Montag, 30. Mai 2022

Meditative Katze

Wie Über­setzer:in­nen und Dol­met­scher:in­nen ar­bei­ten, erfahren Sie hier. Co­ro­na hat die Le­bens­grund­la­gen vie­ler von uns durch­ein­an­der­ge­bracht und die Müh­sal der Arbeit er­höht. Denn Online­dol­met­schen ist an­stren­gen­der. Dann kom­men unre­alis­tische Vor­stel­lun­gen von Kund:­in­nen im Ar­beits­feld Über­set­zen hin­zu. Heu­te folgt ein klei­ner Brehm, von Kat­ze bis Af­fe.

Katze, auf eine Fassade gesprayt
Türhüterin
"Die KI kann alles!", scheinen manche Men­schen zu glauben. Aber die Künst­liche In­tel­ligenz kann über­haupt nicht alles. Vor allem ist sie ein kal­tes Me­dium, kennt weder Vor­ge­schich­te der Zeilen noch Hin­terland der Wörter.

Nur ein winziges Beispiel: Die KI kann nicht zwi­schen „betrach­ten" und „beob­achten" un­ter­schei­den. Für sie handelt es sich hier um zwei Sy­no­nyme. Die Begriffe sind für die KI also frei aus­tausch­bar.

Ich hat­te mal Er­geb­nis­se von so einem au­to­ma­ti­schen Durchlauf à la "Die Katze be­trach­tet die Maus.“ Nun ja, hat ei­gent­lich schon ein­mal je­mand an­ge­sichts einer M-A-U-S eine kon­tem­pla­tive Katze ge­se­hen!?

An­dere "Lösung": "Ich beob­achte das Ge­mäl­de.“ Mist aber auch, bei die­sem Ge­mäl­de tut sich auch beim besten Willen nach lan­gem Hin­sehen nichts, aber wirk­lich auch gar nichts!

Kurz: Programme wie DeepL, die mit KI arbeiten, hei­ßen nicht zufällig tools, Hand­werks­zeug. Sie sind wie ein Grif­fel oder die Tasta­tur für die Hän­de von Men­schen und keine eigen­ständige Ar­beits­kraft.

Die KI greift auf kalte Maschi­nen zurück; sie kennt weder Gefühle noch weiß sie, wie Lebe­wesen ticken. Erst recht fehlt ihr Verständnis für die eigenen Grenzen. Ich zitiere den Kol­legen Ralf Lemster: "Der Hori­zont der gängigen Über­set­zungs­sys­te­me ist der Satz und endet mit dem Punkt. Ein Mensch weiß, was drei Sätze zu­vor stand und kann einen Zu­sam­men­hang herstel­len.“

Die KI liefert immer ein Ergebnis, selbst dann, wenn sie überfordert ist. Und oft sehen die Ergebnis­se auf den ersten Blick so gut aus, dass die Fallstricke nicht so­fort auf­fal­len. Genau das macht die Sache hoch­komplex. Unsereiner muss sehr scharf hinsehen. Ver­gli­chen mit dem Auf­wand ohne KI ent­fällt ein wenig Tipp­ar­beit, auf jeden Fall kommt die glei­che Denk­arbeit hinzu, an vie­len Stel­len sogar mehr: Sich von vermeintlich guten Lösun­gen zu trennen, die da schick schwarz auf weiß ste­hen, verändert das Über­se­t­zen, frisst mehr Ener­gie, so meine Erfahrung. Und für 100 Prozent krea­ti­ve Tex­te ist die KI erst recht zu 100 Pro­zent un­taug­lich.

Heute kam eine Über­set­zungs­an­fr­age rein: "Überar­beitung von Deepl-Überset­zun­gen (Französisch → Deutsch) … Un­se­re Web­seite mit ca. 100 Sei­ten wird aktu­ell dank automa­tischer Deepl-Über­setzung neben Franzö­sisch auch auf Deutsch an­ge­zeigt. Wir hatten uns zum Start quick & dirty dafür ent­scheiden. Jetzt benötigen wir eine profes­sionelle Überarbeitung, die direkt in Word­press erfolgt. Vor­kennt­nis­se sind empfehlens­wert. Es geht uns nicht nur um richtige Gram­ma­tik, sondern auch um deut­li­che Ver­bes­serung des Lese­flus­ses und dass die SEO-Be­grif­fe oft ge­nug ver­wen­det werden. Wir haben eine Preis­vor­stel­lung von 5,00 € je Norm­sei­te (1.800 Zeichen inkl. Leer­zeichen)."

Ja, nee, die Herr­schaf­ten wollen halt Geld sparen. "Die KI kann alles!" Wer's glaubt.

Werb­li­che Web­sei­ten müs­sen nicht nur übersetzt werden, hier sind oft Tex­ter­kennt­nisse nötig, und da kostet eine Norm­seite je Schwie­rig­keits­grad bei mir derzeit zwischen 50 und sagen wir mal 150 Euro (nach oben offen). Je mehr Wer­be­texten dabei ist, desto ...

Nehmen wir mal an, dass es nicht so rasend kom­pli­ziert ist: Hier möchten die Herrschaften also ein Zehntel des Min­dest­prei­ses bezahlen und die Zu­satz­arbeit, alles adrett in die Web­sei­te ein­zu­pflegen plus Kennt­nisse im Be­reich Such­ma­schi­nen­opti­mierung (SEO), gratis ein­sacken. Könn­ter knicken. Für diese lum­pi­gen Nicht-mal-Pea­nuts bekommt ihr weder Pro­fis noch Affen.

