Donnerstag, 18. Dezember 2025

Respekt (2)

Sie lesen hier die Sei­ten einer Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin. Wie wir ar­bei­ten, ist in der All­ge­mein­heit kaum be­kannt. Schlim­mer noch: Wir wer­den der­zeit im­mer mehr an den Rand ge­drängt und ver­ges­sen (ge­macht). Wie kann es sein, dass ein frü­her hoch­gra­dig re­spek­tier­ter Be­ruf der­art unter die Rä­der kommt? Die KI, aber auch gras­sie­ren­de Dumm­heit und Re­spekt­lo­sig­keit kos­ten Men­schen­le­ben. Ich muss das Phä­no­men Kom­pe­tenz­ver­leug­nung nen­nen. Heu­te die zwei­te Fol­ge der neu­en Rei­he (Auf­takt hier).

Mutter mit Säugling (mit mehr Händen und Fingern als möglich)
Hier hat­te die KI ihre Hän­de
(und Fin­ger) im Spiel
Wir Sprach­ar­bei­te­rin­nen war­ten seit Jah­ren auf Me­di­en­be­rich­te über die Fol­gen der KI-ge­trie­be­nen Ver­ach­tung un­se­res Be­rufs­stan­des, die über­all gras­siert.

Er­stens wird die KI-Bla­se plat­zen, nicht weil KI kein wir­kungs­lo­ses Tool wä­re, son­dern weil ein­fach un­re­a­lis­tisch hohe Sum­men da­für in­ves­tiert wur­den, die von kei­ner­lei Bu­si­ness mo­dels ge­deckt sind.

Ein­schub: Stel­len wir uns kurz vor, die Rei­chen, Hoch­rei­chen und Über­rei­chen wür­den ähn­lich viel in Um­welt- und Ar­ten­schutz in­ves­tie­ren? Nicht aus­zu­den­ken. Ein­schu­ben­de.

Zwei­tens führt die Flut von ver­zerr­ten, un­rich­ti­gen und er­lo­ge­nen In­for­ma­tio­nen zu ei­ner ge­wis­sen Gleich­gül­tig­keit und Mü­dig­keit bei vie­len Mit­men­schen.

Drit­tens meh­ren sich die Fäl­le, in de­nen Kom­pe­tenz­ver­leug­nung le­bens­ge­fähr­lich und töd­lich wur­de.

In Groß­bri­tan­ni­en (GB) ist ein neun Mo­na­te al­tes Ba­by ge­stor­ben. Als Grund für den Tod wur­den ei­ne Sprach­bar­rie­re so­wie der Man­gel an be­ruf­li­cher Neu­gier sei­tens des me­di­zi­ni­schen Per­so­nals ge­nannt: Corn­wall­li­ve.com. Ein Dol­met­scher/eine Dol­met­sche­rin hät­te beim Ter­min im Roy­al Corn­wall Hos­pi­tal hin­zu­ge­zo­gen wer­den müs­sen, um die­sen Tod mög­li­cher­wei­se zu ver­hin­dern.

Im Ein­zel­nen: Die Mut­ter des Winz­lings stamm­te aus dem Aus­land und sprach nur we­nig Eng­lisch. Der Va­ter sprach ein we­nig Eng­lisch, sei­ne Kennt­nis­se wa­ren je­doch be­grenzt. Me­di­zi­ni­schen Fach­kräf­ten wur­de wie­der­holt er­klärt, dass das Kind „mit der Fla­sche ge­füt­tert” wor­den sei, bot­tle-fed, doch nie­mand hat ab­ge­klärt, was das be­deu­tet.

Hier wä­ren Dol­met­sche­rin­nen kul­tur­sen­si­bel ge­we­sen, denn wir ken­nen Hin­ter­grün­de. Nicht in al­len Län­dern wird Fla­schen­nah­rung au­to­ma­tisch mit Säug­lings­nah­rung in Pul­ver­form gleich­ge­setzt. Die­se Vor­an­nah­men ha­ben in­des sei­tens der me­di­zi­ni­schen Kräf­te be­stan­den. Fa­tal: Der Säug­ling hat­te Kuh­milch be­kom­men.

