Donnerstag, 31. Januar 2019

Wer schreibt, bleibt!

Will­­­kom­­­men auf den Sei­­ten mei­­­nes di­gi­­ta­len Ar­beits­­­ta­­­ge­buchs. Hier dreht sich alles um Spra­­­chen, Kul­­­tu­ren und das Ver­­­mit­­teln zwi­schen den­­­selben. Ich ar­bei­te mit fol­genden Spra­chen: Fran­zö­sisch (Aus­gangs- und Ziel­spra­che) und Eng­lisch (nur Aus­­gangs­­spr­ache). Das Le­ben in der Dol­met­scher­ka­bi­ne kann über­ra­schend sein.

Mikro und Dolmetschpult
Subjektive Einstellung: Dolmetscherin
"Wer schreibt, der bleibt!", sagt der Moderator, hält ein Buch in die Höhe und strahlt. Ich bin dran. Es geht ins Fran­zö­si­sche.

Sprichwörter, Witze, Psalmen und andere kul­tu­rell kon­no­tier­te Aus­drücke sind im­mer schwie­rig zu über­tra­gen, denn wer hat hier schon im­mer die Ent­spre­chun­gen pa­rat? Oft gibt es auch keine Ent­spre­chun­gen.

Mir hilft the spur-of-the-mo­ment, die Ein­ge­bung des Augen­blicks. Geis­tes­ge­gen­wär­tig mache ich Celui qui écrit, reste dans les esprits draus. Mutig habe ich den Satz analog zum Origi­nal angefangen, dann hat der Kopf wie von selbst die sich eben­falls rei­men­de Lösung gefunden. Sie klingt so, als wür­de es diese Re­dens­art schon ewig auf Fran­zö­sisch geben. Ich er­schrecke mich ein wenig über meine glück­li­che Trou­vaille.

Null Fundstellen für die Redewendung
In der Ka­bi­ne sind wir, wenn der Flow da ist, intel­li­gen­ter als außer­halb der Kabi­ne und ohne Flow. Dann geht es mir, wie wenn ich krea­tive Texte schreibe, mich mit dem Pin­sel in der Hand oder küns­tle­ri­scher Fo­to­grafie versuche: Ich bin dann nicht al­leine.

Es fühlt sich an, als wür­de ir­gend­et­was mit­­ar­bei­ten. So gesehen ist Dol­met­schen eine künstle­ri­sche Tätigkeit.

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Foto: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 30. Januar 2019

Schreibtischarbeit

Bonjour, hello, guten Tag. Hier bloggt im 12. Jahr eine Dol­met­sche­rin, übli­­cher­r­wei­­se mehr­­mals die Woche. Die Früh­jahrs­sai­son hat noch nicht ange­fangen, trotz­dem herrscht derzeit Lernzeit. Erste Konferenzen finden statt, die Berlinale wirft ihre Schat­ten voraus, Licht­spiele halt.

Frau am Schreibtisch (altes Schwarz-Weiß-Foto)
Konzentriertes Arbeiten
In der Zwi­schen­zeit be­kom­me ich eine neue Lampe für die Lese­ecke, die al­te war lei­der ir­re­pa­ra­bel ka­putt, und den Schreib­tisch habe ich mir auch um­or­ga­ni­siert. 
Mein Lern­tipp: Rou­ti­nen! Der gute Pawlow mit seinen Hun­den hat gezeigt: Die Kör­per von uns Lebe­wesen  las­sen sich pro­gram­mie­ren. Das mache ich mir zunutze. Sobald ich am Tisch mit Rou­ti­ne­arbeit anfange, bin ich "drin".

Dann setzt der Flow ein. Dann bin ich hoch­kon­zen­triert und völlig ein­ge­taucht in mei­ne Auf­ga­be. Man­che Men­schen sprechen dabei von "Tätig­keits­rausch", darunter der Glück­sforscher Mihály Csíkszent­mi­hályi, auf den die The­orie zu­rück­geht.

Und wenn genug Platz da ist: Unter­schied­li­che Tätig­keiten an unter­schied­li­chen Orten er­le­di­gen. Und beim Ler­nen auch mal Hin- und Her­wan­dern, bei vie­len hilft das!

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Foto: Privat (Archiv)

Freitag, 25. Januar 2019

Drecksit

Was Französischüber­set­zer und -dol­metscher be­schäf­tigt, können Sie hier mit­le­sen, zumindest meine Perspektive, über die ich hier im 12. Jahr schreibe. Um­welt­fra­gen wie der Klimawandel sind für mich beruflich ein Thema, aber auch privat.

Politik ist oft genauso schmut­zig wie das Reisen. Fragt ein Kind in meinem Umfeld: "Was spre­chen die immer von Dreck­sit? Wer hat Dreck gemacht? Die Eng­länder? Müssen die auch allein auf­räu­men?"

Die Grenzen des Wachstums (The Limits to Growth), 1972
Klassiker und Aktualisierung
Heute früh kam eine Kollegin aus Köln an­ge­braust. Ihr Kunde hatte das Flug­ticket gebucht. Sie selbst wäre lieber Bahn ge­fah­ren, denn die Umwelt liegt ihr als Mut­ter am Herzen. Aber der Flug­schein plus zwei Taxifahrten zum/ab Flug­hafen waren güns­ti­ger, als die Deutsche Bahn für die Reise mit Bahn­card 50 be­rech­net hätte. Der freie Markt hatte falsche An­rei­ze ge­ge­ben.
Normalerweise buchen wir Dol­met­scher selbst. Trotz­dem erleben wir manch­mal ver­schnupfte Nach­fragen, wenn wir die (vermeint­lich zu teure) Bahn genommen haben. Wenn sich wie hier der Kunde um alles kümmert, was äußerst selten ist, wissen wir Dol­met­sche­rin­nen nicht, wie wir auf Kunden einwirken können.

