Mittwoch, 29. November 2023

Bonjour ...

... und herz­lich will­kom­men auf mei­ner Blog­sei­te! Was Dol­met­scher und Dol­met­scherin­nen be­schäftigt, kön­nen Sie hier seit 2007 mit­lesen. Das Jahr geht in die Ziel­ge­ra­de ...

Dol­mets­chen bei Kon­gres­sen, für den Po­li­tik­be­trieb, auf De­le­ga­tions­rei­sen, bei ad­mi­nis­tra­ti­ven Vor­gängen, in der Kanz­lei oder im Kran­ken­haus, bei Werks­be­sich­ti­gun­gen und Hin­ter­grund­ge­sprä­chen — un­se­re Ein­sät­ze sind über­aus viel­fäl­tig.

Grüne Jalousien, grüne Vase, Garten mit Hortensien
Später Herbst
Da­bei über­tra­gen wir In­hal­te kon­se­ku­tiv (in Sprech­pau­sen hin­ein) oder si­mul­tan (na­he­zu zeit­gleich).
In den letz­ten Jah­ren sind wir im­mer öft­er auch online gefragt. Da diese Über­tra­gungs­art für alle an­stren­gen­der ist, klei­ne Mo­ni­tor­bil­der, ge­stauch­te und damit un­na­tür­liche Stim­men, Rau­schen oder Echos, sind die­se Ein­heiten meis­tens kür­zer als nor­ma­le Ein­sätze.

Zur Pla­nung Ihres Dol­metsch­be­darfs sind wir am bes­ten per Mail er­reich­bar.

Wir bie­ten keine Bü­ro­sprech­stun­den an, kön­nen uns aber für Kurz­be­spre­chun­gen in den Hof­gar­ten setzen (nicht im Foto). Wir freu­en uns auf Ihre An­fra­ge an info@adazylla.de!

Da wir nicht nur Spra­char­bei­terin­nen und Sprach­ar­beiter sind, son­dern auch Men­schen, die be­ob­ach­ten und die Zeit do­ku­men­tieren, in der wir le­ben, fin­den Sie auf den fol­gen­den Sei­ten mein mit­un­ter sub­jek­tiv ge­präg­tes Ar­beits­ta­ge­buch.

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Foto: C.E.

Museum der Wörter (34)

Hallo, hier bloggt ei­ne Sprach­ar­bei­te­rin. Ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (aktiv und passiv) und Eng­lisch (nur Aus­gangs­spra­che), die Büro­kol­legin über­setzt ins Eng­lische. 

Von ei­ner Fir­ma wurde ich ge­be­ten, et­was kor­rektur­zu­le­sen, was an­geb­lich von ei­ner Fach­frau über­tra­gen wor­den sein soll. Das The­ma:

            
                      W
andeltisch vs. Schwingtisch

Der Text geht in et­wa so: "Ein Klapp­tisch ist ei­nem Klapp­tisch sehr ähn­lich, al­ler­dings wer­den die Blät­ter hier von Tisch­bei­nen ge­tra­gen, die aus der Mit­te her­aus­schwin­gen, um die Flä­chen ab zu stüt­zen. Ein Klapp­tisch, bie­tet mit her­un­ter­ge­klapp­ten Sei­ten­flä­chen we­ni­ger Flä­che als ein Klapp­tisch."

Da war be­stimmt kein Pro­fi am Werk! Ob­wohl ich es schon weiß, schub­se ich die bits and bytes noch­mal durchs Sys­tem für den Be­weis, dass es ein KI-Tool war. Das Wort tool heißt 'Werk­zeug' und weist dar­auf hin, dass es einer mensch­li­chen Hand be­darf, um es zu führen.

Ich su­che dann für mich nach Be­grif­fen, auch in al­ten Fach­bü­chern, denn es geht um An­ti­qui­tä­ten.