Die­ser Fall passt auch in den grö­ße­ren Kon­text der Sprach­bar­rie­ren im Ge­sund­heits­we­sen: Ak­tu­el­le Da­ten zei­gen, dass der Man­gel an Dol­met­schern in GB be­reits in den letz­ten Jah­ren in Eng­land mit zahl­rei­chen To­des­fäl­len von Kin­dern in Zu­sam­men­hang ge­bracht wird, ge­nannt wird die Zahl von 16 ver­lo­re­nen Le­ben: Hy­phen­on­li­ne.com: Lack of in­ter­pre­ters con­tri­bu­ted to deaths of 16 chil­dren last year.

Im oben ge­nann­ten Fall hät­te auch ei­ne KI-Ver­dol­met­schung nicht ge­hol­fen, denn die KI weiß nichts vom wirk­li­chen Le­ben, sie hat kei­nen Kör­per, kein Be­wusst­sein vom Tod, al­so auch kei­ne Furcht, dass hier Scha­den ent­ste­hen könn­te, sie kennt kul­tu­rel­le Un­ter­schie­de kaum bis gar nicht, son­dern er­fin­det im Ge­gen­teil Zu­satz­in­fos, die, wenn sie glaub­haft da­her­kom­men, so­gar zu­sätz­lich scha­den kön­nen.

Lei­der noch ei­ne Schip­pe oben­drauf: Für das Dol­met­schen im Kran­ken­haus wer­den auch in Deutsch­land, wenn über­haupt, im­mer häu­fi­ger Nicht-Pro­fis hin­zu­ge­zo­gen, äl­te­re Kin­der, die Rei­ni­gungs­kraft, manch­mal auch Zu­ge­wan­der­te nach Kurz­aus­bil­dung zum Com­mu­ni­ty in­ter­pre­ter. Hier wird Not ver­wal­tet und neue Not ge­schaf­fen. Prio­ri­tä­ten!

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Gra­fik: pix­lr.com (Zu­falls­fund)

3 Kommentare:

Agnès hat gesagt…

C'est déjà une hécatombe, car entre 2018 et 2022, 80 bébés sont morts dans des hôpitaux britanniques en raison d'une offre linguistique inadéquate (Hill, 2023).
En 2008, des enquêtes confidentielles sur les naissances mort-nés et les décès néonatals précoces dans trois trusts hospitaliers des West Midlands, en Angleterre, ont révélé l'absence d'une interprétation professionnelle dans 83 % des cas impliquant des mères parlant une langue autre que l'anglais (Cross-Sudworth, Williams et Gardosi, 2015 ; Li, 2025).

caro_berlin hat gesagt…

Grauenvolle Vorstellung. Es ist also nicht der mangelnde Respekt gegenüber uns Sprachleuten, sondern gegenüber Frauen, der hier übelst am Werk ist. // Quelle situation horrible ! Ce n'est donc pas le manque de respect envers nous, les linguistes, mais envers les femmes, qui est ici à l'œuvre.

caro_berlin hat gesagt…

Übertragung von ganz oben (mal ganz schnell):
Das ist schon länger eine Katastrophe, denn zwi­schen 2018 und 2022 sind in bri­ti­schen Kran­ken­häu­sern 80 Säug­lin­ge auf­grund un­zu­rei­chen­der sprach­li­cher An­ge­bote gestorben (Hill, 2023). Schon 2008 haben ver­trau­li­che Un­ter­su­chun­gen zu Tot­ge­bur­ten und früh­neo­na­ta­len To­des­fäl­len in drei Konzernkrankenhäusern in den englischen West Mid­lands ergeben, dass in 83 % der Fäl­le die betroffenen Frauen keine Englisch-Muttersprachlerinnen waren und auch keine professionelle Dolmetscher zur Verfügung gestanden haben (Cross-Sudworth, Williams und Gardosi, 2015; Li, 2025).