Mittwoch, 30. Dezember 2020

COVIDiary (131)

Bonjour und guten Tag! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir arbeiten, ist hier seit Mitte der Nuller Jahre re­gel­mä­ßig Gegen­stand in Form von kleinen Epi­soden aus dem Alltag.

Kamerafahrt, die Dolmetscherin geht, einen Bücherstapel unter dem Arm, lesend den Gehweg einer Straße mit durchschnittlich erhaltenen Gründerzeithäusern ent­lang. Sie kommt von einer Freundin, der sie Bücher gebracht hat.

Neuköllner Pflaster

Tausch statt Neukauf lautet in diesen Tagen die Parole. An den Sockeln der Gebäude, den Tü­ren und Jalousien fällt die ex­plo­­sions­ar­ti­ge Zunahme an viel­far­bi­gen "Tags" auf, Buch­sta­­ben­fol­gen ohne Sinn, flüchtiger als die ge­ritz­ten Initialen an Mo­nu­men­ten.
Am Straßen­rand parken viele äl­te­re Autos, zwi­schen­durch auch das eine oder andere Ge­fährt, dem man den hohen Preis erst auf den zweiten Blick an­sieht. 

Hier haben die Autos früher eng auf eng gestanden, die Hälfte ist an der einen Seite übriggeblieben, dort sind vielleicht 60 Prozent. Cornona­virus plus Feiertage, lässt sich hier ablesen. Einige Schritte weiter liegt ein Haufen wild entsorgte Klei­dung, etwas weiter stehen Ab­raum­­mul­den mit Bauschutt, da drüben Paletten. Es ist einer der letzten Tage des Jahres. Der Him­mel strahlt mit dem Wider­schein der Sonne auf den Dach­firs­ten um die Wette. Im Winter steht die Sonne tief, seit Mitte Dezember trifft mit einem Einfallwinkel von 14 Grad auf die kalte Stadt. Die engen Berliner Stra­ßen erreicht außer an Plät­zen und Kreu­zun­gen nur dort ein Son­nen­strahl, wo ge­gen­über ein früheres Ruinen­grundstück zum Spielplatz wurde. 

Vor einem Kiosk liegen auf den Paletten weitere Paletten, und auf ihnen hockt mit großen Abstän­­den zueinander eine Gruppe junger, dick eingemum­melter Frauen mit Papp­bechern in der Hand, aus denen sie dampfen­den Kaffee nippen. Andere haben Thermos­­kannen und Becher dabei. Sie wieder­holen medizi­­nischen Prü­fungs­­stoff.

Im Fenster einer Ladenwohnung

Vor einem Haus, die Schau­fens­ter im Erd­ge­­schoss sind mit Zei­tun­gen zugeklebt, stehen vier Männer, alle irgendwas zwi­schen Mitte 30 und Mitte vier­zig, casual look in Jeans und Parka, einer trägt Jackett und Schal, sie sind eher groß, kräf­tig, straßen­kö­ter­blond bis dun­kel­haarig, nur ein Semmel­blon­der ist schlank und zart.
Sie halten den Abstand muster­gül­tig ein.

"Den Hand­schlag lassen wir jetzt mal sein, Corona, aber einig sind wir uns. Das is'n guter Preis. Und drei Monate mietfrei, dann geht's wieder los! Is' 'ne kommende Lage hier."

Die Dolmetscherin geht weiter. Sogar ihr, für die Autos nur Blechkisten mit Rädern und Motor sind, fällt auf, dass in der Straße die Mittelklasselimousinen fehlen, die Autos mit Münchener und Wiesbadener Kennzeichen, die Mietwagenflotte. Hinter einem abgestellten, alten Wohnwagen sitzt in einer Parklücke ein alter Mann im Smoking auf einem Campingstuhl an einem Campingtisch und isst in Zeitlupe Ku­chen. Er sieht aus, als hätte ihn nicht erst das Jahr 2020 ziemlich durch­ge­schüt­telt. Zu seinen Füßen liegt ein Rucksack, bei dem nicht zu erkennen ist, ob einst eine Färbung oder später der Staub den Stoff schlamm­grau gemacht hat. Da­ne­ben eine Ab­raum­mul­de mit altem Hausrat.