Ich fin­de drop leaf ta­ble, das scheint der Ober­be­griff für Ti­sche zu sein, an de­nen die Ver­grö­ße­rungs­ele­men­te klap­p­bar sind. Stel­len wir uns ei­nen ecki­gen Tisch vor, an des­sen Sei­ten sich klei­ne ge­run­de­te Er­wei­te­run­gen run­ter- oder hoch­klap­pen las­sen, von um­leg­ba­ren Kei­len oder her­aus­zieh­ba­ren Stüt­zen ge­hal­ten; am En­de lässt sich an einem run­den Tisch Platz neh­men.

Gateleg table unter Ahnenportraits
Das be­schrie­be­ne Mo­dell ge­hört zu ei­ner Un­ter­ka­te­go­rie. Die Tisch­plat­te in der Mit­te scheint zu­sam­men­ge­schrumpft et­wa auf das Maß der Tisch­platte einer Kon­so­le. Ein sol­cher Tisch heißt auf En­g­lisch gate­leg ta­ble.
Die Bei­ne ste­hen kom­pakt in der Mit­te, da­her ent­steht von der Sei­te her vi­su­ell der Ein­druck ei­nes "Tors" (the gate). Meistens las­sen sich hier zwei Plat­ten­sei­ten aus­­klap­­pen die größer sind als die Flä­che der zen­tra­len Tisch­plat­te; um sie zu stüt­zen, gibt es he­raus­schwenk­ba­re Ex­tra­bei­ne. Und ja, sind die­se an den Kern her­an­ge­klappt, kann auch ich den mas­si­ven Ein­druck ei­nes al­ten, re­prä­sen­ta­ti­ven Stadt­tors er­ken­nen.
In mei­nem Foto­ar­chiv fin­de ich die pas­sen­de Bebilderung, al­ler­dings nur von der Vor­der­sei­te her ge­se­hen.

In­ter­es­sant, dass die­se Art Klapptische vor al­lem in en­glisch­spra­chi­gen Ge­gen­den be­kannt ist, in Eng­land zum Bei­spiel, wo ver­mut­lich schon län­ger häus­li­che Platz­not ge­herrscht hat. Auch die Amish peop­le bau­en sol­che Tische. Sie eig­nen sich sehr gut dort, wo nur sel­ten Gäste emp­fan­gen wer­den, und sie sind die Ur­ah­nen des aus Wolf­gang Beckers Film "Good bye Le­nin" wohl­be­kann­ten MuFuTis.

Auf Deutsch gibt es für die­se Ti­schart noch den Be­griff "Wan­del­tisch" oder "aus­klapp­ba­rer Bei­stell­tisch". Ti­sche wie der Gate­leg ta­ble, al­so je­ner mit den schwenk­ba­ren Bei­nen, wer­den auch "Schwing­tische" genannt.

Eine gänz­lich an­de­re Va­ri­an­te sind "Aus­zieh­ti­sche", auch "Ku­lis­sen­ti­sche" ge­nannt. Hier ist nicht die Thea­ter­ku­lis­se ge­meint, der Na­me kommt aus dem Fran­zö­si­schen, élé­ment cou­lis­sant, wört­lich: "ver­schieb­ba­res Teil".

Dem Kun­den habe ich emp­foh­len, die Ori­gi­nal­be­grif­fe zu ver­wen­den und sie kursiv oder in An­füh­rungs­zei­chen zu set­zen. Und vor al­lem die Web­sei­te pro­fes­sio­nell über­set­zen zu las­sen. Bin ge­spannt, ob da was nachkommt.


Vo­ka­bel­no­tiz DDR-Deutsch

Der MuFuTi Mul­ti­funk­ti­ons­tisch

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Foto:
C.E.

Dienstag, 28. November 2023

Arbeitsorte

Wie Über­set­zer:in­nen und Dol­met­scher:in­nen ar­bei­ten, er­fah­ren Sie auf die­sen Sei­ten. Sehr gerne ar­bei­te ich in Ca­fés, dort ist das Wel­trau­schen am bes­ten zu hö­ren, das mir hilft, so leicht wie mög­lich an die Ar­beit her­an­zu­ge­hen, über den Fak­ten zu schwe­ben ge­wis­ser­ma­ßen, eine Geis­tes­hal­tung, die ich für mei­ne Ar­beit so gerne ha­be.