Oder wenn ein Dreh in Frank­reich für vier Tage un­ter­brochen wird und das Film­team nach Hause fliegen muss, weil das bil­liger kommt als es mit Hotel und Ta­ges­spesen in Frank­reich zu versor­gen. Vor Jahren selbst erlebt im Rah­men einer Produk­tion im Auftrag für den deutschen Teil von Arte. Bit­tere Ironie: Der Film ging um ein Natur­thema.

Heute tagt die Koh­le­kom­mis­sion und berät über Ent­schä­di­gungs­zah­lungen für Ener­gie­un­ter­nehmen, die aus der Koh­le aus­steigen sollen. Ebenfalls heute hat in Davos Greta Thunberg, eine sech­zehn­jährige Schwedin, den Mäch­ti­gen ins Gewissen ge­re­det: "Unser Haus brennt!", sagte sie und: "Ich will, dass Sie in Panik geraten!" Heute schließen sich tausende deutsche Schü­ler ihrem "Schul­streik fürs Klima" an und demons­trieren für ihre Lebens­be­din­gun­gen. Sie sehen ein einfaches Problem und einfache Lösungen.

Kinder­mund: Ich denke an den "Kaput­ta­lismus" des welt­besten Patensohns. Es ging um Um­welt­gifte und dass für die Kosten alle auf­kom­men müssen. Er hat sich mit seinen Nicht-mal-zehn-Lenzen schreck­lich da­rü­ber aufgeregt. Es ist das Vor­recht der Jugend, radikal zu sein.

Lydia und Claude Bourguignon: Der Boden, die Erde und die Felder (Buchcover)
 Dieses Buch würde ich gerne übersetzen
Anderer Müll, Atom­müll, ist am letzten Ersten in den Eigen­tum der Ein­wohner der Bun­des­re­publik Deutsch­land übergegangen. Die Fir­men, die ihn produ­ziert haben, sind jetzt raus. Als ich Kind war, hatte man uns ju­gend­lichen Re­bel­len ge­sagt, dass man schon etwas finden werde, wenn es soweit sei mit dem Atom­müll, dass die Gefahren zu ver­nach­läs­sigen seien.

Nichts wurde seither gelöst. In man­chem Stol­len, den "Zwischen­lagern", verrotten mitt­ler­weile die Fässer; die Kosten für Sanie­rung und jahr­tau­sen­delange Ab­schot­tung der Lager­stätten hat lange niemand be­zif­fert. Wie wird es mit den anderen Folge­kosten von Ener­gie, ther­mi­scher Iso­lie­rung und Mo­bi­li­tät?

Die junge Schwe­din ist mit dem Zug in die Schweiz gereist. Hin- und Rück­fahrt dauern etwa 65 Stunden. Bei den nächsten Kun­den­ge­sprä­chen in Sachen Reise­mittel werde ich Greta erwähnen. Und den Men­schen am anderen Ende des Tele­fons nach seinen Kin­dern und Enkeln fra­gen.

Die Kol­legin bleibt über Nacht in Ber­lin und nimmt mor­gen den Zug. Ab dann re­den auch alle wie­der über den Bre­xit. (Ha­ben wir nicht schon genug Probleme? Mussten die Bri­ten unbedingt noch eins drauf­legen?)


Vokabelnotiz
to brexit — umständ­lich seinen Ab­schied an­kün­di­gen, aber nicht umsetzen
deutsche Ent­sprechung: seehofern
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Foto: C.E.
Cover: 
Lydia und Claude Bourguignon:
"Der Boden, die Erde und die Felder"
[Grundlagen der Agrarökologie]

Mittwoch, 23. Januar 2019

Agrarthemen

Für et­li­che Dol­met­scher ist die Grü­ne Wo­che, die bis zum 27. Ja­nuar in den Ber­liner Mes­se­hal­len statt­fin­det, schon wie­der vor­bei. Die Kon­fe­ren­zen der Agrar­mi­nister sowie zah­lrei­che Hin­tergrund­ge­spräche und Be­gleit­ver­an­stal­tungen fanden ge­gen Ende letzter Woche und am Wochen­ende statt.

Ackerland im Nebel
Irgendwo in Süddeutschland
Nach der Grü­nen Woche 2019 ist vor der Grü­nen Woche 2020 ist vor der Fruit Lo­gis­tica 2019. Ein gu­ter Anlass, mal zu­sammen­zu­fas­sen, was ich in den letzten Jah­ren in diesem Feld sprach­lich begleitet habe:
— Ge­mein­same Agrar­po­li­tik (EU) [Dol­met­schen auf Staats­se­kre­tärs- und Mi­nis­ter­ebene];
— Milch­wirt­schaft [Kunde: Euro­pean Milk Board, eini­ge Jah­re lang im Team];
— Öko­landbau [Kunde: Namhafter Bio­land­bau­ver­band];
— Über­gang vom konven­tio­nel­len zum arten­scho­nenden nachhal­tigen Landbau [For­schungs­grup­pe];
— Bodenerosion, Bo­den­re­ha­bi­li­ta­tion [Kunden u.a.: Minis­te­rium für wirt­schaf­tli­che Zu­sam­men­ar­beit];
— Land­wirt­schaft­li­che Produkte Nord­afrikas [Kunden: Presse- und Tou­ris­tik­büros zweier Maghreb­staaten];
— Hof­übergabe [Kunde: EU-Pro­jekt, For­schungs­gruppe psy­cho­so­ziale Be­glei­tung].

Ein­ar­bei­tung in an­gren­zende Be­rei­che ist mög­lich, sofern es sich um kein rein technisches Thema handelt.


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Fotos: C.E.

Bodenhaftung

Will­kom­men auf den Sei­ten des di­gi­ta­len Log­buchs einer Dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin. Meine Arbeits­spra­chen sind Fran­zö­sisch, Deutsch, Eng­lisch als Aus­gangs­spra­che ... und Film. Hier be­rich­te ich über den Berufs­alltag. Das ge­schieht so, dass man nicht die Be­tref­fenden, wohl aber manche Si­tuatio­nen er­ken­nen kann. 