Termine nur mit dem Holzhändler
Zwischen den Jahren ist eine schwebende Zeit, im ersten Co­ro­na­jahr nochmal mehr. Ein Alp lastet auf den Zeitgenos­sen, wir stecken mitten im Umbruch, das Alte ist noch da, das Neue lässt sich schon erahnen, und wer zu flüch­tig hinsieht, er­kennt die Zeichen nicht. Ob später noch Holz für den Kamin zu bekommen ist? Aha, in Shut­down­­zei­ten ist ein Termin auch der Zeit­punkt, zu dem Holz ge­kauft wer­den kann.

______________________________
Fotos:
C.E.

Dienstag, 29. Dezember 2020

COVIDiary (230)

Wie Dol­met­scher und Über­setzer arbeiten (und Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen), können Sie hier erfahren. Derzeit sind die meisten von uns allerdings ohne Kurzarbeitergeld in Kurzarbeit. Ich arbeite mit den Sprachen Französisch und Englisch. Aus Paris kam einst auch der Modemacher, um den es heute geht.

Pierre Cardin (2008)

Eben kam die Meldung vom Tode Pietro Cardinis, er verstarb im 99. Lebensjahr. 

Gute Reise, Pierre Cardin! 

Ich durfte ihn vor vielen Jahren dolmetschen, die Situation bringt mich noch heute zum Grinsen. Hier mein Bericht über den berühmten Herrenschneider.

______________________________
Foto:
C.E.

Donnerstag, 24. Dezember 2020

COVIDiary (228)

Herzlich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Konferenzdolmetscher und Übersetzer machen, wie sie arbeiten, wie sie leben, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Der Co­ro­na­vi­rus machte aus dem Ar­beits­ta­ge­buch mein COVIDiary. Neben der Spra­che liebe ich al­te Fo­to­gra­fie und Fil­me.

Diese zweite Dezem­ber­hälfte ist von Familien­festen geprägt. Ich wünsche allen ruhige Tage im Kreise der wenigen Lieben, auf die wir uns seu­chen­be­dingt be­schrän­ken müssen. Ein gutes Jahres­ende allerseits!

Drei Fehler in einem Bild!

Welche Fehler sehen Sie/siehst Du? Zumindest, was das Ende des ersten Coronajah­res angeht ... Die Kom­men­tar­spal­te ist geöffnet!

______________________________
Foto:
Privatarchiv

Mittwoch, 23. Dezember 2020

COVIDiary (227)

Wie wir Sprach­ar­bei­ter:in­nen ar­beiten, ge­nau­er Men­schen, die bei Kon­fe­ren­zen ­dol­metschen und auch über­set­zen, beschreibe ich hier. In­ter­na­tio­nal tä­tige Simul­tan­dolmetscher reisen nor­ma­ler­wei­se viel. Das di­gi­ta­le Arbeits­ta­gebuch wurde nun durch Co­rona zum COVIDiary.

Nur in Deutschland berühmte Schokolade

Das Jahres­ende mei­nes selt­sams­ten Be­rufsjah­rs bisher naht. Wir hat­ten pandemie­be­dingt etliche Absage­wellen, Bu­chungs­phasen, Stor­no­serien und eine erstaun­li­che Sorg­lo­sig­keit der politisch fürs Kri­sen­ma­na­gement Verant­wort­li­chen, was die Ver­an­stal­tungs­wirt­schaft angeht. Schöns­ter Moment der Krise: Als die Stadt Berlin Ende März als So­for­thil­fe 5000 Euro über­wie­sen hat.