Elegante Lady im Café hinter dem Laptop
Arbeiten im Café
Das durf­te ich be­schrei­ben, und zwar auf Ein­la­dung von An­drea Halb­rit­ter bei ei­nem Über­blicks­pos­ting meh­re­rer Kol­leg:in­nen zur Fra­ge der je­wei­li­gen Lieb­lings­ar­beits­or­te.

Und so geht der Text los:

"Wir Sprach­ar­bei­ter:in­nen sind Pro­fis in Sa­chen Ama­teu­ris­mus — und im Fach ‚un­nö­ti­ges De­tail­wis­sen‘. Wir kön­nen zu den .ab­surd­esten The­men fach­sim­peln. Wir eig­nen uns frem­de Zun­gen an, schrei­ben und spre­chen aus dem Schat­ten der Ku­lis­sen her­aus, schlüp­fen bei un­se­rer Ar­beit in die Rol­len je­ner, die im Licht ste­hen. Fürs Über­set­zen und Dol­met­schen brau­che ich eine be­son­de­re Geis­tes­hal­tung, die et­was Schwe­ben­des hat.

Ich hän­ge am Wort, darf mich aber nicht an ihm auf­hän­gen. Da­bei su­che ich Hin­ter­grün­de, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ab­sich­ten, An­läs­se für Wort­wahl und Fach­li­ches — und ich wech­se­le stän­dig die Per­spek­ti­ve."

Wei­ter geht's hier: klick!

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Illustration:
KI / Dall:e

Montag, 27. November 2023

Premiummarkt

Sie lesen hier einen Blog aus der Ar­beits­welt, genauer: aus dem All­tag einer Dol­met­scherin. Meine Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Büro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. In der Re­gel ar­bei­ten wir für Di­rekt­kun­din­nen und -kun­den.

"Ihre Ho­no­rar­vor­stel­lung über­steigt das Bud­get", schreibt mir eine Agen­tur, die mich für einen for­dern­den Ein­satz an­ge­fragt hatte. Die Wor­te 'Agen­tur' und 'Bud­get' ha­ben es in sich. Man­che Men­schen, die den Dol­metsch­markt nicht ken­nen, hal­ten Agen­tu­ren für das Pre­mi­um­segment.

Da­bei sind wir un­ab­hän­gi­gen Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen der Pre­mi­um­markt.

Zwei Dolmetscherinnen mit Kopfhörern, Mikrofonen und Computern, die aus einem Fenster auf den Konferenzsaal schauen (im Stil von Henri Matisse)
So "sieht" uns die KI, erneut im Stil von Henri Matisse

Ein "Bug­det" mag eine End­kun­din oder ein End­kun­de in der ei­ge­nen Kal­ku­la­ti­on ha­ben, hier aber han­delt es sich um den Satz, den die Agen­tur im Wett­be­werb mit an­de­ren ge­bo­ten hat — also mit uns Frei­be­ruf­ler:in­nen. Die Agen­tur hat die Aus­schrei­bung ge­won­nen, da sie mög­li­cher­wei­se un­se­re Ho­no­ra­re un­ter­bo­ten hat. Und nun fragt sie uns an, die frü­he­ren Kon­kur­ren­t:in­nen, ob wir be­reit sind, den Ein­satz für die Hälf­te bis zwei Drit­tel un­se­rer üb­li­chen Sät­ze zu er­le­di­gen. 

Die Preis­dif­fe­renz zum Preis­ge­bot ist die (nicht zu knap­pe) Ge­winn­mar­ge der Agen­tur, bei der die öko­no­mi­schen In­ter­es­sen im Vor­der­grund stehen. Das führt auch dazu, dass solche Fir­men bei Aus­schrei­bun­gen mit­bie­ten, auch wenn sie selbst kei­ne Dol­met­scher sind oder im Vor­feld über­prüft ha­ben, ob eine ihr be­kann­te qua­li­fi­zier­te Fach­kraft am fra­gli­chen Ter­min über­haupt ver­füg­bar ist.