Obst ohne Bodenhaftung (mit Blattgold)
Die­ser Po­li­ti­ker hätte ja über­haupt keine Bo­den­haf­tung, meint ein kri­ti­scher De­mons­trant auf der Stra­ße. C'est un politique hors sol, sagt er ver­kürzt. Bei sei­ner Art der For­mu­lie­rung schwingt mit, dass der Po­li­ti­ker nicht auf dem Erd­bo­den ge­wach­sen ist.

Hors sol ist ein Be­griff aus dem Land­bau. Er be­zieht sich sonst un­ter an­de­rem auf Ge­wächs­haus­to­ma­ten.

Das sind jene "Liebes­äpfel", die nie "schmut­zige" Erde ge­se­hen ha­ben und die als 4. Ag­gre­ga­tions­zu­stand des Was­sers bekannt sind.

Keine Boden­haf­tung, nicht ge­er­det sein ... die fran­zö­sische Spra­che kennt auch avoir les (deux) pieds sur terre, die (beiden) Fü­ße auf dem Bo­den ha­ben, rea­lis­tisch sein.

Mir fällt auch noch être terre à terre ein, boden­ständig bis stroh­trocken sein, hier im­pl­iziert der Be­griff eine pro­saischen Heran­­ge­hens­wei­se, eine wenig am­bi­tio­nier­te, eher eng­stir­ni­ge Denk­weise. Im Netz fand ich: Plus terre à terre que lui, il fal­lait vraiment être un concombre ou une patate ! — "Mehr Bo­den­haf­tung als er hat nur noch eine Gur­ke oder eine To­mate!"

Quelle: Marie Décary, Rendez-vous sur planète Terre, p.46, Éditions La courte échelle, 1998

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Foto: C.E. (Archiv)

Sonntag, 20. Januar 2019

Viele Kühe machen ...

Wel­come, gu­ten Tag, bon­jour ... auf den Blog­­seiten, die in der Dol­­­­met­­­­scher­­­ka­bi­ne und am Übersetzer­­schreibtisch entstehen. Ich arbeite in den Be­rei­chen Po­li­tik, Kul­tur, Wirt­­­schaft und So­ziales. Meine Arbeits­­sprachen sind Deutsch, Fran­zö­sisch (Ausgangs- und Ziel­­­spra­che) und Englisch (über­wiegend Aus­­gangs­­­spra­che). 

Vokabelzettel mit kombinierter Zeichnung: Kuh, Weide, Stall ...
Lernmaterial und Spickettel zugleich
Weiter mit Agrar­the­men: Wel­chen Stel­len­wert hat Bo­den­ge­sund­heit in der heu­ti­gen Agrar­po­li­tik? Einen zu ge­rin­gen. Wie leben junge Men­schen im länd­li­chen Raum? Was pas­siert bei der Hof­über­gabe? Hat die An­bin­de­hal­tung bei Kühen eine Zukunft? Was hilft gegen Eu­ter­ent­zün­dung? Was sind die un­ter­schied­li­chen Füt­te­rungs­ar­ten?

Beim Vorbereiten ver­ste­he ich das al­les, was ich lese.

Das Ganze auf Fran­zö­­sisch zu wie­der­ho­len, ist aber eine andere Sache. La san­té des sols, le transfert inter­gé­né­ration­nel des exploi­tations, la mammite, les méthodes d'ali­men­tation ...

Bei der "Anbinde­hal­tung" wird es richtig schwie­rig. Auch Wörter wie kal­ben, das Trocken­stellen einer Kuh oder Färse gehören nicht unbe­dingt zu meinem aktiven Wort­schatz.

Tiervokabular, gezeichnete Kuh und Stall
Noch "nur" ein Notizblatt
Ich suche und lese. Ich lese Dokumente aus Frankreich über art­gerechte Haltung, fülle Lücken auf mit einer Einlei­tung in die Milch­wirt­schaft, die an Bauern aus ärmeren Ländern gerichtet ist (Quelle: siehe unten).

Diese finde ich nicht "ein­fach so" im Netz, denn nicht alle PDF-Doku­mente werden von den Such­ma­schinen er­fasst. Ich durfte länger suchen.

Und ich fand die Be­griffe. Beim Lesen ist übr­igens was Ko­misches pas­siert. Meine Ge­­dan­­ken haben sich verselb­stän­digt. Hier als bearbeitete Rohübersetzung, was mich inspi­riert hat: "Die wachsende Nach­frage treibt die Prei­se für Milch in vielen Län­dern in die Höhe. Sie ermöglicht es Land­wirten, ihr Ein­kom­­men zu verbessern, indem sie die Milch­pro­duktion aufnehmen. Es ist oft eine wirtschaft­lich viel­ver­spre­chen­de Tä­tig­keit, aber Kuh­haltung ist arbeits­in­ten­siv, 365 Tage im Jahr!

Zudem sind die Kuh­preise hoch, Kühe sind empfind­liche Tiere, Milch ist kein halt­ba­res Produkt. Wir müssen uns der Risiken bewusst sein. Stich­wort  In­ves­ti­tions­­sicherheit: Kühe sind eine wichtige Investi­tion, die im Falle von Krank­heit oder Dieb­stahl leicht verloren geht. Das Produkt Milch ist leicht ver­derb­lich, wenn sie nicht in gutem Zu­stand verarbeitet oder gela­gert wird. Spä­ter kann sie nicht mehr ver­kauft werden."

In mei­nem Kopf läuft ein Film ab. Sonst würde ich jetzt normaler­weise intensiv die Ber­linale vor­be­reiten. Da dort seit einigen Jahren fast nur noch Englisch ge­spro­chen wird (oder Globish), sa­ßen wir Profis dieser Tage zu­hause und haben uns statt­dessen auf die Grüne Wo­che vorbe­reitet. Ich sehe vor meinem geis­tigen Auge: Irgendwo in einem wirt­schaft­lich weniger entwickelten Land dieser Welt hört ein kleiner Junge von un­glaub­lichen Preisen, die er für das "weiße Gold" verlan­gen könnte. Die Mut­ter ist krank, der Va­ter lebt nicht mehr, er hat das Geld der Oma um­ge­setzt in ... und nun lauern die Gefah­ren ... Der Film könnte tat­sächlich in al­len Sek­tio­nen laufen und in den verschiedens­ten Ästhetiken gedreht sein.

