Samstag, 30. April 2011

Mein Lieblingslink

Jetzt hätte ich den Eintrag fast mit "Mein Lieblink" überschrieben ;-)

Also, nach so vielen Wochen "Link der Woche" muss ich Ihnen meinen Lieb-Link verraten:

Expressio.fr ... Wer Französisch kann, versteht gleich, was ich meine. Für die anderen hab' ich heute leider nichts, außer: Schönes Wochenende allerseits!

Freitag, 29. April 2011

35

Manchmal nervt's echt, in Berlin zu arbeiten. Hier scheinen sehr viele Dolmetscher zu leben, sonst gäbe es keine Gespräche wie das Folgende.

Für eine politische Einrichtung soll ich den Außenminister eines nordafrikanischen Staates dolmetschen, der zu Hintergrundgesprächen in Berlin sein wird. Es handele sich um zwei Einsätze, heißt es: eine halbe Stunde Vorgespräch, eine Stunde mit aktiven Politikern mit Pause dazwischen. Ich gebe vorsichtig zu bedenken, dass wir Dolmetscher immer nur zwanzig, dreißig Minuten am Stück dolmetschen und dann der/die Kollege/Kollegin weitermacht, weil es ein Beruf ist, der stets an der Grenze zur geistigen Überbeanspruchg angesiedelt ist.

Doch bevor wir dieses Thema weiter vertiefen, fragt meine Anruferin: "Könnten wir 350 Euro sagen? Sie arbeiten ja nur eine Stunde!"

Das wären also 350 Euro für ca. zehn Stunden Aufwand: 3 x 2 Stunden Vorbereitung, eine Stunde für die Hinfahrt, eine halbe Stunde Vorgespräch, eine Dreiviertelstunde Pause, und die übliche halbe Stunde früher vor Ort sein — plus die 10. angefangene Stunde für die Rückfahrt ...

35 Euro die Stunde ... Ich schaue mich im Netz um.

Für die gleiche Summe wird eine Redakteurin bei einfachen Texten aktiv, um "Informationen verständlich auf(zu)bereiten". (Ist das Material komplizierter, kann der Preis bis auf 70 Euro pro Stunde hochgehen.)

Meine kleine Firma könnte ich mir coachen lassen, ein online entdeckter Unternehmenscoach wird ab 35 Euro in der Stunde tätig, aber nur in der Gruppe und je Teilnehmer, nach Entrichtung eines Grundhonorars von 200 Euro.

Für 35 Euro kann ich mir von einer Firma im Staatsarchiv Hamburg meine Vorfahren unter Millionen von Auswanderern finden lassen. Dort werden Details aus Passagierlisten des Auswanderungshafen aus der Zeit zwischen 1850 und 1934 herausgesucht und kopiert (Kopien kosten extra).

Oder nicht doch lieber Ernährungsberatung? Geht bei einem im Internet gesehen Diätcoach mit eben jenen 35 Euro die Stunde los, aber nur bei Onlineberatung. Die Live-Performance ist 59 Euro in der Stunde wert.

Mit etwas Geschick kann ich sogar meine Kriminalfälle von einem Detektiv für 35 Euro/Stunde lösen lassen, das war in dem gefundenen Beispiel sogar schon die Höchstsumme (ab 20 Euro).

Und wie komme ich da jetzt am Telefon am besten raus? Als Dolmetscherin interessiert mich das Thema sehr, bei normaler Honorierung würde ich das schon gern machen. Ich aber rechne die Sache mit den 35 Euro und dem langen Studium gegen und sage ebenso freundlich wie bestimmt ab.

Denn meine Erfahrung und das Sprichwort sagen mir: Man trifft sich immer zweimal. Schon so mancher rief mich nach einiger Zeit wieder an, und dann durfte ich mein Honorar nennen ...

Donnerstag, 28. April 2011

Äpfel und ... vergleichen

Äpfel und Birnen miteinander vergleichen, das gibt's in verschiedenen Kulturen, nur heißt es nicht überall gleich.

Auf Französisch wird Kohl mit Möhren verglichen (comparer des choux et des carottes), auf Englisch Äpfel und Orangen.

Auf Französisch gibt's umgangssprachlich aber auch ne pas mélanger les torchons et les serviettes - Putzlappen und Servietten nicht durcheinanderbringen (wobei auf Französisch la serviette auch "Handtuch" bedeuten kann).

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Foto: C. Elias

Mittwoch, 27. April 2011

Stimmungen

Gerade kämpfe ich mich etwas mühevoll durch ein längeres Drehbuchlektorat hindurch. Zwischendurch stelle an ich mir eine hundsmiserable Laune fest. Dann wieder bin ich fröhlich und heiter. Am Ende genieße ich meine friedliche, optimistische Stimmung.

Erst beim Kochen merke ich, woher diese Schwankungen der Stimmungslage kommen. Ich gehe mit meinen Figuren mit, leide, lache, liebe mit ihnen. Das Drehbuch funktioniert in seiner suggestiven Wirkung bei mir schon lange vor seiner Filmwerdung.

Gut zu wissen, wenn ich beim nächsten Buch zwischendurch mal wieder unversehens Hoffnungslosigkeit verspüre oder Trauer, oder Ärger: Es liegt nicht an meiner Arbeitssituation oder einer schwer ergründbaren Ursache, sondern vermutlich am Film, dessen erste Zuschauerin ich bin.

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Foto: C. E. (Archiv)

Witz

An Englishman, a Frenchman, a Spaniard and a German are all standing watching a street performer do some excellent juggling. The juggler notices that the four gentlemen have a very poor view, so he stands up on a large wooden box and calls out, "Can you all see me now?"
"Yes."
"Oui."
"Sí."
"Ja."

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Danke, Elvira!