Agen­tu­ren ver­fü­gen nicht, an­ders als es man­che Lai­en an­neh­men, über fest­an­ge­stell­ten Fach­kräf­te, die sie dann ent­sen­den, son­dern te­le­fo­nie­ren den Markt ab, um eine freie Per­son zu fin­den, die sie selbst oft nicht aus der Ar­beit kennen.

Es gibt in­zwi­schen nur noch we­ni­ge Dol­metsch­agen­tu­ren, die an­ders ti­cken, die selbst von ak­ti­ven Kon­fe­renz­dolmetscher:innen be­trie­ben wer­den und die ihre Kol­leg:in­nen gut behandeln. Die Bran­che ist nicht ge­setz­lich re­gu­liert, wes­halb es im In­ter­net­zei­tal­ter viel Wild­wuchs gibt.

Wir frei­be­ruf­li­chen Dol­met­scher:innen ken­nen in der Re­gel aus der Dol­metsch­ka­bi­ne jene, die wir in un­ser Netz­werk auf­neh­men bzw. von den en­gs­ten Kol­leg:in­nen ha­ben meh­re­re die Be­treff­en­den be­reits bei der Ar­beit erlebt. Die­ses "Koo­pta­ti­on" ge­nann­te Prin­zip führt in der Re­gel zu ho­her Qualität.

Im Wech­sel stel­len wir selbst re­gel­mä­ßig Teams zusammen. Auch das ist ein Grund, wes­we­gen Frei­be­ruf­ler:innen erst dann mit einem Preis­an­ge­bot auf An­fra­gen ant­wor­ten wenn klar ist, dass der Ter­min von Netz­werk­kol­leg:in­nen über­nom­men wer­den kann. Nor­ma­ler­wei­se sind wir beim Ein­satz mit von der Par­tie. Soll­te die Ar­beit über Ge­bühr auf­wän­dig sein, be­rech­nen wir den Ma­nage­ment­auf­wand üb­li­cher­wei­se ge­sondert, zie­hen das Ent­gelt für die­se Zeit da­für also nicht von den Ho­no­ra­ren der­je­ni­gen Dol­metscherkollegen und -kolleginnen ab, die schließ­lich dol­met­schen, denn das wäre nicht fair.

Un­ser Be­rufs­le­ben ist kom­pli­ziert ge­nug. Da hilft nur Klar­heit. Des­halb heu­te die­se Rich­tig­stel­lung. Sie fällt mir schwer, denn sol­che Zei­len sind ein Ritt auf Mes­sers Schnei­de und eine di­plo­ma­ti­sche Her­aus­for­de­rung.

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Foto:
Dall:e (OpenAI, korrigiert)

Samstag, 25. November 2023

Samstagsarbeit

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ich bin Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che und blogge hier seit 2007. Ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Heute drei Bil­der von mei­nem Ar­beits­tag als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin, Samstags­ar­beit, die in­ter­es­sant und wich­tig ist: For­schungs­tag eines Ver­eins.

Am Sams­tag ar­bei­tet der Groß­teil der Be­völ­ke­rung nicht, also sa­gen sich die Ber­li­ner Ver­kehrs­be­trie­be wohl: Heu­te bau­en wir und heu­te müs­sen lei­der mehr Bus­se aus­fal­len als sonst, tut uns leid, wir sind auch von der Grip­pe- und Co­ro­na­wel­le be­trof­fen. Die be­rich­ten­de Dol­met­sche­rin er­wägt erst kurz, das Rad zu neh­men, doch sind die ei­si­gen Tem­pe­ra­tu­ren nicht ein­la­dend. Also mit einer hal­ben Stun­de Puf­fer durch Ber­lin fah­ren und die dop­pel­te Zeit brau­chen bei je­der Stre­cke als das, was der Rou­ten­rech­ner der BVG an­gibt.