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Foto: C.E.

Dienstag, 24. Mai 2022

Optik und Akustik

Herz­lich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir ar­beiten, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Dabei schrei­be ich auch über Be­son­der­hei­ten im All­tag.

Auch ich zähle zu den Men­schen, die wissen, was Schlaf­probleme sind. Beson­ders dann, wenn es un­er­wartet laut ist. Ein wenig liegt es si­cher am Beruf, da Akustik für unser­einen so wichtig ist.
Vorhang 'in the making' — und auch noch grafisch schön

Und Lärm nervt ver­mut­lich die meisten Leu­te.
Zum Beispiel sowas: Die Im­mo­bi­lien­spe­ku­lation hat uns ein zum Teil un­be­wohn­tes Nach­bar­haus ein­ge­bracht.

Doch manch' Ein­heit wird als Fe­rien­woh­nung ver­mie­tet, also nur ab und zu, und die Rei­sen­den fei­ern gerne mal. Da wird's dann laut. Das strengt im­mer al­le an.

Ja, ich habe Ver­ständ­nis mit Men­schen, die irritiert auf un­er­war­tete Ge­räusche reagieren. So meine neue Nach­barin. Sie nutzt den Raum neben meinem Ar­beits­zim­mer auch als Schlaf­zimmer, und in mei­nem Ar­beits­raum lo­giert ab und zu ein Über­nach­tungs­gast. 

Im Ar­beits­zimmer habe ich ein Stahl­seil zwischen die Wän­de ge­spannt, an dem die Vor­hang­schals hän­gen. Und of­fen­bar macht es dann nachts nach dem Lüften im Schlaf­zimmer der Nach­barin noch lauter "Rrrrraaaaatsch", als dass bei mir schon der Fall ist.

Die tatsächliche Lautstärke ist mir offen gesagt "wumpe", wie es in Ber­lin heißt. Die sub­jek­ti­ve Wahr­neh­mung zählt. An den Metall­klem­men der Gar­dine hängt mein Herz nicht.

Oh­ne groß nach ei­nem neu­en Vor­hangs­ystem zu sor­gen, besah ich mir die Schals kurz ge­nauer. Und kauf­te im Vor­bei­gehen auf dem Wo­chen­markt vier Me­ter Naht­band zu je 30 cm. Ergebnis: Der Vor­hang an der Balkon­tür ist jetzt leise; hier hab' ich gekno­tet. Für den zwei­ten suche ich noch nach gro­ßen, schwarzen Si­cher­heits­na­deln. Mit de­nen ich auch den ers­ten "nach­rüs­ten" werde.

Warum steht das im Dol­metscher­web­log? Neben der Er­ziehung, ein freundlicher Mit­mensch zu sein, ist der erste Grund die ei­gene schon benannte akus­ti­sche Em­pfind­sam­keit. Der zwei­te ist der geringe Auf­wand einer schnel­len, guten Lö­sung. Wer den gan­zen Tag sprach­liche Lö­sun­gen findet, ist auf kreati­ven Um­gang mit Prob­le­men ge­eicht. Und das mag ich.

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Foto: C.E.

Auf dem Schreibtisch (LXIII)

Bonjour & hel­lo! Sie sind auf den Sei­ten eines digitalen Ta­ge­buchs aus der Welt der Sprachen ge­landet. Seit 2007 blog­ge ich hier über das Be­rufsle­ben der Über­set­zer und Dol­met­scher. Seit März 2020 hat sich un­se­re Ar­beit stark ver­än­dert. Im "in­ter­me­diate Post-Co­ro­na" ackern wir ge­ra­de sehr, ha­ben aber auch noch Zeit für an­de­re Kun­d:innen.

Sechs Wo­chen und ei­nen Tag mit vollen Auf­trags­bü­chern spä­ter atme ich durch und schaue mal wie­der auf mei­nen Schreib­tisch.

Deutsch & Français & English
Dort steht an:

⊗ Be­hör­den­ter­mine für einen Kun­den machen
⊗ Kor­rek­to­rat einer Über­set­zung (Werbe­flyer)
⊗ Be­ra­tung eines Kol­le­gen in Sa­chen Dreh­buch­über­setzung
⊗ Rech­nun­gen und Mah­nun­gen schrei­ben
⊗ Kos­ten­voranschläge für zwei Termine im Sep­tem­ber
⊗ Buch­hal­tung

⊗ Alte Vo­ka­bel­listen ab­hef­ten (das Körb­chen mit den Le­xi­ken quillt über)
⊗ Nachb­ereitung Bau­stel­len­dol­met­schen DE<>FR

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Foto:
C.E. (Archiv)

Dienstag, 17. Mai 2022

Quicklebendig

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­terin können Sie hier erhalten. Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­sische Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che, und ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen, al­les hoch­le­ben­di­ge Idiome!
Sprachberufe (gesehen in Heidelberg)

Für eine bezahlte Anzeige hat eine Kol­legin irgend­wo in Eu­ro­pa in einer mir be­kann­ten eu­ro­pä­ischen Sprache ge­tex­tet: "Ich bin Dol­­met­scherin und ar­beite mit den Spra­chen Eng­lisch, Spa­nisch, Fran­zösisch, Alt­griechisch und La­tein." 
Ich zögere. Wer braucht einen Dol­met­scher oder eine Dol­met­scherin für La­tein? Wird in Va­ti­kan­­stadt wei­ter­hin Latein ge­spro­chen? Und haben die nicht fes­tes Per­so­nal?

