Mittwoch, 28. September 2022

Zwischennutzung

Aus dem Arbeits­alltag einer Dol­met­scherin können Sie auf diesen Seiten einiges er­fah­ren. Meine Muttersprache ist Deutsch, ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Ins Eng­li­sche übersetzt die Bürokollegin. Ich beobachte hier die Zeitläufte. Berlin gilt inzwischen für Neu­an­kömm­li­nge als 'hartes Pflaster'.

Dieser Tage wieder: Ein befreun­detes Über­setzerpaar aus London zieht in Berlin um. Das passiert im Durchschnitt derzeit alle 4,5 Monate. Sie sind jetzt in der fünf­ten Zwischen­nutzungs­wohnung. Irgendwer geht immer für einige Zeit mit dem Le­bens­men­schen nach Indien oder mit den Klein­kindern auf Europa­tour mit dem Wohn­mo­bil.

Umzugschaos: Nichts für schwache Nerven
Dieses Mal waren's 50 boxes and 20 other items, 50 Kartons und 20 andere Dinge, Klein­möbel zumeist für das Bü­ro (schmales Rollutensilo aus Draht für Schreib­kram, kleiner Tisch für den Drucker, ausfaltbares Bett­ge­stell aus Pap­pe, Ma­trat­ze, Bürostuhl.
Der Umzug war sehr englisch, was die Umgangssprache anging: Ein Man with a van (so jedenfalls seine Visiten­karte) fuhr in weniger als zwei Stunden in zwei Fuh­ren alles von A nach B, etwas mehr als 1500 Meter zu Fuß ent­fernt; Mark stammt aus Eng­land und fährt als Ein­zelun­ternehmer seit elf Jah­ren in Ber­lin. Freunde haben geholfen, da­run­ter die berich­tende Dol­met­scherin mit Es­sen­kochen, und einige Studie­rende.

Das Putzen der wieder für die unterver­mie­ten­de Familie frei­ge­räumten Woh­nung hat länger gedauert als das Kisten­trans­portieren. Am meis­ten Zeit ver­plem­pern die beiden immer mit dem Ein- und Auspacken. In jeder Wohnung fehlt etwas, das dann jeweils besorgt wird, so dass sich nach dem Aufgeben des Lon­doner Wohn­sitzes hier wieder ein Haus­stand bildet, zumin­dest an Sachen.

Für die beiden ist die Sache sehr be­las­tend. Wohnungs­suche in Ber­lin gleicht der­zeit einem Lot­te­rie­spiel. Und Freiberufler:innen haben bei Ver­mie­tern schlech­te Karten, was eine schreiende Un­ge­rech­tig­keit ist. (Auch Vermieter brau­chen mal frei­be­rufliche Überset­ze­rin­nen und Mas­seure, Anwäl­tin­nen und Logopäden!)

Gesucht wird eine Woh­nung mit Wohnküche und zwei nicht zu kleinen Zimmern (klein ist alles unter zwölf Quadrat­metern) oder mit Kü­che und drei Zimmern, von denen eines gerne klein sein kann, und zwar aus fa­mi­liären Grün­den be­vorzugt im Norden Neu­köllns, in Treptow oder Kreuzberg am "Dreiländereck", zur Dauer­miete, in einer Genos­sen­schaft oder zum Kauf, kein Erd­ge­schoss, also ei­ni­ger­ma­ßen hell und fuß­warm, denn der Wohn­raum ist häufig zugleich Arbeits­ort.

______________________________
Foto: C.E.
(Archiv)

Keine Kommentare: