Samstag, 25. Januar 2025

Bonjour

... und herz­lich will­kom­men auf mei­ner Blog­sei­te! Was Dol­met­scher und Dol­met­scherin­nen be­schäf­tigt, kön­nen Sie hier seit 2007 mit­le­sen. Will­kom­men im neu­en Jahr!

Treppe, Jalousien, Fenster, Garten
Winterlich im Winterlicht
Dolmets­chen bei Kon­gres­sen, für den Po­li­tik­be­trieb, auf De­le­ga­tions­rei­sen, bei Werks­be­sich­ti­gun­gen, Hin­ter­grund­ge­sprä­chen oder Ver­wal­tungs­vor­gän­gen, in Kanz­lei oder Kran­ken­haus, un­se­re Ein­sät­ze sind über­aus viel­fäl­tig.

In den letz­ten Jah­ren sind wir im­mer öft­er auch online gefragt. Da diese Über­tra­gungs­art für alle an­stren­gen­der ist, klei­ne Mo­ni­tor­bil­der, ge­stauch­te und damit un­na­tür­liche Stim­men, Rau­schen oder Echos, sind die­se Ein­heiten meis­tens kür­zer als nor­ma­le Ein­sätze.
Zur Pla­nung Ihres Dol­metsch­be­darfs er­rei­chen Sie mich be­quem per Mail an ca­ro­line@adazylla.de. Da ich in Teil­zeit ei­ne An­ge­hö­ri­ge pfle­ge, bit­te ich um schrift­li­che Kon­takt­auf­nah­me.

Es gibt ke­ine Bü­ro­sprech­stun­den!
Wir freu­en uns auf Ihre An­fra­ge!

Bit­te be­ach­ten Sie: Mei­ne Ziel­spra­che ist in 90 Pro­zent der Fäl­le Deutsch (mei­ne Mut­ter­spra­che); an­de­re Spra­chen de­ckt un­ser Netz­werk ab. Do­ku­men­te be­ar­bei­ten Kol­le­gin und Kol­le­ge au­ßer­halb Ber­lins im Post­ver­kehr. Ich selbst bin auf krea­ti­ve Tex­te spe­zia­li­siert, an de­nen sich die KI ih­re nicht vor­han­de­nen Zäh­ne aus­beißt, so­wie auf Fach­tex­te (Mar­ke­ting, Film­pro­duk­tion, Groß­kü­chen).

Da wir nicht nur Sprach­ar­bei­terin­nen und Sprach­ar­beiter sind, son­dern auch Men­schen, die be­ob­ach­ten und Ihre Epo­che do­ku­men­tieren, fin­den Sie auf den fol­gen­den Sei­ten mein mit­un­ter sub­jek­tiv ge­präg­tes Ar­beits­ta­ge­buch.

P.S.: Die­se Sei­te ist für die An­sicht im Web­lay­out op­ti­miert, weil sonst Text­pas­sa­gen hin­ter den Fo­tos ver­schwin­den.

______________________________  
Fo­to: C.E.

Dienstag, 21. Januar 2025

Konzepte dolmetschen

Bon­jour auf mei­nen Web­log­sei­ten! Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin und ar­bei­te haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch und manch­mal auch mit Eng­lisch, wo­bei Deutsch mei­ne Mut­ter­spra­che ist.

Beim Dol­met­schen muss ich im­mer auch das sprach­li­che Hin­ter­land der Be­grif­fe und den kul­tu­rel­len Kon­text im Kopf ha­ben. Das macht Men­schen wie mich auch zu Kul­tur­ver­mitt­lern.

Neu­lich ha­be ich in Ber­lin bei ei­ner Kaf­fee­pau­se auf ei­ner Re­no­vie­rungs­bau­stelle laut über ei­ne Ver­bes­serung des Um­bau­plans nach fran­zö­si­schem Vor­bild nach­ge­dacht. Die Kun­din, ei­ne mit ei­nem Fran­zo­sen ver­hei­ra­te­te Deut­sche, hat gut hin­ge­hört und dann dem Architekten, der zwi­schen­durch im Ne­ben­zim­mer zum Te­le­fo­nie­ren war, neue Auf­ga­ben ge­ge­ben. Sowas freut mich sehr und bringt mich zum Nach­den­ken über ein Bau­the­ma!