Dienstag, 26. April 2011

Uni-/Bilaterales Dolmetschen

Heute zitiere ich "Interpreting for Europe", die vorhin im Web 2.0 schrieben:
Am Anfang dieses wunderschönen Morgens möchten wir einige Gerüchte zerschlagen! Manche Leute sagen: "Jeder kann als Dolmetscher arbeiten, man braucht nur einige Sprachkenntnisse!"
Natürlich müssen Sie sich für Sprachen interessieren, ja sogar begeistern, aber es wird oft übersehen, dass der wichtigste Punkt eigentlich die Muttersprache ist. Sie müssen Ihre Muttersprache besonders gut beherrschen und dazu in der Lage sein, sich beim Dolmetschen klar und eloquent zu äußern. Sie müssen in der Tat andere Sprachen besonders gut kennen, aber Sie müssen nicht zwingend zweisprachig sein oder diese Sprachen fließend sprechen. Gute kommunikative Fähigkeiten und eine profunde Allgemeinbildung sind ebenfalls unabdingbare Voraussetzungen. Schließlich ist es wichtig hervorzuheben, dass Dolmetschen eine berufliche Tätigkeit mit speziellen Arbeitstechniken ist, die gelernt werden müssen und nicht improvisiert werden können.
Dazu schrieb ein Kollege: "Man muss aber 'fließend' in den Kulturen der Sprachen sein, aus denen man übersetzt, gewissermaßen bikulturell sein."

Ich stimme dem Zitat von "Interpreting for Europe" fast gänzlich zu; der ausgewählte Kommentar weist aber auch schon in eine andere Richtung.

Denn "Interpreting for Europe" beschreibt die Lebenswirklichkeit einer besonderen Gruppe von Dolmetschern, den Sprachmittlern großer Institutionen, die jeweils aus verschiedenen Sprachen in ihre Muttersprache dolmetschen, was auch "unilaterales  Dolmetschen" genannt wird. So arbeiten in der Tat die Kolleginnen und Kollegen der Europäischen Institutionen, zum Beispiel in Brüssel oder Straßburg.

Anders arbeiten Kolleginnen und Kollegen, die in zwei oder mehr Richtungen dolmetschen, sich auf "bilaterales/multilaterales Dolmetschen" spezialisiert haben. Diese Art von Sprachübertragung ist häufig auf unteren Arbeitsebenen anzutreffen, also in kleinen Kreisen, in der Wirtschaft, der Bildungs- und Kulturarbeit, kurz: in Städten wie Berlin und verstärkt wohl auch unter Freiberuflern ...

Bei den meisten von uns freiberuflich tätigen Dolmetschern kristallisiert sich übrigens mit der Zeit (neben der Muttersprache) eine Hauptarbeitssprache heraus. Bei mir ist es Französisch.

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Foto (Europäisches Parlament, Straßburg, mit
Aprilhimmel und quietschgrüner Wiese): C. Elias

Montag, 25. April 2011

selbständig

In der Küche habe ich nicht unbedingt das Gefühl zu arbeiten
Böser Spruch, der da ... "Frage: Was bedeutet es, selbständig zu sein? Antwort: Wir arbeiten selbst und ständig."

Selbst bedeutet, ich suche mir meine Arbeit selbst und erledige sie auch selbst. Ich kann also nicht (wie in vielen Branchen üblich) den großen Mehrwert durch Weitervergabe meiner Aufträge realisieren. In unserer Branche gibt es derlei übrigens auch: Agenturen, die Jobs an Land ziehen und dann andere schicken, von deren Honorar sie sich einen erklecklichen Teil abschneiden. Wenn das (wie bei manchen Agenturen üblich) bis zu 50 % ausmacht, tut das jenen, die den Job letztendlich machen, weh. Daher gehen Vollprofis mit Berufserfahrung nur selten auf solche Angebote ein.

Meine Kollegen und ich arbeiten im Netzwerk, d.h. wir sind bei größeren Projekten in der Regel mit von der Partie - und ziehen im Wechsel Aufträge für Kolleginnen und Kollegen mit an Land. Der Teil, der dann für die buchende und beratende Kollegin als Aufwandsentschädigung von den Honoraren der Kabinencrews abgeht, ist mehr von symbolischer Natur und entspricht selten dem wirklichen Aufwand.

Ständig bedeutet, dass wir Eckdaten wie 38,5-Stunden-Woche, 28 Tage Jahresurlaub und 13. Monatsgehalt nicht kennen. Auch Wochenenden sind nicht immer Ruhezeiten. Heute, Ostermontag, sitze ich zum Beispiel am Schreibtisch: Ein Drehbuch will fertig übersetzt werden. Zum Glück kann ich inzwischen recht flott mit der Diktiersoftware arbeiten.

Erst Freitag flatterte mir wieder eine Bewerbung ins Haus, geschrieben von einer jungen Studentin, die zum nächsten Monatsersten als selbständige Fachkraft (oder lieber festangestellt) bei mir mitarbeiten möchte. Ganz offenbar schwächeln noch immer etliche Hochschulen, wenn es um konkrete Informationen zu den möglichen Berufsbildern geht. Noch hab ich mir ein wenig Zeit genommen, um auf die Anfrage zu antworten. Eigentlich dürfte ich das nicht, denn es geht von der knapp bemessenen Arbeitszeit ab ... Eine Kollegin macht sich's da einfacher, sie hat folgende Antwort "im Stehsatz": "Sehr geehrte Frau X, gern gebe ich Ihnen einen Tipp: Die wichtigste Eigenschaft, die eine selbständige Arbeit erfordert, ist das selbständige Arbeiten. Arbeiten Sie daran!" 


P.S.: Seit der Rechtschreibreform wird "selbständig" mit zweifachem "st" geschrieben; in offiziellen Dokumenten halte ich es auch so. Privat schreibe ich lieber, wie ich spreche, also "selbständig", denn dieses zweite "st" wird ja irgendwie nur angedeutet ...
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Foto: C. Elias (Archivbild der Arbeit an
"Small World")

Ehrgeiz

Viele deutsche Worte sind von schmetterlingshafter Schönheit in ihrer konstruierten Konkretheit. Mein Lieblingsbegriff ist da schon immer der "Augenblick". Nie richtig verstanden habe ich indes "Ehrgeiz". Und offenbar bin ich damit nicht alleine.
Schauspieler Christoph Waltz, vorgestern im Berliner Tagesspiegel: „Ich habe das Wort Ehrgeiz nie begriffen. Mit wessen Ehre geize ich und warum und wo kommt der Geiz her und woher die Ehre. Und wenn ich es als Strebsamkeit verstehe, dann ist strebsam auch negativ besetzt, der Streber ist keine positive Figur. Ich möchte es so formulieren: Ich versuche mit einigem Aufwand Fortschritte zu erzielen.“

Sonntag, 24. April 2011

Orangefarbene Blume, Schlussklappe

Vor zwei Wochen brachte ich hier das Foto einer kleinen Blume, die ich aufgepäppelt hatte. Eigentlich wollte ich sie meinen Logiergästen auf den Wohnzimmertisch stellen, vergaß sie dann aber in meinem Arbeitszimmer auf der Fensterbank. Dann fuhr ich für zehn Tage nach Straßburg. Als ich wiederkam, lebte die Pflanze noch (auch wenn die Blüten schon anfingen, einzutrocknen).
Zwei Tage später war es wirklich vorbei mir ihr.


