Montag, 31. August 2020

COVIDiary (144)

Wie Dol­met­scher ar­bei­ten, können Sie hier mitlesen, denn hier bloggt eine Kon­fe­renz­dol­met­scherin. Mein Arbeits­platz ist zu 80 Prozent das eigene Büro oder die Bibliothek. Als Dienst­reisende entdecke ich außerhalb der Kon­fe­renz­kabine re­gel­mä­ßig andere Arbeitsorte. Bereits vor Jahren haben wir als Team zu Themen wie die Veränderung der Arbeitswelt gearbeitet. 

Schwarz-weiß-Büro mit Regalen, Tischen, Büromenschen
Büro à l'ancienne
Bei uns um die Ecke, im eins­ti­gen Umspannwerk Paul-Lin­cke-Ufer, wer­den Um­zugs­­kis­ten gepackt. Dort zieht das ur­sprüng­lich fran­zö­sische Un­ter­neh­men Payfit haus­in­tern um. Es setzt sich um et­was mehr als die Hälfte kleiner.

Die Firma ist nicht etwa ge­schrumpft, nein, ih­re Mitar­bei­te­rin­nen und -ar­bei­ter sind nur nicht stän­dig im Büro.

Der Dienst­leister im Bereich Lohn­buch­haltung ist Vorreiter in flexiblem Arbeiten und nennt das "Work from any­where". Die Berliner Zeitung (Link) zitiert die Per­so­nal­che­fin des Unternehmens: "Jeder und jede soll dort arbeiten können, wo er oder sie sich am produk­tivsten fühlt und wie es zum jeweiligen Lebensstil am besten passt". Der Artikel berichtet weiter, dass der Berliner Büro­mietmarkt zwischen April und Juni um knapp die Hälfte ein­ge­brochen sei.

Das hängt mit Corona zusammen, aber auch mit Verän­derungen in der Bü­ro­ar­beits­­welt, die wir schon lange beobachten. Die Zeitung gibt die Erwartung von Fach­leu­ten wieder, dass in Berlin bald sechs Millionen Quadratmeter Bürofläche unge­nutzt rumstehen würden, ein Drittel der bislang genutzten Räume.

Jahrzehntelang wurden Arbeitsplätze wie Fabrikhallen geplant, wenig ener­gie­ef­fi­zien­te Kuben mit viel Kunst­licht und schnurgeraden Wegen, in denen mitunter Pflanzen eine Ahnung vom wilden, ungezügelten, nicht rechtwinklig normierten Le­ben ver­mittelt haben, das damals draußen mut­maßlich stattfand.

"Damals", also bis zum Januar, sind auch viele noch für einen halbstün­digen Termin quer durch die Republik geflogen oder von Land zu Land, wir Dolmet­scherinnen kön­nen das bezeugen. Die Kurztermine fehlen heute manchmal, das Arbeitsleben im Groß­raumbüro nicht. Ich spreche aus Erfahrung, ein halbes Jahr habe ich vor langem in ei­nem solchen gesessen. Das war einerseits gut, denn ich war stets bestens informiert, was wichtig war für mich als künstlerische Leiterin eines Filmfestivals. Allerdings hat es mich bei Tätigkeiten wie Schreiben, Lektorieren und Lesen gestört und brachte viele Über­stunden mit sich.

Im Lockdown haben viele Menschen am Küchen- oder Wohnzimmertisch ge­ar­beitet. Sie sparten täglich viele Stunden Reisezeit in Bussen, Bahnen und im Auto. Es gab weniger Verkehrs­unfälle und bessere Luft (Link zum Deutschlandfunk). Un­ter­su­chun­gen ergaben, dass die Betreffenden in vielen Ländern im Schnitt eine gute Drei­vier­tel­stun­de länger gearbeitet haben als im Büro (Link zur Washington Post). Die Qualität der Arbeit und wie stark vielleicht der Nachwuchs den Störfaktor "Kollege" ersetzt hat, wurden nicht erhoben.

Eins ist klar: Viele Menschen wünschen sich fortan eine Hybridisierung der Ar­beits­welt. Sie möchten einige Tage die Woche zuhause arbeiten (Gottseidank, die Kids sind wieder in der Schule!), andere fürchten An­steckungen und einen erneuten Lock­down (Haben Lehrer und Bildungsplaner effizient an Entwicklung digitaler Lehr­for­mate gearbeitet und auch die Kinder aus bildungsfernen Schichten mit Technik ausgestattet?), nahezu alle finden Abwechs­lung gut, denn der informelle Austausch von Kol­legen ist auch wichtig (Wir Menschen sind soziale Wesen, zum Glück kann nicht alles optimiert werden).

Bei einem meiner Nachbarn wurde "mobiles Arbeiten" ausgerufen, damit der Ar­beit­ge­ber keinen zweiten Rechner und keinen rücken­freund­lichen Bürostuhl fürs Heimbüro zahlen muss, die andere Nach­barin ist nun komplett im eigenen Ar­beits­raum, nicht mehr im Büro, und stellt fest, dass sie ihre Arbeit in der halben Zeit schafft. Was ihr fehlt ist Platz, eine Tür, die sie zumachen kann, wenn sie die Arbeit hinter sich lassen will.

Auf den einschlägigen Kongressen und Dele­gations­reisen wurde schon vor Jah­ren damit gerechnet, dass sich diese Verän­derungen auch auf den Städtebau auswirken werden. Kurz: Wir brauchen wieder größere Woh­nungen, die zugleich bezahlbar sein müssen, und wir brauchen weniger Büroflächen. Außerdem werden künftig Büroim­mobilien nachhaltiger gebaut werden müssen, sie werden Wohnräumen ähneln, denn sie sind Lebens­orte mit flexiblen Arbeits­plätzen, Teams können sich in wechselnden Bereichen zusam­menfinden, daneben gibt es Stillar­beitsräume und mittendrin das eine oder andere alte Büro "wie früher".

Hermes und Schreibtisch (ca. 1900)
Auf den meisten Flächen wird die Nutzung wird alles andere als statisch sein; Co-Working-Spaces waren schon lang ein Hin­weis auf diesen Trend.
Was werden wir künftig mit den starren Bürobau­ten aus Glas, Beton und Stahl ma­chen? Vor allem in Zeiten, in denen Wohn­raum fehlt ... allerdings werden sie nur schwer in ech­te Le­bens­räume alias Wohn­­räume um­zu­bau­en sein.

Auch auf unser Dolmet­scherinnenleben wird sich das auswirken. Mehr als jedes zwei­te Unterneh­men plant Umfragen zufolge, stärker auf Online­konferenzen zu set­zen und Dienstreisen zu reduzieren. Die Sitzungen werden kürzer, auch die For­ma­te hybrider, seminarartiger. Die Dolmetschwelt richtet sich lang­sam darauf ein.

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Foto: C.E. (eigenes Fotoarchiv)

Sonntag, 30. August 2020

COVIDiary (138)

Herzlich willkommen! Hier be­rich­te ich seit 2007 aus mei­nem Berufs­leben als frei­be­ruf­liche Kon­fe­renz­dol­met­scherin für die franzö­sische Sprache. Der Coronavirus hat nicht nur die Konferenzbranche, sondern auch viele Künstle­rin­nen und Künst­ler hart getroffen.

Dem Kulturförderbericht 2011 des Berliner Senats zufolge leben in der Stadt 6.000 bildende Künstler. Zwischen Havel, Spree, Panke und Land­wehrkanal gibt es 200 Museen und Ausstellungshäuser sowie 400 Galerien und 27 Bühnen — Theater, Oper und Ballett — mit vielen darstel­lenden Künstlerinnen und Künstlern. Die Statistik spricht von etwa 1000 Profi­tän­zerinnen und Choreo­grafen, von denen einige im festen Engage­­ment sind.

Kultur ist ein Wirtschaftsfaktor der Stadt und macht sie attraktiv für Touristen. 

Straßenkunst: Köpfe, die schreien und sich die Hand vor den Mund halten
Die Vielen der Kunst
300 freie Theater­gruppen ha­ben daran ihren An­teil, zu­dem meh­rere hundert freie Darsteller/innen, Bühnen- und Kostümbildner/innen.

Die Stadt fördert sieben Or­chester, die per annum etwa 500.000 Menschen in ihre Aufführungen ziehen. Diese Musiker/innen der gro­ßen Orchester sind fest­an­ge­stellt, viele andere sind es nicht.

Die Musikbranche zählt weiter 500 Firmen, die Musik produzieren, aufnehmen und vermarkten. Neun Millionen Besu­cherinnen und Besucher zählen die öffent­lichen Biblio­thken und Archive, zu deren Bestand 400 Verlage beitragen. Autorinnen und Autoren, literarische Über­setzerinnen und Übersetzer (hier auch Untertitlerinnen und -titler, Dreh­buch­über­set­zerinnen und -übersetzer), Drehbuch­autorinnen und -autoren, Filmregisseurinnen und -regisseure sind ungezählt. Als Zahl fand ich nur, dass es in Berlin weiterhin an die 100 Kinos gibt.

