Interview

No­vem­ber 2009 wurde ich von den Ver­an­stal­tern der Ber­li­ner Sprach­messe Ex­po­lin­gua in­ter­viewt. Hier das Er­geb­nis.

Wie ka­men Sie auf den Ar­beits­schwer­punkt Me­dien und The­a­ter und was be­deu­tet das kon­kret?
Von Hause aus Jour­na­lis­tin, die Ki­no und The­a­ter schon immer fas­zi­nier­ten, bin ich da rein­ge­schlid­dert. Ich ar­bei­te wie andere Pro­fis der In­for­ma­ti­ons­ver­mitt­lung, kurz: le­sen, be­wer­ten, ler­nen — und Fil­me se­hen. Da ich an Be­richt­er­stat­tung, Film­her­stel­lung oder Gast­spiel mit­wirke, muss ich die Spra­che der Me­dien und ihre Dar­stel­lungs­for­men aus dem Ef­fef­f be­herr­schen, denn je nach Ver­wen­dung fasse ich mal mehr zu­sam­men, wenn ich beim Re­por­ta­ge­dreh im Ar­beits­pro­zess für den Re­dak­teur kon­se­ku­tiv dol­met­sche, oder bin wört­li­cher, wenn ich für Jour­na­lis­ten ein In­ter­view über­tra­ge — und wie­der ein an­de­mal sitzt mir der deutsch­spra­chi­ge Ra­dio­hö­rer im Kopf, für den muss ich auf den Punkt tex­ten. Last but not least brau­che ich Aus­dau­er, wenn ich einen gan­zen abend­fül­len­den Spiel­film oder ein The­a­ter­stück al­lein "be­streite". Zur Vor­be­rei­tung er­hal­te ich Tex­te und oft auch DVDs, den­noch: hier ist Rou­ti­ne das wich­tigs­te Ge­päck.

Wel­che Her­aus­for­de­run­gen er­war­ten Dol­met­scher am Film­set?
Am Set muss ich wie die Schau­spie­ler ge­dul­dig sein, ge­mäß dem Bon­mot: "We're paid for wait­ing, per­for­mance is for free!" Von einem Mo­ment zum an­de­ren geht's dann los und vol­ler Ein­satz ist ge­fragt, weil ein Team von bis zu 60 Leu­ten auf die Ver­dol­met­schung war­tet. Am bes­ten war­tet aber nie­mand: Weil ich die Ab­läufe kenne, habe ich längst en pas­sant alles für mei­nen Schau­spie­ler We­sent­li­che ge­dol­met­scht und flüs­te­re ihm si­mul­tan rasch die Er­gän­zun­gen zu. Denn ver­stünde er, was am Set ge­spro­chen wird, er hätte im­mer mal wie­der das Ohr ge­spitzt, um über den Fort­gang der Din­ge auf dem Lau­fen­den zu sein. Das sind zum Bei­spiel das Wet­ter, das mög­li­cher­wei­se den Dreh­plan ändert, oder aber die Um­set­zung des Buchs in Bil­der ("Auf­lö­sung") wird über­ar­bei­tet, wodurch ein Re­qui­sit oder eine Ges­te ent­fällt, die viel­leicht beim Text­ler­nen als "An­ker" von Be­deu­tung ge­we­sen sind. Ich muss nicht nur Ab­läufe kennen, son­dern auch Ar­beits­wei­sen und Fach­jar­gon.

Braucht man für die Ar­beit als Dol­met­scher und Über­set­zer im Me­di­en­be­reich eine zu­sätz­li­che Aus­bil­dung?
Ich wüss­te nicht, welche Schu­le das un­ter­rich­tet. (Sie lacht.) Im Ernst, der Markt ist über­schaubar, da würde nicht mal ein Vier­tel eines ein­zi­gen Ab­schluss­jahr­gangs un­ter­kom­men. Wer bei uns lan­det, hat de­fi­ni­tiv mit bei­dem zu tun — ent­we­der lag der Aus­bil­dungs­schwer­punkt auf Dol­met­schen, oder aber auf Me­dien. Dann kommt Be­rufs­er­fah­rung im ei­ge­nen, aber auch im je­weils an­de­ren Feld hinzu, ich den­ke, das ist das [schwierigste]. Oder aber je­mand hat gro­ßes In­ter­es­se, sich alles selbst an­ge­lernt, viel über­set­ze­ri­sche Er­fah­rung im Feld, eine ge­schul­te Stim­me. Mit den Jah­ren kommt dann die Rou­ti­ne. Das ist wie mit Wein, der muss auch rei­fen. Selbst die Rou­ti­nier­tes­ten von uns ler­nen stets wei­ter. Es gibt Din­ge, die mir heu­te noch ihren ge­hörigen Respekt ein­for­dern, bei de­nen ich noch zu­rück­schrecke ...