Die etwas an­de­ren Pas­sa­gen

Es heißt, ein Volk spie­ge­le sich in sei­ner Ar­chi­tek­tur wi­der. Wenn das stimmt, dann sind wir Deut­sche ein Volk der Flur­men­schen – ge­ord­ne­te Über­gangs­be­rei­che, wo nichts ver­wei­len darf, au­ßer viel­leicht die ei­ge­ne Un­ge­duld. Als Dol­met­scher­in auf Bau­stel­len, ei­nes mei­ner Fachgebiete, wo Kul­tu­ren und Bau­ge­wohn­hei­ten auf­ein­an­der­pral­len, se­he ich die­ses The­ma oft.

Schon wie­der klin­gelt das Te­le­fon, Bau­pla­nung ei­ner Alt­bau­re­no­vie­rung in Schö­ne­berg. Kurz drauf ste­hen wir im Flur näm­li­cher Be­hau­sung. Wir, das sind ein deut­scher Ar­chi­tekt mit sei­ner Prä­zi­sion, der ame­ri­ka­ni­sche IT-Ma­na­ger mit der Be­geis­te­rung ei­nes Men­schen, für den open con­cept li­ving ei­ne Re­li­gi­on zu sein scheint, die fran­zö­si­sche Raum­aus­stat­te­rin, die un­längst in ei­ner an­ge­sag­ten Wohn­zeit­schrift ei­ne ei­ge­ne Bil­der­strecke hatte und eben ich als Dol­met­sche­rin. Der Flur ist et­was brei­ter und links wur­de ei­ne auf­ge­stän­der­te Wan­d be­reits ab­ge­tra­gen. Ma­dame hat ei­ne Vi­sion: Je vois à gauche et à droite des pla­cards, ca­chés der­rière des boi­se­ries, que nous pro­lon­ge­rons jus­qu'à la salle à manger, qu'en pen­sez-vous ? (Ich kann mir hier links und rechts gut Wand­schränke vor­stel­len, hin­ter Ver­tä­fe­lung ver­steckt, die wir bis zum Esszimmer ver­län­gern, was hal­ten Sie da­von?)

Der deut­sche Flur: Ein Raum oh­ne Iden­ti­tät

Ein nüchterner Flur
Nutzfläche
Be­gin­nen wir bei uns: Der Flur ist in Deutschland zumeist ein lan­ger, meist schma­ler Kor­ri­dor mit Tü­ren rechts und links, zweck­mä­ßig und nüch­tern, als würde er einen auffordern, sich dort bitte nicht über einige Se­kun­den aufzuhalten. Sol­che Flu­re wir­ken wie eine lieblos ge­plan­ter Durchgang einer U-Bahn-Sta­ti­on. Sie ver­bin­den, haben aber kei­nen eigenen Wert.

Ab­stel­len dür­fen wir da höchs­tens irgendwo Schu­he oder Ja­cken, aber wehe, je­mand wür­digt nicht, dass die Schuh­ab­la­gen sym­me­trisch zur Gar­de­ro­be ste­hen! Doch die Architektur lässt oft wenig Spielraum für Experimente.

Und als ich ge­nau das bei der Bau­plan­be­spre­chung an­spreche, legt der deut­sche Ar­chi­tekt seine Stirn kunstvoll in Falten: „Der Flur ge­hört zur deut­schen Wohn­kul­tur. Er gibt Struk­tur. Ori­en­tie­rung!“


USA: Vom Wind­fang oder Veranda di­rekt auf die Couch

An­ders da­ge­gen un­se­re Freun­de in den USA, wo es oft kei­nen Flur gibt. Wir tre­ten ein und ste­hen — zack! — mit­ten im Ge­sche­hen. Eben über die Schwelle getreten, se­he ich auf So­fa und Küche. Als ich das mal einer fran­zö­si­schen Freun­din er­zählt ha­be, mein­te die nur: Ils n’ont pas hon­te?

Und ja, es ist ge­wöh­nungs­be­dürf­tig, und na­tür­lich ha­ben die Amis auch Din­ge zu ver­stecken. Das ers­te Mal, als ich in ein ame­ri­ka­ni­sches Haus kam, nahm mir die Gast­ge­be­rin Man­tel und Ruck­sack ab, die fand ich spä­ter auf dem Bett­überwurf im Schlaf­zim­mer wie­der, und rief jo­vi­al: Make your­self at home! Das ame­ri­ka­ni­sche "Ver­steck­gut" se­he ich spä­ter im Haus­wirt­schafts­raum: Vor­räte für zwei Wo­chen Ein­ge­schneit­sein in­mit­ten von Ka­li­for­nien, und ein Schuh­schrank stand im Durch­gang zur Ga­ra­ge. (An­de­re Din­ge wan­der­ten in be­geh­ba­re Kam­mern, the clo­sets.)

