Bonjour & hello! Sie lesen hier ein digitales Tagebuch aus der Welt der Sprachen, das es seit 15 Jahren gibt. Ich übersetze ins Deutsche und dolmetsche bilateral Französisch/Deutsch. Gerade bin ich im winterlichen Boxenstop zuhause.
Die Baumpfleger kürzen weitere Bäume an der anderen Uferseite, manche bis auf den Stumpf, es ist herzzerreißend. Es wird in Berlin nicht in dem Maße nachgepflanzt, wie es das Gesetz aufgibt.
Der erste blaue Himmel seit Wochen |
Junge Bäume müssen mindestens drei Jahre lang regelmäßig gepflegt und gegossen werden. Dafür scheint Berlin kein Personal zu haben. Und wo kein Kläger, da kein Richter: Niemand setzt sich mit den unterlassenen Pflanzungen auseinander, außer vielleicht hier und dort Anrainer, die auch Bäume pflegen — und gegen jene Behörden hier schon ermittelt haben, da Nachbarn Gießwasser aus dem Kanal genommen hatten ...
Nun gibt es Zeiten im Jahr, in denen es verboten ist, den Fließgewässern Wasser zu entnehmen, verständlicherweise, aber hier war es eine Frage der Güterabwägung. Also Bäume gerettet, Strafe per Crowdfunding gezahlt, Krone gerichtet, weitergegangen, Kopf geschüttelt.
Dieses Jahr kamen die Biber hinzu, die sonst in einigen Kilometern Entfernung leben. Der Nachbarin zufolge weiten sie ihren Aktionsraum aus, wenn ihr Nahrungsangebot nicht ausreicht. Logisch. Und wieder sind es hier zwei Bäume weniger.
Inzwischen merken alle, dass in der Region das Wasser knapp ist. Das erscheint paradox, denn hier gibt es an allen Ecken Seen und Wasserläufe, allein in Brandenburg mehr als 3000 Seen. Was ja der uninformierte Chef von Tesla damals auch gemeint hat, als er sein Werk an der Berliner Stadtgrenze irgendwie durchgedrückt hat (übrigens im Wasserschutzgebiet, in dem keine Privatperson eine Baugenehmigung bekommt).
Berlin liegt in einem Urstromtal, une vallée glaciaire, deren Ausläufer, wie ich neulich beim Dolmetscheinsatz gelernt habe, bis nach Warschau reichen. Eigentlich läuft hier also viel Wasser zusammen. Noch bietet das Grundwasser, la nappe phréatique, der Stadt genügend Nachschub, um die Berliner mit ungechlortem Trinkwasser zu versorgen. Wir trinken hier Grundwasser, angereichert durch Uferfiltrat, le filtrat de rive, das mehrfach gefiltert wird.
Es wäre auch ungefiltert trinkbar, wie ich zusammen mit einer Delegation aus Tunesien erfahren habe. Schulkinder, die auch das Wasserwerk besuchen, qualifizieren den Nachgeschmack des Rohwassers übrigens so: "Das Wasser schmeckt nach Türklinke!" oder: "Das Wasser schmeckt nach Nagel!" Ferrum halt. Die Vergleiche haben alle erfreut.
Die identischen Wassermoleküle in ihrem natürlichen Kreislauf kommen übrigens bei uns Berliner:innen alle 25 Jahre erneut vorbei. In anderen Worten: Ich sollte im Sommer das Wasser getrunken habe, das bei meinen Einzug hier am Maybachufer bereits ein erstes Mal durch mich hindurchgeflossen ist! Und doch, so Heraklit, baden wir nicht zweimal in demselben Fluss, also trinken wir auch nicht zweimal dasselbe Wasser.
Zurück ins Hier und Heute: Das Thema Schwammstadt ist eine der Lösungen der Zeit, der alltägliche Umgang mit Wasser ein anderer Aspekt. Derzeit steigt der Wasserverbrauch, was in Brandenburg am Run auf die Pools liegt. Unverständlich, dass nicht seit Jahrzehnten standardmäßig Regen-, Dusch- und Waschmaschinenwasser, Grauwasser genannt, eaux grises, separat gesammelt und genutzt wird, Regenwasser aus Zisternen für Gießwasser, andere Grauwasser für die Toilettenspülung.
______________________________
Foto: C.E.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen