Freitag, 26. April 2024

Bonjour ...

... und herz­lich will­kom­men auf mei­ner Blog­sei­te! Was Dol­met­scher und Dol­met­scherin­nen be­schäf­tigt, kön­nen Sie hier seit 2007 mit­le­sen. Das neu­e Jahr nimmt Fahrt auf!

Dol­mets­chen bei Kon­gres­sen, für den Po­li­tik­be­trieb, auf De­le­ga­tions­rei­sen, bei ad­mi­nis­tra­ti­ven Vor­gängen, in der Kanz­lei oder im Kran­ken­haus, bei Werks­be­sich­ti­gun­gen und Hin­ter­grund­ge­sprä­chen — un­se­re Ein­sät­ze sind über­aus viel­fäl­tig.

Grüne Jalousien, grüne Vase, Garten mit Funkien
Späteres Frühjahr
Da­bei über­tra­gen wir In­hal­te kon­se­ku­tiv (in Sprech­pau­sen hin­ein) oder si­mul­tan (na­he­zu zeit­gleich).

In den letz­ten Jah­ren sind wir im­mer öft­er auch online gefragt. Da diese Über­tra­gungs­art für alle an­stren­gen­der ist, klei­ne Mo­ni­tor­bil­der, ge­stauch­te und damit un­na­tür­liche Stim­men, Rau­schen oder Echos, sind die­se Ein­heiten meis­tens kür­zer als nor­ma­le Ein­sätze.

Zur Pla­nung Ihres Dol­metsch­be­darfs er­rei­chen Sie uns be­quem per Mail an info@ada­zyl­la.de.

Es gibt keine Bü­ro­sprech­stun­den

Wir freu­en uns auf Ihre An­fra­ge!


Bit­te be­ach­ten: Krea­ti­ve Tex­te über­tra­ge ich selbst nur ins Deut­sche; an­de­re Spra­chen deckt un­ser Netz­werk ab. Do­ku­men­te be­ar­bei­ten Kol­le­gin und Kol­le­ge au­ßer­halb Ber­lins (im Post­ver­kehr).

Da wir nicht nur Spra­char­bei­terin­nen und Sprach­ar­beiter sind, son­dern auch Men­schen, die be­ob­ach­ten und Ihre Epo­che do­ku­men­tieren, fin­den Sie auf den fol­gen­den Sei­ten mein mit­un­ter sub­jek­tiv ge­präg­tes Ar­beits­ta­ge­buch.

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Foto: C.E.

Mittwoch, 24. April 2024

Kleine Pariser Straßenszene

Hel­lo, bon­jour & gu­ten Tag auf der Sei­te ei­ner Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und -über­set­ze­rin mit Haupt­ar­beits­ort Ber­lin. Hier kön­nen Sie Ein­bli­cke in den All­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen er­hal­ten.

Ei­gent­lich woll­te ich nur ein al­tes Fo­to­archiv auf­räu­men und fin­de das da:

Zwei Frauen im Gespräch auf einem Pariser Gehweg mit Sprechblase (Zitat: siehe Text)
Dom­in­ique Ma­not­ti und die Au­to­rin die­ser Zei­len bei Dreh­ar­bei­ten in Paris

In der Sprech­bla­se, die mir je­mand im Schnei­de­raum (?) rein­ge­bas­telt hat, steht ei­nes mei­ner Lieb­lings­zi­ta­te zum The­ma Film­schau­spiel, auch aufs Dol­met­schen am Set über­trag­bar: On est payé(e)s pour pa­tien­ter, la pres­ta­tion est gra­tu­ite ! ... auf Deutsch: "Wir wer­den fürs War­ten be­zahlt, die Arbeit selbst ist gra­tis!"

Der Kopf krü­melt sich De­tails zu­sam­men und be­fin­det, die "Car­lin­gue" aus dem In­ter­view­trans­kript un­ter dem Film­stand­bild ist das Stich­wort: Das war der Kurz­na­me für die fran­zö­si­schen Ges­tapo im Frank­reich un­ter der Vi­chy-Re­gie­rung, die ihr Per­so­nal "teil­weise im Kri­mi­nel­len­mi­lieu an­heu­er­te" (Wi­ki­pe­dia). His­to­ri­ke­rin und Kri­mi­au­torin Do­mi­nique Ma­not­ti hat ihr Buch Le corps noir im Pa­ris die­ser Zeit an­ge­sie­delt, es ist auch auf Deutsch er­schie­nen, und zwar un­ter dem Ti­tel "Das schwar­ze Korps".

Hier ge­hen wir mit Do­mi­nique Ma­no­tti von einem Dreh­ort zum nächs­ten. Pro­ta­go­nis­ten bei Lau­ne zu hal­ten, ist Teil der Auf­ga­ben­be­schrei­bung von uns Set-Dol­met­sche­rin­nen (Män­ner mit­ge­meint). Das fiel mir mit der wun­der­ba­ren Do­mi­nique Ma­not­ti und als His­to­ri­ker­toch­ter nicht schwer. Und ja, bei Dreh­ar­bei­ten muss oft ge­war­tet wer­den bzw. ist viel Ge­duld nö­tig, so­gar bei der Her­stel­lung von Do­ku­men­tar­fil­men und Re­por­ta­gen.

Die Auf­nah­men sind aus dem Mai 2015. Ich tra­ge ei­nen zu­sam­men­ge­rol­lten klei­nen Pa­pier­sta­pel (Dreh­buch, No­tizen, Hin­ter­grund­ma­te­rial, Vo­ka­bel­lis­ten), einen Ta­schen­com­pu­ter und Schreib­zeug, ge­dreht wird der ZDF/Arte-Do­kumen­tar­film mit dem Ti­tel "Kri­mis und das Drit­te Reich" in der Re­gie von Chris­toph Rü­ter und mit Phi­lip Kerr (Lon­don), Vol­ker Kut­scher (Köln) und Do­mi­nique Ma­no­tti (Pa­ris) als Pro­ta­go­ni­sten.

Die Dreh­ar­bei­ten wa­ren sehr in­te­res­sant, der Film ist sehr gut ge­wor­den und er wur­de nach dem viel zu frü­hen To­de Phi­lip Kerrs 2018 noch wert­vol­ler.

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Il­lus­tra­tion:
Schnei­de­raum (?)

Dienstag, 23. April 2024

I love books (1)

Will­komm­en auf den Sei­ten des ers­ten Blogs Deutsch­lands aus der Dol­met­scher­ka­bi­ne oder vom ei­ge­nen On­line-Dol­met­sch­stu­dio aus, aus der Über­set­zer­werk­statt, über den sprach­be­ton­ten All­tag in schwie­ri­gen Zei­ten und über lan­des­ty­pi­sche The­men, darüber schreibe ich hier seit 2007. Hin­ter­grund ist, dass un­se­re Ar­beit als Dol­met­scher und Über­set­zer, Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen, in der Öf­fent­lich­keit zu we­nig be­kannt ist.

Heute fei­ern wir mal wie­der einen Welt­gedenk­tag, näm­lich den des Bu­ches. Mein Le­se­sessel ist mir da seit vie­len Jah­ren eine große Un­ter­stüt­zung.

Dol­met­schen be­steht zu 80 Pro­zent aus Vor­kennt­nis­sen. Da­für le­sen wir viel, hö­ren Pod­casts, se­hen auch Do­ku­men­tar­filme (die Rei­hen­fol­ge stimmt hier nicht, ich fange in der Re­gel mit den Zu­sam­men­fas­sun­gen an, Fil­me ge­hen meis­tens nicht so in die Tie­fe). Und so kann ich sa­gen, dass ich mit mei­nen Ta­ges­sät­zen fürs Stu­dieren be­zahlt wer­de und im Grun­de gra­tis dol­met­schen ge­he.

Ich bin dann mal le­sen. Na gut, wenn drau­ßen der Win­ter noch­mal "hier!" schreit und uns fet­te, kal­te Wol­ken in den Him­mel schiebt, knip­se ich drin­nen eben das Licht an!

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Foto:
Archiv

Montag, 22. April 2024

Montagsschreibtisch (39)

Bon­jour, guten Tag & hel­lo! Wie Über­setzer:in­nen und Dol­met­scher:in­nen ar­bei­ten, erfahren Sie hier. Wir spre­chen und schrei­ben auf Deutsch, Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Büro­kol­le­gin ist Über­setze­rin und arbei­tet in die engli­sche Spra­che.

Mein Ar­beits­platz ist mit­un­ter bei den Kund:in­nen oder bei Fa­mi­lie aus­wärts, manch­mal bin ich aber in ei­nem an­de­ren Raum der Woh­nung, weil Nach­barn re­no­vie­ren.

Bücher, Fenster, Tisch und Monitor
Al­tes Bü­ro mit neu­er Tech­nik
Ge­ra­de auf dem Schreib­tisch:

⊗ Kos­ten­vor­an­schlä­ge für den Herbst
⊗ Rech­nun­gen April
⊗ Netz­werk­ar­beit
⊗ Wei­ter­ler­nen Agrar-Öko­lo­gie
⊗ ...

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Il­lus­tra­tion: pixlr


Donnerstag, 18. April 2024

Eierpiekser

Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hinein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin ar­bei­te ich in Pa­ris, Ber­lin, Mar­burg und dort, wo man mich braucht. Heu­te wie­der: Sprach­schatz.

Fran­zo­sen in Deutsch­land lie­ben es, sich selbst manch­mal doch als ein klei­nes biss­chen kul­ti­vier­ter zu emp­fin­den als die Be­woh­ner des Gast­lan­des. Hier ein hüb­sches Bei­spiel:

Les Allemands ont un outil qui ouvre parfaitement les œufs à la coque, il s'appelle Eierschalensollbruchstellenverursacher. / Die Deutschen haben ein Werkzeug, das gekochte Eier perfekt öffnet, es heißt Eierschalensollbruchstellenverursacher.
"Wa­rum ein­fach, wenn's auch komp­li­ziert geht?"

Nice try, net­ter Ver­such, belle ten­ta­ti­ve: Vor Jah­ren hat­ ein­mal je­mand ein et­was kom­pli­zier­te­res fuz­zi­lo­gi­sches De­sign­ob­jekt, das dem Zwe­cke des Ei­er­öff­nens dient, be­wusst kom­pli­ziert be­nannt, um Auf­merk­sam­keit zu er­zeu­gen. Ei­er­scha­len­soll­bruch­stel­len­ver­ur­sa­cher sagt wirk­lich nie­mand. Die deut­sche Tendenz zur komp­le­xen Be­nam­sung von Ob­jek­ten ist al­ler­dings nicht ganz falsch be­ob­ach­tet. Auch über das von der eins­ti­gen Bun­des­post erfunden "Post­wert­zei­chen" wür­den heu­te noch alle la­chen, wenn "Brief­mar­ken" nicht längt kaum noch ver­wen­det wer­den wür­den. Und nur die Ver­wal­tung nennt ei­ne Am­pel ei­ne "Licht­zei­chen­an­la­ge".

Det Din­gen da oben heißt schlicht "Eier­piek­ser", auf Fran­zö­sisch ge­n­auso: pique-œuf.
 