Das Kon­zept des of­fe­nen, flur­lo­sen Woh­nens hat was. Es ver­mit­telt Wär­me. Du bist so­fort will­kom­men. Kei­ne Tren­nung, kei­ne Über­gän­ge, ein­fach rein ins Le­ben.

Frank­reich: Die Wand­schrank-Oase


Und dann Frank­reich, das Hei­mat­land der pla­cards – die­se un­sicht­ba­ren Wand­schrän­ke, die je­den Flur, vie­le Bä­der und Zim­mer zur per­fek­ten Büh­ne ma­chen: Kein Schuh, kei­ne Jacke, weder Ta­sche, Ti­egel oder Wasch­ma­schi­ne stören die Ästhe­tik. Hin­ter den Schrank­türen, die wand­hoch fest mon­tiert sind, sind alle Sie­ben­sa­chen ver­bor­gen. Wun­derbar! Un­sicht­ba­res Cha­os!

Bei ei­ner Be­sich­ti­gung in Paris, es ging ei­gent­lich um ener­gie­ef­fi­zien­te Ar­chi­tek­tur, zeig­te mir ein Bau­lei­ter stolz die 15 Tü­ren ei­ner Wohn­ein­heit. Ich dach­te zu­nächst, ich hät­te mich in einen Show­room für Schrank­tü­ren ver­irrt. Aber nein, Wohn­flur mit Türen im Stil rustikaler Holzvertäfelung, die Küche mit neu­tra­len Tü­ren mit Lo­tus­ef­fekt, Spie­gel­tü­ren an Klei­der­schrän­ken, Ta­fel­far­be auf den Kin­der­zim­mer­tü­ren. C’est beau, c'est pro­pre !, warb er stolz, schön und sau­ber!

Wie an­ders als in Deutsch­land, wo wir für je­den Ge­gen­stand ei­ne an­de­re Lö­sung ha­ben: Gar­de­ro­be, Schuh­re­gal, Schlüs­sel­brett, Schirm­stän­der, Hut­ab­la­ge. Der Flur wird zum Mu­se­um des All­tags. Prak­tisch mag das sein, es ist aber we­der ele­gant noch putz­prak­tisch.

Fa­zit: interkulturelle Flurästhetik


Die Dis­kus­sion auf der Bau­stel­le en­det mit ei­nem Kom­pro­miss: Ein Flur in ame­ri­ka­ni­scher Luf­tig­keit, der durch (we­ni­ge) fran­zö­si­sche Wand­schrän­ke auf­ge­peppt wird, und mit deut­scher Zim­mer­tür: Als der ame­ri­ka­ni­sche Pro­jekt­ma­na­ger vor­schlägt, die Wand zwi­schen Flur, Ess­zim­mer und Wohn­zim­mer raus­zu­rei­ßen, erntet er ent­setz­tes Schwei­gen. Naja, kommt oh­ne­hin nicht in­fra­ge ­... tra­gen­de Wand!

Als Dol­met­scher­in auf dem Feld der kul­tu­rel­len Schnit­tmengen kann ich sa­gen: In den meisten deut­schen Fluren ist noch viel Luft nach oben, was die Gestal­tung an­geht (wenn sie nicht man­gels trocke­ner Kel­ler­räume zu­guns­ten ver­steck­ten Stau­raums für seltener genutzte Habseligkeiten ab­ge­hängt wur­den). Wir dür­fen dank An­re­gun­gen aus an­de­ren Län­dern unseren Nicht­ort Flur neu er­fin­den. Ich füh­le mich wohl als Ver­mitt­le­rin auch bei fas­zi­nie­ren­den ar­chi­tek­to­ni­schen Miss­ver­ständ­nis­sen, beschenkt und bereichert.

Was sagt Ihr? Lie­ben wir den Flur? Has­sen wir ihn? Oder ste­hen wir ein­fach nur drin, oh­ne zu wis­sen, war­um?