Vokabelliste: Von einer Din-A-4-Seite zu acht Seiten
Liste, wie haste dir verändert!
Was bewirkt Kino? Was bewirkt Kunst? Wie kann jede(r) von uns an Än­de­run­gen mitwirken? Am Ende des  Films verlas­sen jeden­falls alle das Kino, um eine Erfah­rung und viel­leicht auch das Ge­fühl der Läu­te­­rung be­rei­chert. Zu ge­rechte­ren und klügeren Men­­schen macht es we­der Zu­schau­er noch Kino­­branche.

Derzeit ändern weder das Kino noch das Arbeiten im Feld der Sprache etwas am Lauf der Welt. Dafür än­dert die Zeit uns. Wir werden er­fah­rener, reifer, man­che radi­ka­ler, und die Wör­ter­listen werden länger.

Vor vielen Jah­ren haben wir als Team fürs European Milk Board gedol­metscht, bei großen Meetings auf der Grünen Woche. Die Liste oben rechts ist schon die Kurz­fas­sung, die Langfassung passte nicht aufs Foto (ein Drittel länger). In diesem Jahr bin ich in den Hin­ter­zim­mern oder auf der Ver­an­stal­tungs­büh­ne un­ter­wegs.

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Il­lus­tra­tionen: C.E., ange­regt von der
Quelle des Zi­tats: Série Agrodok No. 14,
L’élevage de vaches lai­tières, Fondation
Agromisa et CTA, Wage­ningen, 2008.

Freitag, 18. Januar 2019

Museum der Wörter 22

Hallo, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Englisch (nur Aus­gangs­spra­che). Heute im Wörtermuseum: Der Neueintrag ins Englischwörterbuch!
            
      t
o brexit ['breksɪt] — einen Abschied wiederholt       ankündigen, trotzdem bleiben. Deutsch: seehofern

   
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Idee: H.F.

Donnerstag, 17. Januar 2019

Flächenstörung

Fran­zö­sisch­dol­met­scher und Fran­zö­sisch­über­setzer gibt es wie Sand am Meer, so jedenfalls das Pub­li­kum. Und in we­ni­gen Jahren über­nimmt ohnehin das Di­gi­tale diese Auf­ga­ben, auch das ist an al­len Ecken und En­den zu hö­ren. Aber so ein­fach ist es nicht. Dol­met­schen und Über­setzen ist Arbeit für Men­schen, für Pro­fis und die beste tech­ni­sche Aus­stat­tung ist nur die Grund­lage — manch­mal auch Dick­köpf­ig­keit.

Die Finanz­fach­leute so: Könnten Sie nicht Kosten ein­spa­ren? Zum Bei­spiel in Sa­chen Tele­fonie/Internet?

Altes Wählscheibentelefon
Kids von heute kennen das Gerät nicht
Mei­ne Mei­nung: Was kann ich spa­ren? 240 Eu­ro pro Jahr? Vor al­lem an­de­ren brau­che ich zu­ver­läs­si­ge Ar­beits­mit­tel.

Und dann das hier: Nach 3,5 Stun­den "Flä­chen­stö­rung" der Te­le­kom ist das In­ter­net am Nach­mit­tag wie­der ein­satz­be­reit.

Lie­be Nach­barn im Be­reich des May­bach­ufers (ei­ner der ärms­ten Ge­gen­den Ber­lins), Ihr dürft ger­ne Dan­ke sa­gen. Als Ge­schäfts­kun­din konnte ich et­was Druck ma­chen. Ein Tech­ni­ker hat eben ein Bau­teil ir­gend­wo in der Nä­he "hän­disch" aus­ge­tauscht. Sonst wä­re das Inter­net erst ir­gend­wann heu­te Abend oder in der Nacht wie­der nutz­bar ge­wor­den!


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Foto: C.E. (Archiv)

Auf dem Schreibtisch XXXXVIII

Guten Tag oder gu­ten Abend! Hier bloggt im zwölften Jahr eine Dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin. Dabei arbeite ich (aktiv und passiv) mit Deutsch und Fran­­zö­­sisch sowie (nur passiv, also als Ausgangs­spra­che) mit Englisch. Dort, wo mich meine Kunden brauchen, bin ich dann meis­tens auch tätig: Köln, Berlin, München, Lyon, Straß­burg, Pa­ris ... um nur einige Beispiele zu nennen. 

Notizpapier, Füller
Vokabeln suchen, Notizpapier bereitlegen
Heute wie­der den Blick auf den Schreib­tisch: Die Kuh ist ein Weidetier, la vache est un animal de prairie, steht in einem Do­ku­ment. Wei­ter im Text: "Hat die ganzjährige An­bin­de­hal­tung eine Zukunft?" Das Wort "An­bin­de­hal­tung" steht in kei­nem Wörter­buch. Nach langem Suchen finde ich eine Ent­spre­chung, l'attache oder l'entrave permanente. 
Mehr dazu folgt hier bald.

Andere Themen: Au­to­un­falls­scha­dens­be­richt. Kühl­wasser, Ventilation des Motors, Zylin­der­kopf­dich­tung (joint de culasse) und Fahrzeugverdeck. Für mich sind das kei­ne Alltagsvokabeln.

Ausweis des Clubs von Unifrance auf der Berlinale 1991 / Internationale Filmfestspiele Berlin
Meine Doppelgängerin von vor einer Ewigkeit
Das gilt auch für die Be­rei­che Ju­gend­straf­recht,  Ur­he­ber­recht, Up­load­filter, Pro­ven­ienz­­for­schung (Kunst aus den frü­he­ren Ko­lo­nien, Rück­ga­be­de­batte) und KI, Künst­li­che In­tel­li­genz. Manches kommt hier zum wiederholten Male vor.