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Foto: Netzfund
(Mit dem Cur­sor auf das Bild ge­hen
und die Über­set­zung wird an­ge­zeigt)

Mittwoch, 17. April 2024

Rabatte

Hallo! Hier bloggt ei­ne Sprach­fach­frau. Ich dol­met­sche bi­la­te­ral FR<>DE und über­set­ze auch Schrift­li­ches, al­ler­dings ins Deut­sche, so­wie aus der eng­li­schen Spra­che; ins Eng­li­sche über­setzt eine Bü­ro­kol­le­gin. Was Dol­met­scher so ma­chen (und wir Dol­met­sche­rin­nen), be­schrei­be ich hier.

Dolmetschpult, Glasscheibe der Dolmetschkabine, Stuhlbeine im Konferenzsaal
Point Of View der Dolmetscherin
Heu­te: Nach­den­ken über Ra­bat­te. In un­se­ren Kos­ten­vor­an­schlä­gen grei­fen wir auf die Sät­ze der Mi­nis­te­ri­en zu­rück, die bran­chen­weit als Re­fe­renz gel­ten. Wahr­schein­lich wer­den die Ho­no­ra­re nach dem Som­mer we­gen der In­fla­ti­on wei­ter stei­gen. Bei An­ge­bo­ten im Früh­jahr für Events, die im Herbst statt­fin­den, ga­ran­tie­ren wir aber noch den al­ten Preis. Das gilt auch für den Preis der Über­stu­nde.

Wir bie­ten üb­ri­gens re­gel­mä­ßig Ra­bat­te an und ha­ben im "Port­fo­lio" auch einige NGOs oder Ini­tia­ti­ven, de­nen wir eher sym­bo­li­sche Bei­träge be­rech­nen. Und jetzt die Mul­tik­ri­sen ... wenn un­se­re Stamm­kun­den in wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten sind, ge­wäh­ren wir Preis­nach­läs­se.

Ei­ni­ge, die wäh­rend der Pan­de­mie an Geld­knapp­heit lit­ten, zah­len in­zwi­schen wie­der den vol­len Preis.

Es är­gert mich nur, wenn Fir­men oder Ins­ti­tu­tio­nen auf den Zug auf­sprin­gen wol­len. Klar, Jam­mern ist des Kauf­manns Gruß, zi­tiert mein ei­ner Bru­der im­mer ein al­tes Sprich­wort. Aber ich den­ke, dass Kund:in­nen mit sta­bi­len Bud­gets eher nicht da­zu ge­hö­ren soll­ten, dar­un­ter auch et­li­che öffent­lich Fi­nan­zier­te; und so­was macht dann doch mür­be.

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Foto:
C.E. (Archiv)

Dienstag, 16. April 2024

Hybride Konferenz und physische Grenzen

Will­kom­men auf der Sei­te ei­ner Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und -über­set­ze­rin mit Haupt­ar­beits­ort Ber­lin. Hier kön­nen Sie Ein­bli­cke in un­se­ren All­tag er­hal­ten, denn die Be­ru­fe Dol­met­sch­er und Über­set­zer / Dol­met­sche­rin­ und Über­set­ze­rin sind oft kaum be­kannt. Hier tra­ge ich ei­nen kur­zen Einb­lick zu mei­nem ges­tri­gen Ar­beits­tag nach.

Dol­met­schen bei ei­ner hybri­den Web­kon­fe­renz, die nicht an­ders mög­lich war: Die meis­ten Teil­neh­men­den sit­zen in West­afri­ka. Die­sen Ein­satz hät­te es ohne die neu­en Tech­no­lo­gi­en nicht ge­ge­ben.

— Guten Tag an alle! Wenn Sie eine Frage an die Redner:innen haben, melden Sie sich bitte bitte im Chat! — DER TON IST SEHR SCHLECHT GEWORDEN. —  Danke für den Hinweis, wir versuchen, das Problem zu beheben. Geht’s um den Ton der Übersetzung? — Der Ton ist noch immer von Störgeräuschen begleitet. — Der Ton der Übersetzung? — Ja, entzifferbar, aber mit Resonanzen.
"Ton mit Parasiten"
In der Re­gel ha­ben wir gu­ten bis sehr gu­ten Sound. Nur ei­n west­afri­ka­ni­scher Stand­ort klingt sehr holp­rig. Ei­ne Refe­ren­tin ver­lie­ren wir so­gar kurz, sie muss sich er­neut ein­log­gen. Mich hat­te da­vor schon stark frus­triert, dass der Ton stel­len­wei­se so schlecht war, dass ich mit mei­ner Ver­dol­met­schung Funk­lö­cher ge­ris­sen habe, durch die ich das Nach­fol­gen­de nicht ver­ste­hen konnt­e. Zunächst le­se ich noch eine Wei­le von den Lip­pen ab­, aber bald ist auch das Bild im Stac­ca­to-Modus.
Auch wenn das ziem­lich ge­nau je­des Mal so pas­siert, frus­triert es mich im­mer wie­der aufs Neue.

Die Ver­lo­re­ne geht er­neut on­line und macht die Ka­me­ra aus, um mehr Band­brei­te zu ha­ben. Auch ich las­se die Ka­me­ra aus und wech­se­le so­gar die Lei­tung. Wir ha­ben hier im Bü­ro ei­nen zwei­ten An­schluss. Aber an der "letz­ten Meile" lässt sich nichts än­dern. Im Haus sit­zen auch lie­be Men­schen, die in der Fern­seh­gra­fik ar­bei­ten, und zu Wo­chen­an­fang wird das Ar­beits­er­geb­nis vom Wo­chen­en­de hoch­ge­la­den.

Der Ton vom ei­nen Stand­ort bleibt schlecht, ein an­de­res Mal gibt es Echos. Ich bit­te die Zu­hö­ren­den um Ent­schul­di­gung und ver­su­che Zu­sam­men­fas­sun­gen in die je­wei­li­gen Atem­pau­sen hin­ein­zu­hau­chen. "Ton mit Pa­ra­si­ten", so oder so ähnlich le­sen sich dann schon mal die Kom­men­ta­re un­se­rer Teil­neh­mer:in­nen, also mit schlim­men Stör­ge­räu­schen.

Un­ser deut­sches Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­netz ist stel­len­wei­se schlech­ter als das von Schwel­len­län­dern. Und hier er­geht noch­mal ein be­son­de­rer Dank an den einstigen Bun­des­post­mi­nis­ter so­wie an die deut­schen Über­wa­chungs­be­hör­den, was Vor­teil­nah­me und mehr an­geht!

Da­bei hat­te al­les so gut be­gon­nen. Am 8. April 1981, al­so ziem­lich ge­nau vor 40 Jah­ren, nahm sich die da­ma­li­ge so­zi­al­li­be­ra­le Re­gie­rung un­ter Hel­mut Schmidt den Aus­bau des Glas­fa­ser­net­zes vor. Bis 2015 soll­te je­des Haus an­ge­schlos­sen sein.

Doch dann kam eine ers­te "Wende", wur­de das Pro­jekt von Hel­mut Kohls Ka­bi­nett ge­stoppt. Es ka­men Kup­fer­ka­bel in die Böden, zahl­rei­chen War­nun­gen zum Trotz. Heu­te liegt Deutsch­land mit 9 % Glas­fa­ser­ab­de­ckung lä­cher­lich weit hin­ter dem EU-Durch­schnitt von 56 %. Ist es ein Zu­fall, dass es in der Fa­mi­lie des da­ma­li­gen Post­mi­nis­ters ein Kup­fer­un­ter­neh­men gab, das sich auch sonst durch klei­ne oder mit­tel­gro­ße "Bömb­chen" aus­ge­zeich­net hat?

Da­mals war ein bö­ser Witz in al­ler Mun­de: Was macht Schwarz-Schil­ling, wenn er mor­gens ins Bü­ro kommt, als al­ler­erstes? — Er er­le­digt die Post.

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Archiv­bild: C.E. (mit dem Cur­sor aufs Bild ge­hen für die Über­set­zung)
Quelle:
EU-Kom­mis­si­on: 2030 Di­gi­tal De­cade An­nex, 2023

Montag, 15. April 2024

Montagsschreibtisch (38)

Die Kopf­hö­rer war­ten auf den nächs­ten Ein­satz
Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hinein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin ar­bei­te ich in Pa­ris, Ber­lin, Mar­seil­le und dort, wo man mich braucht. Heute folgt wieder der Mon­tags­schreib­tisch.

Was liegt auf der Plat­te mei­nes Sek­re­tärs?

⊗ Kos­ten­vor­an­schlä­ge
⊗ Film­sich­tungen (für ein Fes­ti­val)
⊗ Kor­rek­to­rat: Do­ku­men­tar­fil­mex­po­sé
⊗ Ter­mi­ne ein­tra­gen für den Herbst

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Foto:
C.E. (Archiv)

Sonntag, 14. April 2024

Festivalmoderation (1)

Zu­fäl­lig oder ge­plant, sind Sie hier auf Sei­ten ei­nes di­gi­ta­len Ta­ge­buchs aus der Ar­beits­welt ge­lan­det. Was Dol­met­scher und Über­set­zer ma­chen, be­schäf­tigt mich hier. (Ich neh­me heu­te für die Auf­find­bar­keit im Netz den männ­li­chen Ober­be­griff, ob­wohl die meis­ten von uns Frau­en sind.) Als Mo­de­ra­to­rin und, bei Be­darf, Dol­met­sche­rin, muss ich mir manch­mal et­was ein­fal­len las­sen.

"Kin­der und Tie­re am Set sind ein Pro­blem, denn sie ste­hlen Pro­fis die Show!"
So oder so ähn­lich lau­tet ein Sprich­wort aus Hol­ly­wood. 

Kind mit Zeichnung, dahinter zwei Frauen mit Mikrofonen
Huch, wo ist plötz­lich der Stift hin?
Der Kopf rat­tert, Du stehst auf ei­ner Ber­li­ner Fes­ti­val­büh­ne und weißt: Gleich kommt ein sehr sü­ßer, jun­ger Mann nach vor­ne, der in ei­nem Film mit­ge­wirkt hat, der heu­te Berli­ner Fes­ti­val­pre­­mie­re fei­ert.

Die Ge­dan­ken ge­hen wei­ter: Du wirst als Mo­de­ra­to­rin und Dol­met­sche­rin al­le an­de­ren Gäste 'über­se­hen' und Dir mög­li­cher­wei­se mit Stra­te­gien die Ober­hand zu­rück­er­obern müs­sen.

In der ers­ten Run­de, den Dank­sa­gun­gen auf der Büh­ne, ha­be ich Hol­ly­wood zi­tiert und der jun­ge Mann hat­te sei­ne Show. Spä­ter sa­ßen wir im ova­len Raum über der Hal­le und ha­ben über den Film ge­spro­chen. Der Film­nach­wuchs lud sich selbst mit aufs So­fa ein. Und schwups!, be­kam er mei­nen No­tiz­block und Stift an­ge­bo­ten und durf­te 'ar­bei­ten'. Ein sehr schö­nes Bild hat er mir ge­malt. Mer­ci beau­coup, Lu­po !

