­fall, damit vor Erasmus und anderen Aus­tausch­pro­gram­men. Ich hatte mich ein Jahr zuvor allein in Paris zum Ein­stu­fung­stest an der Sorbonne begeben, dem ESEU (examen spécial d'entrée à l'université), und hätte sogar schon ein Jahr zuvor einen Studien­platz bekom­men können, habe dann das 13. Schul­jahr und das deut­sche Abitur doch noch gemacht.

Mein Vater war gleicher­maßen stolz auf mich, irri­tiert und großzügig. Die Hälfte meines Lebens­un­ter­halts in Paris konnten die Eltern bei­steuern, da­mals war unsere Mut­ter mit den drei Geschwis­tern noch zuhause, ein Teil kam vom Erbe der Oma, und ich habe rasch diverse Jobs ange­nommen, Teilzeit-Au-Pair gegen das Zim­mer, Stadt­füh­rungen (für deut­sche Jugend­grup­pen), Deutsch­unter­richt. Paris war da­mals schon ein teures Pflas­ter.

Mit der Voll­en­dung des 21. Lebens­jahrs, der er­wei­ter­ten Volljährig­keit, habe ich die erste Über­set­zer­prü­fung an der IHK Paris ab­ge­legt, worauf ich einen Job als Werk­stu­dentin in einem Pariser Vorort fand (einen Tag in der Woche).

Nach meinem Prak­ti­kum bei damaligen Sender Freies Berlin, weitere zwei Jahre später, konnte ich kurze Hör­funk­bei­trä­ge aus Frank­reich ver­kau­fen. Damals wur­den Wie­der­ho­lun­gen noch gut bezahlt, das war mein Trick: "bunte Stück­chen" wurde im Radio das genannt, was in einer Zeitung auf der letz­ten Seite unter "Ver­misch­tes" steht, in der Regel mit einem kriti­schen Blick auf die Ge­sell­schaft. Ich fand The­men, feil­te, nahm Akus­ti­ken auf, lern­te gut zu spre­chen. An­dere ARD-Ans­tal­ten über­nahmen gerne.

Mich über­rascht die Chuz­pe, mit der ich dieses Pro­jekt durch­ge­zo­gen habe, bis heute. Auf dem Weg zum Bahnhof weinte mein Vater. Und er er­zähl­te meiner Mut­ter und mir, wie es sich an­ge­fühlt hatte, als er mich zum ersten Mal im Kin­der­gar­ten unter Wild­frem­den aus­set­zen musste.

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Foto: C.E.

Mittwoch, 28. September 2022

Zwischennutzung

Aus dem Arbeits­alltag einer Dol­met­scherin können Sie auf diesen Seiten einiges er­fah­ren. Meine Muttersprache ist Deutsch, ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Ins Eng­li­sche übersetzt die Bürokollegin. Ich beobachte hier die Zeitläufte. Berlin gilt inzwischen für Neu­an­kömm­li­nge als 'hartes Pflaster'.

Dieser Tage wieder: Ein befreun­detes Über­setzerpaar aus London zieht in Berlin um. Das passiert im Durchschnitt derzeit alle 4,5 Monate. Sie sind jetzt in der fünf­ten Zwischen­nutzungs­wohnung. Irgendwer geht immer für einige Zeit mit dem Le­bens­men­schen nach Indien oder mit den Klein­kindern auf Europa­tour mit dem Wohn­mo­bil.

Umzugschaos: Nichts für schwache Nerven
Dieses Mal waren's 50 boxes and 20 other items, 50 Kartons und 20 andere Dinge, Klein­möbel zumeist für das Bü­ro (schmales Rollutensilo aus Draht für Schreib­kram, kleiner Tisch für den Drucker, ausfaltbares Bett­ge­stell aus Pap­pe, Ma­trat­ze, Bürostuhl.
Der Umzug war sehr englisch, was die Umgangssprache anging: Ein Man with a van (so jedenfalls seine Visiten­karte) fuhr in weniger als zwei Stunden in zwei Fuh­ren alles von A nach B, etwas mehr als 1500 Meter zu Fuß ent­fernt; Mark stammt aus Eng­land und fährt als Ein­zelun­ternehmer seit elf Jah­ren in Ber­lin. Freunde haben geholfen, da­run­ter die berich­tende Dol­met­scherin mit Es­sen­kochen, und einige Studie­rende.

Das Putzen der wieder für die unterver­mie­ten­de Familie frei­ge­räumten Woh­nung hat länger gedauert als das Kisten­trans­portieren. Am meis­ten Zeit ver­plem­pern die beiden immer mit dem Ein- und Auspacken. In jeder Wohnung fehlt etwas, das dann jeweils besorgt wird, so dass sich nach dem Aufgeben des Lon­doner Wohn­sitzes hier wieder ein Haus­stand bildet, zumin­dest an Sachen.

Für die beiden ist die Sache sehr be­las­tend. Wohnungs­suche in Ber­lin gleicht der­zeit einem Lot­te­rie­spiel. Und Freiberufler:innen haben bei Ver­mie­tern schlech­te Karten, was eine schreiende Un­ge­rech­tig­keit ist. (Auch Vermieter brau­chen mal frei­be­rufliche Überset­ze­rin­nen und Mas­seure, Anwäl­tin­nen und Logopäden!)

Gesucht wird eine Woh­nung mit Wohnküche und zwei nicht zu kleinen Zimmern (klein ist alles unter zwölf Quadrat­metern) oder mit Kü­che und drei Zimmern, von denen eines gerne klein sein kann, und zwar aus fa­mi­liären Grün­den be­vorzugt im Norden Neu­köllns, in Treptow oder Kreuzberg am "Dreiländereck", zur Dauer­miete, in einer Genos­sen­schaft oder zum Kauf, kein Erd­ge­schoss, also ei­ni­ger­ma­ßen hell und fuß­warm, denn der Wohn­raum ist häufig zugleich Arbeits­ort.

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Foto: C.E.
(Archiv)