______________________________
Illustration: pixlr.com

Montag, 20. Januar 2025

Montagsschreibtisch (75)

Perückenkopf als Platzhalter
Bon­‍jour oder bon­soir auf den Sei­ten ei­‍ner Sprach­‍ar­bei­te­‍rin. In die­‍sem On­line­ta­‍ge­‍buch kön­‍nen Sie mit­‍le­‍sen, wie Dol­met­sche­rin­nen und Über­‍set­‍ze­‍rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­‍bei­‍ten. Und ei­‍ne neue Wo­‍che ...


... mit Blick auf den Schreib­‍tisch:

⊗ Nach­‍be­‍rei­‍tung Grü­‍ne Wo­‍che
⊗ Drei Kos­‍ten­‍an­‍ge­‍bo­‍te
⊗ Ter­‍min­‍pla­‍nung 1. Quar­‍tal
⊗ Bücher aus­‍mis­‍ten



______________________________
Foto:C.E. (Archiv)

Mittwoch, 8. Januar 2025

Wir sind keine "flexiblen Kostenfaktoren"

Als Kon­fe­renz­dol­metscher­in ist Fran­zö­sisch meine Haupt­ar­beits­spra­che, ich dol­met­sche in beide Rich­tun­gen (oder, was sel­te­ner vor­kommt, aus dem Fran­zö­si­schen ins Eng­li­sche). Deutsch ist meine Mut­ter­spra­che, da­her gilt für das Über­set­zen, den sprach­li­chen Trans­fer von Tex­ten, dass Deutsch die häu­figs­te Ziel­spra­che ist. Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche. Heu­te ein The­ma, das in­di­rekt mit der KI zu tun hat.

Frau am Schreibtisch
Sitz­fleisch
Noch bin ich offi­ziell nicht im Bü­ro zu­rück, er­hal­te aber schon ver­zweifelte An­ru­fe wie den ei­ner po­ten­tiel­len Kun­din, die einen Auf­tr­ag ver­ge­ben möch­te.

Der erste Blick
Es geht um ei­ne Zeit­schrift, ei­ne Mi­schung aus Kul­tur und Wirt­schaft, ich habe die Tex­te ge­se­hen, sie sind kom­plex und set­zen viel Re­cher­che vor­aus, denn die Be­grif­fe sind in den ver­schie­de­nen Wis­sen­schafts­be­rei­chen ein­deu­tig de­fi­niert. Für den an­spruchs­vol­len Text, et­was mehr als 100.000 An­schlä­ge, wur­de mir ein Pau­schal­be­trag von 1.700 € an­ge­bo­ten. Zu lie­fern wä­re in­ner­halb von 14 Ta­gen. Auf den ers­ten Blick klingt es nach ei­ner hübschen Sum­me. Ist es nicht, und viel Text für die knap­pe Zeit.

Der zwe­ite Blick: Dum­ping
Ein Blick auf die Zah­len zeigt, wie nied­rig die­ses Ho­no­rar ist. Der Text ist 100.000 An­schlä­ge groß, et­wa 67 Norm­sei­ten, gut 25 Eu­ro pro Sei­te für ei­nen schwie­ri­gen Text und Ter­min­druck ist un­ter­be­zahlt. Über­set­zen be­deu­tet nicht, ein­fach nur Wör­ter hin- und her­zu­schie­ben bei der Über­tra­gung von ei­ner in die an­de­re Spra­che. Wir über­set­zen auch im­mer das "Hin­ter­land" mit, die Be­grif­fe ha­ben je Spra­che an­de­re Be­zü­ge, Re­de­wen­dun­gen sind an­ders, kurz: Der Text soll sich am En­de so le­sen, als wä­re er in der Ziel­spra­che ge­schrie­ben wor­den. Bei Sach­tex­ten wie die­sem sind Fach­kennt­nis­se und Re­cher­che es­sen­zi­ell.

Für die­ses Ho­no­rar und den Zeit­rah­men müss­te ich mich aber be­ei­len, könn­te nur ober­fläch­lich oder gar nicht re­cher­chie­ren und den Text "rü­ber­pfu­schen", an­statt ihn sorg­fäl­tig zu be­ar­bei­ten.