Mich hat das Blümchen berührt. Ich musste an die Katze Palinka meiner einstigen Nachbarinnen Sabine und Lioba denken, die ich einen langen Sommerurlaub hindurch pflegen durfte, was aber auch mühevoll war; die Katzenoma aß nur noch sehr wenig, spuckte öfter, als es gut sein konnte und hielt durch, bis die beiden Frauchen wieder nach Berlin zurückkamen. Dann genoss sie noch einige Tage lang deren Nähe, machte eines frühen Morgens eine letzte Runde, ging von Mensch zu Mensch, verweilte hier und dort ein bisschen, als wolle sie sich verabschieden, legte sich in die Ecke und schlief für immer ein.

noch ein Bild aus der Serie von vor zwei Wochen
Das Thema "Endlichkeit" passt ganz gut zu Ostern, wie ich finde. Ich wünsche sonnige, geruhsame Tage!


Mit diesem Foto hängen zusammen: Blaue Flaschen im WinterBalkonbild
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Foto: C. Elias

Samstag, 23. April 2011

Operation Bikini

Meine Links der Woche sind ein Hörfunktipp (online) und ein TV-Programmtip zu ein- und demselben Film: Operation Bikini - Schlachtfelder der Schönheit von Birgit Herdlitschke, der morgen Abend auf Arte läuft.

Auch bei der Herstellung dieses Films habe ich als Übersetzerin bzw. Lektorin mitgewirkt. Es kam übersetzter Text rein, den ich mit den gedrehten und fertig geschnittenen Interviews abgleichen durfte. Bevor ich die Auftragszusage hatte, überarbeitete ich zur Probe (für mich) einen Absatz. Das hochgerechnet ergab den Kostenanschlag, keine große Sache auf den ersten Blick ...

Bei der Arbeit kam dann die Ernüchterung. Leider waren vor mir mindestens zwei übersetzende Menschen dran gewesen, und die Qualitätsunterschiede des Gelieferten waren groß. Kurz: Am Ende kostete mich der Auftrag die dreifache Zeit. Aber soit, egal!, kleine, befreundete Produktion, nächstes Mal lese ich noch tiefer rein bei der Kostenvoranschlagerstellung. (Meine Rechnung stellte ich mit KVA-Betrag aus.)

Soviel zum Rahmen. Der Film ist sehr zu empfehlen! Es geht um Körperkult und Schönheitswahn, das Diktat mancher Konzerne — und er plädiert auch in spannenden Interviews für mehr Gelassenheit!

Das alles bestätigt mich sehr. Ich habe beim letzten Umzug die Personenwaage weggeschmissen und versuche gesundes, genussreiches Essen mit dem notwendigen Minimum an Sport zu verbinden. Phasenweise passen mir halt nur Hosen aus dem einen Schrankfach ... und Business-Anzüge kaufe ich ohnehin meist im Baukastensatz mit vier Hosen in zwei Größen, die dann am besten auch in die Waschmaschine dürfen.

Interview mit der Regisseurin auf Fritz (rbb): hier.
Sendetermin auf Arte: 24.04.2011, 22.00 Uhr, im Anschluss daran noch eine Woche auf Arte+7

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Bild: Arte/Medea Film - Irene Höfer/N. v. Graevenitz

Freitag, 22. April 2011

multi-casquette

Multi-casquette (*) nennen die Franzosen es, wenn jemand mehrere Hüte aufhat, also verschiedenerlei Aufgaben ausfüllt. In der zumeist gnadenlos unterfinanzierten anspruchsvollen deutschen Filmszene ist es oft von banaler Alltäglichkeit, dass jemand sein eigener Produzent, Cutter und Kameramann ist ... und am Ende als Regisseur zeichnet.
"Rucksackproduzenten" nennen das die zumeist Etablierten verächtlich; den Begriff haben sich viele der wackeren Filmkämpfer jetzt anverwandt und nutzen ihn, wobei fast etwas Zärtliches mitschwingt.

In Filmhochschulen und Unis lernen die Studenten indes arbeitsteiliges Schaffen. Im Alltag sieht es oft anders aus, wenn zum Beispiele Studenten an einem Uni-Studiengang "Medienwissenschaften" über geringe bis gar keine Produktionsbudgets verfügen, wenn sie einen Abschlussfilm (und keine Papierarbeit) vorlegen wollen.

Aber mehr Augen sehen mehr und mehr Köpfe haben mehr Kontakte. So wurden Irene Höfer von Medea Film und ich letztes Jahr zu Koproduzentinnen eines politisch sehr wichtigen Films, der mit viel Sorgfalt und Fingerspitzengefühl entstand.

Und der hatte es nun in den Wettbewerb von achtung berlin geschafft ... ins gleiche Festival, für das ich in den letzten Tagen moderiert habe. (Die Premiere habe ich leider verpasst, weil ich noch in Straßburg war.)

Herzlichen Glückwunsch, Uli!
(Hier noch der Link zur Çürük-Webseite: klick!)

(*) la casquette ist die Schirmmütze. Und obwohl Flexibilität und berufliche Vielseitigkeit offiziell immer wieder gefordert werden, erleben Menschen mit anspruchsvollen Nebenberufen regelmäßig, dass ihnen Misstrauen entgegenschlägt à la "Wer so viel macht, kann nichts richtig". Mein Engagement in angrenzenden Arbeitsfeldern ist Teil meiner Zukunftsplanung.