Die Kol­le­gin nimmt die S-Bahn an, und wir kom­men gleich­zei­tig an, nicht wie sonst drei­ßig Mi­nu­ten vor der Zeit, son­dern nur eine Vier­tel­stun­de frü­her. Da das Pu­bli­kum auch be­trof­fen ist, ver­spielt sich das Gan­ze.

Herz, in eine vereiste Autoheckscheibe gezeichnet, rennender Mann, Hülle mit Bleistiften
Essentielle Momente

Wei­ter­hin dol­met­schen wir auch Hy­brid­ver­an­stal­tun­gen. De­ren Zu­nah­me ist wohl ei­ne der dau­er­haf­ten Ver­än­de­run­gen, die die Pan­de­mie ge­bracht hat. Wir sit­zen im Ne­ben­raum des Events, das vie­le Pu­bli­kums­gäs­te an­zieht, et­li­che Re­fe­ren­t:in­nen haben wir vor Ort, an­de­re sind, wie ein Groß­teil der Hörer­schaft auch, zu­hau­se ge­blie­ben, ir­gend­wo auf der Welt.

In der Bild­mit­te, di­rekt un­ter dem Schild mit dem ren­nen­den Männ­lein, läuft Max, un­ser Ver­bin­dungs­mann zwi­schen Saal und un­s in der Au­ßen­welt, hin­ter den Re­fe­ren­t:in­nen her und über­bringt uns gleich ir­gen­dei­ne wich­ti­ge Nach­richt.

Au­ßer­dem hat der Tech­ni­ker al­le mög­li­chen Mo­men­te an­ti­zi­piert und Blei­stif­te für uns mit­ge­bracht; ein drit­ter Mit­ar­bei­ter reich­te uns Schmier­pa­pier an! Vie­len Dank da­für, denn wir no­tie­ren im­mer wie­der Fach­be­grif­fe, Zah­len, Ei­gen­na­men. Grin­sen durf­te ich über die­sen "me­cha­ni­schen Blei­stift", in der Packung dann kom­plett nor­ma­le Blei­stif­te. Ich habe me­cha­ni­cal pen­cil einst in den USA als 'Druck­blei­stift' ken­nen­ge­lernt. Die "Ge­­rä­te" hier hät­­ten auch 'ana­lo­­ge Blei­stif­te' hei­ßen kön­nen.

Für Ver­ei­ne, hin­ter de­ren Zwecken wir ste­hen, dol­met­schen wir re­gel­mä­ßig eh­ren­amt­lich oder wer­den als Trai­ner:in­nen tä­tig. Im­mer öf­ter wer­den zum Bei­spiel in der Ar­beit mit Ge­flüch­te­ten Lai­en­sprach­hel­fer:in­nen ge­sucht; wir Pro­fis füh­ren dann Men­schen, die ne­ben ih­rer Mut­ter­spra­che schon sehr gut Deutsch kön­nen, in die Schwie­rig­kei­ten der Auf­ga­ben ein, un­ter­stüt­zen das Be­grei­fen der Hal­tung, die un­se­rer ein­neh­men muss, er­läu­tern Me­tho­den, ge­ben Tricks an die Hand und be­glei­ten, be­treu­en Schul­ungs­ta­ge und ers­te Si­mul­tan­ver­su­che von (noch) nicht stu­dier­tem Nach­wuchs. Aus die­sen Ko­ope­ra­tio­nen sind über die Jah­re be­reits Kol­leg­:in­nen her­vor­ge­gan­gen, die dann die staat­li­chen Prü­fun­gen ab­ge­legt ha­ben, was uns stolz macht!

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Fotos: C.E.

Donnerstag, 23. November 2023

Neusprech

Sie lesen hier einen Blog aus der Ar­beits­welt, ge­nau­er: aus dem All­tag ei­ner Dol­met­sche­rin. Meine Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Neben der Ar­beit be­ob­ach­te ich meine Spra­chen.

