"Grand malheur de caque!", pflege mein ostelbischer Großvater immer dann zu sagen, wenn etwas danebenging. Daneben denken und laut lesen muss ich auch, wenn ich wie dieser Tage die Übersetzung eines Drehbuchs flicke, denn manchmal verbirgt sich hinter einer halbwegs deutschen Formulierung ein Zwölfender aus der Reihe "serielle Missverständnisse beim Kulturtransfer".
Sekretär in Berlin |
Der Weg über einen der beiden Bahnhöfe und dann mit der Kutsche heim ins (kleine) Trakehnergestüt wäre weiter gewesen.
Grand malheur de caque, sage ich, wenn eine merkwürdige Übersetzung auf meinen Tisch flattert, die von jemandem übersetzt worden ist, der oder die sich vielleicht lieber anderen Textarten, Sprachen oder Berufen zugewandt hätte. Nicht jede(r) kann jedes, auch ich habe viele Schwächen. Aber dann erwartet eine Produktionsfirma von mir, dass es eins, zwei, fix "gefixed" wird, dieses Fehl am tadelungswürdigen Text, und ich kann ihnen nur sagen (wie der Handwerker, der betrübt auf ein Küchengroßgerät blickt, das den Dienst verweigert): "Au weia, das wird teuer!"
Grand malheur de caque, denke ich dann noch und rechne die Stunden zusammen, die diese Flickschusterei kosten wird. Manchmal ist eine Neuübersetzung billiger. Noch günstiger wäre es gewesen, gleich einen Profi zu beauftragen, selbst wenn's auf den ersten Blick teurer aussieht, was auch bei der Fahrkarte plus Strafgebühr für den außerplanmäßigen Halt meines Urahns in der Heimat der schönen Trakehnerpferde der Fall gewesen sein muss. Aber die ganz lange Strecke, Umfahrung und Kutsche, ist am Ende einfach noch teurer.
Was ich als Übersetzerin darüber hinaus bezahle, wenn ich solche Jobs annehme, und was nicht kakulierbar ist: Es kostet mich meist Tage, mich von den sprachlichen Missgriffen eines/einer anderen zu befreien, die kleben nämlich. Nee, aber auch.
Zum Glück gibt's Schmerzensgeld, und non olet sagte mal einer.
Ich sehe mir über die Schulter, bemerke meinen gehoben Stil, weiß, dass ich damit überkompensiere, dass mir heute eigentlich nach derben Worten ist! Muss wohl daran liegen, dass auch die auf die netteste Weise vorgetragenen schlechten Aussichten auf eine letzte übervolle Arbeitswoche im Jahr, die bislang frei von Verpflichtungen war, mir erstmal auf den Organismus schlagen. Ich bin ja sonst nicht so derb veranlagt ... Und zitier' jetzt doch noch Jarry: Merdre !
Hinweise für die Kalkulation von Drehbüchern: Bei Word steht unter "Extras" und "Wörter zählen" die Zahl der Anschläge inklusive Leerzeichen. Jene Zahl legen wir bei Kostenvoranschlägen zugrunde, Thema und Sprachniveau des Buchs sind weitere Faktoren. Um mal grob eine "Hausnummer" zu nennen: eine Übersetzung kostet um die 25 bis 30 Euro je Drehbuchseite für einen nichteiligen Auftrag — das ist nur ein Näherungswert. Die letzte "Reparatur" schlug mit 19 Euro je Drehbuchseite zu Buche.
Post Scriptum von 2024: Der Beitrag ist leider so aktuell wie einst. Ersetze Nichtprofi durch KI, und da haben Sie die Misere bei kreativen Texten. Standardsachen wie Wegbeschreibungen oder Küchenrezepte kann die KI recht gut. Sonst agiert sogar DeepL in Zweifelsfällen wie ChatGPT: gerne mal erfinderisch. Leselink: "Ich weiße die Verantwortung von mir." (sic!)
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Foto: C.E. (Archiv)
6 Kommentare:
Ist "Merdre" nicht Ubu Roi?
Gruß, H.
Oui, c'est exact !
Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass das innerfamiliäre Lektorat schrieb: "Es war ein Gutshof mit Ackerbau und Viehzucht, zwei Vorwerken und einem bei uns in Ehren gehaltenen 'Fels'."
Die Autorin dieses Blogs gibt zu bedenken, dass sie ihre Informationen von der Großtante hat, einer Pferdenärrin wie sie selbst, und dass die Beschreibungen der alten, resoluten Dame ebensowenig nach Höfle geklungen hat wie die Pferde nach Ackergäulen ;-)
Sollten wir mal hinfahren, nachsehen.
Grüße,
C.
Nicht zu vergessen, dass das Korrigieren einer verhunzten Übersetzung (mich zumindest) oft mehr Zeit kostet als eine Neuübersetzung. Was kann man gerade noch so stehen lassen, was muss anders, was ist mehr eine Stil- oder Geschmacksfrage? Und egal, wie sehr Profi man ist, es wird hinterher nie so aus einem Guss sein wie eine eigene Übersetzung. Korrekturaufträge für vermurkste Übersetzungen sind aus der Hölle. Deshalb mache ich das höchstens für Kolleginnen, die ich gut kenne und schätze.
Ja, das stimmt, die Brüche bleiben auch nach stundenlangem Schuften irgendwie immer sichtbar. Genauso ist es mit der Drehbuchüberarbeitung durch den dritten Koautor, der die Hinweise des fünften Dramaturgen einflechten muss.
Ich übertreibe hier sicher nur wenig, denn mir fällt auf, dass die oft willkürlichen (und an Geschmacksfragen orientierten) Entscheidungen der öffentlichen Förderer im Vorfeld für viel Verunsicherung sorgen, die dann eine ganze Handvoll Leute auszubaden haben (ganz zu schweigen von dem Frust, der den/die Erstautoren bei sowas ereilen muss).
Reparaturarbeiten mache ich daher gar nicht mehr, denn den Aufwand, den unsereiner da reinstecken muss, kann sich am Ende niemand vorstellen.
Grüße und Guten Rutsch!
Caroline
P.S.: Willkürlich meint hier, dass es oft nicht primär um Qualität geht, sondern darum, welche Firma mal wieder "dran" ist, welche anderen Firmen zeitgleich welche Summen zugesprochen bekamen und ob nicht vielleicht doch eher der Kompromisskandidat ... da scheint's so zuzugehen, wie beim Aushandeln, wer jetzt einen begehrten Job kriegt.
Ich hock grad an einer Vorstufe zu verhunzter Übersetzung. Quelltext ist in "italienischem Englisch" geschrieben. D.h. ich darf fröhlich das ursprünglich gemeinte erraten und dann besser formuliert schreiben. Da möchte man hin und wieder auch in die Tischkante beißen. Glücklicherweise schlägt es sich im Honorar nieder.
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