Schlimmster (beruf­li­cher) Mo­ment: Als mir ein Mensch der In­ves­ti­tions­bank er­klärt hat, warum eine Dol­met­scherin, die über­wiegend für die Politik, für Bot­schaf­ten, For­schungs­ein­rich­tun­gen, das Bundes­pres­se­amt etc. arbeitet, keinen An­spruch auf No­vem­ber-/De­zem­ber­hilfe hat: "Ihre Auftrag­geber ha­ben ja pan­de­mie­be­dingt gar nicht ge­schlos­sen!" Darauf ich: "Ja, aber es finden auch kei­ne Konfe­renzen, De­le­gations­reisen und Parlamentarierbegegnungen mehr statt! Selbst wenn die Po­li­tik entgegen den ei­ge­nen Auflagen derlei veran­stalten würde, könnte kein Gast un­ter­ge­bracht werden, die Ho­tels nehmen keine Buchungen für Grup­pen­rei­sen ent­ge­gen! Und das biss­chen, was online statt­findet, ist ru­di­men­tär."

Doch mit Lo­gik war dem ab­so­lut nicht bei­zu­kom­men.

Einige Stamm­kun­den sen­den mir zu Jah­res­en­de einige Aufmerk­sam­keiten, ­auch wenn wir nur wenig miteinander zu tun hatten: Zwei Flaschen Wein und viel Dan­ke­schön in Scho­ko­la­de­form brach­te der Postbote. Ich freue mich, auch wenn ich manch­mal denke, dass es drin­gend an der Zeit wäre, dass andere Scho­ko­la­de­her­stel­ler auch mal eine schöne Prä­sent­form finden mit fairer Scho­ko­lade und weniger Ver­packungs­müll ent­wickeln. Oder dass das bekannte Pro­dukt den Kunden­wün­schen ange­passt wird — und zudem auch mit ei­ner Aus­wahl zucker­re­du­zierten Scho­ko­la­den an­ge­bo­ten wird! Eine echte Markt­lücke!
­
Und dann war da noch ein Ka­lender in der Post. Ich fürchte, dass uns auch 2021 der Co­ro­na­vi­rus noch be­schäftigen wird, ich nur wenig Ter­mi­ne werde ein­tra­gen dürfen. Gerne möchte ich mich eines an­de­ren be­leh­ren las­sen ...
______________________________
Foto:
C.E.

Mittwoch, 9. Dezember 2020

COVIDiary (217)

Herzlich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Konferenzdolmetscher und Übersetzer machen, wie sie arbeiten, wie sie leben, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Meine Sprachkenntnisse (Französisch, Englisch) trainiere ich je­den Tag, auch wenn die Honorareinsätze seuchenbedingt selten geworden sind.

Täglich frische Walnüsse

Heute: Solo-Selbst­stän­di­ge in der Co­ro­na­kri­se, dazu Sascha Lobo im "Spie­gel". Er hat sau­ber ar­gu­men­tiert, ein we­nig mä­andert in der Ab­ar­bei­tung der Ar­gu­men­te, aber er trifft meine Erfahrungen zu 100 Prozent: Corona-Hilfen | Der deutsche Staat ver­ach­tet Selbst­stän­di­ge und Krea­tive; dazu gehört auch, dass in Deutsch­land die Fest­an­stel­lung ei­ner Er­satz­re­li­gion gleich­kommt.

______________________________ 
Foto:
C.E.

Dienstag, 8. Dezember 2020

COVIDiary (216)

Herzlich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Meine Sprachkenntnisse (Französisch, Englisch) trainiere ich täglich. Hier beobachte ich auch die Sprache.

Impfverschwörer (26.5.20)

Implizit greifen die Briten in der größten Krise seit dem 2. Weltkrieg eine Kriegs­me­ta­pher auf: Heute um 6.31 Uhr ist die erste Frau regulär geimpft worden, die 90-Jährige Margaret Keenan known as Maggie. Die BBC vermeldet den "V-day", the vaccine day, dann kommt ein Musik-und-Soundmix, die heutige Variante von Fanfaren.

Der Begriff spielt auf den "D-Day" an, den 6. Juni 1944, die größte Invasion aller Zeiten über den Wasserweg, als Ame­ri­ka­ner, Briten, Kanadier und Franzosen in der Normandie anlandeten. Diese Ver­kür­zung bezeich­net eigent­lich irgen­dein noch un­be­kann­tes Datum; auf Deutsch ist das der Tag X, auf Französisch le jour J.