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Foto: C.E.

Samstag, 13. April 2024

Oma, was war nochmal ...

Will­kom­men auf der Sei­te ei­ner Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und -über­set­ze­rin mit Haupt­ar­beits­ort Ber­lin. Hier kön­nen Sie Ein­bli­cke in den All­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen er­hal­ten. Am Sams­tag brin­ge ich hier ger­ne mei­nen "Lieb­link" der Wo­che.

Die­ses Pro­dukt von Film­ge­stal­tung mit KI hat mich be­rührt. Der Kurz­film "Oma, was war noch­mal die­ses Deutsch­land?" bringt auf den Punkt, was vie­le derzeit be­fürch­ten. Doch ist er viel­leicht et­was zu ästhe­tisch, um die Men­schen wirk­lich zu er­rei­chen.

 

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Film: An­dre­as O. Loff, Beh­zad Ka­rim Kha­ni, Chris­tian Suhr

Freitag, 12. April 2024

Mixed mood

Bon­jour, hier bloggt ei­ne Lin­gu­istin. Ich ar­bei­te mit Deutsch (Mut­ter­spra­che), Franz­ö­sisch und Eng­lisch. In die Spra­che Shakes­peares über­setzt die Bü­ro­kol­le­gen, al­so ge­schrie­be­ne Tex­te, denn Über­set­zen ist Hand­werk, Dol­met­schen ist Mund­werk. Doch es gibt Über­schnei­dun­gen. Ein ty­pi­scher Frei­tag: zwei Kos­ten­vor­an­schlä­ge, Kon­gress­vor­be­rei­tung, Haus­halt und ein we­nig Früh­jahrs­blues bei die­sem zu frü­hen Som­mer­wet­ter.

Auch nach über 20 Be­rufs­jah­ren gibt es im­mer noch Neu­es. Der­zeit kämp­fe ich mit ei­nem wack­li­gen E-Mail-Pro­gramm, ver­lo­ren­ge­gan­ge­nen Nach­rich­ten und Rech­nun­gen, und ich pla­ne da­bei pa­ral­lel die nächs­ten Ein­sät­ze. Was ich nach dem Neu­start mei­nes Mail­pro­gram­mes als ers­tes im Post­fach fand, war die Wer­bung ei­nes On­line-Bil­dungs­an­bie­ters, der mit dem Slo­gan wirbt "Wer­de je­den Tag ein biss­chen klü­ger", wei­ter geht's mit dem Son­der­an­ge­bot des heu­ti­gen Ta­ges: "Der Um­gang mit schwie­ri­gen Men­schen".

Da­bei sol­le ich ler­nen, heißt es, Men­schen zu ka­te­go­ri­sie­ren, um "auf al­les vor­be­rei­tet zu sein, ru­hig zu blei­ben und bei je­der In­ter­ak­ti­on das ge­wünsch­te Er­geb­nis zu er­zie­len". Nun, meis­tens kann ich das eini­ger­ma­ßen gut.

Und aus Wei­ter­ler­nen be­steht mein Be­ruf. Das lenkt mich ab von der öko­no­misch an­spruchs­vol­len La­ge. Na­tür­lich mer­ken wir Dol­met­scher:in­nen auch, was ge­schieht: im Ja­nu­ar strei­ken­de Bau­ern in Frank­reich und Deutsch­land, wes­halb Hin­ter­grund­ge­sprä­che am Ran­de der Grü­nen Wo­che auf di­ver­sen Ebenen ent­fal­len sind, ein Bun­des­haus­halt, der erst An­fang Fe­bru­ar recht­sgül­tig wurde, eine in­zwi­schen fast kom­plett an­gli­fi­zier­te Ber­linale und ei­ne von der Bou­le­vard­pres­se an­ge­feu­er­te Hys­te­rie­kri­se in Wirt­schaft, Stamm­tisch und Opposition, die die ak­tu­el­le Struk­tur­kri­se, Pro­dukt der letz­ten Jahr­zehn­te, als von je­nen aus­ge­löst dar­stel­len, die jetzt mit den Mul­ti­kri­sen zu kämp­fen haben.

Ant­wor­ten auf die vie­len Pro­ble­me fin­den sich nicht über Nacht. Sie las­sen sich schon gar nicht al­lei­ne fin­den. Doch die Lis­te ist lang: Ener­gie­ab­hän­gig­keit von ei­nem Put­ler samt Fol­gen, Bio­di­ver­si­täts­kri­se, Kli­ma­kri­se, Res­sour­cen­kri­se, Bil­dungs­kri­se, Wohn­ungs­kri­se, ei­ne ma­ro­de deut­sche Bahn, Er­näh­rungs­kri­se (im­mer we­ni­ger Men­schen kön­nen ko­chen), Fach­kräf­te­man­gel und, zu we­ni­g be­nann­t, der Mi­kro­plas­tik­müll über­all, so­gar in der Atem­luft und der Na­belschnur von Neu­ge­bo­re­nen, die Kri­se der Pfle­ge- und Ge­sund­heits­ein­rich­tun­gen und zu ex­plo­dier­en­de Zu­nah­me von Krebs­er­kran­kun­gen, be­son­ders auch bei Jün­ge­ren. (EDIT: Link zum Fo­cus-Ar­ti­kel da­zu vom Sonn­tag, dem 14.4.24: klick!)

Jetzt su­che ich schön seit über ei­ner Stun­de nach ei­ner io­ni­schen Bre­chung, ei­nem wit­zi­gen Ab­bin­der, ei­ner net­ten Vol­te zum Aus­stieg aus die­sem Blo­gein­trag, aber mein Ge­hirn ist wie ge­lähmt. Beim Nach­den­ken ha­be ich die Pflan­zen ge­gos­sen, die Ein­käu­fe ein­ge­räumt, ei­ne Spül­ma­schi­ne und eine Wasch­ma­schi­ne an­ge­wor­fen, ein aus der Werk­statt ge­lie­fer­tes Bild auf­ge­hängt und die Woll­sa­chen ein­ge­mot­tet.

Un­ser Hof­gar­ten im März 2022

Viel­leicht ist das die Lö­sung: Co­coo­ning im Wech­sel mit Ak­tiv­sein, es sich und den liebs­ten Mit­mensch­en schön zu ma­chen um Kraft zu tan­ken für die Kämp­fe da drau­ßen. Das ist ganz si­cher ein Teil der Lö­sung. 

Und zu er­ken­nen, dass es nicht reicht, wenn wir uns al­le im Klei­nen die Mühe ge­ben, im­mer wie­der et­was rich­tig zu ma­chen, wenn wir Plas­tik­tü­te durch Ein­kaufts­ta­schen er­set­zen, un­ver­packt auf dem Markt oder viel­leicht so­gar im Un­ver­packt­la­den ein­kaufen, das Au­to ste­hen­las­sen und die Bahn neh­men. Auf hö­he­rer Ebe­ne muss das Ru­der rum­ge­riss­en wer­den. Und in viel­en Län­dern tritt Per­so­nal an, mit dem das nicht zu ma­chen ist. Schon wie­der ein ne­ga­ti­ves Echo in mei­nen Ge­dan­ken!

Ich geh jetzt mal et­was Kom­pos­terde ver­tei­len, hier der Link zum Kom­post­wi­ki, und die Viel­falt der Natur be­wun­dern, dann lerne ich wei­ter zum Thema Agro­forst­wirt­schaft (und gleich noch ein Link: Fraun­ho­fer-In­sti­tut). 

Was da pas­siert, ist eben­so wun­der­bar wie hoff­nungs­voll.

Es gibt tau­send­fach mehr Lö­sungs­an­sät­ze als Pro­ble­me. Da ist er ja, mein op­ti­mis­ti­scher Schluss­satz! Ärmel hoch­krem­peln!

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Foto: C.E.
(Ar­chiv)

Donnerstag, 11. April 2024

Interkulturelle Kommunikation

Sie le­sen hier in ei­nem Blog aus der Ar­beits­welt, ge­nau­er: aus dem All­tag ei­ner Dol­met­sche­rin. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­si­sch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Heu­te geht es wei­ter mit Hin­ter­grund zu un­se­rem Be­ruf, von dort aus wir­ken wir, buch­stäb­lich.

Fahnen (D, F), Stühle, Konferenztisch, Mikro
Hintergrund
An ei­nem Nach­mit­tag die­ser Wo­che in Ber­lin: Deut­sche und Fran­zo­sen sit­zen um einen Tisch he­rum, es geht um ein ge­mein­sa­mes Ziel. Es wird nach­ge­dacht, ver­han­delt, sor­tiert. Die Fran­zo­sen ver­fü­gen in ei­nem zen­tra­len The­ma über mehr Hin­ter­grund­wis­sen und über Da­ten.
Die deut­sche Sei­te fragt durch die Blu­me nach. Sehr durch die Blu­me.

Dann ha­ben wir eine Pau­se. Es wer­den Da­ten und Do­ku­men­te gemailt und Hin­ter­grund­ge­sprä­che ge­führt. An­schlie­ßend fragt die deut­sche Seite er­neut nach, denn die­ses Hin­ter­grund­wis­sen ist im­mer noch nicht mit al­len ge­teilt wor­den (wa­rum auch im­mer). Die Nach­fra­ge fällt wie­der sehr höf­lich aus.

Al­ler­dings war das zu höflich. Die Mes­sa­ge ist nicht an­ge­kom­men. Die Deut­schen sind lang­sam ein we­nig en­er­viert. Je­mand muss ih­nen ge­sagt ha­ben, dass man bei Fran­zo­sen nicht mit der Tür ins Haus fal­len soll. Ich ken­ne die Fran­zo­sen und er­mu­ti­ge ei­ne deut­sche Teil­neh­me­rin in der Mit­tags­pau­se, die Sa­che et­was di­rek­ter an­zu­spre­chen.

Al­ler­dings geht sie auf mei­nen Vor­schlag nicht ein. Die De­bat­te ei­ert wei­ter­hin um die kon­kre­te Fehl­stel­le: Nicht al­le ver­fü­gen über das glei­che Hin­ter­grund­wis­sen. Lang­sam nervt's mich. Es schleicht sich hier ein ge­rei­zter Un­ter­ton ein, dort Über­ra­schung. Das ist nicht schön zu dol­met­schen.

In der nächs­ten Pau­se tref­fen die Kol­le­gin und ich zu­fäl­lig an je­nem Ort die Lei­te­rin der fran­zö­si­schen De­le­ga­ti­on, wo die männ­li­chen Mit­glie­der bei­der De­le­ga­tio­nen nicht hin­kom­men. Wir ha­ben schon oft für sie ge­ar­bei­tet. Beim Hände­wa­schen re­den wir un­ter Frau­en Tache­les, al­ler­dings nur in der kon­junk­ti­vi­schen Fra­ge­form (al­so al­les an­de­re als di­rekt). Sie: "Ach so, jetzt ver­ste­he ich! Dan­ke, dass Sie das so di­rekt an­ge­spro­chen ha­ben."