Für diese Kreativen hat der Senat jetzt ein Stipendien-Sonderprogramm aufgelegt. Wer in diesen Bereichen als Einzel­person kreativ oder kura­tierend tätig ist, darf sich um eines der 2.000 Stipendien bewerben. Ausge­lobt werden jeweils ingesamt 9.000 Euro, die über den Zeitraum von einem halben Jahr ausgezahlt werden.

Nicht auf dem Schirm hatte ich in der obigen Liste Illustra­toren, Comiczeichner, Perfor­mance­künstlerinnen und Künstler, Puppenspie­lerinnen und -spieler, Fo­to­gra­fin­nen und Fotografen, um nur eine kleine Aus­wahl wiederzugeben.

Ich schätze mal, dass es unter dem Strich gut und gerne 100.000 Menschen sind. Oder doch 200.000? Ganz großartig! Nein, kein Auf­schrei und auch keine Kritik. Ich könnte auch iro­nisch antworten: Die Gewinn­quote ist ja deutlich besser als beim Lotto­spiel!

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Foto: C.E. (gesehen in Kreuzberg)

COVIDiary (137)

Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo auf den Sei­ten des ers­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem Inneren der Dol­metscherkabine. Sprachen zu beobachten ist eine der Grundlagen unserer Arbeit.

Wie sich das Hinterland eines Wortes verändert, können wir gerade am Beispiel des Wortes "querdenken" beobachten. Als "Querdenker" bezeichnen sich die Herr­schaf­ten, die dieses Wochenende in Berlin "gegen Corona" demonstrieren.

Ich mochte das Wort immer. Jetzt nicht mehr. 

Wandkritzelei: "Wirr ist das Volk!"
Gesehen in Kreuzberg
Querbeet sich durch Themen zu lesen, ist eine Spezialität aufgeweckter Zeitgenossen. Etwas gegen den Strich zu bürsten, von der Seite her zu betrachten, von Zeit zu Zeit einen größeren Pers­pek­tiv­wech­sel vor­zu­neh­men ist sehr wichtig, um sich selbst von etwas ein umfas­sendes Bild zu machen. Auf Eng­lisch heißt es get the big picture, das große Bild bekom­men.

Wir Dolmet­sche­rinnen machen das regelmäßig, wir klopfen die Themen, zu denen wir arbeiten, auf Widersprüche, weitere Begriffe und angrenzende Theorien ab. Wir werden es weiterhin machen, nur eben anders nennen.

Denn jetzt sind es diese Menschen, die den Begriff okkupieren, die querschießen mit kruden Theorien und mangeln­der Solidarität, denen Fähigkeiten zwischen Abs­trak­tions­ver­mögen, Empathie und Zuversicht auf bedauerliche Weise ab­han­den­gekommen zu sein scheinen, die Quer­köpfe sind im Sinn von Wirrköpfe.

Das Wort "Querdenker" wird für längere Zeit verbrannt sein.

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Foto: C.E.

COVIDiary (136)

Hier bloggt seit Feb­ruar 2007 eine Dol­met­scherin. Ich ar­beite mit den Spra­chen Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Hier meine Sonntagsbilder aus Berlin-Neukölln.

Reine versus unreine Seite
So ein licht­ar­mer Ber­li­ner Spät­som­mer­sonn­tag mit an­gekün­digtem Regen kann sehr ereig­nisarm ver­­lau­fen und das ist klas­se so! Vor allem nach einer er­eig­nis­rei­chen Reise, nach knapp 2200 Ki­lo­me­tern mit drei un­ter­schied­li­chen Ho­tel­bet­ten und vier Profi­küchen und vier langen Ta­gen.
Meine Alter­na­tive dazu lautet Kiezbummel.

Von François Rossier (Neukölln)
So fo­to­gra­fie­re ich erst ein Schild auf dem Floh­markt, das wie ein Echo auf die von uns besich­tigten Großküchen wirkt, wo es "Weißbereich" und "Schwarz­be­reich" gibt, zone souillée und zone propre; dann eine Lampe, die aussieht wie meine aus dem Badezimmer (die ich verkaufen möchte), hier als Kopflicht im Up­cy­cling­la­den; last but not least etwas Kü­chen­ge­rät­schaften für den eigenen Koch­bereich er­worben bei ei­ner Ge­schäfts­auf­lö­sung (nicht we­gen Co­ro­na); jetzt habe ich eigene GN-Behälter (bacs gastro) für den ei­ge­nen Lie­fer­ser­vice zum Film­ver­leih­büro des nächsten Mit­men­schen, sowie ein Nu­del­sieb für die Spül­uten­si­lien.

Kurz kommt sogar die Sonne durch
Dann lesen, zwischendurch Haus­halt und dabei "Mil­le­nium 3" hören (France Cul­tu­re) abends Heim­kino. Meine Em­pfeh­lungen: Lee Miller, die Fo­to­gra­fin, die sich in Hitlers Badewanne selbst auf­ge­nom­men hat sowie die Re­por­ta­ge In­ter­net.Macht.Zu­kunft — Wie die Ver­net­zung die Mo­bi­li­tät revolutioniert.
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Fotos: C.E. (Mitte: upcycling.mobi)

Donnerstag, 27. August 2020

COVIDiary (140)

Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo auf dem ersten Dolmetschweblog Deutschlands. Gerade schreibe ich von einer Dienst­rei­se aus, der ersten in diesem Jahr. Heute ist coronabedingt auch erst mein zehn­ter Hono­rar­tag dieses Jahres. Norma­ler­weise wäre der im Februar dran­ge­wesen. 
 
Aus einem alten Französischlehrbuch
Zwei Bildnachträge zur Reise, eine Fundsache aus einem alten Lehrwerk, sowie Col­mar. Zum Glück ist mit dem Auto nichts passiert. Hurtig geht's weiter zur nächsten Werksküche. Das Vokabular geht mir flott von der Zunge, in dieser Branche dol­metsche ich jetzt im zwei­ten Jahr. Am Ende der Reise werde ich meine Groß­küchen sechs bis neun besichtigt ha­ben.

Colmar: Buntblatt mit Blumen
Mein Job ist es, den Informa­tionsfluss in beide Richtungen sicher­zu­stellen. Hier treffen Men­schen aus ein- und derselben Branche auf­ein­an­der, die ich ein wenig auf­ein­an­der­zu­mo­de­riere mit meiner Arbeit. Die Chemie muss stimmen, on trouve et on cherche des atomes crochus, um die sich an­bah­nen­de Zusammen­arbeit zu erleichtern.
Dabei geht es immer auch um allge­meine Dinge, wich­tig sind auch die in Frankreich wichtigen Es­sens­pau­sen. Ich flechte Erläuterungen ein, spiele ver­ba­les Pingpong, lasse meine Arbeit federleicht wirken. Am Ende solcher Tage weiß ich nie, was ich gegessen habe. Nicht einmal, ob. Oft nehme ich später eine Extramahlzeit ein.

Überall Hinweisschilder
Beim Stadtbummel fällt mir auf, dass hier viele Menschen auch auf der Straße Masken tragen. Auch in den Ge­schäf­ten und im städtischen Um­feld gibt es viel mehr Hin­wei­se als in Berlin, ge­druck­te, in Plas­tik einge­schweiß­te Hin­wei­se, die wie für die Ewig­­keit ge­macht wirken.
Widersprüchlich wirkt: hier tragen alle Pa­pier­mas­ken.


Sie fallen wie Herbstlaub
In Frankreich dominiert die meist in China ge­fer­tig­te sehr luftige Chirurgenmaske, die kurzlebig ist und jetzt häu­fig als Müll auf der Straße zu sehen sind. In Deutsch­land tragen mehr Men­schen handgenähte Alltagsmasken.

Dabei hat Frank­reich schon vor langer Zeit mit die besten Nähan­leitungen veröffent­licht (Link zur AFNOR hier). Meine vier­la­gi­gen, sichersten Mas­ken stammen von einer Freun­­din, die sonst in der Co­mé­die Fran­çaise Kos­tü­me gestaltet.

Am Abend geht es weiter nach Luxemburg.

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Fotos: C.E.

Mittwoch, 26. August 2020

COVIDiary (139)

Buntes Schild
Essenspause im Kurpark
Herzlich willkommen! Hier be­rich­te ich seit 2007 aus mei­nem Berufs­leben als frei­be­ruf­liche Kon­fe­renz­dol­met­scherin für die franzö­sische Sprache. Diese Woche bin ich auf Dienstreise. 