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Katalogseite zum Vergrößern bitte
(ggf. doppelt) anklicken

Schleuderparcours

Feiertag, da ist Ausschlafen angesagt, selbst wenn über Ostern der Abschluss der nächsten Drehbuchübersetzung ansteht. Ich döse, sehe das Licht, denke an die Joggingschuhe und die noch nicht wieder gesundeten Nebenhöhlen, drehe mich genüsslich zur Seite, blicke aus dem Fenster, die Landschaft rast vorbei, eine Schranke hebt sich über das Wagendach, der Fahrer (es ist Gunter vom Filmverband) wirft einen Jeton ein, er vergewissert sich kurz, ob wir auch alle angeschnallt sind, und schon brausen wir durch einen Schleuderparcours aus lauter übergroßen Schaumgummibausteinen, die um uns herumwirbeln, nachdem wir zum Beispiel in die Mauern reingefahren sind.

Dann höre ich mich erklären, was für neurologische Folgen das Training auf dem Schleuderparcours hat und bin selbst überrascht, wie detailreich ich in diesem Bereich argumentieren kann. In die gleiche Richtung zielt prompt auch eine Bemerkung der anderen Mitfahrer. Und ich erkläre souverän: Logisch, dass ich mich als Dolmetscherin für Hirnvorgänge interessiere. Das ist ungefähr so wie ein Schreiner, der historische Hobel sammelt.

Vom eigenen Gelächter bin ich schließlich aufgewacht.

Donnerstag, 21. April 2011

Gründonnerstag ...

... mit grüner Sauce, dem Leib­gericht des alten Ge­heim­rats, aus Kräutern, die ich mit dem Wiegemesser zu feiner Metsche zerschnitten habe (lange nach der Auf­nah­me des Bildes war's soweit). Ich vari­iere die Sauce gerne mal und bereite sie statt mit Quark mit hand­ge­schöpftem (öster­rei­chischem) Topfen und (türki­schem) Kefir zu.

Meine Kultur: Eine Mischung aus allem, der schiere Eklektizismus, von allem das Allerbeste und das mit reichlich Genuss. So hab ich's zu Hause gelernt. Daher stammt das Wiegemeser auch vom Trödler, weil heute nicht mehr so gute, rostende Werkzeuge produziert werden, die wirklich die Schärfe halten und von Hand nachgeschliffen werden müssen. Dazu das schönste Abendlicht in der Küche am Landwehrkanal. Frühlingsgenuss!

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Foto: C. Elias

Herausforderungen

Will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Die Spra­chen Französisch und Englisch (passiv) sind meine Welt, und zwar an Orten wie Paris, Berlin, Lyon und München.

"Das ist eine Wette von der Produktion gewesen, das Mutter-Kind-Kurheim aus zwei Orten zusammenzubauen. Einiges haben wir auf Fehmarn gedreht, anderes in ein­em anderen Bundesland", sagt Olivier, der neben mir steht, Szenenbildner von Beruf und einer von zwei Gesprächspartnern bei einem der letzten Filmgespräche des achtung berlin-Festivals, das in der Unterzeile new Berlin film award heißt. Wir stehen zu dritt vor der Leinwand eines Neuköllner Kinos und unterhalten uns öffentlich, bis das Publikum auch soweit ist und Fragen stellen mag.

Hinter der Tür der eine, auf dem
Laptop der andre Film (plus Eis & Saft)
Und sofort rattert mein Dolmetscherhirn: Er hat "Wette" gesagt und le pari gemeint, "die Herausforderung" und "die Wette" kennen auf Französisch nur dieses eine Wort. Als ich die nächste Frage stelle, gehe ich auf "die Herausforderung" erneut ein, schi­ebe wie selbstverständlich und als sei es ein Nebensatz le pari nach, damit mein Gegenüber weiß, dass ich ihn ver­stan­den habe, und stelle Rita die nächste Frage, der Kollegin des Franzosen, wobei ich das Wort "Herausforderung" wieder einbaue. Dabei höre ich mir selbst zu, denn ich möchte vermeiden belehrend zu wirken. Es geht mir wie immer um den Informationsfluss, weiter habe ich nichts zu "dolmetschen", Olivier spricht her­vor­ra­gend Deutsch.

achtung berlin hat mich als Moderatorin angeheuert. Das Festival präsentiert Fil­me, die entweder in Berlin spielen oder in Berlin produziert worden sind. Sicher, bei den Programmmachern werden gelegentlich auch französischsprachige Filme eingereicht, doch bislang waren die Filmgespräche deutschsprachig. Seit meiner Rück­kehr aus Straßburg moderiere ich an den letzten Tagen dieses seit sieben Jahren stattfindenden Festivals. Und ich engagiere mich pro bono, also ohne Gage, stehe trotzdem im schwarzen Anzug plus Kettchen-Schühchen-Schälchen vor dem Publikum.

Der Grund dafür ist schnell erklärt. Als gelernte Journalistin arbeite ich bevorzugt im Bildungs-, Medien- und Filmbereich, also ist das für mich eine Rhetorikübung. Außerdem bin ich dem Filmschaffen der Region sehr verbunden, kenne viele Leute, vernetze mich weiter. Und last but not least habe ich eine eigene Film­ver­gan­gen­heit bzw. eine nebenberufliche Existenz im Filmsektor. Als Journalistin hatte ich mich rasch auf mediale Produktionen spezialisiert und produziere noch heute mit anderen zusammen alle ein bis zwei Jahre einen Film.

.........Ortswechsel mit Fahrer und spannenden Gesprächen... ......
Dabei geht's mir nicht nur darum, die Probleme der Filmherstellung auch in Zeiten der technischen Revolution von mehreren Seiten zu kennen, sondern ich tue dies aus Gründen der Gewissenhaftigkeit in schwierigen Zeiten. Meine Generation sieht sich vor eine besondere Her­aus­for­derung gestellt: Wir wer­den be­kannt­lich bis ins hohe Alter arbeiten müs­sen. Da ich leider heute sogar an Orten der ganz offiziellen frankophonen Kul­tur­vermittlung mitunter Kolleginnen erlebe, denen ich den Genuss ihrer Rente von Herzen gönnen würde, da sie das entsprechende Alter längst überschritten haben, und außerdem merke, wie die Qualität der Verdolmetschungen darunter leidet, bereite ich meine übernächste berufliche Zukunft vor.