Last but not least Begriffe der Film­fi­nan­zierung aus Projekt­map­pen. Diese Wörter sitzen.
Sie wohnen schon lange im Langzeitge­dächtnis. Die Berlinale steht (fast schon) vor der Tür. 

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Fotos: C.E. und Unifrance (Archiv)

Mittwoch, 16. Januar 2019

Formelhaft

Bonjour, guten Tag, wel­come! Ges­tern Abend saß ich wie halb Eu­ro­pa vor dem Com­pu­ter und habe die De­bat­ten im bri­ti­schen Unter­haus live ver­folgt. Mir ist bang um unseren Kon­ti­nent — und die vorge­lagerte Insel. Dabei wur­de mir aber auch bewusst, wie formel­haft und dadurch auch merk­würdig vieles in unserem Alltag ist.

Ringe auf herzförmigem Porzellan
Licht und Schatten
Am Mor­gen da­nach die­se For­meln: "Die Stan­des­be­am­tin frag­te die Ehe­schlie­ßen­den, ob sich seit der An­mel­dung ih­rer Ehe­schlie­ßung Än­de­run­gen er­ge­ben ha­ben, die ih­re tat­säch­li­chen Ver­hält­nisse der Ehe­vor­aus­set­zun­gen be­tref­fen. Auf die Fra­ge des Stan­des­be­am­ten er­klär­ten die Ehe­schlie­ßen­den, dass kei­ne ent­spre­chen­den Än­de­run­gen ein­ge­tre­ten sind.

Alsdann fragte der Stan­des­be­amte die Ehe­schlie­ßen­den ein­zeln und nach­ein­an­der, ob sie die Ehe mit­ein­an­der ein­ge­hen woll­ten. Die Eheschlie­ßenden bejah­ten diese Fra­ge. Der Standes­be­am­te sprach aus, dass sie nun­mehr kraft Gesetzes recht­mäßig verbundene Ehe­leute seien."

Das war jetzt die Etappe "Ver­le­sung der Urkunde", die in der "Rin­ge­fir­ma", wie ei­ne lie­be Kol­le­gin den La­den nennt, auch zu dolmetschen ist.

Neulich war ich bei einer beson­deren Hochzeit zu Gast, da rief der zweitjüngste Hoch­zeits­gast, ein Anfänger in Sachen Selber­laufen, zwei Mal zu den abso­lut pas­sen­den Mo­men­ten: "Ja!" Das wird kei­ner von de­nen, die da­bei waren, je­mals ver­ges­sen!

Den zweit­hei­ters­ten Augenblick habe ich bei einer LGBT*-Hoch­zeit er­lebt: Bunt war es im Warte­­raum, hier die Fahne der schwul­les­bi­schen Be­wegung, dort bunte Haar­käm­me, aber auch Anzüge in ge­deckten Farben und bür­ger­liches Kos­tüm­chen samt Zuchtperlenkette, Hunde an der Leine, Kinder im Wagen waren dabei, also alle Schat­tierungen, die einem in Berlin so auf der Straße be­geg­nen können.

Schon vor der Hoch­zeit wurden die ersten Fla­schen mit bulles geköpft, das ist die­ses Ge­tränk mit Bläs­chen. Die Stim­mung stieg. Die Hochzeit davor dauerte etwas län­ger als geplant. Wir standen wenig später vor der Tür der (frühe­ren) Kapelle im Stan­des­amt Berlin-Ru­dow im Be­zirk Neu­kölln. Und nur ich wusste, welcher Art die Hoch­zeits­ge­sell­schaft war, die sich drinnen ver­sam­melt hat­te.

Um sicher zu sein, rechtzeitig an­zu­kom­men, war ich (wie üb­lich) mit Zeit­puffer dort ein­ge­lau­fen. Als ich den Raum betrat, war es im Warte­raum neben dem Trau­zim­mer sitt­sam ruhig gewesen: Alle schwarz ge­klei­det, wie bei einer Be­er­di­gung, sogar die kleinen Jungs im Anzug mit Fliege, nur die Braut blüten­weiß. Ich war die ein­zi­ge Frau im Raum ohne Kopf­tuch, drei Frau­en trugen sogar Schlei­er mit vergit­ter­tem "Augen­fenster".

Später dann die Ge­sichter, als die eine Hochzeits­ge­sell­schaft die Kapelle verließ und der anderen auf dem Vor­platz an der Trep­pe begegnet ist ... unbezahlbar.
Für solche Momente blogge ich hier.

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Foto: C.E. (Archiv)

Sonntag, 13. Januar 2019

Baukindergeld

Was Über­setzer und Dol­met­scher beschäf­tigt, können Sie hier mitlesen. Seit vie­len Jahren be­rich­te ich über den Beruf und meinen sprach­be­ton­ten Alltag. Sonntags werde ich privat: Sonn­tags­foto!

Elegante Kaffeetafel mit Silberleuchter, Kerzen, Keksen und Brot
Links: Dinkelbrot
"Wenn sich die Men­schen kei­ne Miet­woh­nung mehr leis­ten kön­nen, dann sollen Sie halt bau­en!" Das ist die Varia­tion des be­rühm­ten Kuchen­ens­sens­vor­schlags, der einst einer Kö­nigin zu­ge­schrie­ben wurde. Wir wis­sen, wie das für sie zu En­de ging.

Jetzt gibt es in Deutsch­land wie­der Bau­kin­dergeld. Ganz großes Kino!

Als ich Kind war, gab es das schon ein­mal. Meine Generation weiß, dass damit Kin­der­zim­mer subventioniert wurden, die meist nur einige Jahre bewohnt wa­ren. Wir sind damals als Teen­ager ein- und auch wieder ausgezogen. Denn zum Bauen ist Eigen­ka­pi­tal nö­tig. Das fällt be­kannt­lich nicht vom Him­mel.