"Wörter umschwirr'n mich wie Mücken das Licht"
An eine Sa­che wer­de ich mich nicht ge­wöh­nen, was "das Neusprech" der heu­ti­gen Zeit an­geht: Die vie­len Fehler und Be­grif­fe, die di­rekt auf die eng­li­sche Spra­che zu­rück­ge­hen. Als ich stu­diert habe, war das ver­pönt, auch und ge­ra­de in den Re­dak­tio­nen der Me­di­en­häu­ser, denn die­se wir­ken ja 'stil­bil­dend' für die Spra­che, die im All­tag als nor­mal emp­fun­den wird.
"Wir ha­ben ein The­ma mit jun­gen Män­nern, die sich ab­ge­hängt füh­len", hö­re ich im Deutsch­land­funk. Das The­ma geht hier auf the is­sue zu­rück, was so­wohl The­ma als auch Pro­blem be­deu­tet.

"Du hast da ei­nen wich­ti­gen Punkt" funk­t der Spie­gel-Po­d­cast, ger­ne auch ver­wen­det als "ei­nen Punkt ma­chen". Auch hier: di­rekt aus dem Eng­li­schen über­tra­gen. "Das hast Du rich­tig be­ob­ach­tet", wäre da ei­ne Mög­lich­keit.

"Der Sport be­ginnt mit ei­nem tol­len Er­folg |von| der deut­schen Mann­schaft", hö­re ich im ZDF. Mein Kopf hat of­fen­bar ei­nen ein­ge­bau­ten Rot­stift. Ist Berufsverbildung, défor­ma­tion pro­fes­sion­nel­le.

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Illustration und Silbentrennung
: OpenAI (korr.)

Freitag, 17. November 2023

Elternsache

Hallo, hier bloggt seit 2007 eine Über­set­ze­rin und Dol­met­sche­rin. Zum Jahres­en­de ha­be ich noch ei­ni­ge Ter­mi­ne frei, zwischendurch ge­hört diese Zeit der Fa­mi­lie, dem Zu­hau­se, den Bü­chern. Eine Sprach­ar­bei­te­rin bleibt auch pri­vat auf­merk­sam und ih­rem Ruf als Samm­le­rin treu.

Neu­lich wa­ren meine Schwes­ter und ich mit der Zweit­jüngs­ten der Familie in der Nach­bar­schaft un­ter­wegs. Dazu ist zu sagen, dass mei­ne Schwes­ter und ich ein­an­der sehr ähn­lich se­hen. Ein Kind, dem wir da­bei be­geg­net sind, fragte prompt sei­nen Pa­pa: "Hat das klei­ne Mäd­chen zwei Mut­tern?"

Draufsicht: Papa und Kind bauen eine Sandburg
Baumeister am Werk
Mut­ter ist im Deut­schen ein "Tee­kes­sel­chen", es gibt zwei Ho­mo­ny­me, gleich­klin­gen­de Be­grif­fe, die Un­ter­schied­li­ches mei­nen. Das Kind hat den Plu­ral von "Schrau­ben­mut­ter" er­wischt. Das war sehr lus­tig.

Und dann gibt es noch diese al­te deut­sche Aus­drucks­wei­se, die das "n" tat­säch­lich in Zusam­men­hang mit der Mutter ver­wen­det, der so­ge­nannten n-Er­wei­te­rung.

Bei­spiel: Mit "Fut­tern wie bei Mut­tern" warb vor zwan­zig Jah­ren eine Ber­li­ner Knei­pe in der Kreuz­ber­ger Berg­mann­straße. Und wer im Eltern­haus wun­der­bare Spe­zia­li­tä­ten der Fa­mi­lie ge­nie­ßen darf, der oder die wird bemut­tert, der da­zu­ge­hö­rende In­fi­ni­tiv heißt "bemut­tern".

Wer mehr da­zu er­fah­ren möch­te: Auf fast 80 Seiten hat der Germanist Ale­xan­der Wert der Uni­ver­si­tät Mar­burg viele De­tails zum Sprach­phä­no­men beschrie­ben, das der nie­der­deut­schen Gram­matik ent­lehnt wur­de und im­mer in Zusam­men­hang mit Heime­lig­keit, Zu­hau­se und sehr gutes Be­hü­tet­sein zu le­sen ist, hier der Link zum He­run­ter­la­den": klick!