Sie ver­lässt ei­lig den Wasch­raum, geht an ih­ren Com­pu­ter, dann in den Neben­raum, wo Kaf­fee, Tee und Ku­chen ge­reicht wer­den. We­nig spä­ter se­he ich ein ers­tes er­leich­ter­tes Ge­sicht auf deut­scher Sei­te, dann macht sich dort hei­te­re Stim­mung breit. Und weil wir Dol­met­sche­rin­nen so­was an­geb­lich nicht tun (dür­fen), ha­be ich hier auch Ort, Zeit und Han­deln­de ein we­nig ver­frem­det. Sonst stimmt al­les.

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Foto: C.E.

Mittwoch, 10. April 2024

Technikübersetzung

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Wie Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen ar­bei­ten und le­ben, be­schrei­be ich hier seit 2007. Dol­met­schen, münd­lich, und die schrif­tli­che Ent­spre­chung, das Über­set­zen, sind Be­ru­fe, von de­nen die All­ge­mein­heit nicht viel weiß. Das möch­te die­ser Blog än­dern.

An­fra­ge von heu­te: nicht rea­li­sier­bar. In der Mail­box liegt eine el­len­lan­ge drei­spra­chi­ge Ex­cel­da­tei mit Be­grif­fen oh­ne je­g­li­chen Kon­text. Das schlimms­te aber: sie ist al­pha­be­tisch sor­tiert und gibt tech­ni­sche Ab­läu­fe wie­der.

Als ob Matisse einen Nürnberger Trichter gemalt hätte (laut KI)
Mensch vs. Maschine
Ich wurde ge­be­ten, Kor­rek­tur zu le­sen, denn der "Aus­wurf" die­ser Ta­bel­le hat in der "Über­set­zung" (die eine ÜbeLsetzung ist) eine ver­meint­li­che deut­sche Ver­sion er­ge­ben, die von einem deut­schen In­ge­nieur zu­rück­ge­wie­sen wurde. Kein Wun­der, es sind Sät­ze, die en­g­li­scher Gram­ma­tik und Wort­wahl fol­gen.

Die be­frag­te Kun­din: "Wir ha­ben es mit ChatGPT ver­sucht und mit DeepL, aber es sind zu viele Feh­ler und Mehr­deu­tig­kei­ten drin. Es liegt an den Fach­be­grif­fen."

Nun ja. Die Über­set­zung kom­ple­xer Tex­te, die zu­nächst ver­stan­den wer­den müs­sen, ist mensch­li­ches Hand­werk, denn im Wort "ver­ste­hen" ist ja be­kannt­lich das Wort "Ver­stand" - und über ei­nen sol­chen ver­fü­gen kal­te Ma­schi­nen nicht, de­ren "Denk­pro­zes­se" aus "Strom an/Strom aus" be­ste­hen.

Ich konn­te die Da­me an ei­ne Tech­ni­küber­set­ze­rin der ge­wünsch­ten Fach­rich­tung ver­mit­teln, bei der das Er­geb­nis am En­de stim­men wird.

Eine an­de­re Kol­le­gin, die un­ter an­de­rem im Be­reich schie­nen­ge­bun­de­ne Verkehre über­setzt und dol­metscht, nimmt üb­ri­gens im­mer wie­der an Tech­nik­schu­lun­gen teil und hat ei­ne War­tungs­li­zenz für Gü­ter­wa­gen (Br1 bis Br3), hier geht's zu Trains­la­tor: klick. Neu­lich ist bei Freun­den ei­ne Pro­duk­ti­ons­as­sis­ten­tin aus­ge­fal­len und ich durf­te dann kurz ein­sprin­gen.

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Il­lus­tra­ti­on:
Dall:e

Dienstag, 9. April 2024

Très chic, oder?

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Wie Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen ar­bei­ten und le­ben, be­schrei­be ich hier seit 2007. Dol­met­schen, münd­lich, und die schrif­tli­che Ent­spre­chung, das Über­set­zen, sind Be­ru­fe, von de­nen die All­ge­mein­heit nicht viel weiß. Das möch­te die­ser Blog än­dern. Auch am We­ges­rand Be­ob­ach­te­tes fin­det sich hier.

Zwei Dolmetscherinnen, drei Paar Kopfhörer, zwei Mikros, nicht komplett richtig zugeordnet von der KI, die diese Illustration erstellt hat.
So sieht die KI un­se­ren Beruf
Ein Ver­hö­rer bzw. Dol­metsch­stop­per ist mir neu­lich be­geg­net, als jun­ge Leu­te aus drei Län­dern zu­sam­men­saßen. Ich ha­be ge­ra­de ge­dol­metscht, als ein Fran­zo­se, ein Jung­bau­er von un­ter 30 Len­zen, et­was im Ne­ben­satz sag­te: C'est très chic !
Klang je­den­falls so. Mein­te er wirk­lich "sehr chic"? Ich ha­be ru­hig wei­ter­ge­hört und ge­schwie­gen. Die Kol­le­gin in der Dol­metsch­ka­bi­ne sah mich mit fra­gen­den Au­gen an, als hät­te ich et­was über­hört. Da­rauf ich: be­ru­hi­gen­des Hand­zei­chen, wei­ter­hö­ren.

Durch das, was folg­te, wur­de mir klar, dass sei­ne Be­wer­tung in die kom­plett an­de­re Rich­tung ging. Sein Eng­lisch war jetzt nicht soooo groß­ar­tig. Und ja, er mein­te das ur­sprüng­lich eng­lische, ein­ge­deutsch­te tra­shig, das er sich von an­de­ren Teil­neh­men­den am Vor­tag ab­ge­hört hat­te.

Sprach­mix, So­zio­lek­te und so­gar "Grup­pen­sprech" sind Din­ge, die die KI nicht kann und auch nie ler­nen wird, denn das for­dert so­gar uns Dol­met­scher:in­nen stark her­aus. Zum Glück hat­te ich al­lein schon ei­nen Tag mit der Grup­pe ver­bracht, kon­se­ku­tiv gearbeitet und auch mit den Gäs­ten zu­sam­men ge­ges­sen, be­vor es am nächs­ten Mor­gen in die wun­der­schö­ne Dol­met­sch­ka­bine im Mi­nis­te­ri­um ging, wo mich die fest­an­ge­stell­te Kol­le­gin für den Du­o­ein­satz schon er­wartet hat.

Nach dem Ter­min ha­ben wir das Wort kurz dis­ku­tiert. Auf Eng­lisch wür­den wir das wohl als trash chic wie­der­ge­ben. Am Hör­prob­lem än­dert sich nichts.

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Grafik:
Dal­l:e ("im Stil von Hen­ri Ma­tisse")

Montag, 8. April 2024

Montagsschreibtisch (37)

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ich bin Dol­met­sche­rin, ar­bei­te mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, ha­be Deut­sch als Mut­ter­spra­che. Seit 2007 blogge ich hier zum Thema, wie Dol­met­scher le­ben und arbeiten (und na­tür­lich die Dol­met­sche­rin­nen, wir sind im Be­ruf in der Über­zahl). Der Ter­min­ka­len­der füllt sich lang­sam.

Balkon mit Palme und Monstera, auf dem Tisch Vokabellisten
Arbeiten im Grünen
Auf dem Schreib­tisch:

⊗ Agro-Öko­lo­gie, Vor­be­rei­tung von Ter­mi­nen und Zu­sam­men­füh­rung zwei­er Le­xi­ken
⊗ In­sol­venz­recht (Be­grif­fe nach­tra­gen)
⊗ Agroforstwirtschaft: Viel lesen ...
⊗ Kul­tur Frank­reich/Deutsch­land
⊗ Kos­ten­vor­an­schläge schrei­ben
⊗ Filme vor­stel­len und Ge­sprä­che mo­de­rie­ren/dol­met­schen
⊗ Vor­be­rei­tung der Sai­son: Klei­dung, Reise­né­ces­saire und an­de­re Din­ge durch­sehen



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Foto: C.E.

Sonntag, 7. April 2024

Sonntagsruhe

Seit 2007 be­schrei­be ich hier mei­nen in­ter­kul­tu­rel­len Ein­satz im Sprach­be­reich. Wir sind ein Netz­werk, Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen, Über­set­zer und Über­set­ze­rin­nen. Ne­ben der münd­li­chen Über­tra­gung, dem Dol­met­schen, über­set­ze auch Tex­te (FR>DE und EN>DE); die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche. Sonn­tags wer­de ich hier pr­ivat: Sonn­tags­bild!

Der Flieder blüht, das ist viel zu früh! Nor­ma­ler­wei­se wäre das erst ab der zwei­ten Mai­hälf­te der Fall. Wa­rum ich das weiß? Weil mei­ne Mut­ter an ei­nem 15. Mai ge­bo­ren wur­de und der Flie­der ih­re Lieb­lings­blume ist, sie lan­ge nur dann ei­nen Flie­der­strauß auf dem Ga­ben­tisch vor­fin­den konn­te, wenn sie Glück hat­te und der Flie­der sehr zei­tig in sei­ner Blü­te stand.

Die Ve­ge­ta­ti­on ist die­ses Jahr fünf bis sechs Wo­chen zu früh dran. So er­weist sich der Sonn­tags­spazier­gang, der ei­gent­lich der Er­ho­lung die­nen soll, für den kla­ren Kopf nicht nur als ge­such­te, will­kom­me­ne Ab­len­kung vom All­tag. Die Na­tur wirft uns den Kli­ma­wan­del vor die Fü­ße und vie­le, all­zu viele, wol­len es noch im­mer nicht se­hen.

Ne­ben be­wuss­ten Aus­zei­ten ist ge­sun­der Schlaf ein wich­ti­ges The­ma in mei­nem Be­ruf. Es gibt Be­rufs­fel­der, bei de­nen ist gu­tes Schla­fen­kön­nen eine Grund­vor­aus­set­zung, Me­di­zin, Me­di­en, so­zia­le Arbeit ... zu letz­te­rem zäh­le ich oft ge­nug un­se­ren Be­ruf. Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen über­stra­pa­zie­ren mit­un­ter das ei­gene Ge­hirn. Kur­ze Pau­sen zwi­schen­durch sind sehr hilf­reich. Nicht so hilf­reich: Wenn sich im Ta­gungs­ho­tel oder Kon­fe­renz­zen­trum kei­ne ru­hi­ge Ecke fin­den lässt. Auch zwi­schen meh­re­re Pha­sen von Power lear­ning le­ge ich oft klei­ne Power nap­ping-Pha­sen ein, also in­ten­si­ve Lern­pha­sen mit zwi­schen­ge­schal­te­tem Schlum­mer­vier­tel­stünd­chen. Das geht zum Bei­spiel im Ru­he­be­reich der Bahn (so­fern die Mit­rei­sen­den sich an die Ru­he­vor­gabe hal­ten).

Bett, Lampe, Wand, alles hell, schlicht und freundlich
Ruhiges Schlafzimmer

Für gu­ten Nacht­schlaf emp­feh­len sich ei­ne gu­te Nacht­hy­gie­ne, Rou­ti­nen, we­nig Rei­ze vor dem Schla­fen­ge­hen, vor al­len Din­gen aber Blau­licht ver­mei­den (TV-Krimi oder ein bläu­lich schim­mern­der, laufender Com­pu­ter­mon­it­or). 