Draufsicht: Schokokuchen
Drei Sorten Schokolade
Die größ­te Zeit sind un­se­re ge­för­der­ten Räu­me als Bü­cher, Bü­gel- oder Gäs­te­zim­mer ge­nutzt worden. Der­lei kann doch nicht im In­teresse der All­ge­mein­heit sein.
Au­ßer­dem er­reicht es vor al­lem Fa­mi­li­en, die ver­mö­gend genug sind, um sich Wohn­ei­gen­tum zu­zu­le­gen. (Oft steu­ert ja die Nach­kriegs­ge­ne­ra­tion et­was zum Ei­gen­ka­pi­tal bei.)

Stuttgarter Nachrichten vom 10.1.2019
Baukindergeld treibt die Baupreise hoch  Frankfurt (bsa). Das im vergangenen Jahr neu eingeführte Baukindergeld soll eigentlich dafür sorgen, dass sich auch Familien ein Eigenheim leisten können. Doch jetzt zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): die staatliche Förderung dürfte mitverantwortlich für die immer höher steigenden Preise in der Baubranche sein. Außerdem zeigen sich die Experten skeptisch, ob Programme dieser Art tatsächlich die Bautätigkeit anregen und damit für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt sorgen werden. Die Forscher plädieren für eine neue Strategie beim sozialen Wohnungsbau. Die Baupreise werden laut der DIW-Prognose im laufenden Jahr um 4,5 Prozent steigen. Im zurückliegenden Jahr dürfte das Plus fast fünf Prozent  erreicht haben, schätzen die Wissenschaftler.
Das angekündigte Ergebnis
Das löse Mit­nah­me­ef­fek­te aus, pro­fi­tie­ren werde da vor allem die Bau­in­dus­trie, so Wis­sen­schaft­ler letzten Herbst auf einer Kon­ferenz zum Thema Wohnkrise und Ur­ba­nis­mus. Das Deut­sche Ins­ti­tut für Wirt­schafts­för­de­rung ar­gu­men­tiert jetzt in die gleiche Richtung.

Hier notiere ich der Vollständigkeit halber noch diesen Vorschlag, der wirk­lich ge­äu­ßert wor­den ist, Quelle: ein männlicher Bewerber für das Amt des CDU-Vorsitzes (2018), den ich hier nur ent­spre­chend re­for­mu­lie­re: "Wenn die Menschen eine zu geringe Rente erwarten, dann sollen sie doch Aktien kaufen!"

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Foto: C.E.
Pressemeldung: SN

Freitag, 11. Januar 2019

Fürs Talent bezahlen

Was Dol­met­scher und Über­setzer so er­le­ben kön­nen, be­schrei­be ich hier in loser Folge. Ich arbeite mit den Sprachen Deutsch, Französisch (Ausgangs- und Ziel­spra­che) und Engl­isch (nur Ausgangssprache) in Marseille, München, Cannes, Berlin, Paris und dort, wo meine Kunden mich brauchen.

Vor der Berlinale sind noch einige Filmstoffe zu übersetzen oder zu korrigieren. Untertitelt wird von uns freien Einzel­kämpfern nicht mehr, zumin­dest nicht in die deut­sche Sprache; die gut zwei Dutzend Wett­be­werbs­fil­me, die das einzige deut­sche A-Festival noch deutsch untertiteln lässt, schei­nen die gro­ßen Fir­men über­nom­men zu haben. Dafür haben der­zeit Eng­lisch­untertitler wie vor anderen großen Festivals auch Hochkonjunktur.

Aber in Deutschland sprechen ja schließlich inzwischen alle Shakepeares Spra­che, als hätte ihre Mutter ihnen dieses Idiom schon an der Wiege gesungen. Wie, ma­chen sie nicht? Dann sagen Sie das bitte mal Menschen wie dem aktuel­len Leiter der Ber­li­nale. Er scheint das nicht zu wissen.

Dolmetschkabinen Englisch und Deutsch
... am besten noch: 3 / Spanisch, 4 / Französisch ...
Zwischen­durch durf­te un­ser­einer doch kurz in Dol­met­scher­ka­binen springen, die in Kinos standen. Aber eben nicht in Berlin.

Ei­ne Prak­ti­kan­tin hat die eng­li­schen Un­ter­­ti­tel schon mal über­tra­gen, das war durch­aus hilf­reich, auch wenn sie den Film bes­ser zu­vor ge­se­hen hät­te. Denn so kam es na­tür­lich zu brillanten Miss­ver­ständ­nissen.

Es gab leider keine Zeit fürs Mar­kie­ren der lustigsten Stellen, nur einen fürs Pub­li­kum nicht hörbaren Screen­­shot habe ich noch ge­schafft.

Ich durfte diesen Film simultan aus dem Franzö­sischen ins Deutsche dol­metschen. Der Umweg über das Eng­li­sche und die Zu­ar­beit der Festival­prak­ti­kan­tin wa­ren denn­noch eine freundliche Unter­stützung, die of­fen­bar nötig wurde, weil sich das "Dol­met­schen vom Blatt weg" heute kaum einer mehr zutraut. Im Kino heißt diese Ar­beit übrigens verharm­losend "Filmeinsprechen". Das kann kaum noch jemand, wes­halb die Veranstalter von sich aus diese Vor­be­rei­tungs­ar­beit angeboten haben. Und es war auch besser bezahlt als früher.

A-Festivals mit vielen Filmen, die oft erst kurz vor der Premiere fertig werden, ha­ben jahr­zehn­te­lang Filme einspre­chen lassen. Das klingt so ein bisschen wie pol­ni­sches Fern­se­hen, wo eine Person alle Rollen spricht und der Original­ton ganz leise durch­scheint. (Sogar die Türkei ver­wen­det dazu zwei Sprecher, eine männ­liche und eine weib­liche Stimme.) Cannes hat diese Arbeit vor über zehn Jahren, die Ber­li­nale vor etwa fünf Jahren ab­ge­schafft. (Für genauere Zahlen müsste ich jetzt suchen. Das hier ist ein Blog, keine wissen­schaft­liche Abhandlung.)