Dann folgt ein Ein­schub mit Be­rufs­er­fah­rungen. Später geht es weiter: "Dane­ben über­setze ich auch." Ja, so ma­chen die toten Sprachen Sinn.

Note to self: Obacht bei nach­träg­li­chen Text­än­de­run­gen. Das kann un­frei­wil­lig ko­misch werden.

Die Kol­legin habe ich kurz angeschrieben. Ehren­sache. Und hof­fe im Ge­gen­zug auf meine Le­se­rin­nen und Leser, Kolleginnen und Kollegen, falls da mal ...

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Foto: C.E. (Archiv)

Dienstag, 10. Mai 2022

Berufsbedarf

Ob zu­fäl­lig oder ge­plant: Sie sind hier auf Sei­ten eines digi­talen Tage­buchs aus der Ar­beits­welt gelan­det. Ich bin Dol­met­scherin für die fran­zösische Sprache (und aus dem Eng­li­schen) und berichte aus dem All­tag.

S
eit Jah­ren treibe ich mich in be­son­de­ren Ge­mäuern he­rum, in Mu­seen, alten Ge­bäu­den und Stein­hau­fen, zwi­schen Ru­inen und Neu­em, aber auch in Ar­chi­tek­tur­büros und in Häu­sern, die re­no­viert wurden.

Erdbeeren in der Pappschale
Visuell schöner als Schuhe

Jetzt begleite ich als Dol­met­scherin meine erste echte Bau­stelle von der Grund­stücks­be­sich­ti­gung bis zur Eröff­nung. Irgend­wann wur­den die Arbeiten klein­teiliger, sprich: Es ging los mit dem Mon­tie­ren von Bau­teilen, es ka­men Schrau­ben und Me­tall­ab­schnit­te hin­zu. Die Ar­beits­sicherheit war nicht mehr gewähr­leis­tet ohne Bau­stel­len­schu­he. Da­her ging ich ins Fach­ge­schäft, zur Firma "Kokott" in Neukölln.

Jetzt habe ich ein Paar klobiger Treter mit dicker Sohle und ich ge­den­ke, den teuren Kauf von der Steuer ab­­zu­setzen, ge­nau­so wie den Kauf des klei­nen Kof­fers für die Ta­ges­tou­ren mit Über­nach­tung, in denen die Bau­stel­len­schuhe den Rest der Zeit wohnen. Das Glei­che gilt für die Mas­ken. 

Für die Roma­nis­tin, die ich bin, ist der Einkauf bei ei­ner Fir­ma na­mens "Kokott" üb­ri­gens lus­tig, vor al­lem in Zusam­men­hang mit Be­rufs­klei­dung. Da denken wir näm­lich an ganz an­dere "Be­rufs­klei­dung", an Schüh­chen, Kleid­chen, Hüt­chen, Täsch­chen, an Feder­boas, Wim­pern­tu­sche und Fächer. La co­cotte ist der ver­al­te­te Be­griff für Prosti­tu­ier­te. Zweit­be­deu­tung: der Bräter. Auch fast in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten ist la co­cotte mi­nute, der Schnell­koch­topf, dem ich in der Energie­kri­se ein Revival vor­her­sage! Und ja, bei Ko­kott gibt es mehr als Koch­mützen! Aber eher Klo­bi­ges als hohe Ab­sätze. (A pro­pos ho­her Ab­satz, hier geht es zu ei­nem al­ten Text von mir: "Ich ste­he berg­ab", leider in­zwi­schen hin­ter einer Be­zahl­schran­ke ver­schwun­den. Ich könn­te Ih­nen bei In­ter­es­se ger­ne in meine Text­fas­sung Ein­blick ge­ben.)

Nach einem verlän­ger­ten Wo­chen­en­de er­wache ich lang­sam aus dem Über­mü­dungs­­schlaf und dem brain fog in wachem Zu­stand, dem Hirn­ne­bel, in den ich nach der letz­ten Arbeits­woche ge­ra­ten war.

Was steht im Büro an? Be­le­ge sor­tie­ren, Zah­lungs­ein­gänge prü­fen, Über­set­zungen kor­rek­tur­lesen, die ersten Erd­bee­ren des Jahres pro­bie­ren, die nächsten Wochen planen, den Bal­kon weiter her­rich­ten, die Vokabel­lis­ten der letz­ten Zeit ver­voll­stän­di­gen. Denn nach dem Ein­satz ist im­mer vor dem Ein­satz.

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Foto:
C.E.

Montag, 9. Mai 2022

Montagsstoßseufzer

Was und wie Über­setzer und Dol­met­scher arbeiten, können Sie hier mitlesen. Die meis­ten von uns sind selb­stän­dig. Co­ro­na stellt noch immer viele un­serer Exis­tenzen auf tö­ner­ne Füße. Heu­te, nach dem grü­nen Dau­men, folgt ein grü­nes Ge­tränk.

Die Phase, die wir gerade erleben, ist die des "Inter­mediate post corona", ein "vor­läu­fi­ges Nach-Corona", wie ich es letzte Wo­che ge­lernt habe. Ich schaue zu­rück auf vier vol­le Wo­chen mit Bu­chungen als Über­setzerin und Dolmet­scherin — und blicke er­neut in ein Loch. Ja, es gibt da einige An­fra­gen für die nächs­te Zeit, aber es ist schlag­ar­tig deut­lich ru­hi­ger ge­wor­den. 