Und dann ent­span­nen­de Ge­dan­ken, etwas Yo­ga und/oder Bild­bände. Bei mir ge­ra­de der Ren­ner: In­nen­ar­chi­tek­tur. Früher wa­ren's eher Na­tur­bücher.

Die ro­sa­far­be­nen Blätt­chen der ja­pa­ni­schen Kirsch­en rie­seln gerade zu Bo­den, die Mag­no­lien­blü­te ist längst pas­sé. An­de­res steht auch in vol­ler Blü­te, das nor­ma­ler­wei­se ge­staf­felt blü­hen würde. Doch die Prob­le­me sind erst mor­gen wie­der dran!

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Foto: C.E.

Donnerstag, 4. April 2024

Im Omnibus

Bien­ve­nue auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Wie Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer, Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, wird hier be­schrie­ben. Manch­mal lei­den wir un­ter court­er­mis­me, das ist ein Ne­o­lo­gis­mus, der von 'à court terme' für knapp, kurz­fris­tig ab­ge­lei­tet ist. Ich nen­ne so­was gerne "Hopp­la­hopp­is­mus".

Fünf vor Los­ge­hen zur Kon­fe­renz ploppt mir noch ein ver­spä­te­tes Do­ku­ment in die Mail­box. Mist! Es ist zu klein ge­schrie­ben fürs Mo­bil­te­le­fon, mei­ne schlech­ten Au­gen set­zen dem noch eins drauf. In der U-Bahn gibt es oft nicht durch­ge­hend Netz, ich woll­te oh­ne­hin Bus fah­ren. Was tun?

Ich sit­ze also im Bus und hof­fe, dass in den 35 Mi­nu­ten, wenn der Bus stau­frei rollt sogar mehr, die ich vor Be­ginn der Ver­an­stal­tun­gen für Tech­nik­check und See­len­ru­he der Ver­an­stal­te­rin vor Ort sein wer­de, alles smooth läuft, so dass ich mich noch ein we­nig vor­be­rei­ten kann. (Oft sind wir zu zweit schon da und ver­glei­chen noch die letz­ten Be­griffs­fin­dun­gen.)

Mit "BVG-Wi-Fi verbinden" ... im Omnibus!
Wie schön, dass der Bus hier noch "Omnibus" heißt.
Im Bus fal­len mir ko­mi­sche Steck­do­sen an der Wand­ver­klei­dung auf. Wie, USB-Steck­do­sen für die Fahrgäste? 

Das ist ja cool! Ich klapp­e den Rech­ner auf und freue mich gleich ein zwei­tes Mal! Wun­der­bar. Als ich an­kom­me, bin ich vor­be­rei­tet. 

Vie­len Dank, BVG!

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Il­lus­tra­tion: BVG

Mittwoch, 3. April 2024

Fraktur reden

Will­kom­men auf der Sei­te ei­ner Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und -über­set­ze­rin mit Haupt­ar­beits­ort Ber­lin. Hier kön­nen Sie Ein­bli­cke in un­se­ren All­tag er­hal­ten, denn die Be­ru­fe Dol­met­sch­er und Über­set­zer / Dol­met­sche­rin­ und Über­set­ze­rinn sind oft nicht gut be­kannt. Ein Teil der Auf­ga­ben ist das Sam­meln von Vo­ka­beln und das Be­ob­ach­ten sprach­li­cher Nu­an­cen, die sich ver­än­dern kön­nen.

Frak­tur­schrift (Buch­laden­wer­bung)
Heute eine schnel­le Voka­bel­no­tiz zum The­ma von ges­tern. Wer zu je­man­dem "Du re­dest Frak­tur" sagt, möch­te damit aus­drü­cken, dass das Gegen­über sich be­son­ders ge­stelzt und kom­pli­ziert aus­drückt, so kenne ich den Be­griff. Das ist die mo­der­ne In­ter­pre­ta­ti­on der Re­de­wen­dung, die sehr alt ist.

Der­ma­le­inst (= früher) hat der Be­griff exakt das Ge­gen­teil be­deu­tet. "Du sprichst Frak­tur" war da­mals gleich­zu­set­zen mit 'deut­lich wer­den', 'Klar­text spre­chen', sich 'ohne Um­schweife aus­drücken'. 

Da­mals konn­ten in Deutsch­land alle, die le­sen konn­ten, Frak­tur­schrift leicht ent­zif­fern. 

Wer Frak­tur sprach, wur­de deut­lich. An­stö­ßi­ge Be­grif­fe oder fremd­sprach­li­che Ter­mi­ni, die nicht allen be­kannt wa­ren, oder die nicht "ju­gend­frei" wa­ren, wur­den in la­tei­ni­scher Spra­che wie­der­ge­ge­ben. Auf al­ten Buch­sei­ten se­hen wir diese Wör­ter, in la­tei­ni­sche Buch­sta­ben ge­setzt, die sich vom Frak­tur­text im Schrift­bild ein­deu­tig ab­he­ben. Eine sol­che Seite werde ich hier dem­nächst nach­tra­gen, jetzt mag der ge­stern er­wähn­te Tüten­auf­druck ein­er Buch­handels­ket­te als Bei­spiel für alte Frak­tur­schrift genü­gen.

Auf Fran­zö­sisch würde ich für 'ge­stelz­ten Stil' üb­ri­gens style ta­ra­bis­co­té sagen, ge­schraubt, ver­sch­nör­kelt, über­la­den. Das Ge­gen­teil da­von, 'Klar­text re­den', wäre dann en ter­mes très clairs oder un lan­ga­ge clair oder pour mettre les choses au clair.

Im Fran­zö­si­schen ein Aus­druck mit clair al­so, das mit un­se­rem deut­schen Wort 'klar' ver­wandt ist, weil bei­des auf das la­tei­ni­sche clārus zurück­geht: hell, leuch­tend, deut­lich ...

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Il­lus­tra­ti­on:
Hu­gen­du­bel

Dienstag, 2. April 2024

Reise durch Raum und Zeit

Bon­jour, hel­lo und gu­ten Tag auf dem ers­ten Web­log Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin­nen rei­sen nor­ma­ler­wei­se viel, hin­zu kom­men pri­va­te Ver­pflich­tun­gen. Mein All­tag be­steht oft aus Rei­sen.

Abend­rou­ti­nen und Mor­gen­rou­ti­nen, die kom­men stets in den Kof­fer mit rein, wenn es auf Dienst­rei­se geht.

Reisefertig

Ich ha­be ein Köf­fer­chen, das im­mer fer­tig ge­packt auf Kurz­ein­sät­ze in der "Ab­sei­te" über dem Wohn­ungs­ein­gang war­tet, da­rin al­les, um von Kopf bis Fuß vor­be­rei­tet zu sein, als da wä­ren: mein klei­nes Rei­se­kis­sen, frisch be­zo­gen und mit zwei­ter Hül­le, so­wie Bau­stel­len­schu­he für be­son­de­re Ein­sät­ze, in der Plas­tik­tü­te ei­ner Buch­hand­lung. Plas­tik­tü­ten wer­den lang­sam sel­ten. Die­ses Ex­em­plar ist recht alt, aber nicht so alt, wie es aus­sieht, denn es sind Frak­tur­buch­sta­ben drauf­ge­druckt.

Packta­schen

Im Kof­fer be­fin­den sich auch tex­ti­le Pack­ta­schen für Wä­sche, dün­ne Le­der­haus­schu­he aus Ma­rok­ko in ei­ner Wachs­tuch­ta­sche so­wie ein klei­ner "Kul­tur­beu­tel" mit Zahn­putz­ta­blet­ten in ei­nem win­zi­gen Dös­chen, da­zu ein klei­ner Tie­gel Haut­creme, ein hand­ge­säg­ter Horn­kamm, Oh­ro­pax und die Schlaf­ma­ske.
In ei­nem Me­tall­dös­chen steckt das über Wo­chen klein ge­wor­de­ne Stück Haar­sei­fe aus Kreuz­küm­mel­öl so­wie ein ähn­lich re­du­zier­ter fes­ter Deo-Cube aus na­tür­li­chen Zu­ta­ten der fran­zö­si­schen Fir­ma La­ma­zu­na (oh­ne un­nö­ti­ge Ver­packung).

Schulbuchfigur Grete auf dem Weg ins Bett, im Bad, beim Anziehen
Häus­li­cher All­tag



Vor Dienst­rei­sen wer­fe ich nur noch ein, zwei, drei Klei­dungs­stü­cke in die Pack­ta­sche, im Som­mer flache Schu­he in eine ge­son­der­te, Sie ah­nen es, Schuh­ta­sche, packe die Zahn­bürs­te in die Bam­bu­s­röh­re, in der sie auf Rei­sen wohnt, dann be­fül­le ich Trink­fla­sche und Vor­rats­box (bei­des aus Edel­stahl). Ich brau­che dafür et­wa fünf Mi­nu­ten. 

 Einfaches Packen

Frü­her war mei­ne Pack­zeit be­reits auf 25 Mi­nu­ten ge­schrumpft, aber in den Jah­ren des Pen­delns in der Fa­mi­li­en­zeit ha­be ich das op­ti­miert. Auf Rei­sen hat al­les sei­nen Platz, so­gar, was die La­ge im Kof­fer an­geht. In der klei­nen Vor­der­ta­sche sind Re­gen­schirm, Stoff­tü­cher, Des­in­fek­ti­ons­gel und Mund­schutz (plus Vor­rat), ich weiß ja nie, wem ich un­ter­wegs so be­geg­ne, die ak­tu­el­le Lek­tü­re kommt hin­zu, fer­tig!

Schnel­lig­keit

Auch im Ruck­sack hat al­les sei­nen an­ge­stamm­ten Platz. Das al­les mag ma­ni­sch wir­ken, es geht mir hier aber nur um Rou­ti­nen und Schnel­lig­keit. Ich fin­de so­gar im Halb­dun­kel ei­nes Ta­xis mit einem Griff, was ich su­che. Und mit Rou­ti­nen und Schnel­lig­keit ha­be ich ja im Dol­met­schen gu­te Er­fah­run­gen ge­macht, das Gan­ze schlicht er­wei­tert. (In der Wohn­ungs­ord­nung bin ich noch nicht so weit, träu­me aber da­von.)

Frak­tur­schrift

Zu­rück zur Frak­tur, den al­ten go­ti­schen Buch­sta­ben auf der Plas­tik­tü­te fürs gro­be Schuh­werk. Die Bil­der­fol­ge oben zeigt die klei­ne Gre­te aus einem Schul­buch für das Fach Deutsch, das aus Frank­reich stammt, ge­druckt im Jahr des Mau­er­baus, also 1961. Eini­ges scheint dort noch alt­ba­cke­ner, als wir uns die frü­hen 60-er vor­stel­len. Und ir­gend­wie ein we­nig falsch.