Und wenn Pa­pa in der Bud­del­kis­te sei­ne Bau­her­ren­nei­gun­gen aus­to­bt, dann hat, in einer et­was alt­väter­li­chen Aus­drucks­wei­se, "Va­tern Hand an­ge­legt". Hier stimmt das "n", sie­he oben, und es gibt kei­nen ho­mo­ny­ma­len Aus­druck.

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Foto: C.E.

Donnerstag, 16. November 2023

Reisen mit Koffern

Episoden aus dem Ar­beits­all­tag einer Dol­met­scherin kön­nen Sie auf die­sen Sei­ten lesen. Meine Mut­ter­sprache ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die engli­sche Spra­che. Un­se­re Arbeit ist mit vie­len Rei­sen ver­bun­den. Bei al­lem Stress, den die no­to­risch ver­spä­te­ten Zü­ge ma­chen, hilft nur eins: La­chen.

Züge vor urbaner Silhouette, an der Fensterscheibe Regentropfen
Solange die Heizung läuft ...
Irgend­wo auf ei­ner der wei­ten Stre­cken, die ich re­gel­mä­ßig für die Ar­beit oder die Fa­mi­lie fah­re, tau­che ich aus tie­fen Ge­dan­ken auf, als ich fol­gen­de Durch­sa­ge hö­re: "Soll­te sich hier im Zug ein Fahr­gast be­fin­den, der ei­nen Ham­mer da­bei hat, so könn­ten wir Sie in Wa­gen Nr. 8 brau­chen."

Da darf ich an an­de­re Mo­men­te den­ken. Ein­mal hieß es: "Falls sich zu­fäl­lig im Zug ein Dol­met­scher be­fin­den, Sie wer­den in Wa­gen Nr. 3 ge­braucht." Die Spra­che hat­ten sie dum­mer­wei­se ver­ges­sen an­zu­sa­gen. Is klar, Dol­met­scher:in­nen kön­nen ja al­les, na­tür­lich, oh­ne Fra­ge. Ich bin hin und durf­te hel­fen, es ging um glo­bish Eng­lish, das war kein Pro­blem und die Sache we­ni­ger Mi­nu­ten.

Oder die­se Va­ri­an­te: "Soll­te im Zug eine Bahn­er­kol­le­gin oder ein -kol­le­ge in der Frei­zeit mit­fah­ren, ge­ben Sie sich bit­te dem Zug­be­glei­ter ge­gen­über zu er­ken­nen."

Das mit dem Kol­le­gen oder der Kol­le­gin hat­te auch ge­klappt. Da war de­nen je­mand aus den Latschen ge­kippt und sie dür­fen un­ter­halb ei­ner ge­wis­sen An­zahl von Mit­ar­bei­tern nicht wei­ter­fah­ren. Auf den Mann oder die Frau mit dem Ham­mer muss­ten wir et­was län­ger war­ten. Nicht je­der reist mit ei­nem Werk­zeug­ko­ffer.

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Foto:
C.E.

Mittwoch, 15. November 2023

Der Hop­plahoppismus

Wie Über­setzer:in­nen und Dol­metscher:in­nen ar­bei­ten, er­fah­ren Sie hier. Meine Ar­beits&spra­chen sind Fran­zö­sisch und Deutsch (Mutter&spra­che) so­wie Eng­lisch (als Aus­gangs&spra­che). Ich bin Teil ei­nes in­ter­na­tio­na­len Netz­werks, die Büro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche.

Straßenbahn­strom­kabel und Kon­dens­strei­fen im Him­mel, an­ge­schnit­ten das Dach ei­nes Alt­baus
Eines Mor­gens in Mitte

Er ist schon wie­der da, der ver­schärfte Hop­plahoppismus! Und ja, wir ma­chen auch Kom­pli­zier­tes mög­lich, denn ers­tens wol­len wir un­sere Kund:in­nen zu­frie­den­stellen, zwei­tens le­ben wir da­von.
Ein­schub zur Spra­che: Das Wort "Hop­plahoppismus" steht nicht im Du­den. Es lei­tet sich ab von dem Be­fehl "Hop­pla hopp!", der nach Zir­kus klingt. Er meint: "Los, spring schon durch den bren­nenden Rei­fen, Lö­we!"