Ver­gleich mit anderen Sachtexten
Nach dem Jus­tiz­ver­gü­tungs- und Ent­schä­di­gungs­ge­setz (JVEG), das für ge­richt­li­che oder ad­mi­nis­tra­ti­ve Über­set­zungs­tex­te gilt, liegt das Min­dest­ho­no­rar bei 1,80 Euro pro Normzei­le (55 An­schlä­ge). Für die­sen Text wä­ren das 3.274,20 Euro. Wegen Schwierigkeitsgrad und Zeitknappheit wäre das allerdings ein höherer Satz, das JVEG sieht 1,95 Euro je Normzeile vor, in Summe 3545,45 Euro. An­de­re Ab­rech­nungs­mo­del­le, et­wa nach Wort­an­zahl des Aus­gangs­tex­ts, sind eben­so ge­bräuch­lich: Bei 25 Cent pro Wort landen wir bei über 4.000 Euro. War­um er­war­tet hier je­mand, dass pro­fes­sio­nel­le Über­set­zer:in­nen hier für we­ni­ger als die Hälf­te ar­bei­ten?

Mythos "Kul­tur­be­trieb"
Buch- und Zeit­schrif­ten­ver­la­ge zah­len no­to­risch schlecht. Die freie Wirt­schaft, selbst im Mit­tel­stand, bie­tet oft dop­pelt so ho­he Ho­no­ra­re. Da­bei sind Über­set­zer:in­nen nicht ein­fach krea­ti­ve Ho­b­by­ist:in­nen, die ne­ben­bei ein we­nig dich­ten, son­dern hoch­qua­li­fi­zier­te Pro­fis, die von ih­rer Ar­beit le­ben müs­sen, nicht erst in Zei­ten der al­lge­mei­nen Teuerung.

Der Ver­gleich mit dem Ur­he­ber­recht macht die La­ge be­son­ders bri­sant: Über­set­zer:in­nen schaf­fen eben­so wie Au­tor:in­nen neue Wer­ke, ba­sie­rend auf dem Ori­gi­nal­text. Doch ei­ne fi­nan­zi­el­le Be­tei­li­gung am Er­folg des Werks wird uns oft ver­wei­gert. Das ist ein recht­lich frag­wür­di­ger Zu­stand. Vor al­lem bei Fach­tex­ten und Sach­bü­chern, die sich gut ver­kau­fen, ist dies ei­ne gän­gi­ge Pra­xis. Ge­wis­se Krei­se spa­ren an uns, de­ren Ar­beit das Fun­da­ment des ge­sam­ten Pro­jekts im Land der Zweit­ver­wer­tung bil­det.

So­li­da­ri­tät statt Un­ter­bie­tung ...
Dass sol­che An­ge­bo­te im­mer häu­fi­ger kom­men, ist kein Zu­fall. Es gibt lei­der im­mer wie­der Men­schen, die auf­grund fi­nan­zi­el­ler Nö­te ein sol­ches Ho­no­rar ak­zep­tie­ren müs­sen. Hier wird je­de Kri­tik schwie­rig. Aber es gibt auch den be­rühm­ten Fall Ehe­ge­spons von Staats­an­wält:in­nen oder Chef­chi­rurg:in­nen, Men­schen, sich lang­wei­len und sich so­gar ih­rer klei­nen Ne­ben­ver­diens­te rüh­men. Wer sich auf sol­che Be­din­gun­gen ein­lässt, scha­det dem ge­sam­ten Be­rufs­stand.

Un­se­re Ar­beit ist kein Ho­b­by
Die Wahr­heit ist: Nie­mand kann hoch­wer­ti­ge Tex­te für ei­nen Dum­ping­preis lie­fern. Über­set­zen ist kei­ne Fließ­band­ar­beit, son­dern ein schöp­fe­ri­scher Pro­zess. Es braucht Zeit, Wis­sen und Prä­zi­si­on. Wer die Über­set­zung ei­nes an­spruchs­vol­len Tex­tes so schlecht ver­gü­tet, si­gna­li­siert nur ei­nes: Un­se­re Ar­beit wird nicht ge­schätzt. An­ders als bei der "Er­fah­rung" mit der KI braucht Qua­li­tät ih­re Zeit. Wir ha­ben un­ser Hand­werk ge­lernt, meis­tens lan­ge studiert, Be­rufs­er­fah­rung ge­sam­melt. Wir sind kei­ne "fle­xi­blen Kos­ten­fak­to­ren", die nach Be­lie­ben kürz­bar sind.

Was nun?
Die Re­dak­teu­rin rühm­te die Hö­he des Ho­no­rars, und mein Kopf denkt: "Puh, die Gra­tis­kul­tur der KI hat ih­re Sin­ne ge­trübt!" Oh­ne, dass ich das aus­ge­spro­chen hät­te, mein­te sie al­len Erns­tes, sie wür­de den Text sonst mit­tels KI über­tra­gen und so ins Lek­to­rat schi­cken. Sie hat das wohl als Dro­hung ge­meint.