Deshalb hatte ich den Nachmittag zuhause mit der Sichtung eines Films auf Schei­be beendet, als mein Moderatorenprogramm kurzfristig umgeschmissen wurde; war dann ins nächste Kino geeilt, wo ein Film anzukündigen war, sah dann auf der Treppe des FAF das zweite und dritte Viertel besagten Films weiter auf Scheibe, moderierte, wurde rasch vom Fahrer mit Regisseur, Kameramann und Schau­spie­lern zur Preisverleihung, kurz darauf weiter ins Neuköllner Passage-Kino gebracht, sah dort das letzte Viertel besagten Films ... und als der Abspann zuende war, stand ich schon mit Mikro vor dem Vorhang.

Mein Filmsichten von "Abgebrannt" in drei Phasen ging
wundersamerweise "auf Anschluss", ich sah nichts doppelt
Da die Regisseurin von "Ab­ge­brannt", Verena S. Freytag, auf der Preisverleihungsgala war — der Film ging als "bester Spielfilm" aus dem Wettbewerb hervor" — sprach ich mit den Szenenbildnern über ihren Beruf im All­ge­mei­nen und bei diesem Film im Besonderen. Und durch Nachhaken über die ko­fi­nan­zie­ren­den Stellen des Films — der Abspann sah dies­be­züg­lich ein wenig "leer" aus — erfuhr das Publikum dann mit mir zusammen, dass das "Motiv" Mutter-Kind-Kurklinik nicht aus sze­nen­bild­ne­ri­schen Gründen an zwei verschiedenen Orten gedreht worden war, sondern weil Filmförderung zweier Bundesländer beteiligt waren. Und hier gilt: Jedes Bun­des­land erwartet seinen "Regionaleffekt", also Drehtage im jeweiligen Land, Umsätze für Hotel und Restaurants und Motivmieten. Die Filmfinanzierung stellt also das Team vor ganz besondere Herausforderungen (die viel Energie, Kreativität und Geld binden, die man deutschen Filmen dann nicht ansieht).

Meinen pari, die Moderation mit handfesten Brancheninfos zu verknüpfen, die auch ein breites Publikum verstehen kann, hatte ich somit gewonnen. Und diesmal meine ich "Wette", wobei dieses Wort in einem solchen Kontext auf Deutsch we­ni­ger gebräuchlich ist.

Résumé des Beitrags (da immer wieder Leser mit dem Suchbegriff "Film­dol­metscher werden" hierher gelangen): Wer sich in diesem Bereich spezialisieren will, muss sich ständig in Rhetorik, Sprech- und Atemtechnik weiterbilden bzw. kritisch beleuchten lassen, damit sich keine Sprachticks einschleichen. Wer Lampenfieber hat und meint, das niemals überwinden zu können, ist in diesem Beruf mit seinen vielfältigen Herausforderungen fehl am Platze.

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Fotos: C. Elias

Mittwoch, 20. April 2011

Hirnüberhitzung

La surchauffe cérébrale nennt Nicolas, Dolmetscher bei Arte, das, was ich seit Tagen mache, und prompt erlebe ich kol­le­gia­le Solidarität: Für die Ver­dol­metsch­ung des Gesprächs mit Claire Doutriaux, der Leiterin der Sendung "Ka­ram­bo­lage", entsendet die Leiterin der Dolmetschabteilung von Arte prompt eine Kollegin, Dominique.

Wir sind in Straßburg im Arte-Neubau in unmittelbarer Nähe des Par­la­ment­ge­bäu­des. Seit Tagen begleite ich eine Gruppe junger Erwachsener als Dozentin und Solo-Dolmetscherin. Unsere Teilnehmer sind in der überwiegenden Mehrzahl Studenten, davon viele künftige Lehrer. Dafür, dass ich alleine dolmetsche und nicht wie sonst üblich und eigentlich nötig alle 20 bis 40 Minuten abgelöst werde, gibt es einen klaren Grund: In der Jugendarbeit geht man davon aus, dass die Teilnehmer gute Grundlagen der jeweils anderen Sprache haben, und dass die Inhalte überschaubar sind in ihrer Komplexität. Das funktioniert sicher her­vor­ra­gend bei Jugendbegegnungen für Schüler, zum Beispiel in Ferienlagern (colonies de vacances), in denen der Anteil der Freizeitangebote groß ist.

Das wird schon schwieriger, wenn ein Seminar inhaltlicher Arbeit gewidmet ist und für junge Erwachsene veranstaltet wird. Hier, wo sich die Vermittlung von hand­festem Wissen und praktischen Fähigkeiten mit Begegnungen und eigenen Akti­vi­tä­ten zu den Themen Deutschland, Frankreich, interkulturelle Zu­sam­men­ar­beit und Medien abwechselt, wäre allein mit sprachkompetenten Jugendfreizeitleitern nicht viel erreicht.

Unsere Gesprächspartner stehen mitten im Berufsleben, haben wenig Zeit. Proportional entgegengesetzt ist denn auch meistens ihr Sprechtempo: sehr eilig. Dazu kommt die Komplexität der Inhalte, was auch manche der Fran­zö­sisch­lehrer­in­nen in spe dazu bringt, nach den Kopfhörern zu greifen. Und Marie, die kaum Französisch kann, wäre ohne regelmäßige Verdolmetschungen von vorneherein die Teilnahme an einem solchen Kurs verwehrt gewesen.

Und als sei das nicht schon genug Programm, drehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer neben den Begegnungen einen Kurzfilm und das making of für die Förderinstanzen. Kurz: Meine Pausen habe ich auf den Wegen, denn wir haben Termine, die über ganz Straßburg verteilt sind. Und mancher Einsatz wird dann einfach mal länger. Die unmögliche Herausforderung meistere ich sportlich, das geht schon in Ordnung, es kann aber kein Modell für ähnliche oder weitere Veranstaltungen dieser Art sein.

Je länger wir miteinander ver­bringen — inklusive Reisetage sind es neun Tage — , desto klarer sehe ich, dass wir hier etwas kompensieren, das in Deutschland in der Leh­rer­aus­bil­dung leider bis heute Tradition zu sein scheint: Als ich Schülerin war, brachten uns unsere in den 30-er und 40-er Jahren geborenen Lehrer nur in drei Phasen mit Film in Zu­sam­men­hang: im Na­tur­kun­de­un­ter­richt, in dem wissenschaftliche Lehrfilmchen Versuche ersetzen mussten, bei Unterrichtsausfall bzw. kurz vor den Ferien, wo wir ruhiggestellt wurden, sowie als Illustration möglicher Umsetzung von Literatur in Film. Unsere Lehramtsanwärter in der Seminargruppe wurden in den Jahren um 1990 geboren.