Vor der Pan­de­mie und vor dem Krieg wuss­ten wir im­mer drei bis acht Mo­na­te im Vor­aus, was uns er­war­tet. Die späteste An­fra­ge, die ich dieses Jahr habe, geht bis zum Frei­tag, dem 30. Sep­tem­ber (und ist noch nicht be­stä­tigt).

Gesehen in Kreuzberg
Gut, dann wen­de ich mich dem Bal­kon zu, sor­tiere auch wei­ter am Schreib­tisch Fach­be­grif­fe, schrei­be Rech­nun­gen, plane den nächs­ten Ein­satz. Arbeit zu ha­ben empfinde ich nach den ar­beits­ar­men Co­ro­na­jah­ren als Gnade, und in Zei­ten die­ses ver­rückten Krie­ges erst recht. Die Ar­beit hilft zu ver­ges­sen, was für gräss­li­che Din­ge drau­ßen pas­sie­ren.

EDIT: Heu­te sind, mit 12 Ta­gen Ver­spätung, in Berlin die Mauer­seg­ler (Apus apus) an­ge­kom­men. Sie blei­ben bis zum Hi­ro­shi­ma­tag in der deut­schen Haupt­stadt. Auch Ihre Ru­fe trös­ten.

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Foto:
C.E. (nicht mein Bal­kon)

Sonntag, 8. Mai 2022

Schichtenweise Alex am 8. Mai

Will­kom­men auf den Seiten des digi­talen Arbeits­ta­ge­buchs aus der Welt einer Dol­met­scherin und Über­setzerin. Was ich im Be­ruf so erfahre und wie mein Le­ben auch meine Sicht­wei­se ver­än­dert, davon berichte ich hier. Sonn­tags­bild!

Wir sind im Herzen der Stadt, am "Alex": Auf der rechten Seite außerhalb des Aussschnitts (hier ein Link, dann su­chen nach Jung'sche Apo­the­ke) stand bis in die Mit­te der 1920-er Jah­re die Apo­the­ke "Zum schwar­zen Adler", in der ab Herbst 1847 Theo­dor Fon­tane für ar­me Ar­bei­ter­kinder Große Mengen Leber­trans in Fla­schen ge­füllt hat, von dem sehr viel in Tran­fun­zeln ge­lan­det sein muss. Frühe Ener­gie­pro­ble­me! 1848 hat Fontane hier den März­auf­stand mit­er­lebt und wie aus dem Fun­dus des be­nach­bar­ten König­städti­schen The­aters die Re­qui­si­ten­säbel und an­dere Theater­de­ko für den Auf­stand ge­maust wor­den sind. Das Thea­ter wur­de dann in der 2. Hälfte der 1920er ab­ge­ris­sen, ein früher Tribut an den ent­ste­hen­den Mas­sen­ver­kehr, genauer: den U-Bahn-Bau.

Auch die Apo­the­ke ver­schwand im Rah­men dieser Platz­neu­ge­stal­tung. Das moder­ne Ge­bäude rechts vom an­ge­schnit­te­nen Erd­ge­schoss ist das Bero­lina­haus des Ar­chi­tek­ten Pe­ter Beh­rens, eines der Zwil­lings­häu­ser im Stil der Neuen Sach­lich­keit aus die­ser Zeit, die zum Glück in der DDR wie­der­auf­ge­baut worden sind. Das zwei­te, das win­kel­för­mige Ale­xan­der­haus, liegt im blinden Fleck hin­ter der Haus ganz links.

Die Seit­en­be­bau­ung links hat eben­so­wenig den Krieg über­dau­ert wie das Kaufhaus Tietz in der Bild­mit­te, das die Nazis zu "Hertie" ge­macht haben, 1933, in der so­ge­nann­ten "Ari­sie­rung". Ich erin­ne­re mich mit Grau­sen daran, wie mit extrem wenig Fin­ger­spit­zen­ge­fühl die Hertie­ket­te (sowie an­de­re frü­her jüdische Kauf­häu­ser) in der West­re­publik mit vi­su­el­lem Ge­tö­se das 55. Fir­men­ju­bi­läum gefei­ert hat — bei kom­plet­ter Aus­blen­dung der Grün­dungs­ge­schichte. Ich weiß nicht, ob die Kauf­häu­ser das da­mals durch­ge­zo­gen oder ab­ge­bro­chen haben. Ich habe 1988 in Paris stu­diert, die Anfän­ge des Jubi­läums­jahrs nur in Form ei­ner Plas­tik­­tü­­te aus Deutsch­land ge­se­­hen. 

Heu­te ge­denke ich des Frie­dens. Heute vor 77 Jah­ren wur­de Nazi­deutsch­land be­freit, auch ge­mein­sam von rus­si­schen und ukrai­ni­schen Sol­daten. Und ich schrei­be über Bau­ge­schich­te, weil mir zu aktu­ellen Kriegs­themen die Stimme ver­sagt.