Etliche Küns­tler fanden das Ein­sprechen sogar besser als Unter­titel. Ich erin­nere an den von mir verehrten Mau­rice Pialat, dessen Gesamtwerk ich vor einer kleinen Ewigkeit im Berliner Kino Arsenal ein­spre­chen durfte. Ein weiterer Einsatz­ort fürs "Einsprechen" ist die Festival­arbeit mit histo­rischen Filmen oder für ein länd­li­ches oder ost­deut­sches Publikum, das eine deut­schen Fassung verlangt. (Und auch be­kommt. You're only getting what you're asking for.)

Unten mein schneller Screenshot, per Pho­­to­shop ergänzt. In ecki­gen Klam­­mern die Rollen bzw. ein Sprechhinweis, in blauer Schreib­­schrift, wie ich es ge­sprochen ha­be.

Wir schalten nach Paris, neben der Basilika Sacré-Cœur sitzen auf ei­nem kleinen Platz viele Kunst­maler:
Sie zahlen nicht für die Zeit ... Sie bezahlen mich für mein Talent!
Der Filmtitel und die Namen der Urheber sind hier ausnahmsweise mal unwichtig
Das Talent bezahlen ... ich ergänze: die im Vorfeld erworbenen Sprach­kennt­nisse, Berufserfahrung und Routine sind zu be­zah­len, nicht die mit dem Auf­trag ver­brach­te Ar­beits­zeit. QED  CQFD  WZBW ...

Mehr über das Übersetzen von Un­ter­titeln für eine Live­dar­bie­tung hier: Ein­sprech­über­set­zung sowie etwas zur Frage, warum ein Poli­zist manchmal ein Wacht­meis­ter ist.

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Illustration: C.E.

Mittwoch, 9. Januar 2019

Telefonalphabet

Will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Hier dreht sich alles um Spra­chen, Kul­tu­ren und das Ver­mit­­teln zwi­schen den­selben. Ich ar­bei­te mit fol­genden Spra­chen: Fran­zö­sisch (Aus­gangs- und Ziel­spra­che) und Eng­lisch (nur Aus­gangs­sprache). Das Leben von Zweisprachigen kann kompliziert sein.

A - Alfa (international) - Anatole (FR) - Anton (DE)
 International — Französisch  Deutsch

Der Linguist aus Frankreich, der zu Zwei­spra­chig­keit forscht: "An Ihrer Aussprache habe ich Sie nicht erkannt, die klingt nach dem 6. Ar­ron­dis­se­ment von Paris, auch nicht an Ihrem Vo­ka­bu­lar und Ihrer Kennt­nis idiomatischer Re­de­wen­dun­gen, die sind wirklich vielfältig. Erkannt habe ich Deutsch als Ihre stär­kere Sprache, als Sie buchsta­biert haben. Nicht beim nor­ma­len Buchsta­bieren, sondern beim tele­fo­ni­schen Al­pha­bet. Sie haben 'A wie An­toine' gesagt und nicht 'A wie Anatole'." Ja, Antoine ist ein fran­zö­si­scher Name. Stimmt, im 6. Ar­ron­dis­se­ment habe ich stu­diert.

Und ich darf ergänzen: Bei Zahlen stolpere (oder zögere) ich auch noch manchmal, vor allem dann, wenn sie ellenlang sind. Die sind ja auch kompliziert auf Französisch!

In Frank­reich oder in Ge­gen­wart französischer Per­so­nen oder wenn ich ge­ra­de etwas auf Fran­zö­sisch gedacht habe, rechne ich auf Französisch, im deutsch­spra­chi­gen Kon­text auf Deutsch. Wenn ich aus Deutschland nach Frankreich te­le­fo­nie­re, geht das so: "Null, Null, Vier, Neun, un, quarante-et-un ..." Also sobald ich mit der Te­le­fon­num­mer über die Grenze bin, geht's auf Franzö­sisch weiter. Und um­ge­kehrt. Irgend­wie logisch.

Schlecht bin ich allerdings bei fran­zö­si­schen Wie­gen­lie­dern, Abzähl­ver­sen sowie bei Schlagern und den Namen von Kinder­sen­dungen im TV. Und wenn ich schlecht sage, dann meine ich wirklich schlecht.

P.S.: Die Buch­sta­bier­ta­bel­le ist übri­gens in ih­rer aktu­el­len Form das Er­geb­nis na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Sprach­po­li­tik: Sa­muel wur­de 1934 durch Sieg­fri­ed ersetzt, um nur ein Bei­spiel zu nen­nen. Nach dem zwei­ten Welt­krieg wur­de das Te­le­fon­al­pha­bet nicht ent­na­zi­fi­ziert.

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Illustration: Netzfund

Dienstag, 8. Januar 2019

Nachtschlaf

Hier bloggt eine Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Sprache. Daneben übersetze ich auch, allerdings überwiegend für Kultur und Film: Pressemappen und -ankündigungen, Filmprojekte, Drehbücher.

Tisch mit Getränken, Technik und Papier
Sehr gut: Leitungs- statt Flaschenwasser!
Pause in einer Sitzung mit Vor­stän­den und deutschen, bel­gi­schen und franzö­sischen Be­triebs­räten irgendwo im Bran­den­bur­gi­schen. Es geht um ei­ne Unterneh­mens­fu­sion und um Sozial­pläne.

Ich dol­met­sche solo immer 45 Minu­ten auf die Stunde, der Rest ist Rauch­pause: Für die Freunde des Ta­baks und da­mit mir mein Ge­hirn nicht ab­raucht.

Die Ver­treter der Geschäfts­füh­rung sind mehrsprachig. Das könnte mei­nen Stress erhöhen, ich kann es aber zu meinem Vorteil nutzen. Wenn ich etwas akustisch falsch verstehe, das kam an diesem Nach­mittag immerhin zwei Mal vor, bekom­me ich freund­lich den Hinweis und korrigiere mich. Ein Wort kenne ich überhaupt nicht, Klär­schlamm auf Englisch, sludge, hier haben alle das eng­lische Wort ver­wen­det, auch im deut­schen und fran­zö­si­schen Satz­fluss. Ehe ich weiter rätsele, bekom­me ich es rasch mitgeteilt. Es ist, als käme es von ei­ner Kol­le­gin (oder ei­nem Kol­le­gen).