Die Diskussionen mit den Fachleuten, die wir in Straßburg aus Kultur, Politik und den verschiedenen Medien treffen, sind lebendig; auch untereinander haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer viel Kommunikationsbedarf. Sie entdecken die deutsch-französischen Themenbereiche gerade erst, ebenso wie die europäischen Instanzen; und die Kameraübungen und Drehs fordern alle.

das dfjw förderte unser Seminar
Ich mache, was ich auch schon bei anderer Gelegenheit bereits tat: Mit der größtmöglichen Entspannung und vielen Pausen, regelmäßigen Power-Nappings und keinerlei Freizeit ist die Sache aber auch nur deshalb für mich zu wuppen, weil mir die Inhalte seit dem Studium sowie die Form, das Filmische, seit den ersten Berufsjahren bestens vertraut sind. Mein Kopf holt sich sein Material also nicht aus einer kurzfristig angelernten Lexik heraus, arbeitet nicht aus dem Arbeitsspeicher, sondern direkt von der Festplatte weg. Das kostet weniger Hirnschmalz, das trotzdem heißläuft.

Und ein herzliches Merci beaucoup, liebe Dolmetscher von der Arte-Zentrale!

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Fotos: C. Elias

Dienstag, 19. April 2011

Hörfunktipp

Heute, 14.10 Uhr, Pariser Uhrzeit, bringt der Sender Radio France Internationale (RFI) eine Reportage über die Städtebegegnung von Clichy-sous-bois und Neukölln, die wir Anfang April gemeinsam mit zwei Kolleginnen aus Paris dolmetschten.

Es ging dabei um Migration, Integration, Bildung für die Randbezirke beider Hauptstädte, Förderung von Mädchen, Gewaltprävention, Jugendstrafrecht u.a.
gefördert vom dfjw

Das Programm ist online sowie in Berlin auf der UKW-Frequenz 106 zu hören.

Link zur Sendung.

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Foto: C. Elias

Montag, 18. April 2011

Weiße Nacht

Nein, ich antizipiere nicht die weißen Nächte von Sankt Petersburg, dafür ist es noch zu früh im Jahr. Und zum Fotografieren des Vollmonds, dessen Licht letzte Nacht ihren Weg durch die noch knorrig aussehenden, blattlosen Äste einiger Bäume brach und mein Kopfkissen erhellte, war ich zu müde, aber auch das Vollmondlicht meine ich nicht.

Nuit blanche nennt die französische Sprache eine Nacht ohne Schlaf.

Jede Sprache kennt eine ihr innewohnende, ganz eigene Poesie.

Sonntag, 17. April 2011

Schichten

Mein heutiges Sonntagsbild kommt in Schichten.

Erste Schicht: Auf Französisch wird das Wort gothique nicht nur zur Beschreibung einer Kunstepoche verwendet, sondern es klingt je nach Kontext etwas wie 'häß­lich' und 'verbogen' mit an. Das liegt sicher auch an der einstigen 'Erb­feind­schaft' zwischen Franzosen und Deutschen, denn die gotische Baukunst galt vielen als typisch deutsch.

So entstand denn auch die Straßburger Paulskirche am Ende des 19. Jahrhunderts, also in deutscher Zeit, nach dem Vorbild der Marburger Elisabethkirche, die als erstes rein gotisches Kirchengebäude im deutschen Kulturgebiet gilt.


Zweite Schicht. Alleebäume im typisch französischen Baumverschnitt, im Hin­ter­grund: Die gotische Kirche.


Dritte und letzte Schicht: Fahrradfahrende flics. Der "Flic", wie ein Polizist auf Umgangsfranzösisch genannt wird, was sich weitaus netter anhört als das ab­schätzig klingende "Bulle", gehört zum Stammpersonal des französischen Kinos. Hier in seiner modern "berittenen" Version, im Overall und mit Sturzhelm ...


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Fotos: C. Elias

Samstag, 16. April 2011

Wirtschaftswörter

In Zusammenhang mit dem deutsch-französischen Seminar über Vorurteile zu Deutschland und Frankreich (auch) in den Medien fand ich ein Wirtschaftsglossar wieder, das die Zeitschrift "brand eins" bereits 2009 brachte.

Wer also schon immer mal wissen wollte, was hinter manchen Worten steht, lese hier nach.

Achtung! Zwischen pifom und ètre hat sich ein Tippfehler eingeschlichen, nämlich ein unnötiges Leerzeichen, es heißt also le pifomètre (Nasometer).

Für Französischsprachige geht's hier inhaltlich (und derzeit noch mit Tippfehlern) weiter: clic.

Freitag, 15. April 2011

Klischees

Dieser Tage bin ich in Frankreich und dolmetsche ein Seminar. Wir arbeiten während langer Tage und Abende über deutsch-französische Themen und Klischees und Stereotypen, besonders in den Medien.

Das führt mich tief in meine Vergangenheit.

Ich krame in meinen Erinnerungen.

Eines meiner ersten Bilder aus Frankreich war das gelbe Licht auf der Autobahn.

Kurz danach wurde dieses Bild durch die Augen eines Autos ergänzt, das "Göttin" heißt.

Jahrzehnte später habe ich erst verstanden, dass das, was la déesse ausgesprochen wird, eigentlich nur für das Kürzel DS steht.

Achtung! Autos sind auf Französisch immer weiblich, also la Volkswagen, la Citroën (deshalb ist diese Göttin von Auto weiblich).

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Foto: C. Elias (Gelbes Licht: französischer 
Standard bis 1992)

Donnerstag, 14. April 2011

Dolmetschen in der Jugendarbeit

Bien­­ve­­nue ! Hier le­­sen Sie in im Ar­­beits­­ta­­ge­­buch ei­­ner Dol­­met­­scherin, die in Ber­lin, Mar­seille, Pa­ris und dort, wo sie gebraucht wird, tätig ist, zur Zeit in Straß­burg ... 