Ruinen und Schutt
Der Berliner Alexanderplatz im Mai 1945

Zu DDR-Zeiten stand hier wieder ein Kaufhaus, das "Centrum Warenhaus" mit einer Waben­fas­sade, die den west­deut­schen Nach­kriegs-Wa­ben­fas­sa­den der Nieder­las­sun­gen einer ge­wis­sen "Hor­ten AG", "gegrün­det" 1936, in Nichts nach­stand; heute ist dort eine Filiale der Galeria Kaufhof.

Sehr weit links vom Foto, außer­halb des Frames, lag das Polizeipräsidium, in das ich im Geis­te in den letzten drei Mo­na­te ein- und aus­ge­gangen bin, als ich nämlich endlich die Kri­mi­nal­ro­mane um Volker Kut­schers Er­mitt­ler Gere­on Rath (*) gele­sen habe, eine "Zwing­burg" aus roten Ziegel­stei­nen. Rot ist auch das Ge­stein, aus dem das der An­zahl der Läden zu­fol­ge größ­te Ein­kaufs­zen­trum Berlins ge­baut worden ist, das an die­ser Stelle seit 2007 die Kunden erfreut. (Men­schen, die eher vi­su­ell un­ter­wegs sind und die noch dazu die Ge­schich­te des Ortes im Hin­ter­kopf haben, er­freut so ein Trumm, das zudem die ewig­glei­chen Ket­ten be­her­bergt, indes gar nicht.) Und in der Nähe der eins­ti­gen Apo­the­ke hat 2009 ein Me­dien- und Elek­tro­nik­kauf­haus auf­ge­macht.

Sehr le­ben­dig ist der einst quirligste Platz der Stadt heute nicht mehr, eher eine tote Einkaufsmeile, kul­tur­voll auch nicht. Wo­bei: Ein Hort der Kul­tur war der Alex ab den spä­ten 1920-er Jah­ren ver­mut­lich nicht mehr, aber er hatte eine andere Aura und hat nicht zufäl­lig dem Roman "Berlin Alexan­der­platz" von Alfred Döblin seinen Na­men gegeben.

Sehr viel früher war der Alexan­der­platz der zen­tra­le Viehmarkt vor den Toren der Stadt gewesen. Viele weitere Bilder und Episoden zum Ort finden sich bei Jo­han­nes und Alex­an­der Glint­schert bzw. "An­de­res.Ber­lin", einer ech­ten Fund­grube. Das Foto der Zer­stö­rung da oben aus einem rus­si­schen Pres­se­ar­chiv sieht ir­ri­tie­rend aktu­ell aus, wenn ich es mit den Bil­dern ver­glei­che, die wir der­zeit aus der Ukra­ine er­hal­ten.

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Foto:
ITAR-TASS (koloriert)
(*) die Romanvorlage zu "Babylon Berlin"

Samstag, 7. Mai 2022

Intensität (6)

Herz­lich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir ar­beiten, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Der große Ein­bruch kam März '20. Heute ein CO­VIDiary-Nach­trag, denn lang­sam nor­ma­li­siert es sich und ist al­les an­deres als nor­mal. Die sams­täg­li­chen Lieb-Links der Wo­che fol­gen mor­gen.

Die Woche war wie er­war­tet be­son­ders: Es war die vier­te vol­le Ar­beits­wo­che seit Be­ginn der Pan­de­mie.

Wir können immer nur eine Seite nutzen

Als wir ab März 2020 Um­satz­ein­brüche um phasenweise 90, 100 Prozent zu verzeich­nen hat­ten, wussten ganz be­son­ders schlaue Menschen in alt­vä­ter­li­cher oder altmüt­ter­li­cher Manier längst be­scheid: "Ach, da wird es nach Co­ro­na doch Nach­hol­ef­fekte geben!"

(Und dann hieß es weiter: "Nein, Ihr braucht keine wirk­lich sub­stan­ziel­len Corona-Wirt­schafts­hil­fen!")

Die Zeit "nach Co­ro­na" lässt weiter auf sich warten, aber trot­zdem kann ich eine viel­leicht auch etwas späte Ant­wort geben: Nein, das Ar­gu­ment mit dem Auf­holen stimmt nicht.

Ende April 2022 geht nach 26 Monaten na­he­zu ohne echte Kon­fe­ren­zen, Stu­dien- und De­lega­tions­rei­sen das wirk­liche Berufs­leben der Kon­ferenz­dol­met­scher:innen (vor­läu­fig) wei­ter. Nor­ma­ler­weise arbeiten wir ma­xi­mal zwei oder drei Ta­ge die Woche direkt bei den Kun­den, der Rest der Woche ist für die Vor­be­rei­tung re­ser­viert und, nicht ganz unwichtig, für die Er­ho­lung.

POV der berichtenden Dolmetscherin kurz vor der Übergabe
Dieser Tage bekommen wir An­fragen für zehn Tage die Woche rein. DAS sieht nach Nach­hol­ef­fekt aus und ist nur bedingt einer, denn wir müssen wei­ter­ge­ben oder ab­sa­gen. Im End­ef­fekt sagen die meisten von uns an vier Tagen der Woche zu. Man­che Kund:in­nen ver­ta­gen sich auf den Sep­tem­ber. Ab Oktober gähnt üb­ri­gens wieder Leere im Kalender.

Bei den Zusagen bremsen wir uns selbst, denn Mutter Natur hat uns Grenzen auf­er­legt, an die wir lange nicht mehr den­ken mussten.