Be­son­ders ir­ri­tiert mich näm­lich, dass die­ses Schul­buch in Frak­tur­schrift ge­setzt wor­den ist. Und die Schul­buch­lerntex­te sind auch be­fremd­lich. Ich ha­be den Text trans­kri­biert, mit dem Maus­zei­ger über das Bild ge­hen und er taucht auf.
Soll­te das nicht funk­tio­nie­ren, bit­te aufs Mi­ni­bild klicken ... 

75. — Gretes Morgentoilette. 1. Gestern Abend war Grete sehr müde. Sie ging früh zu Bett. Sie kleidete sich aus. Sie drehte das Licht aus und schlief sogleich ein. 2. Es ist 6 1/2. Grete erwacht. Sie springt rasch aus dem Bett. Sie geht ins Badezimmer, wäscht sich und bürstet ihre Zähne. Sie nimmt den Kamm und kämmt ihre Haare. 3. Nachher wird sie sich ankleiden. Sie wird ihren Rock und ihre Bluse, ihre Strümpfe und ihre Schuhe anziehen. Sie wird den Hut aufsetzen und zur Schule gehen.
A­bend- und Mor­gen­rou­ti­nen

Kritik am Inhalt

Das Licht dreht heu­te nie­mand mehr aus, hier fun­zelt noch das Öl­lämp­chen so­wie der Dreh­schal­ter lei­se mit, den die In­ge­nieu­re bei der Er­fin­dung von "elek­trisch Licht" zu­nächst bau­en lie­ßen. Heu­te ma­chen wir das Licht aus. Um 6 1/2 steht heu­te kei­ner mehr auf. Wie war das da­mals? Stand man wirk­lich um sech­sein­halb auf, oder doch eher wie heu­te um halb sie­ben? Auch Zäh­ne­put­zen vor dem Früh­stück er­scheint ir­gend­wie doof, un­nütz, außerdem heißt es 'Zäh­ne putzen' und nicht 'Zä­hne bürs­ten', auch wenn die Zahn­bürs­te wirk­lich so heißt. Das Wort "sich an­klei­den" ist al­ter­tüm­lich und kommt ge­spro­chen ma­xi­mal im "An­klei­de­zim­mer" (kurz: die An­klei­de) vor. Ich schät­ze mal, dass be­reits An­fang der 1960-er Jah­re "sich an­zie­hen" ge­sagt wur­de.

Mit dem Hut in die Schu­le, auch frag­lich. Bei Do­ku­men­tar­auf­nah­men der 1920-er und 30-er Jahre tra­gen in der Tat fast al­le ei­ne Kopf­be­de­ckung. Aber es­sen müs­sen Schul­bruch­gre­ten of­fen­bar nicht, ih­re be­son­de­re Stoff­lich­keit lässt sie zwar mü­de, nicht aber hun­gri­g wer­den.

Kritik an der Form

Vor al­lem ir­ri­tiert mich, dass fran­zö­si­schen Schul­kin­dern da­mals Frak­tur zu­ge­mu­tet wur­de, auch 'alt­deut­sche Schrift' ge­nannt. Die hat­ten die Nazis im Zug ih­rer Er­obe­rung Eu­ro­pas doch längst ab­ge­schafft ge­habt, sie sei, so der völ­ki­sche Hoch­mut, al­len au­ßer den Men­schen von 𝔱𝔢𝔲𝔱­𝔰𝔠𝔥𝔢𝔪 𝔊𝔢­𝔟lü­𝔱𝔥𝔢 nicht zu­mut­bar.

Mein Va­ter durf­te als Kind da­her gleich zwei­mal schrei­ben ler­nen. Nach ei­ner kur­zen Netz­re­cher­che ha­be ich auch das Da­tum: 3.1.1941. Die­se Herr­schaft­en be­zeich­ne­ten die Let­tern üb­ri­gens als "go­ti­sche Schrift", so wie sie heu­te auf Fran­zö­sisch noch hei­ßen, let­tres go­thi­ques.

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Il­lus­tra­tio­nen:
L. Bo­de­vin, P. Isler, Collec­tion
Deutsch­land, Vol. 1, Mas­son et Cie., Pa­ris
Schrift: www.font-ge­ne­ra­tor.de
Merci beau­coup à Di­dier Schei­be et à son épo­use !

Zum Wort "Olla"

Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hinein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin ar­bei­te ich in Pa­ris, Ber­lin, Mar­burg und dort, wo man mich braucht. Heu­te wie­der: Sprach­schatz.

Zum Be­griff "Ollas", der Tröpf­chen­be­wäs­se­rung ohne Plas­tik für be­schäf­tig­te, zer­streu­te oder ein­fach nur um­welt­be­wuss­te Mit­men­schen, ich ha­be Sonn­tag den Be­griff er­wähnt.

"Olla" kommt aus dem Spa­ni­schen, das Wort be­deu­tet schlicht "Topf". Der Clou an die­sen Ge­fä­ßen ist, dass sie aus nicht­gla­zier­tem Ton ge­töp­fert wur­den. Sie wer­den in die Er­de ver­senkt und dann re­gel­mä­ßig mit Was­ser be­füllt, das durch die was­ser­durch­läs­si­ge Wand ins Erd­reich dif­fun­diert. (Nicht im Bild von ge­stern wa­ren die Ton­deckel, die auf die Öff­nun­gen ge­legt wer­den, um Ver­duns­tung, Ver­un­rei­ni­gun­gen und die Ei­ab­la­ge von Mücken zu ver­hin­dern. Die KI hat trotz Er­klä­run­gen nicht um­ge­setzt, wo­rum es geht, rechts ein be­ar­bei­te­tes Bild, da­mit es nicht kom­plett falsch ist.)
Was im Groß­for­mat im Beet funk­tio­niert, tes­te ich nun auf dem Bal­kon. Das Be­wäs­se­rungs­sys­tem ist meh­re­re tau­send Jah­re alt, dem Ver­neh­men nach soll die Idee pa­ral­lel in Chi­na und Nord­afri­ka auf­ge­kom­men sein, und zwar ge­schätzt vor über 4000 Jah­ren.

Die­se Was­ser­töp­fe hel­fen Was­ser zu spa­ren, ver­gli­chen mit Gie­ßen zwi­schen 50 un 70 Pro­zent, denn das Was­ser ver­duns­tet nicht mehr beim Gie­ßen an der Ober­flä­che, son­dern be­feuch­tet di­rekt den Wur­zel­be­reich. Das ist be­son­ders wich­tig in Ge­gen­den, in de­nen der Was­ser­man­gel im­mer häu­fi­ger auch zu Gieß­ver­bo­ten (grund­sätz­lich oder zu be­stimm­ten Uhr­zei­ten) führt.

Die Zu­kunft von Gärt­ne­rei und Land­wirt­schaft ist das: Rück­griff auf alte Tech­ni­ken plus High Tech-Mo­ni­to­ring und wis­sen­schaft­li­che Ana­ly­se des­sen, was da pas­siert. Es gibt sie in ver­schie­de­nen Grö­ßen, dop­pel­faust­klein bis klein­kind­groß.

Im Som­mer emp­fiehlt sich zu­sätz­lich zu mul­chen, also den Bo­den mit bio­lo­gi­schem Ma­te­ri­al zu be­de­cken und leicht ein­zu­ar­bei­ten. In der Per­ma­kul­tur gibt es die Re­gel, dass der Bo­den nie­mals "nackt" dalie­gen darf.

Ol­las hei­ßen auf Fran­zö­sisch jarres d’ir­ri­ga­tion. Man­cher deut­scher Bau­markt nennt sie auch Be­wäs­se­rungs­ke­gel oder -ku­geln. Es gibt sie auch im­mer häu­fi­ger aus re­gio­na­len Töp­fe­rei­en.

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Illustration: Pixlr (stark überarbeitet)

Montag, 1. April 2024

Montagsschreibtisch (36)

Schreibtisch unter Ahnenbildern, auf dem Tisch steht auch ein Inhalator
Arbeiten unter Aufsicht
Bon­jour & hel­lo! Sie sind auf den Sei­ten ei­nes di­gi­talen Ta­ge­buchs aus der Welt der Spra­chen ge­lan­det, das es seit 2007 gibt. Was Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­zer ma­chen, aber auch Über­set­ze­rin­nen und Dol­met­scher, be­schrei­be ich hier in loser Fol­ge. Ich bin Teil zwei­er gro­ßer Netz­wer­ke. Die­ses Früh­jahr sind wir wie­der im Auf­trag von Kun­d:in­nen un­ter­wegs. Noch herrscht nach­öster­li­che Ru­he.

Auf dem Schreib­tisch die­se Wo­che:
⊗ Lek­to­rat für einen Do­ku­men­tar­film über Anne Frank
⊗ Agro­forst­wirt­schaft / l'agro­fo­res­te­rie
⊗  Länd­li­che Ent­wick­lung in West­afri­ka
⊗ Ab­la­ge

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Foto: C.E.

Sonntag, 31. März 2024

Piepmatzrabatz

Ob zu­fäl­lig oder ge­plant: Sie sind mit­ten in ei­nem di­gi­ta­len Ta­ge­buch aus der Ar­beits­welt der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen ge­lan­det, das seit 2007 be­steht — in In­ter­net­jah­ren ge­rech­net seit ewig. Ich dol­met­sche mit Deutsch als Mut­ter­spra­che be­vor­zugt in die fran­zö­si­sche Spra­che (und aus dem Eng­li­schen). Sonn­tags wer­de ich hier pri­vat.

Nach Ar­beits­ta­gen und -wo­chen vol­ler an­spruchs­vol­ler Her­aus­for­de­run­gen er­ho­le ich mich ger­ne in der Som­mer­er­wei­te­rung meiner Woh­nung, dem Bal­kon, sit­ze auf der Kom­post­kis­te oder ha­be die Pfo­ten in der Er­de, die Na­se an der fri­schen Luft.

Hier noch un­be­sucht: neu­e Be­wäs­se­rung
Bald wächst hier wie­der al­les kreuz und quer! Aber jetzt putze ich, dann mische ich Hu­muserde aus mei­nem Kom­post un­ter die Bal­kon­kas­ten­erde. Die dunkle, krü­me­lige Mi­schung ver­spricht meinen Pflan­zen eine gute Nähr­stoff­ver­sor­gung.

Da­bei höre ich dem Zwit­schern der Vö­gel um mich herum, Piep, Piep, Tschilp, Tschilp, Au­tos gibt es heute Mor­gen nur we­nige auf der Straße, nur ei­ni­ge Be­trun­kene fluchen tor­kelnd nach­hause. Die meis­ten Bäu­me sind noch kahl, hier und da sprie­ßen die ers­ten Blätt­chen. Das wich­tigs­te an den Bäu­men ist die Luft zwi­schen den Blät­tern, fällt mir wie­der mal auf. Noch seh­en wir durch Bäu­me hin­durch.

Da­bei höre ich nur Zwit­schern der Vö­gel um mich herum, Piep, Piep, Tschilp, Tschilp, Au­tos gibt es heute Mor­gen kaum auf der Stra­ße, nur zwei Be­trun­kene flu­chen tor­kelnd nach­hause. Die meis­ten Bäu­me sind noch kahl, hier und das ers­te Grün. Das wich­tigs­te an den Bäu­men ist die Luft zwi­schen den Blät­tern, fällt mir wie­der mal auf. Noch seh­en wir durch die Bäu­me hin­durch.