Kompliziert bleiben immer Anspie­lun­gen auf allen (außer mir) bekannte Sach­ver­halte, Eigen- und Ortsnamen. Der Per­so­nal­chef beob­achtet mich auf­merk­sam.

In einer der Pausen meint jemand: "Sie ha­ben ja eine sehr intensive Arbeit!" Ich darauf: "Ja. In Näch­ten nach solchen Ein­sätzen schlafe ich immer tief und fest!" Die Gewerk­schafts­men­schen: "Naja, wenig­stens eine. Wir haben gerade ver­mehrt schlaf­lo­se Nächte!"

Aber so einfach ist das für mich auch nicht. Am nächs­ten Mor­gen wird mein Lieb­ster meinen un­ru­hi­gen Schlaf er­wähnen. Ich wäre kein Mensch, wenn ich alles, was ich auf der Arbeit höre, abends able­gen könnte wie das Bu­siness­kostüm.

Und dann finde ich die Dank­sa­gung vom Personal­chef in der Mailbox, die so endet: "... Sie haben auch prima gearbeitet, als Sie die Inhalte nicht ver­stan­den hatten. Ich stelle mir dies sehr schwierig vor …"

Ist es und ich weiß im Nach­gang auch nicht mehr, für welche Lö­sun­gen ich dann je­weils optiert habe. Ich glaube, wir Dolmet­scher übertragen in diesen Fällen im­mer fast wörtlich.

So, Rech­nun­gen machen und dann noch ein Mittags­schläf­chen zur Kom­pen­sie­rung ver­passten Nacht­schlafs.

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Foto: C.E.

Montag, 7. Januar 2019

Aussprechhilfe

Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin. Heute kommt das neue Buch von Michel Houellebecq auf dem deutschen Markt. Ein Kurztipp aus aktuellem Anlass.

Der Kettenraucher M.H.
Als ich vor Jahr­zehn­ten im öffentlich-recht­lichen Rund­funk gearbeitet habe, gab es eine Aus­spra­che­liste mit Hör­bei­spie­len. Die scheint es nicht mehr zu ge­ben. Oder aber sie wird nicht mehr so inten­siv ge­nutzt.
Kleine Schlau­meie­rei: der Abge­bildete spricht sich nicht (H)Ull-Beck oder Well-Beck aus, sondern U-Ell-Beck. Und bit­te nicht ab­set­zen zwi­schen dem U und dem E.

[wɛlˈbɛk], ganz einfach. Hier noch der Kontext, in dem das Foto entstand: Lernen mit Monsieur H.

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Foto: C.E.

Dienstag, 1. Januar 2019

In limbo

Bon­jour, hel­lo, gu­ten Tag! Fran­zö­sisch­dol­met­scher und -übersetzer haben ver­mut­lich einen eigenen Blick auf die Welt, und meiner ist nochmal anders. Ich schreibe hier mein subjektives Arbeitstagebuch.

Die allerbesten Wünsche für 2019! Jetzt liegen die dunkelsten Ta­ge des Win­ters wie­der hinter uns und die Büroruhe wird auch nicht lange andauern.

Im Filmsektor ist sie sowieso relativ. Das festliche Jahresende und die Zeit zwi­schen den Jahren fühlen sich für Menschen, die mit Kino und Sprache zu tun ha­ben, wie ein kurzes Innehalten vor der Berlinale an. Für mich endete das Jahr so, wie es begonnen hatte: Mit Filmübersetzung. Und ab März geht die Kon­gress­sai­son wieder los.

Ich liebe übrigens die deutsche Redewendung "zwi­schen den Jahren". Sie ist nicht leicht zu übertragen ... entre les années   in limbo be­tween the years vielleicht. Sie beschreibt eine Zeit des Stillstandes, Pausierens und des Innehaltens. Die Tage werden noch nicht spürbar wieder länger, wir treffen uns mit Freun­den und Fa­mi­lie, es wird wieder mehr gelesen, die Museen ha­ben er­höh­ten Zulauf.

Diese Pause dauert in der ersten Januarwoche noch an, in der das ge­sell­schaft­li­che Leben weiter brachliegt. Diese Zeit ist wie eine Klammer zwi­schen dem Ges­tern und dem Heute. Ein Moment im Jahr, in dem zu­gleich zurück- und nach vorne ge­schaut wird, Bilanzen und Pläne auf­ein­an­der­treffen.

Verwandt damit ist in limbo, der eng­li­sche Aus­druck für dieses Da­zwi­schen, noch nicht dort, nicht mehr ganz hier, wie eine Fern­lie­be, die irgendwo an den Schie­nen­strän­gen zwi­schen zwei Orten residiert, niemand weiß, was die Zu­kunft bringt und wo­hin sie uns führt.

Dieser Mo­ment ist zugleich die In­kar­na­tion des Au­gen­blicks. Die­ses schö­ne deut­sche Wort umfasst, was ein Auge sieht im Hier und Jetzt, die Es­senz des Gegen­wär­ti­gen.

Nie­mals sonst im Jahr spüre ich so sehr das, was uns antreibt und wie wir das er­le­ben, was uns alle au­macht: die Zeit. Ich schließe mit Marcel Proust (2017): "Ich für meinen Teil ha­be aufgehört zu glauben, dass die Jahre neu sind ..." (Pour ma part j'ai re­non­cé à croire que les années soient nouvelles ...)

Alle poli­ti­schen, sozialen, öko­lo­gi­schen etc. Wün­sche für und Gedan­ken über un­se­re Epoche spare ich mir jetzt. Es wären zu viele. Auf ein fried­li­ches, glück­li­ches und vor al­lem ge­sun­des 2019!

Mann, der nichts sehen kann, orientierungslos inmitten von Ampeln
Wand­ma­le­rei in Paris, wie eine Al­le­go­rie auf unsere Zeit
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Foto: C.E.