Indes, die Ver­an­stal­ter:innen kennen einen Trick: Um mög­lichst viele zu­frie­den­zu­stellen, haben sie die Pro­gramme verdichtet. Früher ging die Sache so: Stu­dien­rei­se nach Berlin, drei Tage im Kon­fe­renz­­raum oder bei Firmen, For­schungs­zen­tren etc. als Teil des Be­suchs­pro­gramms sowie ein Tag Au­ßen­ak­ti­vi­täten, Stadt­füh­rung, Team building und in Eigenregie. Jetzt lautet die For­mel der Studienreise nach Berlin eher so: zwei Tage im Kon­fe­renz­raum, zwei Tage Au­ßen­ak­ti­vi­täten.

Ich kürze ab und nenne als Bei­spiel das Pro­gramm von Dienstag: Zwei Kol­le­ginnen dol­metschen von 8.00 Uhr im hoteleigenen Kon­fe­renenz­raum, ein weiteres Zwei­er­team übernimmt den Nach­mit­tag, der bis in den Abend reicht. Einmal ging diese Woche der letzte Termin um 19.00 Uhr los. Das war am zweiten Stu­dien­rei­se­tag einer Gruppe. Am Vortag waren die Herr­schaf­ten in Paris um fünf Uhr auf­ge­stan­den, um recht­zeitig zum Flieger zu kommen, und hat­ten dann am Abend eine der Berliner rus­ti­ka­len Schank­wirt­schaf­ten auf­ge­sucht. Keine Über­raschung: Es gab nach diesem Vortrag nur eine ein­zige Fra­ge aus dem Publikum.

Und un­ser­eine(r) er­kennt sich selbst nicht mehr. Wegen der langen Tage (und des hohen Adre­na­lin­pe­gels) fällt abends das Ein­schla­fen schwer. Morg­ens wachen wir schwer und spät auf (wegen des späten Ein­schla­fens). Seit vielen, vielen Jah­ren habe ich an einem Sams­tag in gesun­dem Zustand nicht mehr bis nach 12.00 Uhr geschlafen! Und dann aus­ge­rech­net heu­te, wo ich um 10.00 Uhr ei­nen Buch­ab­hol­termin gehabt hätte. (Ich über­neh­me einiges Second hand, seit ich nicht mehr in Frankreich lebe.) Statt Freu­de über die er­folg­reich ge­meis­ter­te Woche also mit­täg­li­che Zer­knir­schung.

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Foto:
C.E.

Freitag, 6. Mai 2022

Intensität (5)

Hal­lo, gu­ten Mor­gen und einen schö­nen Tag! Sie le­sen gerade im Blog einer Kon­fe­renz­dolmet­sche­rin. Ich ar­beite seit der zwei­ten Hälf­te der Nul­ler Jah­re als Dol­met­scherin in Ber­lin. Unser Be­ruf ist oft sehr in­ten­siv. Und er spricht alle Sinne an. Hier veröf­fent­liche ich kleine No­ti­zen über Dinge, die wir wäh­rend un­serer Arbeit am We­ges­rand ge­funden haben.

Blick ins Rohr
Was ich vom heu­tigen Ein­satz sicher nie ver­ges­sen werde: Den gro­ßen Pla­nungs­feh­ler der Klima- und Lüf­tungs­an­la­gen­in­dus­trie. Die hatte nämlich nie im Le­ben damit ge­rech­net, dass ihre Rohre irgend­wann auch mal ge­rei­nigt werden müss­ten. Die Raum­pfle­ger:innen haben im­mer nur brav Staub von den Lüf­tungs­git­tern gewischt, bis schließ­lich einer von ihnen mal dahin­ter geschaut hat.

Inz­wischen gibt es Fir­men, die auf diese Rei­ni­gung spe­zia­li­siert sind. Sie kom­men mit Diamant­frä­sen und schnei­den ers­tmal ein Loch für die Re­vi­sions­klap­pe in die Schäch­te.

Der Rohr­staub­sauger

Nein, ich wer­de Ih­nen nicht er­zäh­len, was sie hinter den Ein­lass­git­tern ge­fun­den haben! Das will wirk­lich nie­mand wissen!  

Hin­weis für zarte Ge­müt­er: Es war un­ap­pe­tit­lich.

Hier geht's zur fran­zö­si­schen Ver­sion, la VF du pré­sent texte, la voilà !

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Fotos: C.E. (Danke an die Firma Niederberger)

Donnerstag, 5. Mai 2022

Intensität (4)

Herz­lich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin. Zwischen März 2020 und ir­gend­wann im April 2022 hatten die meisten Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin­nen sehr we­nig Arbeit. Ei­gent­lich sogar schon ab Mit­te De­zem­ber des Vor­jah­res, denn dann setzt im­mer die Win­ter­pause ein. Nun ist end­lich wie­der mehr los.

De­le­ga­tions­rei­sen mit End­kund:innen zu ver­schie­de­nen Orten, das gehört zu un­se­rer Arbeit dazu. Also: Inter­preter out of the box, nicht in der Ka­bi­ne, dieses Mal wie­der im So­lo-Einsatz. Wir fahren zu Unter­nehmen, Arbeits­kol­legen aus ei­nem an­deren Land, für die jeweilige Bran­che wich­tigen Orten. Dabei ver­wen­den wir Dol­met­scher:in­nen eine so­ge­nann­te Per­so­nen­füh­rungs­an­lage, PFA, mit einem Mikro­fon und Head­sets, um den Gäs­ten aus Frank­reich alles in ihrer Spra­che zuzuflüstern.
Dolmetschtechnik in der gerade noch tragbaren Transportkiste


Diese Kis­ten sind seit Jahren ein Prob­lem. Einst­mals in Form eines Akten­kof­fers ge­lie­fert, nimmt das Ge­häu­se seit eini­ger Zeit im­mer un­hand­li­chere Formen an. OK, ich gebe zu, ich vergleiche hier gera­de Äpfel mit Birnen. Ins attaché-case, wie der Ak­ten­koffer, der auf Franzö­sisch nach Ober­schule und ir­gend­wel­chen männ­lichen Mode­hei­nis klingt, die schon mit 17 in eine liberale Partei einge­tre­ten sind, pass­ten da­mals nur 20 Köpf­hö­rer. 