Auf dem Markt habe ich ei­ni­ge Ol­las ge­kauft, die tra­di­tio­nel­len Be­wäs­se­rungs­krüge aus Ton. Ich grabe sie in Blumentöpfe und -kä­sten ein, damit ich nach lan­gen Ar­beits­ta­gen und Tan­go­aben­den nicht im­mer ans Wä­ssern den­ken muss (die lie­ben Mit­men­schen über­las­sen mir das im­mer)!

Rasch die Er­de ange­feuch­tet und gleich auch et­was Saat­gut ver­teilt; einen Kaf­fee im "Jrünen" spä­ter geht's in die Kü­che zu an­deren Auf­gaben. Als al­les kö­chelt, schaue ich noch­mal aus dem Bal­kon­fen­ster raus. Was muss ich sehen?

Auf dem Bal­kon fin­det ein ve­ri­tab­les Fa­mi­lien­tref­fen statt! Ein Dut­zend Piep­mätze sitzt fröh­lich auf der Blu­men­topf­er­de, macht gro­ßen Ra­batz und lässt sich da­bei das Fest­mahl schmecken. Die Ol­las mit ih­ren noch ge­öff­ne­ten Fla­schen­häl­sen bie­ten eine ide­ale Vo­gel­trän­ke! Wenn die Mi­nia­tur­flug­sau­rier da drau­ßen so wei­ter­ma­chen, sind die Sa­men weg, bevor sie über­haupt eine Chan­ce hat­ten zu kei­men.

Ich las­se der Na­tur erst­mal ih­ren Lauf in der Hoff­nung, dass trotz der hun­grigen Vö­gel ei­ni­ge Sa­men­körn­chen kei­men und den Weg ans Ta­ges­licht fin­den werden. Ich könn­te auch die Kette mit den alten, CD-ar­ti­gen Da­tens­pei­chern aus der Kis­te ho­len, mal wieder vor dem Bal­kon­fen­ster auf­hän­gen und neu sä­hen.

Und ja, ich ge­be es zu, den gan­zen Blog­ein­trag ha­be ich nur we­gen eines Wor­tes ge­schrie­ben: Piep­matz­ra­batz.

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Foto: C.E.

Freitag, 29. März 2024

Wir sind dann mal lesen ...

Max liest (Jahr unbekannt)
Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo! Der Ar­beits­all­tag von Sprach­ar­bei­te­r:in­nen ist Ge­gen­stand des Web­logs. Mei­ne Spra­chen sind Deutsch, Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Wie Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier seit 2007.

"Wo sind ei­gent­lich die Ker­le in dei­nem Blog?", fragt mich neu­lich ein Kol­le­ge. Er ist ei­ner der we­ni­gen Män­ner im Dol­met­scher­be­ruf. Hier kommt jetzt mal ein Mann, noch jung an Jah­ren, und bei ei­ner ganz wun­der­ba­ren Be­schäf­ti­gung.

Ich wün­sche ein schö­nes, ru­hi­ges, lan­ges Früh­lings­wo­chen­en­de!

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Foto:
Archiv Elias Lossow

Donnerstag, 28. März 2024

Sprachenlernen (8)

Sie le­sen hier in einem Blog aus der Ar­beits­welt, ge­nau­er: aus dem All­tag ei­ner Dol­met­sche­rin. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­si­sch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Heu­te geht es wei­ter mit Hin­ter­grund zum Spra­chen­ler­nen: mei­ne wich­tigs­ten Gol­de­nen Re­geln.

Aus Zuhörerinnen werden Leserinnen
Vor­wort zum Spra­chen­ler­nen: Wol­len Sie Kin­dern Bil­dung schen­ken und so das Er­ler­nen von Fremd­spra­chen er­leich­tern, ist zu­nächst wich­tig, die Erst­spra­che auf ho­hem Ni­veau zu ver­mit­teln. Spre­chen Sie viel mit­ein­an­der, hö­ren Sie zu, le­sen Sie vor und wid­men Sie sich auch ei­ge­ner Lek­tü­re, kurz: gön­nen Sie den Kids ein Auf­wach­sen wie "da­mals"!

Von den gan­zen High­tech-Gran­den in der Bay Area (USA) ist be­kannt, dass de­ren Kin­der ma­xi­mal einige Mi­nu­ten pro Tag an das ran­dür­fen, was die El­tern ent­wickeln, ab Grund­schul­al­ter für den ei­nen oder an­de­ren Kurz­film, sonst im Wald­kin­der­gar­ten mit Äst­chen und Stei­nen spie­len oder in der Wal­dorf­schu­le ein ana­lo­ges Le­ben füh­ren.

Kurz: sehr stren­ge Be­gren­zung der Nut­zung von High­tech in­klu­si­ve Fern­se­her ist eine der gol­de­nen Re­geln. Die Nicht­chen (und an­de­re mir be­kann­te Gö­ren) dür­fen beim In­ha­lie­ren was se­hen, and that's it. Der Zieh­sohn hat in Grund­schul­jah­ren die Kin­dernach­rich­ten ver­folgt ... und Wis­sens­ba­sier­tes se­hen dür­fen, vor­zugs­wei­se in Be­glei­tung ei­ner gro­ßen Per­son, da­mit dar­über ge­spro­chen wer­den konn­ten.

Die zwei­te, his­to­risch ge­se­hen ers­te Gol­de­ne Re­gel: vor­le­sen, vor­le­sen, vor­le­sen! Kin­der­bü­cher, Gö­ren ins Ge­spräch ver­wi­ckeln, Sa­chen auf­zei­gen, wenn sie die Ge­schich­ten aus­wen­dig ken­nen: va­riie­ren, Wit­ze ma­chen, das Ge­gen­teil des­sen be­haup­ten, was da drin­steht, bald auch Bü­cher "oh­ne vie­le Bil­der" aus­wäh­len, dar­um geht's.

Im Grun­de ist es egal, was vor­ge­le­sen wird, au­ßer na­tür­lich die gröbs­ten Ge­walt- und Ge­mein­hei­ten, schon bei den Grimm'schen Mär­chen ha­ben wir in der Fa­mi­lie seit Ge­ne­ra­tio­nen 'zen­siert', al­so ra­di­kal ab­ge­schwächt. Als mein Va­ter über den Schrift­stel­ler Wil­helm Hauff ge­forscht hat, las er mei­nen Ge­schwis­tern Hauffs Mär­chen vor (mit Zensur­stel­len und Zu­sam­men­fas­sun­gen).

Auch ei­ne bei den Gro­ßen be­lieb­te Sa­che (und tota­aaal ner­vig für Kids), ich er­in­ne­re mich bes­tens (woll­te schnell wiss­en, wie's wei­ter­geht): Mit Fra­gen un­ter­bre­chen. "Weißt du, was ein Nickelchen ist?" Kind nickt (wei­ter­lesen, ist sooo span­nend!), gro­ßer Mensch fragt: "Kannst du mir das er­klä­ren?" Kind ver­sucht sich in ei­ner Ant­wort oder re­det Blöd­sinn. Egal. Ge­mein­sam fin­den Groß und Klein eine Er­klä­rung. Beim Nickel­chen muss­te auch ich das Wör­ter­buch zu Rate zie­hen für die Über­prü­fung, denn ... sie­he un­ten. (In der Re­gel wer­den ein­fa­che­re Din­ge ge­fragt, die noch nicht oder ge­ra­de zum Welt­wis­sen von Kin­der­gar­ten- oder Schul­kin­dern ge­hö­ren.)

In Zwei­fels­fäl­len oder um die Kul­tur­tech­nik zu zei­gen: ge­mein­sam mit den Kids nach­schla­gen. Wich­tig ist die­se Lek­ti­on: Nie­mand kann al­les wis­sen und Un­wis­sen­heit ist kei­ne Schan­de son­dern nor­mal, ba­nal. "Ich muss nicht al­les wis­sen, muss aber wis­sen, wo's steht", war der Satz un­se­res Va­ters. Das ist der ers­te Schritt, spä­ter kommt die Quel­len­kri­tik.

Ein Mädchen liest vor einem Tisch und vor Regalen mit vielen Büchern
 Kersti im Ar­beits­zim­mer, Carl Larsson (1909)
Am Ess­tisch des schwe­di­schen Ma­lers Carl Lar­s­son stand, hier nicht im Bild, eine En­zyk­lo­pä­die in einem Ex­tra­re­gal, das Goo­gle­funk­tion der da­ma­li­gen Zeit. "Was sa­gen Kluge/Goet­ze da­zu?", wur­de bei uns am Ess­tisch oft ge­fragt. Fried­rich Klu­ge und Al­fred Göt­ze wa­ren die Au­to­ren ei­nes Nach­schla­ge­werks mit Her­kunfts­ablei­tung, des "Ety­mo­lo­gi­schen Wör­ter­buchs".

Die ak­tu­el­le Ver­sion des Buchs die­ses Ti­tels, in Ab­kür­zung heu­te nur noch "der Klu­ge", wird voll­stän­dig als kos­ten­pflich­tige App für An­droid an­ge­bo­ten. Stu­die­ren­de ha­ben kos­ten­lo­sen Zu­griff auf die Web­ver­sion: klick.

Vor­ge­le­sen wur­de bei uns bis in höhe­res Schul­al­ter, wenn der Pa­pa von der Ar­beit kam und vor dem Schlaf­en­ge­hen. Heu­te wird den Fräu­leins vor­ge­le­sen. Die Klei­ne braucht den Kör­per­kon­takt, sitzt auf dem Schoß, die Gro­ße legt sich im­mer früh in ihr Bett und schläft rasch ein.

Neu­lich sind wir auf dem Nach­hau­se­weg an ei­nem hell er­leuch­te­ten Wohn­zim­mer­fen­ster vor­bei­ge­kom­men, hin­ter dem ein sehr, sehr gro­ßes Bü­cher­re­gal zu se­hen war. Das klei­ne Fräu­lein, es war ge­nau zwei Jah­re, zwei Mo­na­te und zwei Ta­ge alt, sag­te mit Blick auf das Fen­ster: "Schau da, die vie­len schö­nen Bü­cher!"

Deutsch für Pro­fis
Nickel­chen, Nickelein — an­de­res Wort für Kind (aus der Zeit der Brü­der Grimm)
Nicke­lig­keit — Starr­sinn, Ego­is­mus oder das Er­geb­nis des­sel­ben (Wi­ki­pe­dia)
Nicker­chen — klei­nes Schläf­chen, Syn­onym: Sie­sta

... und nein, ich kann in kei­ner TV-Quiz­sen­dung zur Mil­lio­nä­rin wer­den, mir fehlt viel Po­pu­lär­wis­sen wie Schlager, Sport­facts, Au­to- und an­de­rer Mar­kenkrempel.