Aus dem Zug steige ich um in ein Auto. So ein Jahreswagen mit Fahrassistenzsystem ist leicht ge­wöh­nungs­be­dürf­tig, der Stil meines Chauffeurs auch. Ab und zu erinnere ich mich daran, dass sich einst meine kleine Oma bei 100 Stun­den­ki­lo­me­tern immer ziemlich krampfhaft am Griff in der Wagentür festgehalten hat. Ich darf grinsen und lasse locker.


Zwei Männer vor Bauplan
Baustellenbegehung (eigentlich zu nah, die Herren)
Der Fahrer hat Kinder, er wird uns schon nicht ins Abseits kutschieren.

Vier Tage werden wir nun eine "Atemluftgemeinschaft" bilden. Wir hatten uns vorab gesagt, dass wir jeweils ziem­lich zurückhaltend sind mit Kontakten. Auch hier hof­fe ich das Beste. Und stelle mir vor, ich führe in den Urlaub.


Colmar: Eine Häuserzeile in der Spielgelung
Wasserspiele und gelbes Laub
Fernsehbild
Abendnachrichten
Kleine Essenspausen genieße ich sehr. Der Auto­fah­rer erweist sich als gewitzter, lebens­kluger Zeit­genosse. Langweilig wird es uns jedenfalls nicht.
Nach einem Baustel­len­besuch im Hessi­schen geht's rüber nach Frankreich, in Colmar dann ins Hotel. Ich entdecke das Örtchen und bin be­geis­tert, nicht nur von der interessanten Bepflanzung der stadt­ei­ge­nen Blumen­tröge. Abends im Hotel dann Fern­seh­nach­­rich­­ten. Wichtiges Thema: Bekommen die Schüler kostenlose Masken, wenn in einer Woche, am 1. September, traditions­ge­mäß die Schulen wieder aufmachen?

Wie immer sind die ersten drei, vier Themen der Sen­dung frank­reich­be­zogen, dann kommen erst die Welt­nach­rich­ten. Ich sehe News noch immer so wie die, zu der ich mal ausgebildet wurde: Als Journalistin, die eigentlich Aus­lands­kor­res­pon­den­tin wer­den wollte. Entspre­chend darf ich mei­nem  Rei­­se­­ge­­fähr­­ten abends französische Besonderheiten erläutern.

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Fotos: C.E.

Dienstag, 25. August 2020

COVIDiary (138)

Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo auf den Sei­ten des ers­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem Inneren der Dol­metscherkabine. Corona hat uns monatelang im Büro fest­ge­setzt. Diese Woche darf ich endlich mal wieder reisen.

Beim Groß­un­ter­nehmen "Die Bahn" (im Verbund mit anderen europäischen Bahnen) scheint die Kunde von Covid-19 noch nicht an­ge­kom­men zu sein.

Zeitschrift "Meridian"
Lektüre der ersten Klasse
Wer 1. Klasse reist, bekommt mehr oder weniger automatisch einen reservierten Sitzplatz verpasst. In meinem Su­per­früh­zug Richtung Süden hocken die Menschen brav eng auf eng auf den vor­ge­ge­be­nen Plätzen und füllen so das erste Fünf­tel oder Sechs­tel des Groß­raum­wa­gens. Ich lasse meine Reser­vierung Reservierung sein und setze mich in den nahezu leeren Teil. Dort reist mit mir am Ende noch eine Person.
Nach dem Hände­­waschen laufe ich aus Versehen in die falsche Rich­tung und stol­pe­re in ein leeres Groß­raum­ab­teil. Es bleibt nicht lange leer: We­ni­ge Minuten später sitze ich mit­ten drin und be­wun­de­re den Son­nen­auf­gang. Und nur ich.

Eine Freundin sendet mir einen Link zum Sommer aus den "Vier Jahreszeiten" von Vi­val­di, eingespielt von der Ne­der­land­se Bach­ver­eniging. Ich drehe die Musik auf, höre auf dem Computer für die maximale Laut­stärke. Leider lassen sich bei den Zügen die Fenster nicht mehr öffnen, etwas Fahrt­wind und Geräusche von draußen wären jetzt toll. Die zarten Farben der vor­bei­fliegenden Landschaft entschädigen mich. (Und der Zug fährt eigentlich auch zu schnell.)

Kommt die Schaffnerin rein, sagt, ich müsse leiser stellen. Unfassbar. Ich: "Wenn jemand reinkommt, mache ich es sofort aus!" Sie: "Das stört!" Ich: "Wen stört das? Sie? Aber Sie sind ja hier gleich wieder raus!" Sie: "Wenn jemand reinkommt, ma­chen Sie es sofort aus!"

Moment. Was für Probleme mit dem Zuhören hat die Dame? Ich höre weiter meine Musik, allein mit Vivaldi im modernen Großraumwagen, und lese später etwas über 100 Jahre Spejbl und Hurvinek, die Marionettenhelden meiner Kindheit. Auch das ist Leben in Zeiten des Coronavirus.



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Foto: C.E.

Montag, 24. August 2020

COVIDiary (137)

Gu­ten Tag & hello auf mei­nen Blog­seiten. Ich ar­bei­te seit 2005 in Pa­ris und Ber­lin als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin, früher auch oft als Über­set­ze­rin. (Für die bes­se­re Un­­ter­schei­dung der Begriffe: siehe oben.) Derzeit schreibe ich coronabedingt vom Büro aus. In dieser Woche scheint das alte Leben zurückzukehren.

Packtaschen aus "Fliegerseide"
2020 sind die Aufträge rar. Jetzt ballt es sich: Die be­zahl­ten Arbeits­tage zehn, elf und zwölf stehen an. Ich dolmet­sche normalerweise für For­schungs­gruppen, das Aus­wärtige Amt und andere Ministe­rien und Bot­schaften sowie Medien und Festivals — und für die Industrie.
Es geht er­neut um ei­nen Groß­kü­chen­neu­bau.

Ein großes Täschchen mit Schmuck, Döschen für Cremes, Ohropax, Täschchen für Kopfhörer, Nageletui, Schlafmaske
Schmuck, Cremes, Kopfhörer, Nageletui
Wie können wir in Co­ro­na­zei­ten am sichers­ten reisen? Im Auto!  Ich war in letzter Zeit oft in Fa­mi­lien­sa­chen mit vier Rädern unter­wegs. Zu­nächst neh­me ich aber den Zug, fah­re 1. Klas­se, weil dort nie­mand eng auf eng sitzt. Erst geht's zum Treff­punkt au­ßer­halb Ber­lins, dann weiter in einem Auto auf Stu­dien­reise nach Frank­reich. Ich reise ab jetzt jetzt mit Chauf­feur.

Fächer, Schlafmasken und Ohropax auch fürs Handgepäck
Kofferpacken für eine Dienst­reise: Lange war das nicht nötig, end­lich darf ich das mal wieder machen. Es geht mir flott von der Hand. Ich packe leichtes Gepäck, habe meine vorgepackten Rei­se­etuis mit kleinen Ge­fäß­chen im Kul­tur­beu­tel, das Deo als kleinen Natron-, Kokos­fett- und Wachs­klum­pen (ohne Plastik­hülle drumherum), einen kleinen, hand­ge­sägten Kamm.

Kurz: Ich habe vieles miniaturisiert, leichte und praktische Kleidung ausgewählt, kreuz und quer kom­binierbar, bei Kälte­einbruch nach dem Prinzip der Zwiebel. Das Packen dauert nur 15 Minuten. Ich nutze kleine Pack­taschen, die stets mit dem Gleichen befüllt werden und die mir auch am Zielort die Orientierung leicht ma­chen.

Nur eine Flüsteranlage, einen Koffer mit Sendemikrofon und Kopfhörern wie im Foto ganz oben, nehme ich dieses Mal nicht mit. Ich werde vor Ort maximal für drei, vier Menschen gleichzeitig dolmetschen. Das geht ohne technische Ver­stär­kung. Stattdessen reise ich mit zehn Alltagsmasken. Mal sehen, was sonst noch anders sein wird.

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Fotos: C.E. (Alles Archiv, daher Überschneidungen)

Donnerstag, 20. August 2020

COVIDiary (133)

Will­kom­men auf den Sei­­ten des ers­­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem In­ne­ren der Dol­metscherkabine. Gerade schreibe ich vom Büro aus, das seu­chen­be­dingt brachliegt. Durch Co­ro­na verändert sich unsere Arbeit.

Eine Reihe Kaben sowie Empfangsgeräte im Vordergrund
Diese Nähe kommt mir heute unheimlich vor
Anfrage für Ferndolmetschen: Ein Simultaneinsatz, bei dem die Kollegin in Mitte sitzen soll, ver­bun­den wären wir un­­­ter­ein­­­an­der sowie mit den Kun­den coronabedingt übers In­ter­net.
Der Kunde bittet um einen Preis­nach­lass: "Es sind ja nur drei Stunden!" Darauf mein Lieblingssatz: "Sie bezah­len nur die Vor­be­rei­tung, wir dol­met­schen gratis."