Lieber trage ich zwei Köf­fer­chen, links einen, rechts einen, als dass ich mir ständig so eine höl­lisch schwe­re Box vor den Unter­schen­kel knalle, da der Mas­se­mit­tel­punkt der Kis­te nicht zur Län­ge und zur Form meiner Beine passt, eigentlich zu nie­­man­­des Bei­ne, wes­halb mir ständig Materie im Weg ist. Harte Materie.

Historischer Rückblick: Vom "Aktenkoffer" zu "Babysarg"



Zwi­schen­durch ging die Dol­metsch­kis­ten­evo­lu­tion sogar in Rich­tung "Baby­sarg", wie die Tei­le bei uns hie­ßen. Warum müs­sen die Kopf­hö­rer auch un­bedingt auf­recht ste­hen? So ge­se­hen ist das Trumm da oben auf den geo­met­ri­schen Stein­bö­den eine Ent­wick­lung (zu­rück) in die rich­ti­ge Rich­tung.

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Fotos aus zwei Jahrzehnten:
C.E.


Mittwoch, 4. Mai 2022

Intensität (3)

Was und wie Über­setzer und Dol­met­scher arbeiten, können Sie hier mitlesen. Die meis­ten von uns sind selb­stän­dig. Die Co­ro­napandemie hat die wirt­schaft­li­chen Grundlagen der meis­ten von uns durch­ein­an­der­ge­bracht und die Mühsal der Arbeit erhöht.

Mit der Zeit haben wir uns ein­ge­rich­tet mit der Arbeit per Videokonferenz aus dem haus­ei­genen Arbeits­zim­mer oder dem externen Dol­metsch-Hub. Aus der Fer­ne zu ar­beiten ist fast schon Routine ge­wor­den.

Noch vor Jah­ren ha­ben wir die ersten Ent­wick­lungen von RSI (Re­mote Simul­taneous In­ter­pre­ting) be­lächelt, manche Firma hat­te damit schon lange vor der Pan­demie be­gon­nen. Aus der Ferne dol­metschen, wie soll das ge­hen ohne Kun­den­kontakt, ohne Nach­fra­ge­mög­lich­keit, ohne die Nähe zur Kol­le­gin oder zum Kol­le­gen? Unser Be­ruf ist schon intensiv genug, wir brau­chen da keine weitere Erschwernis!
Tür zum Kon­fe­renz­raum

Inzwi­schen ist das Alltag und sogar dann Be­rei­che­rung, wenn hy­bri­de Veranstal­tungen den Kreis der Teil­neh­men­den er­wei­tern. Oft arbeiten wir aus ei­nem soge­nann­ten Dol­metsch-Hub heraus, sitzen da in Ka­bi­nen, die bei den Dienst­leis­ter:innen stehen, die Teil­neh­menden und wir sind über spe­zia­li­sierte Platt­formen ver­linkt, über ge­trennte Ton­ka­nä­le sind Original- und Dol­metsch­sound zu em­pfan­gen.

Manche Ein­sätze biete ich auch vom ei­genen Dolmetsch­studio aus an, zu dem das eigene Ar­beits­zimmer geworden ist. Und natürlich gibt es wei­ter­hin Termine vor Ort, in echten Kon­fe­renz­räumen, mit echten Men­schen und hinter verschlossenen Türen. Und wie er­hol­sam ist es, wenn ich mich als Dol­met­scherin nur auf die Sprache kon­zen­trieren muss! Und wie einfach das Dol­met­schen an sich! (Das ich einen der­ar­tigen Satz ein­mal wür­de schrei­ben müssen ...!)

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Foto:
C.E.

Dienstag, 3. Mai 2022

Intensität (2)

Bonjour und guten Tag! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, na­tür­lich auch die ":innen" im Be­ruf, also wie wir ar­beiten, ist hier, in mei­nem di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buch, seit 2007 Gegen­stand in Form kur­zer Epi­soden.

Nur wenig Tageslicht

Die Woche droht besonders zu werden. Es ist die vierte volle Arbeits­woche seit Beginn der Pandemie. An vier Tagen bin ich bei Kund:innen. Manche De­le­ga­tions­rei­se­gruppe betreuen wir jetzt nicht mehr im Dol­met­scher:in­nen­duo, son­dern allein, weil es nicht aus­rei­chen Fach­kräf­te gibt. 

Dabei dol­met­­schen wir immer 30, 40 Mi­nuten solo, dann folgt eine Viertel­stunde Pause.