Ich bin nicht er­press­bar
Im Grun­de wä­re ein sol­cher Vor­gang fast wün­schens­wert, könn­te doch ein sol­cher Out­put den ent­spre­chen­den Ver­lag in ei­ne pein­li­che La­ge brin­gen, wenn Fach­tex­te plötz­lich vol­ler grob re­di­gier­ter Über­set­zungs­feh­ler ste­cken. Viel­leicht wür­den das dann an­de­re Me­di­en auf­grei­fen und die Ge­fah­ren der KI und des Preis­dum­pings wä­ren "Stadt­ge­spräch". Ich darf doch mal träu­men ...

______________________________
Il­lus­tra­tion: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Dienstag, 7. Januar 2025

Rückblick: zehn Jahre

Will­kom­men lie­be Le­se­rin, lie­ber Le­ser, auf den Sei­ten des ers­ten Web­logs, der im In­ne­ren ei­ner Dol­met­scher­ka­bi­ne oder am Über­set­zer­schreib­tisch entsteht. Eu­ro­pa lei­det noch heu­te an Hass und Ge­walt, ge­fühlt sind jetzt die li­be­ra­len De­mo­kra­tien von zwei Sei­ten in die Zan­ge ge­nom­men wor­den. Wir müs­sen ak­tiv un­se­re Frei­heit ver­tei­di­gen. La­chen hilft noch im­mer, Ängs­te zu über­win­den.

Schon seit zehn Jah­ren är­gert die Re­dak­ti­on von Charlie Hebdo im Him­mel die Is­la­mis­ten mit täg­lich, stünd­lich, ja mi­nüt­lich neu­en Ka­ri­ka­tu­ren. Das ist viel­leicht der ein­zi­ge Trost bei dem Dra­ma, das heu­te ge­nau ein Jahr­zehnt her ist.
CLOU (?) für Char­lie heb­do

Ver­schie­de­ne Ka­ri­ka­tu­ren hat­te ich da­mals über­setzt, hier die 1. Zeich­nung und dort die 3. Zeich­nung.

Le­se­em­pfeh­lung: Ro­my Stra­ßen­burg über ihr Jahr bei Char­ly Heb­do und ih­re Ge­füh­le heu­te.

______________________________
Il­lus­tra­ti­on: Char­lie heb­do, Ü: CE
Tags: #Je­Suis­Char­lie, #Ge­ne­ra­ti­on­Char­lie

Montag, 6. Januar 2025

Montagsschreibtisch (74)

Aus dem Ar­beits­all­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen be­rich­te ich hier, ge­nau­er: Hier schreibt ei­ne Dol­met­sche­rin mit Mut­ter­spra­che Deutsch. Ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Als Zeit­ge­nos­sin do­ku­men­tie­re ich im­mer auch ein we­nig un­se­re Epo­che. Blick auf den Schreib­tisch.

TV-Grafik: "L'amour toujour", der Untertitel: "l'amour toujours".
TV-Pro­gram­me sind stil­bil­dend
Heu­te kam die An­fra­ge rein, ei­nen eher über­sicht­li­chen fran­zö­sischen Ge­sell­schaf­ter­ver­trag durch­zu­se­hen, der mit­tel­s KI ins Deut­sche über­tra­gen wur­de. Ich ver­an­schla­ge ei­nen gan­zen Dol­metscher­ar­beits­tag und emp­feh­le, die Ver­sion noch von ei­nem Fach­an­walt ge­gen­le­sen zu las­sen, denn die Rechts­sys­te­me sind nicht deckungs­gleich.

Damit wird sogar ein zwei­tes Ho­no­rar fäl­lig. Bei ju­ris­tisch re­le­van­ten Tex­ten müss­te das selbst­ver­ständ­lich sein.

Im­mer häu­fi­ger se­he und le­se ich, dass die Men­schen da­mit eher lax um­ge­hen. Das ist ein Phä­no­men der Zeit. Die Ent­wick­lung wird so lau­fen: Ent­we­der be­kom­men wir bald al­les Ju­ris­tische auf Eng­lisch (oder auf Chi­ne­sisch), oder aber es wer­den über­all wie­der Pro­fis hin­zu­ge­zo­gen.