Der stimmt jetzt nicht mehr so ganz seit RSI, wie Ferndolmetschen auch genannt wird, dermaßen um sich greift. Denn für erhöhten Stress ist ein Aufschlag nötig. Im Einsatz bedienen wir zu den üblichen "Knöpfen" hinzu auch noch einen Chat mit der Ko-Kabine. Unsere Team­ar­beit ist dadurch er­schwert, dass wir eben nicht ne­ben­ein­an­dersitzen und uns mit Blick oder einer Geste ver­stän­di­gen können. Am Vorabend des Events ist ein Technik­check nötig. Wir alle haben technisch auf­ge­rüstet, was jeden Monat Geld kostet.

Außerdem strengen die akustische Rahmen­be­ding­un­gen mehr an als das übliche Setting, das schon anstrengend genug ist. Nahezu jede und jeder hat in letzter Zeit an einer Onlinekonferenz teilgenommen und weiß um die größere Er­mü­dung.

Spricht jemand zu leise, verstärkt das System der Konferenzplattform den Ton au­to­ma­tisch. Allerdings schützt uns hier nicht wie bei normalen Konfe­renzen ein Ton­techniker vor plötzlichen Störungen oder geistesabwesenden Sprechern, die das Mikro falsch ausgerichtet haben und/oder über­fall­ar­tig mit dem Finger auf das­sel­be ein­dre­schen und fra­gen: "Hören Sie mich?"

Der Konferenzsound wird für die Übertragung erst codiert, dann de­codiert, wo­durch im­mer wieder akustische Artefakte entstehen; Echos, Rauschen und Rück­kopplungen rechnet das System heraus, überfordert aber damit oft die zu schmale Band­breite unserer Leitungen und die Leistungs­fähigkeit der Consumer-Hardware.

Und wenn Teilnehmende einen älteren Rechner nutzen und nicht ein­mal zu Kopf­hö­rern mit integriertem Mikrofonen greifen, ist das Ausgangs­ma­terial so schwie­rig, dass es auch durch allerfeinste Technik auf Seiten von uns Dolmet­schern nicht ver­bes­sert werden kann.

Aus diesen Gründen empfiehlt die Branche, dass ein Dolmetschtag per RSI für ein Duo nicht länger als vier Stun­den dauern soll. Ab der 5. Stunde soll eine dritte Kol­le­gin/ein dritter Kollege hinzukommen.

Zum Honorar: Üblich sind die normalen Tagessätze plus 25 Prozent wegen des er­höh­ten technischen Aufwands, der Investi­tionen und vor allem der erhöhten phy­si­schen Belastung durch den kom­primierten Ton. Außerdem ist es seelisch an­stren­gend, jetzt nur noch so wenig kon­trol­lie­ren zu können.

Last but not least haben wir alle in der letzten Zeit viel Zeit und auch Geld in Fort­bil­dung investiert. Am liebsten arbeiten wir im großen oder kleinen RSI-Hub, ei­nem digitalen Dolmetschar­beitsplatz, mit technischer Betreuung.

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Foto: C.E.

Mittwoch, 19. August 2020

COVIDiary (132)

Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo auf den Sei­ten des ers­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem Inneren der Dol­metscherkabine. Gerade schreibe ich vom Büro aus, das seuchenbedingt brachliegt. So persönlich wie dieses Jahr war dieser Blog noch nie. Das Coronavirus verschiebt die Themen geringfügig.

Zukunft planen
Seit gestern ist es endlich wieder etwas kälter, geregnet hat es auch, ein wenig bei uns im Süden, ergiebig im Norden Ber­lins. Die Wochen derzeit wer­den "Hunds­tage genannt. Das ist die Zeit, in der Frisch­luft selten ist.

Heute also Saat­gut able­sen und in be­schrif­te­te Tü­ten ver­tei­len, ich nehme Kaffee­filter. Das ist eine Aufgabe, die ich sehr schätze, weil sie so meditativ ist. Parallel dazu Weiterbildung Filmschnitt, Englisch und Fran­zösisch, Soziologie: Immo­bilien und Urbanis­mus. Ein gutes Buch ist auch wie Saatgut.
Ich lese "Die neue Krise der Städte" des Schweizers Ernst Hubeli, Zürich, 2020.

Neubauten sind derzeit aus ästhetischen Grü­nden ein Problem, sie sind oft häss­lich, kaum nachhaltig und wenig variabel. Aus ökologischen Gründen müssen wir die Boden­neu­in­anspruch­nahme reduzieren, brauchen also neue Wohn- und Bau­kon­zepte. Die Verödung von Zentren, Peripherien und kleineren Ort­schaften sind Pa­ral­lel­pro­ble­me.

Und jetzt ändert Corona auch noch die Art unseres Zusam­menlebens. Wird sich das bald in Städten ablesen lassen? Was ich hier mache, ist aktiv die nächste Konferenz vor­zu­be­reiten, die vielleicht 2021 stattfinden wird. Oder 2022.

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Foto: C.E.

Dienstag, 18. August 2020

COVIDiary (131)

Will­­kom­­men auf den Sei­ten einer Ber­liner Sprach­­ar­­bei­terin. Ich dol­­met­sche aus dem Deutschen, Fran­­zö­­si­­schen und Eng­­li­schen und schreibe hier über meinen ab­wechs­lungs­reichen Berufsalltag. In Coronazeiten schreibe ich etwas privater, was mich so umtreibt. Derzeit: Fortbildung einmal anders.

Frauen, Sitzgelegenheiten, Hund am Boden
Hofdreh
Eine Nachbarin und ich dre­hen einen kurzen Prä­sen­ta­tions­film über unsere Haus­gemein­schaft. Nina ist In­ge­nieu­rin und arbeitet seit Jah­ren im Aus­stel­lungs­be­reich, an der Schnittstelle zwischen Design und Didaktik. Meine Film­kenntnis­se sind ver­tieft, theo­re­tisch, lin­gu­is­tisch.

Am Set überwiegen die Erfah­rungen aus der Zeit als Regieas­sistentin und vom Dol­met­schen. Als Ex-Journalistin kann ich Interviews führen. Wir ergänzen uns gut, lachen über ähnliche Dinge.

In diesem merkwürdigen Film sind wir beide gerade: Von der Wohnung zum Dreh­ort sind es nur einige Schritte. Ninas große Tochter kommt nachhause und darf gleich nochmal reinkommen, weil wir das mitdrehen. Der eine Nachbar grüßt auf dem Fußweg zur Arbeit die andere Nachbarin, die auf dem Markt am Obst- und Ge­müs­estand mithilft (und sonst Puppen­spielerin ist). Die Gespräche gehen am Abend weiter, Interaktionen zwischen Protagonisten außerhalb des Sets sind merk­würdig.

Außerdem wohnt das Team am Drehort. Noch komischer, davon hatte ich es ja letzte Woche schon. Nina kommt zum Einsatz, sie ist in ihre Sneakers geschlüpft und hat noch nicht einmal ihre Schnürsenkel zugemacht. Am Anfang haben wir be­ob­ach­tet, wie viele Milcher­satzsorten es in den Kühl­schränken im Haus gibt, dann vermehrt nur noch im Garten gedreht. Hypothese: Kuh­milch ist hier selten. Sozio­logen würden das als einen Indikator der ersten Gentrifi­zierungswelle sehen, deren Vertreter irgendwann einmal von der zweiten Welle bedroht sind.

Wir haben alle Kassensturz gemacht um zu prüfen, ob wir uns mit dem Haus in ei­ne Genossenschaft einkaufen können. Ergebnis: Auf dieser Ebene können wir noch mit­halten. Eine Wohnung in einem vielleicht einmal in der Zukunft edel­sanierten Altbau liegt für uns alle außerhalb der Reichweite, da könnte nicht eine einzige Partei mithalten.

N. dreht den Balkon von A.
Hausdreh
Laut soziokulturellem Panel sind wir untere Mit­tel­schicht*, einige wenige mitt­le­re Mit­tel­schicht. Hier leben: Kran­ken­pfle­ger aus der Intensiv­sta­tion, Texterin, Mu­si­ka­lien­händ­ler, Kin­der­gärt­nerin in Ausbildung, Koch, So­zial­ar­bei­te­rin, Architekt in Anstellung, freiberufliche Dol­met­scherin.

Außerdem: Lehrer/in, ungelernter Arbeiter, Puppenspielerin und Kunst­pädagogin, Mitarbeiter von NGOs, Grafikerin, Modedesignstudentin, Reiseführerin, Mitarbeiter in einem Fahrradladen, Heilpraktikerin, Produktdesigner/IT-Mitarbeiter, Kin­der­buch­autorin sowie viele Rentnerinnen und Studierende.

Wir leisten alle für die Gesellschaft wichtige Aufgaben und möchten auch morgen noch stressfrei wohnen können, ohne 40 bis 60 Prozent des Monats­budgets für die Miete aufbringen zu müssen, wie es bei Berlin­neu­zu­gän­gen unserer Ein­kom­­mens­­grup­pen derzeit der Fall ist.