Die Pause nutzen die Gäste zum Gespräch unter sich und fin­den neue Fragen. An­schlie­ßend folgen nochmal 30 Mi­nuten Dol­met­schen z.B. bei einer Werks­führung, bei Hinter­grund­gespräch oder Schu­lung als Simultan­ein­satz mit Flüs­ter­an­lage. Am Tag gibt es zwei bis vier Be­su­che bei Firmen, Fabri­ken oder For­schungs­zen­tren, die Fahrt­zeiten die­nen meiner Er­holung. (Fin­den mehr Mee­tings statt, sind die Termine je­weils kür­zer.)

Die berichtende Dolmetscherin im Einsatz

Wir fahren durch Berlin, ich er­klä­re im Vorbei­fahren ein wenig die Stadt. Das mache ich gerne. Ich stamme aus einem His­to­ri­ker­haus­halt, habe auch selbst phi­­lo­­lo­gi­sche Fächer studiert, viel für Stadt­so­zio­lo­gen, Urba­nisten und Archi­tekten ge­ar­bei­tet und viel da­bei ge­lernt. 

Auf diese Art und Weise kann ich die Stadt anders er­kenn­bar wer­den las­sen, als es Stadt­füh­rer:innen übli­cher­­weise ma­chen. 

Ich bin dabei keine Zahlen-Daten-Fakten­schleuder und kenne auch die üblichen Witz­chen der Reise­leiter:innen nicht, sondern bringe mein Wis­sen in den Berei­chen Ge­schichte, Stadtgeschichte Berlins, ihrer Gebäude und Einwohner, zu Archi­tektur, Literatur, Film usw. mit­ein­ander in Verbindung.

Corona-Abstand

Da ich lange in Paris gelebt habe und erst dann  Berlin gut kennen­lernen durfte, kann ich von einem franzö­sischen Blick auf die deutsche Haupt­stadt ausgehen. Ich weiß, wie Zeit­ge­nossen, die die französische Capitale kennen, Berlin wahr­neh­men. Und ich setze genau dort an. Bei den Fahr­ten bin ich vor allem in der Pause. Wir sind oft 40 bis 60 Minuten lang un­ter­wegs. Zwischen­durch zei­ge und er­klä­re ich ein wenig.

Wenn es durch die Stadtmitte geht, spre­che ich etwas mehr, auf einer an­de­ren Tour etwas weniger und be­ant­wor­te Fragen.

Durchatmen nach getaner Arbeit
Hier, was franzö­sische Gäste wis­sen möch­ten: "Wa­rum wurde die Mau­er gebaut?" "Wie wurde die Mau­er gebaut?" "Konn­ten die Men­schen aus dem Osten die Men­schen im Westen be­su­chen?"

Ich an­tworte erst mit Fach­wis­sen, dann als Zeitzeugin, auf Fran­zö­sisch témoin historique

Der letzte Begriff macht mich nicht wirklich jün­ger.

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Fotos:
C.E.

Montag, 2. Mai 2022

Intensität

Will­kom­men auf den Seiten meines digi­talen Arbeits­ta­ge­buchs aus der Welt der Über­setzer und Dol­met­scher (und der Über­set­ze­rin­nen und Dol­met­sche­rin­nen). Täg­lich ar­beite ich mit meinen Spra­chen, lese, schrei­be, hö­re, denke auf Deutsch, Fran­zö­sisch und Eng­lisch — und be­ob­achte da­bei, was das mit mei­nem Kopf macht.

Begriffe aus der psychosozialen Versorgung alter und behinderter Menschen
Der Trick beim Lernen: Wiederholung!
Probleme einer le­se­nden Dol­met­scherin: Der Tag, an dem du eine leich­te De­pres­sion in dir be­merkst, weil 'ges­tern' der Held der Ro­man­se­rie, die du ge­ra­de liest, ge­stor­ben ist, d.h. in der 'Buch­hand­lung' 1937, und dann auch noch (streng ge­nom­men) beim Ehe­bruch.

(Er­höh­te Intro­spek­tion nach dem Dol­met­schen für Psy­cho­lo­gen. Und jetzt mag ich nichts mehr ergänzen.)






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Foto:
C.E.

Sonntag, 1. Mai 2022

Arbeitsplätze

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­terin können Sie hier ­ erhalten. Ich bin Dol­met­scherin für die fran­zö­sische Sprache, und ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen. Am Sonntag heißt es: Sonntagsbilder!

Der einen Frei­zeit ist der an­de­ren Ar­beit: Mein erstes Bild zum Tag der Ar­beit zeigt beides, da ich selbst oft an der Gren­ze von Ar­beit zu frei­erer Zeit tätig bin. (Aus meiner Pers­pek­tive ist For­tbil­dung ein großer An­lass zur Freude und liegt daher im Grenz­be­reich.)

Und Team­buil­ding liegt auch irgend­wie zwischen Arbeit und Frei­zeit. Unser Wohn­viertel in Berlin ist recht bunt, und der Wasserweg vor der Haus­tür wird vielfältig genutzt. So kann ich schon mal eine Arbeits­pause in hei­mi­schen Gefil­den ein­legen, weil eine Sport­trai­nerin übernimmt. 

Unterschiedliche Arbeitsplätze



Das nächs­te Bild vom Tag der Ar­beit zeigt einen Foto­grafen und einen Ma­ler im Ar­beits­um­feld so­wie einen Hand­werker. Das sind, da ich als Dol­met­scherin im Ein­satz die Auf­nah­men ge­macht habe, alles die Ar­beits­plätze von meh­re­ren Men­schen zu­gleich.

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Fotos:
C.E.