Auch an­de­ren Stel­len wün­sche ich mehr Feh­ler­be­wusst­sein. Im­mer häu­fi­ger fällt auf, dass in den öf­fent­lich-recht­li­chen Me­di­en auf Dol­met­scher ver­zich­tet wird. Die Leu­te müs­sen Eng­lisch spre­chen, so­gar bei Ar­te. Feh­ler sind pro­gram­miert. Un­e­le­gant ist es ohn­ehin. Ich er­in­ne ein wei­te­res Mal an Hans-Diet­rich Genscher (*), den ich 2010 ver­dol­met­schen durf­te. Zi­tat: "Auf Eng­lisch sa­ge ich, was ich sa­gen kann, aber in mei­ner Mut­ter­spra­che sa­ge ich, was ich sa­gen will."

Im­mer we­ni­ger Re­dak­ti­o­nen fra­gen nach (oder su­chen nach der In­fo im Netz), wie dies oder das nun wirk­lich ge­schrie­ben wird. An man­geln­der Kennt­nis des "Neu­lan­des" In­ter­net scheint es nicht zu lie­gen, schie­len doch ex­akt die­se von mir im­mer hef­tig als Maß­stab ver­tei­dig­ten Me­di­en bei der Be­set­zung von Mo­de­ra­to­ren­stel­len in Rich­tung In­ter­net.

Das ver­mut­lich be­kann­tes­te TV-Kul­tur­ma­ga­zin möch­te ei­nen frau­en­feind­li­chen In­flu­en­cer mit der Mo­de­ra­ti­on be­auf­tra­gen, weil es ein aus dem Netz be­kann­tes Ge­sicht ist. Lie­be An­stal­ten, er­laubt mir den et­was ba­sa­len Witz, der al­ler­dings ziem­lich treff­end ist: Das Wort In­flu­en­cer klingt sich nicht zu­fäl­lig ge­nau­so wie ei­ne kur­ze und hef­ti­ge Er­kran­kung. Al­so bit­te nicht. Auch das geht vor­bei.

Eine an­de­re TV-Mo­de­ra­ti­on be­rich­tet heu­te Mor­gen über die Ver­lei­hung der 82. Golden Globes und nennt sie den Auf­takt der "Ver­lei­hungs­sai­son". Da­hin­ter steckt der Be­griff award season. Das eng­li­sche Wort season be­deu­tet auf Deut­sch so viel wie "Jah­res­zeit". Wie wär's mit "Jah­res­zeit der Film­prei­se"? Die Os­cars wer­den am Sonn­tag, dem 2. März 2025, ver­ge­ben. Passt.

De­mi Moore, Preisträ­ge­rin der Golden Globes ap­pel­liert an uns, ihre Ge­schlechts­ge­nos­sin­nen, und der O-Ton da­run­ter ist noch gut zu hö­ren: put down the mea­su­ring stick. Der Re­por­ter über­trägt das wört­lich: die Frau­en mö­gen "die Mess­la­t­te bei­sei­te­le­gen".

Die Sen­der ha­ben ei­nen Bil­dungs­auf­trag, dem sie oft ge­nug mit zu sei­chen In­hal­ten nicht nach­kom­men. Zu kom­ple­xe Be­grif­fe schreck­en aber auch ab, ge­ra­de in der Kul­tur­be­richt­er­stat­tung. Ich fürch­te, dass die Ge­ne­ra­ti­on mei­nes Pa­ten­zieh­sohns das Wort "Mess­la­t­te" nicht mehr kennt. Die ein­fa­che­re Über­tra­gung wä­re al­so hier ge­we­sen: "sich nicht mehr mit an­de­ren (zu) mes­sen / zu ver­glei­chen".


Mein P.S. zur Il­lus­tra­tion: Zwei Tipp­feh­ler in ei­nem Bild, und zwar im sa­ti­ri­schen Jah­res­rück­blick der Sen­dung "Fron­tal": "sa­ti­risch" schreibt sich klein (und Men­schen (ver)­ler­nen auch durch Me­dien­kon­sum Recht­schrei­bung). L'amour tou­jours wur­de von der Per­son, die die Un­ter­ti­tel re­di­giert hat, rich­tig ge­schrie­ben, in der Fern­seh­gra­fik nicht. Den Jah­res­rück­blick von Wer­ner Doyé und An­dre­as Wie­mers kann ich sonst sehr emp­feh­len!