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Fotos: C.E.
(*) wegen der Beschäftigungsverhältnisse,
die oftmals prekär sind, besonders jetzt.

Montag, 17. August 2020

COVIDiary (130)

Herzlich willkommen! Hier be­rich­te ich normalerweise aus mei­nem Berufsleben als frei­be­ruf­liche Konferenzdolmetscherin für die französische Sprache. Das Ar­beits­ta­ge­buch wurde zum COVIDiary. Heute gehen mir sprachlich ein wenig die Gäule durch. Der Mix aus Hochsprache, Umgangssprache, Berlinerisch und anderen Manierismen ist für Menschen mit Deutsch als Fremdsprache sicher nicht einfach zu verstehen.

Zwischen den Blättern der Landwehrkanal
Mein heutiger Co­ro­na­som­mer­tip kommt von Aman­dine, ei­ner französi­schen Freundin, die seit Jahren mit Mann und zwei Kin­dern in Berlin lebt.

Wenn ei­nem Ur­laub und Meer feh­len, hilft es sich ein­fach vor­zustel­len, dass da hin­ten, nach der nächs­ten Kur­ve, erst die Dü­nen und dann das Meer lie­gen. Und dann ein­fach wie ge­habt weiter­machen.

Heute weht ein besonderer Wind, der könnte direkt vom Meer kommen. Warum haben wir es denn schon wieder nicht an den Strand geschafft? Zu viel zu tun, zu viel die Stadt ergangen (empfiehlt sich bei vollen Zügen mit Menschen auch ohne Mundschutz), zu viel im Museum gewesen (empfiehlt sich bei leeren Museen), zu lange im Restaurant gewesen (Plätze gibt es auch bei großzügig zugestellten „Ter­ras­sen“, also Bürger­steigen und requirierten Park­plätzen, denn die Touris sind nicht da), zu viel nach Ge­schenken gebummelt (empfiehlt sich, die Fachgeschäfte sind leer, die Gründe sind bekannt) ... Nun, für Letzteres fehlt es vielen am nö­ti­gen Kleingeld dieses Jahr, aber aufgepasst, Kinners, heute in vier Monaten ist der Donnerstag vor dem vierten Advent, Weihnachten steht vor der Tür! Das Jahr ist rum, Kinners, da beißt die Maus kein‘ Faden ab.

Nachdem wir das Jahr so husch­pfusch­mäßig angefangen haben, wird es wohl auch so zu Ende gehen. In der Zwischenzeit üben wir uns in Genüssen. Heute laben wir uns am Caffè freddo, in vier Monaten an Glühwein.

Und nein, mir sind heute nicht die Ömme durchgeglüht, die Synapsen ver­schmur­melt, dem Hürn jeht‘s jut uff‘m Nord­balkon mit Blick auf die stinkende Land­wehr­ka­nal­plör­re. Jetzt beginnt der unschöne Teil des Sommers. Damit das Gewässer nicht kippt, schickt die Stadt Berlin Abend für Abend ein Schiff durch den Seegang, das Sauerstoff in die grüne Brühe bläst, der gemeine Berliner füttert kräftig mit Brotresten dagegen an in willentlicher Igno­rierung der überall aufge­stellten Warn­schil­der, man möge doch bittschön die Enten- und Schwa­nen­population nicht füt­tern. Selbige beobachtet ob der an raf­fi­nierten Meh­len über­rei­chen Kost be­schleu­nig­te Ver­dau­ung (wenn sie denn beob­achten würde), die Algen freut‘s, sie wach­sen um die Wette, bauen viel Sauer­stoff in ihre Auswüchse ein, binden damit die­se be­gehr­ten Mo­le­kü­le. Kurz: Det Janze ist in seinem fragilen Gleichgewicht ständig bedroht.

OK, in der Ferienwohnung am Meer unweit des Hafens, an einem idyl­lisch ge­le­ge­nen Ka­nal, stinkt es halt auch immer ein wenig. Warum suchen wir im Urlaub ei­gent­lich immer nach dem Ver­trauten, nach einem im Kondi­tionalis durch­de­kli­nier­ten Abbild der eigenen Existenz. („Was wäre, wenn ich in meinem Urlaubsland geboren worden wäre?“)

Also, dort, wo dermaleinst das Studentenbad lag, im Drei­län­dereck zwischen den Be­zir­ken Kreuz­berg, Neukölln und Treptow, da beginnt jetzt für mich jetzt das Meer. Sorry, Grischan, der Du direkt dort drüben in Treptow wohnst. Aber viel­leicht ist diese Straße grad mal noch ein Insel­chen, mit einer Brücke ans Fest­land ge­bun­den, fest vertäut, damit es nicht wegschwimmt. Dahinter dann das offene Meer. Ganz in der alten Tradition des alten DDR-Witzes: Wie viele Meere sieht man vom Berliner Fern­seh­turm? Vier! Oben ein Wolkenmeer. Unten ein Häuser­meer. Im Wes­ten ein Lich­ter­meer. Im Osten gar nichts mehr.

Ab heute im Osten: das Ostmeer.

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Foto: C.E.

Sonntag, 16. August 2020

COVIDiary (129)

Hier bloggt seit Feb­ruar 2007 eine Dol­met­scherin. Ich ar­beite mit den Spra­chen Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Aus bekannten Gründen dauert dieses Jahr die Win­ter­pau­se besonders lang. Ein Ende ist nicht abzusehen.
 
Hätten wir Corona nicht, wäre mein Vater nicht vor einem Monat gestorben, würde nicht gerade ein Immobilienspekulant nach unserem Mietshaus greifen, stünde ge­ra­de nicht die zweite Welle an und damit die Fortsetzung der umsatz­ar­men Zei­ten, wir leb­ten wahrlich in er­eig­nis­ar­men Zei­ten!

Ein Sonntag im Hof­gar­ten, am Rechner mit dem Erlernen eines Schnitt­programms, hin­ter der Kamera, mit einer Freundin am großen Eisbecher, in den Büchern. Also nichts Neues, eigentlich. Corona, Du alte Mistzicke, du kannst dir mal ver..., mach hinne!

Blütenpracht im Hofgarten
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Fotos: C.E.

Samstag, 15. August 2020

COVIDiary (128)

Bon­jour auf mei­nen Blog­seiten! Ich ar­bei­te seit 2005 in Pa­ris und Ber­lin als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin, früher auch oft als Über­set­ze­rin. (Für den Unterschied: siehe die Unter­zeile oben.) Es ist Samstag, Zeit für den Link der Woche.

Wochenendeinkauf (ein Teil)
"Alles so schön bunt hier!", sang Nina Hagen, als sie in den Nachbeben der Biermann-Ausbürgerung Ende der 1970­er Jahre aus der DDR in den Wes­ten kam. Da­bei mein­te sie die bun­te Wun­der­wa­ren­welt des Westens.

Alles so schön bunt hier, den­ke ich, als ich am Sams­tag­mit­tag meinen Ein­kaufs­korb betrachte.

All das stammt vom Zickenplatz, wie der Hohenzollernplatz in Kreuzberg unter Ein­hei­mi­schen heißt. Hier gibt es samstags einen winzigen, kleinen Markt mit einer Handvoll oder mehr Stände: Ökogemüse (zertifizert), Öko­gemüse (nicht zer­ti­fi­zert), außerhalb des Hochsommers auch Käse, Gar­küche eins (Fisch), Garküche zwei (asiatisch, vegan), dann ein Baristamobil, manchmal einen Kuchenstand, einen Buchstand plus den ei­nen oder anderen wilden Flohmarktstand.

Einige Tische und Stühle stehen am Rand, gelegentlich üben Musiker auf der Frei­fläche unter Bäumen, besonders oft in Coronazeiten, weil sie hier besser Abstand halten können als in Innenräumen.

Mein Korbinhalt ist bunt, saisonal und regional: Kürbis, Kartoffeln, Rote-Beete-Ap­fel­saft, Beeren, erste noch sehr grüne Äpfel, Tomaten, Salate, Zucchini, Kräu­ter, al­le Far­ben sind dabei. So zu essen ist gesund. Dazu etwas Fisch, manch­mal, nur wenig Milchprodukte, etwas Käse, Joghurt, Kefir, kaltgepresste Öle (Olive, Hanf, Lein), selten Fleisch, selten Zucker, oft Vollkornbrot, Kartoffeln, Müs­li, Lin­sen und andere Hülsenfrüchte, außerdem Oliven und als Süßigkeiten Nüs­se, Trocken­obst, darunter auch Feigen und Datteln, sowie Bit­ter­scho­ko­lade und gele­gentlich ein Eis. Ich trinke viel Leitungs­wasser, grünen und schwar­zen Tee (aber auch Aufguss mit Früch­ten und Kräutern), ab und zu Frucht­saft, wobei ich Frisch­ge­presstes vor­zie­he.