We have to still hold our nerve ... heißt es dann im Radio. Das ist gut verständlich, das Singular ist indes gewöhnungs­bedürftig. Ich bin gespannt, wann die Ver­schwö­rungs­theo­retiker mit neuen Ideen um die Ecke kommen. Denn es ist schon komisch, dass ausgerechnet eine alte Dame für die erste Dosis ausgewählt wurde, die Mag­gie heißt, als wolle man eine andere Maggie aufwerten ...

______________________________
Foto:
C.E.

Montag, 7. Dezember 2020

COVIDiary (215)

Will­kom­men auf mei­nen Blog­seiten. Wie Dolmetscher und Übersetzer leben und arbeiten, beschreibe ich hier in loser Folge. Als Dolmetscherin arbeite ich mit fol­gen­den Sprachen: Französisch und Englisch; als Überset­zerin ist meine Ziel­sprache Deutsch. Co­ro­na hat alles ver­ändert, aus dem vir­tu­el­len Ar­beits­ta­ge­buch wurde das COVIDiary.

Auf dem Schreibtisch liegen derzeit höchst unterschiedliche Aufgaben:

Im Gartenzimmer
⊗ Steuern und Finanzen, Abrechnung der Soforthilfen aus dem Frühjahr (weder Pandemie noch Engpässe sind vorbei); 
⊗ Bauplanung eines Kunden;
⊗ Webseite eines Filmfestivals (Über­set­zer für die englische Sprache vermittelt);
⊗ Dokumente aus dem Bereich Erin­ne­rungs­kultur, 2. Weltkrieg (Über­setze­rin für die franz­ösi­sche Sprache ver­mit­telt);
⊗ Technikverbesserung für Fern­dol­met­schen (Mi­kro­fon­test­rei­he);
⊗ Kostenvoran­schläge für hybride Events in Ja­nu­ar und Feb­ruar sowie für Prä­senz­ver­an­stal­tun­gen im September 2021.


______________________________
Foto:
C.E.

Sonntag, 6. Dezember 2020

COVIDiary (214)

Was und wie Über­setzer und Dol­met­scher arbeiten, können Sie hier mitlesen. Die meis­ten von uns sind selb­stän­dig. Co­ro­na stellt auch un­sere Exis­tenzen auf tö­ner­ne Füße. Kleine Aufmerk­sam­keiten und Dank­sa­gungen ma­chen die persön­li­che Anwesenheit nicht immer nötig.

Bei uns im Haus war er auch

Je länger wir halbherzige Maß­nahmen verordnet bekommen, desto länger wird der Spuk dau­ern, desto länger werden Men­schen unter der Isolation leiden, desto länger wird Frei­be­ruf­ler/innen wie uns Kon­fe­renz­dol­met­schern das Gros der Lebens­grundlage ent­zo­gen bleiben. Die Som­­mer­­fe­rien­rei­sen haben das Virus ebenso hübsch verteilt wie die Coronaleugnerdemos Sach­sen dunkel­rot gefärbt haben.

Die aktuelle Lage ist desolat. Partei­po­li­ti­sches Kalkül hier, Verschnupftheiten der Länderchefs dort helfen nie­man­dem weiter. Während sich das Virus weiter ver­brei­tet, wir haben kein Plateau, sondern nur langsamer steigende Zah­len, krallt sich Deutschland an Zu­stän­dig­kei­ten, Eitel­keiten und Traditio­nen.

Mein Vorschlag: Die christlich-jüdischen Lichterfeste und Neujahr feiern alle im al­ler­engs­ten Kreise; die Feste im größeren Familien- und Freundes­kreis (inklusive Geschenke) sollten wir um drei Monate verschie­ben, auf den Wechsel von Winter zu Frühjahr.

... und er kam nicht allein!