______________________________
Fo­to: Fron­tal (ZDF)
*: Hans-Diet­rich Gen­scher, dienst­äl­tes­ter
deut­scher Au­ßen­mi­nis­ter (1974 bis 1992)

Sonntag, 5. Januar 2025

Museumswochenende (1)

Spiegel in der Vitrine, Spiegelung eines Gesichts darin
Mein kri­ti­scher Blick aufs De­tail
Wie wir Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, ist seit 2007 Ge­gen­stand die­ses Web­logs. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, und die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Sonn­tags­fo­tos!

Was macht die Dol­met­sche­rin mit ei­nem ge­schenk­ten Wo­chen­en­de, ge­schenkt des­halb, weil kein Ter­min­druck mehr herrscht? Eine Freun­din be­su­chen (denn in der Woh­nung ist es kalt) und ins Mu­se­um ge­hen! Und Ge­gen­stän­de in der Vi­tri­ne se­hen, die frü­her bei der Oma in der Kom­mo­de wa­ren, ed­le Tei­le, die heu­te im Bank­schließ­fach si­cher ver­wahrt sind.

Ge­se­hen im "Deut­schen Le­der­mu­se­um" in Of­fen­bach, von links nach rechts, hier der An­fang der "Ob­jekt­schil­der" (le car­tel auf Fran­zö­sisch, ob­ject la­bel auf Eng­lisch):

— Abend­tasche, um 1910, Eu­ro­pa
— Zi­gar­ren­etui, um 1928, Of­fen­ba­cher Le­der­wa­ren
— Beu­tel, um 1840, Eu­ro­pa

Se­hens­wer­te Aus­stel­lun­gen zum The­ma Tas­chen und Le­der

______________________________
Fo­to: C.E.

Freitag, 3. Januar 2025

Stop and Go

Bon­jour auf mei­nen Web­log­sei­ten! Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin und ar­bei­te haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch und manch­mal auch mit Eng­lisch, wo­bei Deutsch mei­ne Mut­ter­spra­che ist. Der Be­ruf ist vol­ler Stress­mo­men­te. Auch ein Schnell­start von null auf hun­dert plus an­schlie­ßen­der Voll­brem­sung ist Stress. Der Um­gang da­mit will ge­lernt sein. Der Hin­ter­grund zur La­ge ist übri­gens mal wie­der die KI.

Spätschicht mit ehrenamtlichem Dolmetschen
Un­ter­schied­li­che Text­va­ri­an­ten ei­nes zu über­set­zen­den Tex­tes zu prü­fen und da­bei Un­stim­mig­kei­ten fest­zu­stel­len, so­was macht kei­nen Spaß. Der Aus­gangs­text, der das Ori­gi­nal sein soll, klingt stel­len­wei­se ko­misch, ist un­lo­gisch, weist ir­ri­tie­ren­de Un­re­gel­mä­ßig­kei­ten auf. Ich pro­bie­re "Über­set­zungs"­soft­ware aus. Hier­bei be­schrän­ke ich mich auf Ir­ri­tie­ren­des aus zwei Ab­sät­zen; der Text un­ter­liegt ja dem Ur­he­ber­recht, bei der On­line-­Text­ver­ar­bei­tung ist ja erst­mal nichts ge­klärt bzw. nicht über­prüf­bar.

Und ich ha­be prompt ei­nen Tref­fer. Der ver­meint­li­che fran­zö­sisch­spra­chi­ge Ori­gi­nal­text scheint auf Eng­lisch ge­schrie­ben wor­den zu sein. Wer macht so­was und war­um? Ich te­le­fo­nie­re mit der Pro­duk­tions­fir­ma. Ei­nen hal­ben Tag spä­ter ha­be ich die Ant­wort im Mail­brief­kas­ten: Der Au­tor hat in der Tat lan­ge in den USA ge­lebt und ein nord­ame­ri­ka­ni­scher Script doc­tor hat­te hier sei­ne Fin­ger im Spiel.

Das Buch ist gut. Die An­ga­ben, die der Ur­he­ber ge­macht hat, wer­den jetzt gründ­li­cher ge­prüft, denn es ist un­klar, wer hier noch mit­ge­schrie­ben hat, es geht auch hier um Ur­he­ber­rech­te. Mal se­hen, wie es ab Mon­tag wei­ter­geht.

______________________________
Foto: C.E.