Außerdem lasse ich alle zwei Jahre ein Blutbild machen und steuere nach. Vitamin D substituiere ich mindestens das halbe Jahr, weil hier im Norden die Sonne nicht ausreicht. Einen oder zwei Abende in der Woche faste ich, das nennt sich "In­ter­vall­fas­ten"; vielleicht komme ich auch auf das Einen-Tag-die-Woche-Fasten zurück.

Und ja, die Fragen, wie wir uns ernähren und wie wir uns bewegen, sind von gro­ßer Bedeutung für die Gesundheit. Es folgen meine Links, von denen ich auch nicht alles lesen online lesen kann. In diese Übersicht finde ich meine Kost in wei­ten Tei­len wieder: Wie Ärzte sich ernähren — und was wir daraus lernen können.

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Foto: C.E.

Donnerstag, 13. August 2020

COVIDiary (127)

Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo auf den Sei­ten des ers­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem Inneren der Dol­metscherkabine. Gerade schreibe ich vom Büro aus, das seuchenbedingt brachliegt. So persönlich wie dieses Jahr war dieser Blog noch nie. Durch Corona verschieben sich die Themen.

Eine häufig gehörte Rück­meldung auf unser Simultan­dolmetschen ist die: "Wie machen Sie das? So schnell haben Sie die pas­senden Begriffe parat, manchmal sprechen Sie einen Satz zeitgleich mit den Rednern zu Ende oder sind sogar früher fertig! Woher wissen Sie, was die sagen wollen?"

Aus einem Obergschoss aufgenommen: Sitzung im Hof
Abendliches Treffen
Wer diesen Blog länger liest, ahnt, wie wir Dolmet­scher:innen arbeiten. Denn dass wir so spontan von einer in die andere Sprache übertragen, im besten Fall wirkt es leicht und anstrengungs­los, liegt am vielen Training, der intensiven Vorbe­reitung und der Gram­matik.
In der französischen Sprache kommt das Verb einfach sehr früh, durch den Kontext oder eine bestimmte Wortwahl wissen wir, was folgt, das macht uns schneller. Grund­sätzlich dürfen wir unsere Arbeit mit der einer Akro­ba­tin ver­glei­chen oder eines Jongleurs, der lächelnd Bälle in der Luft rumwirbelt. Das ist das Ergebnis von viel Trai­ning, Bis die Techn­iken erlernt sind, ist viel Training nötig — und auch, um sie auf­recht­erzu­halten.

Auch ich trainiere täglich, denn Sprachen entwickeln sich wei­ter und sind lo­gi­scher­wei­se mit In­halten ver­bunden. Daneben lese ich den Bücher­stapel weg, ar­bei­te mich in neue Wissensgebiete ein bzw. knüpfe an die Felder an, mit denen wir bislang nur ein-, zwei- oder dreimal zu tun hatten.

In den letzten Wochen musste ich mich von meinem Vater verabschieden. Auch das kostet Zeit und geistige Energie. Das wird mich noch sehr lange beschäftigen.

Dann wurde unser Haus an eine Firmengruppe verkauft, hinter der eine Bank und eine Pensionskasse stehen. Deren Manager gründen regelmäßig neue Firmen für neue Immobilien, so dass wir über deren Absichten nur spekulieren können. Wir vermuten nichts Gutes.

Vereinssitzung im Hof
Das Haus liegt mitten im Mi­lieu­schutz­gebiet. Hier fehlt den meisten die hohen Rück­la­gen oder/und die gut do­tier­te Fest­an­stel­lung, um sich eine Ei­gen­tums­woh­nung zu kaufen. Wir wohnen schlicht mit schönem Blick auf einen oft stin­ken­den Land­­wehr­­ka­nal, haben weder hoch­wer­tigen Ein­bau­­kü­chen noch teu­re Ar­ma­tu­ren, sondern oft viel selbst ge­macht.

Wir organisieren uns und würden gerne mit dem nicht grund­sa­nierten Haus einer Genossen­schaft beitreten. Das bedeutet viele Sitzungen, Einlesen in komplexe Sach­verhalte und neue Organigramme und Vokabeln, die ich vielleicht später in einem Dolmetscheinsatz wieder verwenden kann. Ich re­cher­chiere und schreibe auf, auch für Fragen unserer ausländischen Mitbewohnerinnen.

Statt einer Urlaubsreise ist unser ver­sammeltes "Hofbal­konien" mit Haus­treffen und Arbeits­gruppen so etwas wie das ganz andere Abenteur im Cluburlaub: Unser Fe­rien­­park ist das lebens­gro­ße Mo­no­poly-Live-Rollenspiel, es gelten verschärfte, nicht im­mer durch­sichtige, logische oder zielführende Regeln, der Spieleinsatz ist die Si­cher­heit der Woh­­nung für die nächsten Jahr­zehnte. Als ich diesen Gedanken bringe, wendet eine Nachbarin ein: "Leider putzt einem keiner das Bad und legt frische Handtücher hin!" Die andere: "Wir reisen economy, meine Liebe, nicht bu­si­ness."

Dieses Jahr 2020 ist noch lange nicht vorbei und es ist in meinem Leben schon so viel geschehen, wie sonst in einem halben Jahrzehnt.

Vokabeln
Besitzer/in — Jene(r), der gerade eine Liegenschaft bewohnt. Merkhilfe: Mensch sitzt drauf, wie auf einem Stuhl — locataire (le/la), occupant(e), im All­tags­ge­brauch oft propriétaire (le/la)
Eigentümer/in — jene(r), der das Objekt gehört, der/die im Grundbuch steht —  propriétaire (le/la) du logment, bailleur (Vermieter)

Auf Deutsch sind die Begriffe glasklar zugeordnet, auf Französisch ist es weniger eindeutig. Wer Lust auf diese sprachlichen Finessen hat, auf Leo.org findet sich eine sehr differenzierte Debatte zum Wort Besitzer.

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Fotos: C.E.

Mittwoch, 12. August 2020

COVIDiary (126)

Ob ge­plant oder zu­fäl­lig: Sie le­sen hier im ers­­ten deut­schen Dol­­met­scher­blog aus dem In­neren der Dol­metscherkabine. Gerade schreibe ich vom Büro aus, das seu­chen­bedingt brachliegt. Ich do­ku­men­tie­re hier auch unsere Zeit.

Altes Wandtelefon
A gangster calls
Oha! Gangster sind schnell, die nächste Betrugsmasche kursiert schon längst. Bei einer Nachbarin klingelt das Telefon. So ähnlich ist das Gespräch ab­ge­lau­fen:

— Guten Tag! Frau Müller am Ap­pa­rat, Gesundheitsamt Neukölln. Das Co­ro­na­warn­ys­tem zeigt an, dass Sie Kontakt zu einer Person hatten, die positiv auf Co­vid-19 getestet wurde. Sie müs­sen sich sieben Tage lang in Qua­ran­täne be­ge­ben und einen Covid-19-Test durchführen.
— Danke für die Nachricht. Können Sie mir bitte sagen, wer die Person war?
— Nein, das dürfen wir leider aus Da­ten­schutz­grün­den nicht.
— Schade!

— Sie müssen in­ner­halb der nächsten 72 Stunden getes­tet werden. Können Sie mir bitte Ihre genaue Postan­schrift geben, damit wir Ihnen das Testkit zusenden können?
— (nennt die Anschrift)
— Gut. Jetzt bitte noch Ihre Zahlungs­an­ga­ben, am besten eine EC- oder Kre­dit­karte, damit wir Ihnen das Kit senden können.

Gesehen in Neukölln
— Wieso denn, ich dach­te, das wäre kostenlos?
— Nein, tut mir leid. Nur die Tests an den Flug­­hä­fen sind kos­ten­los. Hier wird ei­ne ein­ma­li­ge Ge­bühr von fün­fzig Euro fäl­lig. Kön­nen Sie mir jetzt bit­te die Kar­­ten­­num­­mer, das Ablauf­da­tum und den Sicherheits­code vor­le­sen? 
— Nein, das kommt gar nicht infrage!

— Nen­nen Sie mir jetzt bitte die er­for­der­li­chen An­ga­ben, das ist sehr wichtig! Im Falle von Verstößen hat der Gesetzgeber empfindliche Strafen vorgesehen!

Das Ganze ist natürlich eine Betrugsmasche. Ich fürchte, dass es Ahnungslose gibt, die darauf reinfallen werden. Die Nachbarin war schlau genug.

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Foto: C.E. (u.a. Archiv)

Samstag, 8. August 2020

COVIDiary (123)

Herzlich willkommen! Hier be­rich­te ich aus mei­nem Berufsleben als frei­be­ruf­liche Konferenzdolmetscherin für die französische Sprache. Das Ar­beits­ta­ge­buch wurde zum COVIDiary. Samstags brachte ich früher oft meinen Lieb-Link. Mach' ich jetzt weiter. Doch bleibe ich beim Thema der ...