André Bord, Laura Odasso und die Autorin
Rechts von mir wird getuschelt, ich halte mir das Ohr zu
Kein leichter Job zu dol­metschen, wenn die be­richt­er­stat­ten­de Spra­chmitt­lerin neben einer jungen ita­li­e­ni­schen So­zio­lo­gin sitzt, die wie­der­um ne­ben ei­nem Zeit­zeu­gen sitzt, der über den zwei­ten Welt­krieg, den Wie­der­auf­bau und die Grund­la­gen der deutsch-fran­zö­si­schen Freun­d­schaft erzählt.

Es fallen Daten und Namen, die nicht allen im Raum etwas sagen. Also schummele ich Informationen hinzu. Der Schwur von Straßburg — als sich zwei Söhne Karls des Gro­ßen gegen den dritten zusammentaten —, Gérard Oury — ein damals sehr be­rühmter Ko­mödienregisseur —, Michèle Morgan — Schau­spie­ler­in. Am Ende, als noch weitere in dieser deutschen Generation nicht bekannte Namen fallen, füge ich ein 'und etliche mehr' hinzu und lasse den Redner seine Aufzählung allein vervollständigen.

Genauso (nur mit anderen Inhalten) geschieht es mit der Soziologin, die Vorurteil von Klischee von Stereotypen von vorgefassten Meinungen abgrenzt. Kurz: Ich muss immer wissen, für welches Publikum ich dolmetsche ... und dann noch mit den unterschiedlichen Sprachtempi klarkommen.

das dfjw förderte diese Begegnung
Für etliche der jungen Leute ist es das erste Mal, dass sie auf einen Menschen treffen, der sich selbst "Terrorist" nennt, jedenfalls für die Zeit, als die Wehrmacht Frank­reich besetzt hatte. Eine Stunde lang reißt dieser ältere Herr für uns ein Fenster auf und gewährt uns zumindest eine Ahnung von der Größe der Entfernung, die Deutsch­land und Frankreich im 20. Jahrhundert zu­rück­gelegt haben.

Dann bauen die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer weiter an ihrer deutsch-französischen Völkerverständigung des frühen 21. Jahr­hun­derts. Basisarbeit!

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Fotos: Association Répliques

Mittwoch, 13. April 2011

Franglais & Denglish

Andre Länder, andre Sitten ... Was auf Deutsch flip chart genannt wird, bezeichnen Franzosen als paper board.

Hm, ich als Dolmetscherin finde sowas komisch.

Andere auch?




Dienstag, 12. April 2011

Siphon

Vierter Tag in Straßburg. Ich dolmetsche eine Jugendbegegnung in Seminarform - und habe zu diesem Zweck meine Wohnung gegen eine Straßburger Wohnung getauscht. (Ich schrieb bereits über die Webseite, über die wir gerne, auch urlaubshalber, zu günstigen Quartieren kommen.)

Das Wort "Siphon" hat eine lange Geschichte
In einer auf diese Weise geliehenen Wohnung zu leben bedeutet, sich um sie zu kümmern, als wär's die eigene. Kurz: Es ist fast wie im richtigen Leben, denn vor dem Arbeitseinsatz warte ich am Morgen auf die Handwerker, weil was unterm Küchenbecken tropft. (Die Rechnung wird auch so gesalzen sein wie die eines deutschen Handwerkers.)

Und gleich muss ich grinsen und denke, das ist was für den Blog, denn wo die Deutschen zum Siphon umgangssprachlich "das Knie" sagen, sagen die Franzosen "le coude", der Ellenbogen.

Nein, beim besten Willen kann ich mir weder das deutsche, noch das französische Wesen vorstellen, das zu derartigen Benamsungen Vorbild war ;-)

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Foto: Altes Wörterbuch

Montag, 11. April 2011

1735 Gramm

Das war knapp: zum letztmöglichen Termin brachte mir der Kurierdienst ein Päckchen, das über drei Wochen unterwegs war, Stichwort Expressdienst. Es gab fünf oder sechs Zustellversuche. Wiederholt fand man meinen Namen nicht auf dem Klingelbrett, dann wurde überprüft, ob ich denn nicht vielleicht doch an den angekündigten Abwesenheitstagen zu Hause bin.

Da fühlte ich mich veralbert, weil ein Telefonat, das mich bei der Arbeit gestört hatte, für die Katz war. Danach wurde das Päckchen via Expressdienstwagen weiter fröhlich durch die Lande kutschiert, obgleich anderes verabredet worden war. Jetzt landete es endlich im Haus, und die Nachbarn waren prompt vor Ort und nahmen es für mich an. Es sind die Belegexemplare meines ersten Buches.

Es ist ein schmales Bändchen. Letzten Juni schrieb ich's in drei Wochen, nachdem ich den Sommer zuvor über Figuren und Plot nachgedacht hatte.

Drei Wochen für 110.000 Anschläge - das sind Umfang und Tempo meiner Drehbuchübersetzungen; ich setzte in diesen ereignisarmen Frühsommerwochen einfach meine Routine fort. Und ich hatte großen Spaß dabei.

Mir kommt es noch heute so vor, als hätte ich es nicht geschrieben, sondern einfach nur die Bilder und die Worte, die von irgendwoher kamen, übersetzt.

Mal sehen, welches Buch ich mir übernächstes Jahr zum Geburtstag schenke :-) Oder vielleicht doch schon nächstes Jahr, ein kleines, feines?

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Buch: bei Langenscheidt
Zielgruppe: Fünft- und Sechstklässler
mit Französisch als erster Fremdsprache
Illustrationen: Rüdiger Trebels
Lektorat: Bettina Müller Renzoni

Sonntag, 10. April 2011

Nach dem Regen

Dolmetschen ist ein Beruf, der unsere Gehirne maximal fordert. Nicht nur, dass wir viel Energie verbrauchen, wenn eine nicht näher bekannte Anzahl unserer 200 Milliarden Neuronen im Kopf feuert, unsere Dolmetscherköpfe brauchen regelmäßige Pausen, während eines Arbeitstages in der Kabine, an den Bürotagen, aber auch unter der Woche. Ich erhole mich immer, wenn ich meinem nicht-sprachgebundenen Hobby nachgehe, der Fotografie.