... das wäre?
Ich habe erst we­ni­ge TV-Li­ve­sen­dun­gen ge­dol­met­scht.

Warum ha­ben Sie sich auf die Me­di­en­welt spe­zia­li­siert? Was ist be­son­ders span­nend in die­sem Be­reich?
Die Spe­zia­li­sie­rung war nach zehn Jah­ren im Be­ruf ein­fach da, der­lei kann man nicht pla­nen, son­dern das Ta­lent ent­de­cken, so es ei­nem be­schie­den ist, ne­ben schwie­ri­gen Kli­en­ten in Mo­men­ten öf­fent­li­cher Rede zu über­zeu­gen. Das klingt jetzt un­be­schei­den, war aber so. An­fangs habe ich ge­lit­ten, we­ni­ger we­gen der Stars, son­dern we­gen des Pu­bli­kums, aber Lam­pen­fie­ber lässt nach. Ich sehe in­zwi­schen nur noch mein Ge­gen­über, den Men­schen hin­ter Maske oder klin­gen­dem Na­men, und das scheint sich auch zu ver­mit­teln. Nicht sel­ten es­sen wir vorab ge­mein­sam oder ich spie­le die Stadt­füh­re­rin; man­chen haben wir schon zu Hau­se be­kocht. Mit­un­ter muss ich dann bei Pu­bli­kums­ge­sprä­chen auf­pas­sen, dass es nicht zu ver­traut wird, zum Bei­spiel bei Nach­wuchs­stars, da hab ich schon Ant­wor­ten sacht ab­ge­bro­chen um je­man­den vor sich selbst zu schüt­zen. Hier kom­men mir mein Be­ruf als Jour­na­lis­tin zu­gu­te: In­ter­view­rou­ti­ne und ein Be­wusst­sein für das, was Öf­fent­lich­keit be­deu­tet.

Gibt es ein be­son­de­res Er­leb­nis bei Ih­rer Ar­beit, das Ih­nen im­mer in Er­in­ne­rung blei­ben wird?
Et oui, mon ami Claude ! Cha­brol dol­met­sche ich seit zehn Jah­ren, und es ist im­mer ein Spaß, weil Mon­sieur vom ers­ten Mo­ment an Re­gie führt und die gan­ze Si­tua­ti­on nicht rich­tig ernst nimmt. Ein­mal hab ich of­fen­bar be­dröp­pelt aus­ge­se­hen, da hatte ich Liebes­kum­mer, und Mon­sieur hat in den Pau­sen ver­sucht, mich wie­der auf­zu­bauen. Im Lauf des Ta­ges fing er an, von sei­nem Sohn zu schwär­men, der oft in sei­nen Fil­men mit­spielt, so auch hier, und er habe auch grad Her­ze­leid. Und in der Pau­se lun­ger­te der plötz­lich im Flur bei den Ge­trän­ken rum und fragte mich: "War es sehr pein­lich, als mein Va­ter mich an­ge­prie­sen hat?" Wir haben herz­lich dar­über ge­lacht ... Einen Ber­li­na­le-Film spä­ter kam von einem Jour­na­lis­ten die Frage, warum Cha­brol fast jähr­lich einen Film mache. Um zu ver­ges­sen, dass er ei­gent­lich mit dem Ster­ben dran sei, sag­te er dar­auf. Und weil er im­mer auf­le­be, nein, wirk­lich le­be, wenn er Fil­me mache, um­ge­be er sich im­mer mit sei­ner Fa­mi­lie. Et­li­che Ge­wer­ke seien da­her von Fa­mi­li­en­mit­glie­dern be­setzt, so auch hier, die Dol­met­scherin ge­hö­re auch da­zu.

Und was ha­ben Sie da ge­sagt?
Ich? Als Dol­met­scherin bin ich Sprach­rohr und muss über­tra­gen, was der In­ter­view­te sagt, und darf es nicht durch Grin­sen oder Rich­tig­stel­lung kom­men­tie­ren. Der Jour­na­list kann­te den Cha­brol-Modus, Mon­sieur ist be­rühmt da­für ...