... Gartennews: Wir haben leider jetzt auch den Buchsbaum­zünsler, auf Lateinisch Cydalima perspectalis, eine echte Plage, die immer weiter um sich greift, eine Be­gleit­erscheinung der Klimakatastrophe. Un­ter­nimmt die Gärtnerin (oder der Gärt­ner) nichts, stirbt die Pflanze ab.

Am Abend entdecken wir seine Gespinste an zwei kleinen Buchs­baum­kugeln. Einen Blick ins Internet später: Nein, wir haben spontan weder Algenkalk zur Hand, der auch eher vorbeugend nützt, noch einen Hochdruck­reiniger. (Mit einem Was­ser­schlauch haben Bekannte ihn an anderer Stelle im Zaum gehalten.)

K. schnappt sich Gartenhand­schuhe und sammelt erstmal gründlich die Raupen von der ersten Kugel ab. Das klappt allerdings nur bei kleinen Pflanzen und bei ge­rin­ge­rem Befall. Die Raupen wandern in eine leere Tüte, die am Ende dicht ver­schlos­sen im Haus­müll versenkt werden wird. Vorher teste ich aber, wie die Raupen auf Koffein reagieren. Wir haben noch kalten Kaffee in der Sprühflasche, das soll ge­gen Blatt­läu­se helfen.

Das Schädlingsbekämpfungsbiolabor vermeldet: Nach 30 Minuten war nur noch reg­loser Bodensatz in der Tüte (die beim Sammeln offen war, Sauerstoffmangel ist auszuschließen). Das scheint mir die humanere Methode zu sein als das, was eine Gärtnerseite vorschlägt, die Viecher nämlich in der Plastiktüte einige Tage lang in der Sonne schmoren und dort verenden zu lassen.  (Sadismus aus Pflanzenliebe. Nun ja.)

Wir haben die Büschchen anschließend mit einer Mischung aus Schwarzer Oli­ven­seife (savon noir de Marseille), Milchzucker und "Kaisernatron" (Backpulver), das alles in Wasser aufgelöst, eingesprüht und noch etwas "einmassiert". Derlei Haus­mittel, les remèdes maison oder les moyens du bord, fand ich als Sub­stan­zen im Netz für diesen Fall empfoh­len. Die Mischung ergab sich schlicht aus dem, was in meinem Haushalt vorhanden war.

Mein Wundermittel (in Wasser gelöst)
Schwarze Seife auf Olivenbasis wird  auf Deutsch mitunter als "Schmierseife" wiedergegeben. In französischsprachigen Ländern gilt sie indes als natürliches Fun­ghi- und Insektizid sowie als Stär­kungs­­mittel für Pflanzen. Sie verschont Helfer wie Bienen und Marien­käfer. Und Milch­zucker macht die Blät­ter klebrig.
Den Trick mit dem schwarzen Müll­sack, der einen Tag lang über die Pflanze ge­stülpt wird, probiere ich vielleicht bei einer grö­ßeren Pflanze aus. Auch hier sterben die Larven durch Hitze. Dieser Hinweis stammt auch aus dem Netz. Wieder die lang­samere Methode, aber ich muss leider auch mit der Zeit ein wenig haus­halten ...

Eine Gewissensfrage. (Vielleicht die Tiere mittels Kaffee vorab schachmatt set­zen.) Hier stehen weitere Hinweise, darunter auch mit Neem-Öl: klick!

Montag muss ich mein Lieblingsputzmittel (neben Kaisernatron und Essigessenz) nach­kau­fen. Wo finde ich das in Berlin? Ich schicke die Frage an Freun­de und Be­kannte. Und nein, die Firma Amazon, die sich überall aus ihren Pflichten heraus­windet (Steuern, Arbeit­neh­mer­ver­tretungen und Arbeits­schutz) und die dem Ver­neh­­men nach in der Lockdown-Zeit 40 Prozent mehr Umsatz einge­fahren hat, kommt für mich absolut nicht infrage.

Hier die Antworten: In der Haupt­stadt führen Kunden zufolge diese Geschäfte mei­ne Olivenseife: Rote Lippen, Oranienstraße 12, 10999 Kreuzberg sowie Philosopher's Stone, Fried­richs­­hain, Wühlisch­­straße 15-16, 10245 Fried­richs­hain (hier scheint es den Großka­nister zu geben).

Als Link der Woche nenne ich jetzt noch diese Firma: Hallesches Haus, dort wird die handliche Sprüh­fla­sche direkt be­worben. Berliner können dort direkt vor­bei­gehen, der Laden liegt in einem alten Post­amt: Tempelhofer Ufer 1, Berlin 10961.

EDIT: Diese Sammel- und Naturmittelmethode funktioniert nur bei klei­nen Pflan­zen und wenig Larven. Für den grö­ße­ren Busch er­wäge ich nun, mit dem Bacillus thurigiensis zu ar­beiten, einem na­tür­lichen Biozid.

Vorschau: In meinem Haus­­halts­­labor werde ich mit natürlichen Saponinen als Wasch­mittel ex­pe­ri­men­­tie­ren, darunter dem "Bordmittel" Efeu.

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Foto: C.E.

Freitag, 7. August 2020

COVIDiary (122)

Gu­ten Tag & hello auf mei­nen Blog­seiten. Ich ar­bei­te seit 2005 in Pa­ris und Ber­lin als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin, früher auch oft als Über­set­ze­rin. (Für die bes­se­re Un­­ter­schei­dung der Begriffe: siehe oben.) Derzeit schreibe ich vom Büro aus. Das Virus macht aus diesem Blog aus der Arbeitswelt mein COVIDiary.

Grünzeug pflegen und benennen ist in unserem Hofgarten ein- und derselbe Vor­gang. Das liegt nicht nur daran, dass hier eine Linguistin mitgärtnert. Wir ver­ste­hen uns alle so, dass wir die Freude über das Gärtchen ebenso gerne teilen wie das Wissen dazu. Die Leseanfänger üben stolz ihre Fertigkeiten und zei­gen dann den Eltern, was hier wächst. Auch alle anderen lernen Neues.

In den letzten Jahren hatten wir bis zu 300 Liter Kompost­er­de per an­num aus ei­ge­ner Her­stel­­lung, jetzt ist es etwas weniger, da wir manches dort weglassen, was vielleicht doch für Nager interessant sein könnte. Der Sommer 2018 ist in Sachen Kom­post un­ver­ges­sen, denn da wurde aus dem Haufen innerhalb von nur drei­ Wo­chen feinster Hu­mus. (Im Hoch­som­mer braucht es sonst sechs Wo­chen.) Die Gieß­kan­ne abends sorgte für feucht­hei­ßes Klima. So schnell geht das sonst nur in In­dien. Dieses Gartenprojekt nahm übrigens mit meiner Dol­met­scher­spe­zia­li­sie­rung auf na­­tur­­wis­­sen­­schaft­li­che Themen wie Bo­den­ge­sund­heit, mikrobielle Vielfalt und Ero­sions­be­kämp­fung vor etli­chen Jahren überhaupt erst Fahrt auf.

Und während wir Großstädter weiterhin den Sommer genießen und dabei auf Ab­stand bleiben, bilde ich mich tagein, tagaus an meinen Sprachen fort, lerne weiter Fachliches aus den normalerweise bearbeiteten Themenfeldern und hal­te meine Vokabellisten à jour. Wir wissen ja nicht, wann es wieder los­geht.

Grün- und Buntzeugs mit Erklärstäbchen
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Collage: C.E.

Donnerstag, 6. August 2020

COVIDiary (121)

Bonjour, hello, guten Tag. Hier bloggt im 14. Jahr eine Dol­met­sche­rin, übli­­cher­­wei­se mehr­mals die Woche. Das Coronavirus hat aus meinem Blog das COVIDiary gemacht. Trotz Seuche bleiben die drängendsten Probleme bestehen. Es spitzt sich sogar gerade zu. Wir müssen handeln.

Grüne Transition ist der neueste Vorschlag für die Übertragung des englischen Begriffs the transition, der in Fachkreisen für den Übergang in eine nachhaltige Gesellschaft gebraucht wird.

Gesehen in Baden-Württemberg
Verwendet hat ihn Elmar Krieg­ler vom Potsdam-Institut für Klimafol­gen­forschung (PIK) im Deutschland­funk, "Umwelt und Verbraucher", 06.08.2020. Es geht um den Über­gang in ein nachhaltiges Leben, das wir dringend in allen Bereichen brauchen. Résumé: Wir müssen massiv CO2 einsparen, wenn wir die programmierte Katastrophe ein wenig abmildern wollen.