Und in der Zwi­schen­zeit bitte die Ge­sund­heits­äm­ter weiter digitalisieren, ebenso die Schule zur Erst­vermittlung von Einheiten, zusätzlich kleine Lern­gruppen in leer­ste­hen­de Hotelkon­fe­renz­räume ein­quar­tieren, begleitet von Lernpaten, je eine Frei­be­ruf­lerin und einen Lehramts­studenten, beide erhalten dafür gu­te Ho­no­ra­re und Leis­tungs­­na­ch­weise für die prak­ti­sche Arbeit. 

Die tägliche Hin- und Her­fah­re­rei er­le­di­gen zeitlich gestaffelt Fahrdienste und Bus­un­ter­nehmen, die ihre Firmen dann nicht mehr mit dem Transport von Corona­leugnern zu Demos zu retten versuchen müssen.

______________________________ 
Fotos:
C.E.

Samstag, 5. Dezember 2020

COVIDiary (213)

Will­kom­men im digi­talen Arbeits­ta­ge­buch aus der Welt der Über­setzer und Dol­met­scher. Die meis­ten von uns sind selb­stän­dig, sie ar­beiten selbst und ständig. In der Co­ro­na­zeit ist alles anders.

Optische Täuschung

Heute blicke ich ausnahms­weise auf das Gu­te an Corona, denn Seelen­hygiene ist wich­tig: Voraus­gesetzt, ich mache so weiter, werde ich Anfang August 2021 die stolze Zahl von 1872 Kilo­meter binnen Jahresfrist zu Fuß gegangen sein. Das ist mehr als die Strecke von meiner Wohnung ans andere Ende Frankreichs, in den Badeort Saint-Jean-de-Luz an der Atlantik­küste, kurz vor der iberischen Halbinsel. (Bis dahin sind es nur 1700 Kilometer.)

Mein corona­warn­app­taug­li­ches Bürohandy informiert mich täglich über die zu Fuß zurückgelegten Kilometer (inklusive Anzahl der erklommenen Stockwerke). Für viele We­ge hätte ich früher die öffentlichen Ver­kehrs­mit­tel genutzt. 

Jetzt plane ich Besorgungen anders. Oft wandere ich aus Lichtgründen in der Mitte des Tages, selten am Abend. Und ich habe festgestellt, dass die sieben bis zwölf Kilometer, die ich zweimal die Woche als kleine Trainings­höhe­punkte zu­rück­le­ge, mich inzwischen kaum noch ermüden.

Kreuzberg im Abendlicht
Meistens walke ich, manchmal spaziere und gelegentlich jogge ich. Dabei höre ich oft Podcasts auf Englisch und Franzö­sisch. Und bei manchem Blick in den Hinterhof habe ich spontan das Gefühl, in Paris zu sein.

Abends, und dies ist mein Link der Woche, auf Arte "Vom Schreiben und Denken. Die Saga der Schrift" gesehen. Wunderbar! Vor allem für uns Sprach­menschen, die wir (als Dolmet­scherinnen) viel mit Symbolen zu tun haben: Wie Hiero­glyphen erst als ein Rebus benutzt wurden und wie ihre Verkürzung als Beitrag von Mi­granten, die nach ihrer Ankunft langsam die Lan­des­­sprache lernen mussten, die Er­fin­dung der Buch­staben war, das ist ultraspannend!

______________________________
Fotos: C.E.

Freitag, 4. Dezember 2020

COVIDiary (212)

Will­kom­men bei mei­nem Blog aus der Ar­beits­welt. Wie Dol­metscher und Über­setzer ar­beiten, ist oft nicht gut be­kannt. Seit die Pan­demie aus­ge­brochen ist, hat sich unsere Arbeit verändert. Dolmetscherkabinen waren gestern.

Dolmetscharbeitsplatz mit Catering

Beim Onlinedolmetschen hat sich inzwischen einiges an Rou­tine eingestellt. Wir ar­bei­ten wei­ter an der Verbes­serung der Akus­tik, testen unterschiedliche Mikrofone und Kopf­hörer, auch für das tech­ni­sche Daten­blatt, das wir un­se­ren Kundin­nen und Kunden zur Verfügung stellen. Ein Sprung nach vorn kam be­reits durch die An­bin­dung des Rechners ans Inter­net durch ein Ether­net-Ka­bel.
.