Ge­rade ging eine Woche mit Fach­leuten aus der So­zialen Ar­beit zu­ende, schon ruft die Ha­fen­welt. Ei­gent­lich hätte ich eine Woche Pause ge­habt, die keine ist, aus­ruhen, Vo­ka­beln nach­tra­gen, denn nach dem Ein­satz ist vor dem Ein­satz, Kon­takte pfle­gen und mit freund­li­chen Nach­richten ver­sehen, Kos­ten­vor­an­schläge und Rech­nungen schrei­ben, die nächs­ten Mit­men­schen er­freuen und sich lang­sam, aber wirk­lich ganz lang­sam auf den nächs­ten Ein­satz ein­schwin­gen.

Lang­sam ist das Stich­wort, denn der Kunde einer Kol­le­gin brauchte zu viel Zeit, um auf ein An­ge­bot zu ant­wor­ten, sie hatte in der Zwi­schen­zeit wo­anders zu­gesagt und ich sprin­ge löwin­nen­gleich ein. Hinzu­kommt ein Tagm an dem ich einen an Co­vid-19 er­krank­ten Kol­le­gen er­set­ze. Mit Let­ze­rem geht es los, ich trage wei­ter­hin Mund-Na­sen-Schutz in den Öf­fis, in Nah- und Fern­ver­kehr, ein­fach, um die Ge­fah­ren zu ver­rin­gern und an je­nem Kran­ken­ersatz­tag auch au­ßer­halb der Ka­bine, will ja die dünne Per­so­nal­decke nicht wei­ter durch­löchern.

Viele von uns ro­tieren die­sen Herbst. Wir mer­ken, dass sich einige Kol­le­gin­nen an­dere Auf­ga­ben ge­sucht ha­ben und der Nach­wuchs es drei Jahre lang ul­tra­schwer hatte mit dem Be­ru­fseinstieg.

Ähn­li­ches hatte ich ja schon bei der Tech­nik be­merkt.

Et­li­che Tech­nik­fir­men muss­ten pan­de­mie- und im­mo­bi­li­en­spe­ku­la­ti­ons­be­dingt die Innen­stadt ver­las­sen, ha­ben da­bei den Be­stand ver­klei­nert und nun in der Herbst­sai­son nichts mehr übrig, wenn ein Kunde uns erst im letz­ten Mo­ment an­fragt. Wir be­hel­fen uns mit einem "Tourist Guide System", an dem mich nur stört, dass es mit Ein­weg­bat­te­rien ar­bei­tet. Zum Glück ha­ben wir viele Ter­mine in Mi­nis­te­rien und dür­fen dort die Ka­binen nut­zen. Und zum Aus­gleich werde ich et­li­che Bäume pflan­zen las­sen, denn wir sind ein um­welt­be­wusstes Netz­werk.

Der Hop­plahoppismus strengt trotz­dem an. Wir sind ja keine Lö­win­nen, die durch bren­nen­de Rei­fen sprin­gen. Im Zir­kus ist der­lei üb­rigens auch pas­sé. Oft geben un­se­re Kund:in­nen da nur die Hek­­tik wei­ter, die sie selbst er­­lei­den. Ich freue mich über und für alle, die lang­fris­tig pla­nen können.


Voka­bel­noti­zen
Die "Öf­fis" sind die öffent­lich-recht­lich fi­nan­zi­erten Ver­kehrs­mittel, auch ÖPNV ge­nannt, die Ab­kür­zung steht für 'öf­fent­li­cher Per­so­nen­nah­ver­kehr'.
ro­tieren — sich dre­hen, ein­an­der ab­wech­seln; hier: viel ar­bei­ten

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Foto:
C.E.