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Foto: Archiv Elias Lossow
Gemälde bei Art & Artists

Mittwoch, 27. März 2024

Der Kreuzweg

Bon­jour, hier bloggt ei­ne Lin­gu­istin. Ich ar­bei­te mit Deutsch (Mut­ter­spra­che), Franz­ö­sisch und Eng­lisch. In die Spra­che Shakes­pea­res über­setzt die Bü­ro­kol­le­gen, al­so ge­schrie­be­ne Tex­te, denn Über­set­zen ist Hand­werk, Dol­met­schen ist Mund­werk. Doch es gibt Über­schnei­dun­gen.

Red­ne­rin am Pult (KI-Bild "im Stil von Ma­tisse")
Eine Nicht-Mut­ter­spra­chler­in hält auf Deutsch ei­ne Re­de. Dann folgt, was auf Neu­deutsch eine "QNA-Ses­sion" heißt, ques­tions and ans­wers.

Sie be­schreibt eine kom­plexe La­ge als ech­ten Kreuz­weg. Nur noch we­nige Ta­ge tren­nen uns von Os­tern. Die be­rich­tende Dol­metsch­erin ist, was Re­li­gi­ons­din­ge an­geht, im All­ge­mei­nen nur "in der Schnell­blei­che" dar­über in­stru­iert, al­so rasch, in gro­ben Zü­gen, un­voll­stän­dig. Aber na­tür­lich ver­mag sie den Kreuz­weg als Begriff der Pas­sion Je­su ein­zu­ord­nen.

Auf Fran­zö­sisch ist der Be­griff für "Kreuz­weg" häu­fig auch in nicht­re­li­gi­ö­sen Kon­tex­ten zu hö­ren, das Wort le cal­vaire zu­min­dest wird oft im Sinne von "lan­ge Durst­strecke", "Lei­dens­weg", "ent­behr­ungs­rei­che Zeit" oder "schwe­re Prü­fung" ver­wen­det. Dann gibt es noch le che­min de croix, die wört­li­che Ent­spre­chung des deut­schen Worts 'Kreuz­weg', aber auch la cor­vée.

Fach­leu­te ken­nen le cal­vaire auch auf Deutsch, den "Kal­va­ri­en­berg", ein Wort, das auf Deutsch aus­schließ­lich im re­li­gi­ö­sen Kon­text vor­kommt.

Wenn ge­dol­metscht und über­setzt wer­den muss, ist es gut, dass wir Men­schen (an­ders als Ma­schi­nen) Vor­wis­sen ha­ben, Zu­sam­men­hän­ge er­ah­nen und be­sten­falls ein­schät­zen kön­nen, das Wis­sen um Mehr­fach­be­deu­tun­gen und auch um po­ten­zi­elle Fehler ha­ben und (beim Dol­metschen) im Zweifel­sfall ein Syno­nym wäh­len und dann, wenn die La­ge klar ist, den ein­deu­ti­gen Be­griff in ei­nen Neben­satz mit ein­flech­ten, also hin­ter­her­schie­ben.

Hier sind Dol­metschen und Über­setzen ähn­li­cher, als man­che an­neh­men. Bei der schrift­li­chen Über­tra­gung for­dert manch­mal die Lo­gik der Spra­che oder ei­ner Re­dewen­dung ei­ne klei­ne Ver­schie­bung; in der Sum­me aber müs­sen sich Vor­lage und Er­geb­nis ent­spre­chen, die Waag­scha­len aus­ge­gli­chen sein, und zwar bei bei­den Auf­ga­ben.

Die KI hätte ver­mut­lich schnell Nä­gel mit Köp­fen ge­macht. Ei­ne Per­son oh­ne den nö­ti­gen Kon­text in der Kar­wo­che mög­li­cher­wei­se auch. Zum Glück konn­te ich in der Vor­be­rei­tung einige Auf­sätze der Vor­tra­gen­den le­sen, kann­te al­so das ge­dank­li­che und ar­gu­men­ta­ti­ve Hin­ter­land un­se­rer Re­fe­ren­tin — was mir half, die Klip­pe ele­gant zu um­schif­fen.

Ich blieb so et­was län­ger im Va­gen bei mei­ner Ver­dol­metschung. Lei­der ha­be ich kein To­nauf­nah­me­ge­rät da­beige­habt (was auch schwi­erig ist, denn zwei Ton­spu­ren pa­ral­lel zeich­net wohl kein Con­su­mer­ge­rät auf), da­her blieb un­do­kumen­tiert, wie lan­ge ge­nau. Man­che Aus­gangs­begrif­fe ha­ben ei­ne ge­wis­se Un­schar­fe, die das Er­geb­nis ih­rer Viel­deu­tig­keit ist ... oder auch nicht, dann rührt das viel­leicht so­gar von se­man­ti­schen Fel­dern her, die in Aus­gangs- und Ziel­spra­che nicht im­mer die glei­chen Be­rei­che ab­decken. Und nein, das War­ten war kein cal­vaire/Lei­dens­weg.

Da schil­ler­te et­was in der Re­de mit, was even­tu­ell Er­geb­nis ei­nes eben­so ge­kon­n­ten wie kunst­vol­len Ge­brauchs der deut­schen Spra­che war oder aber ein Feh­ler. Wie oben er­wähnt, spricht die Red­ne­rin Deutsch nicht als Mut­ter­spra­che. Mit der Zeit wurde mir klar, dass hier "Weg­ga­be­lung" ge­meint war und nicht "Kreuz­weg". Sprach­lich ist das eine Her­aus­for­de­rung, denn an ei­ner Weg­ga­be­lung kreu­zen sich die We­ge, hier ha­ben wir ja fast das Wort "Kreuz­weg", und manch­mal ent­schei­den sich so wich­tige Din­ge für den wei­te­ren Le­bens­weg, wenn wir falsch ab­bie­gen.

Spra­che lebt von Nu­an­cen, Hin­ter­grund­wis­sen und kul­tu­rel­lem Kon­text, au­ßer­dem von Ge­füh­len, Kom­mu­ni­ka­tions­stra­te­gien und Zu­ge­hö­rig­kei­ten. Das al­les ver­mag die kal­te KI nicht, um das zu über­tra­gen braucht es Men­schen, die den­ken kön­nen.

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Illustration:
Dall:e

Dienstag, 26. März 2024

Bahnkram

Bon­jour, gu­ten Tag & hel­lo! Der Ar­beits­all­tag von Sprach­ar­bei­te­r:in­nen ist Ge­gen­stand des Web­logs. Mei­ne Spra­chen sind Deutsch, Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Wie Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier. Heu­te den­ke ich wei­ter über die Grund­la­gen mei­nes Be­rufs- und Fa­mi­lien­le­bens nach: das Rei­sen.

Zwei Laptops sind auf einem Tisch des DB-Boardrestaurants aufgeklappt
Arbeitsplatz Eisenbahn
Eine gute Nach­richt: Der Ta­rif­streit bei der Bahn ist zu­ende. Dass es so bald kei­ne neu­en Streiks ge­ben wird, be­glückt mich, das The­ma macht mich zu­gleich auch wü­tend.
Für mich en­det zu­nächst eine lan­ge Zeit der Un­si­cher­heit. Als Dol­met­sche­rin, aber auch pri­vat neh­me ich die Bahn, wie an­de­re Leu­te den Bus. Wenn ich vor ei­nem Jahr ge­wusst hät­te, was mich er­war­tet, hät­te ich mir die Bahn­Card 100 ge­kauft.

Aber ein sol­cher Frei­fahrtschein fürs ge­sam­te Ver­kehrs­netz hilft auch nicht wei­ter, wenn die Bahn streikt. Ich muss das noch­mal ge­nau durch­rech­nen. Ich schätze, mich hat der Bahn­streik­stress in den ver­gan­ge­nen 12 Mo­na­ten an die 5000 Euro ge­kos­tet — das ist mehr, als die­se Bahn­Card 100 in der 2. Klas­se kos­tet (4.550 Eu­ro). Da­zu kom­men noch zwei Ein­sätze, die ich wei­ter­ge­ben musste, weil ich ir­gend­wo in der Pam­pa mit der Bahn fest­saß. Da­mit wä­re ei­ne BC in der 1. Klas­se mög­lich ge­we­sen. Und, lie­be strei­ken­de Bah­ner, ich spre­che hier nicht von Eu­rem In­fla­tions­aus­gleich und Mehr­ver­dienst, son­dern von Umsät­zen, aus de­nen sich mein Ein­kom­men ab­lei­tet.

Die kom­men­den knapp zwei Jah­re muss ich we­nigs­tens keine Streiks mehr er­lei­den, auch kei­ne "Wel­len­streiks" (wo­bei nie er­läu­tert wurde, was das ge­nau ist). Es gilt Frie­dens­pflicht zwi­schen den Ta­rif­par­tei­en.

Ja, ich kann Ta­rif­au­to­no­mie und Streik­recht gut nach­voll­zie­hen, finde aber auch, dass das Be­strei­ken von In­fra­struk­tur der Grund­ver­sor­gung problematisch ist. Es gibt viele Men­schen ohne Auto, die ähn­lich wie die Men­schen im Füh­rer­stand der Loks nicht im "Home office" ar­bei­ten kön­nen, Be­rufs­pen­dler:in­nen, ent­fernt ar­bei­ten­de El­tern­teile, die re­gel­mä­ßig zu ihren Kin­dern und er­wachsene Kin­der, die eben­so re­gel­mäßig zu ihren al­ten El­tern rei­sen, manche so­gar als pfle­gen­de An­ge­hö­ri­ge.

In den Me­dien war von einem ver­gif­te­ten Klima zwi­schen Bahn­vor­stand und Bahn­füh­rer­ge­werk­schaft GDL die Rede, der Spar­ten­ge­werk­schaft für das Eisen­bahn­per­so­nal, hier ste­hen ei­ni­ge tau­send Men­schen Mil­lio­nen po­ten­tiel­len Rei­sen­den ent­ge­gen. Ehr­li­cher­wei­se wür­den wir von ei­nem ver­gif­te­ten Klima zwi­schen Ma­na­gern und An­ge­stell­ten auf der ei­nen und Nut­ze­r:in­nen auf der an­de­ren Sei­te sprechen.

Öffent­liche Nah- und Fern­ver­kehrs­sys­teme müss­ten eigent­lich für Ver­läss­lich­keit und Plan­bar­keit ste­hen. Ver­tra­uen in die Bahn ist ein ho­hes Gut. Die sprich­wört­lich chao­ti­sche deut­sche Bahn, die kei­ne Streiks für Ver­spä­tun­gen und Zug­aus­fälle braucht, hat ih­ren Ruf wei­ter be­schä­digt.

Durch ihr lan­ges Rin­gen ha­ben Ma­nage­ment und GDL der Ge­sell­schaft und der Volks­wirt­schaft hohe Kos­ten ver­ur­sacht. Lei­der hat auch GDL-Chef We­sels­ky mit lau­ten An­sa­gen, in de­nen die Kund­schaft über­haupt nicht vor­kam, die "Buh­mann­rol­le" per­fekt ver­kör­pert und viel dafür ge­tan, dass der säch­si­sche Dia­lekt jetzt von mehr Men­schen als un­sym­pa­thisch wahr­ge­nom­men wird. Das hat er, der Dia­lekt, nicht ver­dient.

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Foto:
C.E.