Das ist jetzt keine Überraschung. Überraschend finde ich eher, dass dieses Wissen nur langsam das Verhalten des Homo sapiens ändert. Oft liegt es an der Spra­che. Mancher Fachbegriff sickert nur langsam in den Alltags­wort­schatz ein. Von der Not­wen­digkeit, Gen­trifi­zierung zu "übersetzen", habe ich erst neu­­lich berichtet. (Heute ist das in man­chen Kreisen übrigens noch immer nötig.)

Um Änderungen anzustoßen, brauchen wir Wörter, die allgemeinverständlich be­schreiben, was geschieht und solche, die Auswege aus der Krise anbieten und der drohenden Lähmung Handlungs­mög­lichkeiten entgegensetzen. Menschen lieben Ge­wohn­hei­ten. Wir müssen diese Verhaltens­veränderungen schick machen. Dafür sorgen, dass schädliches Verhalten bald als "unmögliches Tun" empfunden wird.

Die Gesellschaft bewegt sich in Moden fort, hier meine ich "Fortbewegung" durch­aus auch ironisch, nämlich weg vom Eigentlichen. Nehmen wir das Beispiel der Schotter­flächen in Vorgärten, die sogenann­ten Steingärten, in deren Mitte gerne mal eine für Bienen und Insekten komplett irrelevante Thuja oder eine Steinrose in einer Urne thront. Lange galt derlei als schick und pflegeleicht. Dicke Plas­tik­pla­nen unter den Stein­flä­chen verhindern, dass "Unkraut" seinen Weg ins Licht findet. Das Plastik sorgt aber auch dafür, dass kein Regenwasser ablaufen kann und der Boden darunter ver­ödet.

Zäune und Zonen des Grauens
In Baden-Württemberg sind die wüsten Steingarten jetzt ver­boten. Endlich!
Andere Bun­des­­län­der sollten schnellst­mög­lich folgen. Letztes Jahr ist mir auf einer Dreh­reise aufgefallen, auf der ich für ein franzö­sisches Team dol­met­schen durfte, dass in manchen deutschen Regionen gefühlt 50 Prozent der Vor­gärten von Ein­fa­mi­lien­häu­sern geschottert waren.

So sieht es aber auch in der Großstadt aus, in der durch Stürme die meisten alten, großen Bäume verloren gingen, die andren wegen mangelnder Stabilität gefällt wurden. Neulich war ich bei einer Freundin in einer solchen Wohn­gegend von Ber­lin, da reihte sich Sonnen­schirm an Sonnen­schirm, der Asphalt sah vor der Ampel aus wie ein versteinertes Meer, in dem sich Wellen abzeichnen, denn dort, wo die Bäume fehlten, gab der weiche Asphalt der Last der anfahrenden SUVs nach.

Mein Dolmetschsymbol für "Grüne Transition"
In vielen Vorgärten standen keine Buchsbaumhecken mehr als Einfassungen, der Buchs­baum­zünz­ler hat auch hier gewütet. Stattdessen um­gaben die Steinwüsten immer öfter Kirsch­­lor­beer­hecken. Diese Pflanze aus Klein­­asien wächst zwar schön dicht und ist ro­bust, scha­det aber un­se­rem Öko­­system, denn ihre Blätter und Samen sind schäd­lich für Mensch und Tier.

Nur Amseln und andere Drosseln fressen die Beeren prob­lem­los, denn sie zer­kau­en die giftigen Kerne nicht. Kirsch­lorbeer schreckt sogar Mikroben ab, seine Blätter ver­rot­ten deshalb fast nicht im Kompost­haufen.

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Fotos: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 5. August 2020

COVIDiary (120)

Ob ge­plant oder zu­fäl­lig: Sie le­sen hier im ers­­ten deut­schen Dol­­met­scher­blog aus dem In­neren der Dol­metscherkabine. Gerade schreibe ich vom Büro aus, das seu­chen­bedingt brachliegt. Ich do­ku­men­tie­re hier auch unsere Zeit.

Kinderzeichnungen als Abstandsempfehlung
Gestern durfte ich öffentlich reden, das ging relativ anspannungsfrei. Nor­ma­ler­wei­se fühle ich mich als Kon­fe­renz­dol­metscherin auf dem Gedan­kenpfad einer anderen Person sicherer, dann trage ich nur die Verant­wortung für "meine" Sprach­ver­sion, nicht aber für alles, Inhalt, Form, Art des Vortrags. Und wo ich gerade schon mal am Mi­kro­fon war, entschied die Haus­ge­mein­schaft spontan, dass ich die Mode­ra­tion über­neh­men soll

Meine Nachbarinnen und Nachbarn wissen, dass ich auf Festivals regelmäßig nicht nur dol­met­sche, sondern auch moderiere. Vor Mikros habe ich keine Angst. So ging auch das ziem­lich ent­spannt.

Paketschnur und Foldback-Klammern
Besonders gefallen hat mir gestern und im Vorfeld aber die Arbeit als Kura­torin. Oha, das Wort "Arbeit" ist mal wieder gefal­len. Also richtig viel Arbeit im Sinne von "Auf­wand" war's nicht, schon gar keine im Sin­ne eines bezahlten Einsatzes.

Da ein Immobi­lien­spe­kulant nach unserem Haus greift, sind wir Mieter aktiv und ma­chen auf uns auf­merk­­sam in der Hoff­nung, ein städtisches Wohn­bau­un­ter­nehmen oder eine Genos­senschaft sowie den Ber­li­ner Senat für uns gewin­nen zu kön­nen, da­mit der Bezirk sein Vorkaufs­recht zu­guns­ten eines Dritten umsetzen kann. Hier der Link zu unserer Haus­web­seite: Maybachufer 17.

Die Farbe Rosa ist hier wichtig
Ein solches Verfahren ist möglich, da wir mitten im Mi­lieu­schutz­ge­biet liegen. Zwei Nach­bar­häuser sind bereits vor Jah­ren verkauft worden, da gab es den Milieu­schutz noch nicht. Heute stehen dort viele Wohnungen, gefühlt die Hälfte, die meiste Zeit leer. Als Nachbarin­nen und Nachbarn sehen wir, wo was erleuch­tet und wo auch mal wer zugegen ist.
Dieses Syndrom kenne ich aus Paris, es lässt Städte ver­öden: Anleger kaufen auf­grund schicker Fotos und Wer­be­tex­te, immer mehr Inves­toren ziehen Ferien­ver­mietung ordent­licher Vermietung vor, schon sind Liegen­schaf­ten wie das Doppel­miets­haus neben uns, für normale Wohn­nut­zung verloren.

Passion in der Passionsblume
Da wir alle die Investitionen in die In­fra­struk­tur drumherum be­zahlt haben, wurde bis zur Einführung der Mi­lieu­schutz­re­geln lange das Ver­geu­­den von Volks­ver­mögen geduldet, die Wis­­sen­­schaft spricht von der "Fehlal­lo­kation von Res­sour­cen". Wa­rum sollen Was­ser, Ener­gie, ÖPNV, Bil­dung usw. für immer mehr Geis­ter­häuser in ex­klu­si­ver Lage be­reit­ste­hen? Die Steu­er­­po­li­tik vieler Länder mit lukrativen Ab­schrei­bungs­­mög­­lich­­keiten und die Geld­politik nach der Krise von 2008 ha­ben zu ab­sur­den Situationen geführt.

Zur Ausstellung: Unsere Nachbarin Laura Stromp, überdies auch noch ein mu­si­ka­li­sches Talent, hat im Frühjahr ihren Ab­schluss am Lette-Verein gemacht.

Coronabedingt fiel die damit üblicher­weise verbundene Ausstellung ins Wasser. Wir durften uns glücklich schätzen, dass sie statt­dessen die Blätter als Vorab­prä­sen­ta­tion in unserem Hofgarten gezeigt hat.

Zur Arbeit schreibt der Lette-Verein: "Die Zukunft — vielleicht sogar die Ge­gen­wart? — von Dating und Partnerschaft in virtuellen Welten beschäftigt Laura Stromp in ihrer Arbeit "Origin“. Als erzäh­lerische Tableaus inszeniert sie Figuren in seltsam un­ge­lenker Haltung an hoch­ar­ti­fi­ziel­len Orten. Obwohl physisch anwesend, schei­nen die Personen ihre Aufmerksamkeit ganz auf ihre Existenz in alterna­tiven Rea­li­tä­ten zu konzentrieren. Die Arbeit mit den Models, reale und vir­tu­el­le Lo­ca­tions, die Re­qui­site, das Licht und die Post Pro­duction greifen perfekt in­ein­ander, bre­chen mit unseren Seh­ge­wohn­­heiten und lassen die Gren­zen zwischen Wirk­lich­keit und Virtu­alität verschwimmen." (Sebastian Lux)

Laura hat mit ihrer Arbeit auch den ersten Förderpreis des Berufsverbandes Freie Fotografen und Filmgestalter e.V. gewonnen. Nachträglich herzlichen Glückwunsch zu Studienabschluss und Preis!

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Fotos: C.E. bzw. L.S.