Nachdem der Regen weggetrocknet ist, fallen meine noch vom Winter schmutzigen Fensterscheiben noch stärker als "Filter" auf. Dazu ein Blümchen, das vielleicht jemand auf dem Rückweg vom Markt verloren hat oder das ein junger Mann für eine Frau, die er heimlich verehrt, aus einem Blumenstrauß stibitzt hat. Lange hatte die Blume ohne Wasser auskommen müssen. Jetzt steht sie mit kurzem Stiel in einem Fläschchen und erholt sich.


Mit diesem Foto hängen zusammen: Blaue Flaschen im WinterBalkonbildOrangefarbene Blume, Schlussklappe
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Foto: C. Elias

Samstag, 9. April 2011

Explosiv!

2053 Atomexplosionen gab es zwischen 1945 and 1998, dies illustriert ein beeindruckender Kunstfilm von Isao Hashimoto.



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Film: Isao Hashimoto

Freitag, 8. April 2011

Spargelzeit

Für mich bezog sich das Wort "Spargelzeit" immer auf eine bestimmte Anzahl von Wochen von April bis Juni, die immer ziemlich genau einen Monat nach dem Ende des Filmfestivals von Cannes ausläuft.
Dass es auf die Stunde genau losgehen kann, war mir neu. Ich durfte heute in Berlin-Mitte kurz grinsen ... und wieviel Uhr endet die Spargelzeit in Mitte?

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Foto: gesehen in Alex-Nähe

Donnerstag, 7. April 2011

Dolmetschen im Kiez

Wir schreiten voran wie vier Cowboys auf dem Gang über den Dorfplatz, wir zwei Dolmetscherinnen, eingerahmt von zwei Polizisten in Zivil, die im Kiez aber wohlbekannt sind. Ort: Berlin-Neukölln, Situation: Tagung und Begegnung mit Leuten aus der Sozialen Arbeit zwischen Neukölln und Clichy-sous-Bois. Hinter uns gehen die Gäste aus Frankreich und ihre deutschen Kollegen.
Schon 2008 begleiteten wir diese spannende Begegnung, die seither alle zwei Jahre in Berlin, zwischendurch in Frankreich, genauer, einem Pariser Vorort stattfindet. Und während der Polizist erklärt, dolmetschen Kerstin und ich im Wechsel. Zwischendurch legen wir auch Strecken ohne Erläuterungen zurück.

Dann erzählt der Leiter des Nachbarschaftsheimes aus dem Kiez etwas über eben diese Gegend, ich schnappe ihn mir, lasse ihn wiederholen und vertone. (Meine Vergangenheit als Radiojournalistin kommt mir da zugute.)
Einen solchen Spaziergang durch einen Stadtteil, in dem oder in dessen Nähe ich lebe, begleite ich mindestens ein Mal im Jahr.
Für die Zuhörer ist es ein Angebot, etwas über den Ort zu erfahren; sie folgen uns mit den Empfängern und den Kopfhörern auf den Lauschern. Wer sich "à propos und was ich schon lange mal sagen wollte" mit dem Nachbarn verplaudert, dreht einfach den Ton ab. Mit dabei sind Lehrer, Erzieher, Ehrenamtliche, Juristen, Abgeordnete und Verwaltungsleute aus den Kommunen.
Und etliche haben Fragen, die sie auch uns Dolmetschern stellen ... Unsere Vertonung der Gespräche wird zu einer Mischung aus einer Radiosendung und "Amélie von Montmartre", die einem Blinden den Kiez erklärt, nur ruhiger.
Auf unserem Gang zur besten samstäglichen Nachmittagszeit begegnen uns kaum Erwachsene, aber viele Kids.
Von denen hatten wir einige am Vortag schon in verschiedenen Einrichtungen gesehen; sie sind munter, neugierig, offen. Es macht Spaß zu sehen, wie alles, was gesagt wird, begierig aufgenommen wird. Kurz zuvor waren wir einer anderen Gruppe begegnet: Eine französische Staatssekretärin wollte sich das Projekt ansehen und wurde von Journalisten interviewt.
Kerstin, die grad dran ist, schieben diese das Mikro unter die Nase und kommen meiner Dolmetschkollegin dabei auch selbst von Frage zu Frage näher. Sie findet das anstrengend, denn keiner hatte sie darauf vorbereitet. Die Nichteinhaltung des eigenen Luftraums, das Brechen ungeschriebener Distanzregeln in einem abgegrenzten Interaktionsraum, empfinden Menschen auch so schon als bedrohlich; beim Dolmetschen, wo die Konzentration stark von der Sprache absorbiert wird, erleben wir körperliche Dinge, Grimassen oder Gelächter wie durch ein Vergrößerungsglas. Dann ist Beate an der Reihe, die dritte Dolmetscherin, die vorher schon die Staatssekretärin begleitet hatte ...

Die Tage vergehen wie im Fluge: Begegnungen in sozialen Einrichtungen, im Tagungs- und im Rathaus, bei Arbeitsgruppen, gemeinsamen Mahlzeiten, Plenarsitzungen, einer Theateraufführung, es wird nicht langweilig. Auch viele neue Begriffe halten uns auf Trab.

das dfjw förderte diese Begegnung
Am letzten Tag sagte einer der Polizisten, mit dem wir durch den Rollbergkiez gegangen waren, dass er ja gar nicht wisse, wie er die nächsten Tage ohne die freundlichen Stimmen auskommen solle, die immer alles synchronisierten. Merci, Monsieur und Danke auch an alle anderen! Diesmal bekamen wir sogar anerkennende Worte von den Veranstaltern, die zwangsläufig auch mal reinhörten in unsere Verdolmetschungen.


Dazu ein Hörfunktipp.
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Fotos (zum Vergrößern anklicken): C. Elias

Mittwoch, 6. April 2011

Auflösung von letztem Sonntag





Sprache ist ein zusammenhängendes Geflecht von Bedeutungen, Anspielungen, Bezügen, Definitionen  ...

Beim Sonntagsspaziergang vor zehn Tagen haben wir das Projekt einer jungen Frau fotografiert, das sie unter dem Titel "Are we Luhmann or are we dancers?" zwischen den Bäumen im Görlitzer Park durchführte.

Die augenzwinkernde Bezugnahme auf die Systemtheorie war visuell ansprechend. Acht Tage später hingen da nur noch Fädchen am Baum. Zwei Sätze dazu: hier. Mehr Fotos: da. Eine virtuelle Einstiegspforte ins Luhmannsche System: dort.