Schönen guten Tag zurück im Zeital­ter der Stolper­fallen! Vielleicht gibt es eine Mö­glich­keit, wie das Kabel auf dem Boden zu fixieren ist, ohne was aufs Parkett kleben zu müs­sen. Noch ein Punkt auf der To-Do-Liste.

Es gibt Technikfirmen, die Kon­fe­renz­interfaces anbieten, die expressis verbis für uns Dol­met­sche­rin­nen gemacht sind. Sie bieten extra Chat­fenster für unsereinen, für die An­bahnung und Durch­führung der Staffel­stab­über­gabe beispielsweise, zum Rein­hö­ren, was die Kollegin macht: Vor allem muss ich sicher sein, dass es bei ihr tech­nisch klappt, sonst werde ich nervös! Aber auch für die Konsistenz des Outputs ist dieses Rein­hören wichtig, damit sich niemand irritiert zeigen muss, weil zum Beispiel, wenn verschiedene Synony­me zur Auswahl stehen, ständig die Be­griff­lich­keit wechselt. (Die männlichen Kollegen sind in diesem Absatz mitgemeint.)

Wichtig ist bei längeren Events auch, eine Springerin/einen Sprin­ger dabei zu ha­ben. Immer wieder mal wackelt eine Leitung. Kollegin Selma war aus Istanbul besser zu hören, als aus Kreuzberg (sagt eine, die in Neukölln in Blick­weite lebt). Am Morgen war ihre Stim­me ungetrübt glockenhell, gegen Mittag traten Artefakte auf. Die Tagung ging schon in die Ziel­gerade, wir hatten gerade im 15-Minuten-Turnus gewech­selt, da gab's kein Zögern: "Gib' her das Mikro, Kollegin, ich mach länger!"

Ihr Mikroknistern war aller­dings nichts im Gegensatz zur vortragenden Denk­mal­pfle­ge­rin, die schon ein­gangs gesagt hatte: "Um 11.45 Uhr kommt der Klavier­stimmer! Als wir den Termin ausgemacht haben, war die Sitzung doch noch als Präsenz­ver­an­staltung geplant."

Der Klavier­stimmer ist pünktlich. Unangekündigt steht dann auch der Geiger des Grauens unter mei­nem Fenster, der Mann, der in drei Takten von La vie en rose zu The Sounds of Silence kom­men kann. Mit seinem schrägen Lächeln macht er trotz erwie­sener Talentlo­sigkeit jeden Markttag einen offenbar zu großen Um­satz, als dass er darauf verzich­ten möchte. Was für eine Kako­pho­nie in meinen Ohren! Und ist der Wech­sel für die geneigte Zuhörer­schaft jetzt wirklich eine Ver­bes­se­rung? Die Kollegin kann ich nicht fra­gen, die dürfte sich geis­tig schon aus­ge­klinkt haben, vor allem müss­te ich parallel zum Dol­met­schen einen komplexeren Sach­verhalt erklären. Ist mein Mikrofon gut genug, dass es die Fiedelei nicht mitnimmt? Schnell ziehe ich ins Garten­zimmer um ... wäh­rend ich dolmetsche. Dort höre ich das pene­trante Quietschen eines Schlagbohrers! Zurück ins Arbeits­zimmer!

Projekt für 2021: Endlich die Dolmetsch­box bauen, die eigene Dolmetscher­kabine, deren Bau im Früh­­jahr schon geplant wurde, was allerdings mangels Mittel ver­scho­­ben werden musste. (Die Bundes­po­li­tik und ihre so­ge­nann­ten Hilfen für uns Selb­stän­dige, ein Trauerspiel!)

Später, ich höre Radio: Warum greifen Ge­heim­dienste via Hacker die La­bore an, die Impf­stoffe gegen die ollen Coro­na­viren entwickeln? Könnte mir das bitte mal jemand erklären?

______________________________
Foto: C.E.