Mittwoch, 14. Dezember 2022

Panta rhei

Bon­jour & hel­lo! Sie lesen hier ein digitales Ta­ge­buch aus der Welt der Spra­chen, das es seit 15 Jah­ren gibt. Ich über­setze ins Deut­sche und dol­met­sche bila­te­ral Franzö­sisch/Deutsch. Gerade bin ich im winter­lichen Bo­xen­stop zu­hause.

Die Baum­pfle­ger kürzen wei­te­re Bäume an der ande­ren Ufer­sei­te, man­che bis auf den Stumpf, es ist herz­zer­rei­ßend. Es wird in Ber­lin nicht in dem Ma­ße nach­ge­pflanzt, wie es das Gesetz auf­gibt.

Zwei von Bibern angefressene Bäume, die gestutzt worden sind
Der erste blaue Himmel seit Wochen

Junge Bäume müssen min­des­tens drei Jahre lang regel­mäßig ge­pflegt und gegos­sen wer­den. Dafür scheint Berlin kein Personal zu haben. Und wo kein Kläger, da kein Rich­ter: Niemand setzt sich mit den un­ter­las­se­nen Pflan­zun­gen ausein­ander, außer viel­leicht hier und dort Anrainer, die auch Bäume pfle­gen — und gegen jene Be­hör­den hier schon ermit­telt haben, da Nach­barn Gieß­was­ser aus dem Kanal ge­nommen hatten ... 

Nun gibt es Zei­ten im Jahr, in denen es verboten ist, den Fließ­ge­wäs­sern Was­ser zu ent­neh­men, ver­ständ­li­cher­weise, aber hier war es eine Frage der Güter­ab­wägung. Al­so Bäu­me ge­ret­tet, Stra­fe per Crowd­fun­ding ge­zahlt, Kro­ne ge­rich­tet, weiter­gegan­gen, Kopf ge­schüt­telt.

Dieses Jahr kamen die Biber hinzu, die sonst in einigen Kilo­metern Ent­fer­nung le­ben. Der Nach­barin zufolge weiten sie ihren Aktions­raum aus, wenn ihr Nah­rungs­an­gebot nicht aus­reicht. Logisch. Und wieder sind es hier zwei Bäume weniger.

Inzwischen merken alle, dass in der Region das Wasser knapp ist. Das er­scheint paradox, denn hier gibt es an allen Ecken Seen und Wasser­läufe, allein in Bran­den­burg mehr als 3000 Seen. Was ja der un­in­for­mierte Chef von Tesla damals auch ge­meint hat, als er sein Werk an der Ber­liner Stadt­grenze irgendwie durch­ge­drückt hat (übrigens im Was­ser­schutz­ge­biet, in dem keine Privat­person eine Bau­ge­neh­mi­gung bekommt).

Berlin liegt in einem Ur­strom­tal, une vallée glaciaire, deren Ausläufer, wie ich neulich beim Dol­metsch­ein­satz ge­lernt habe, bis nach Warschau rei­chen. Ei­gent­lich läuft hier also viel Wasser zusam­men. Noch bietet das Grund­was­ser, la nappe phré­atique, der Stadt genügend Nach­schub, um die Berliner mit unge­chlortem Trink­wasser zu versorgen. Wir trinken hier Grund­was­ser, angereichert durch Ufer­fil­trat, le fil­trat de rive, das mehrfach gefiltert wird.

Es wäre auch ungefil­tert trinkbar, wie ich zusammen mit einer Dele­gation aus Tu­ne­sien erfah­ren habe. Schul­kinder, die auch das Wasser­werk besuchen, qualifi­zie­ren den Nach­ge­schmack des Rohwas­sers übri­gens so: "Das Wasser schmeckt nach Tür­klin­ke!" oder: "Das Wasser schmeckt nach Nagel!" Ferrum halt. Die Ver­gleiche haben alle erfreut.

Die identischen Wasser­moleküle in ihrem natür­lichen Kreis­lauf kommen übrigens bei uns Berliner:innen alle 25 Jahre erneut vorbei. In anderen Worten: Ich sollte im Sommer das Wasser ge­trun­ken habe, das bei meinen Einzug hier am May­bach­ufer bereits ein erstes Mal durch mich hin­durch­ge­flos­sen ist! Und doch, so Heraklit, baden wir nicht zweimal in demselben Fluss, also trinken wir auch nicht zweimal dasselbe Wasser.

Zurück ins Hier und Heute: Das Thema Schwamm­stadt ist eine der Lösungen der Zeit, der all­täg­li­che Um­gang mit Wasser ein anderer Aspekt. Derzeit steigt der Wasser­ver­brauch, was in Brandenburg am Run auf die Pools liegt. Unverständlich, dass nicht seit Jahr­zehn­ten stan­dard­mä­ßig Regen-, Dusch- und Wasch­ma­schi­nen­was­ser, Grau­wasser genannt, eaux grises, separat gesam­melt und ge­nutzt wird, Regen­was­ser aus Zis­ter­nen für Gießwasser, andere Grau­was­ser für die Toilet­ten­spü­lung.

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Foto: C.E.

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