Freitag, 7. November 2025

Bonjour

... und herz­lich will­kom­men! Als erfahrene Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin („se­nior in­ter­pr­eter“) und Über­set­ze­rin bin ich seit bald 20 Jah­ren in Deutsch­land, Frank­reich und in an­de­ren Län­dern Eu­ro­pas tä­tig — meist mit Fran­zö­sisch und Deutsch als Ar­beits- und Ziel­spra­che. Als Teil ei­nes Netz­werks kann ich Ih­nen auch bei der Su­che nach Un­ter­stüt­zung in an­de­ren Spra­chen hel­fen.

Treppe, Jalousien, Fenster, Garten im Herbst
Herz­lich Will­kom­men!
Sie su­chen Kom­mu­ni­ka­tions­pro­fis fürs Dol­met­schen oder für schrif­tl­iche Ar­bei­ten? Nach vielen Jah­ren in Frank­reich und den ein­schlä­gi­gen aka­de­mi­schen Stu­dien sitze ich in der Fran­zö­sisch­ka­bi­ne. Schrift­lich ar­bei­te ich ins Deut­sche, auch aus dem Eng­li­schen.

Allein oder im Team be­glei­te ich De­le­ga­tio­nen und ar­bei­te auf Kon­fe­ren­zen, in Mi­nis­te­rien, Bot­schaf­ten oder am Film­set ... für Po­li­tik, Un­ter­neh­men und Pri­vat­leu­te.

Schwer­punk­te: Ak­tu­el­les, In­dus­trie, Wirt­schaft und Kul­tur, Land­wirt­schaft, krea­ti­ve Pro­jek­te, Ur­ba­nis­mus und Bau, Ener­gie und Me­dien so­wie Ki­no, vom Ex­po­sé über Dreh­buch und Pro­duk­tions­dos­sier bis zum Pres­se­heft. Ich tex­te auch.

Mit ei­ner ers­ten Kon­takt­mail an caroline@adazylla.de kön­nen Sie ei­nen te­le­fo­ni­schen Be­ra­tungs­ter­min ver­ein­ba­ren, um Ih­ren Be­darf ab­zu­klä­ren. (Ich ant­wor­te spä­tes­tens nach zwölf Stun­den.)

Ich bie­te an: Si­mul­tan (fast zeit­gleich), Kon­se­ku­tiv (zeit­ver­setzt), Flüs­ter- und Be­gleit­dol­met­schen, Büh­nen­dol­met­schen, Spre­cher­ka­bi­ne (Ton­auf­nah­men), Dia­log­Coa­ching für Film und Büh­ne, Fern­dol­met­schen.

Dol­met­schen lebt von Fach­kom­pe­tenz, Hin­ter­grund­wis­sen und Er­fah­rung. Ger­ne bin ich Ih­re Brü­cke zwi­schen der deutsch- und fran­zö­sisch­spra­chi­gen Welt — fle­xi­bel und punkt­ge­nau! Vor Ort oder mit On­line-Ex­per­ti­se: Mein Ein­satz ga­ran­tiert Ih­nen Ver­ständ­lich­keit oh­ne Miss­ver­ständ­nis­se.

Doch ge­na­u­so gern un­ter­stüt­ze ich klei­ne­re In­iti­a­ti­ven, per­sön­li­che Be­geg­nun­gen oder punk­tu­el­le Ein­sät­ze, denn auch bei die­sen sind Fin­ger­spit­zen­ge­fühl, gu­te Vor­be­rei­tung und ei­ne aus­ge­bil­de­te Stim­me ge­fragt.

Jetzt pla­nen — Er­folg si­chern!
Dol­met­schen ist mehr als Spra­che: Prä­zi­si­on, Kon­text, Wis­sen um Sprech­ab­sich­ten, Hin­ter­grund, Takt­ge­fühl und Er­fah­rung. Si­chern Sie sich mei­ne oder un­se­re pro­fes­sio­nel­le Un­ter­stüt­zung!

Herz­li­che Grü­ße,
Ca­ro­li­ne Eli­as

P.S.: Wir sind nicht nur Sprach­ar­bei­te­rin­nen und Sprach­ar­bei­ter, son­dern be­ob­ach­ten auch die Welt. Hier dür­fen Sie in mei­nem Ar­beits­ta­ge­buch mit­le­sen. Die­se Sei­te ist für das Web­la­y­out op­ti­miert, sonst dro­hen Text­pas­sa­gen hin­ter den Fo­tos zu ver­schwin­den.

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Fo­to: C.E.

Donnerstag, 6. November 2025

Festivalarbeit

Wie Simultan­dol­met­scher­in­nen und -dol­met­scher ar­bei­ten, ist seit 2007 Ge­gen­stand mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Mit der Mut­ter­spra­che Deutsch ar­bei­te ich u.a. auf Kon­fe­renz­en, bei Ver­hand­lun­gen, Dreh­ar­bei­ten oder Fes­ti­vals mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Ein Teil mei­ner Ar­beit be­steht aus Rei­sen.

Auf einen Sprung war ich für zwei Ta­ge in Cott­bus zum Dol­met­schen. Beim Check­in im Ho­tel: "Eli­as wie der Park oder wie von Ho­mer?" Das kann mir auch nur in Cott­bus pas­sie­ren. Und ja, die Vor­fah­ren wa­ren hier lan­ge an­säs­sig und in der Tex­til­in­dus­trie ak­tiv. Aber nie­mand mehr da. Link: Tuch­fa­brik C.S. Elias

In Cott­bus gibt es Ein-Frau-Bo­xen, sehr eng, gut ge­war­tete Tech­nik-Klas­si­ker, nur der Kopf­hö­rer tut weh, egal an wel­chem Spiel­ort. Jetzt, nach zwei Ta­gen mit je drei Fil­men bzw. Ter­mi­nen, ist mei­ne Stim­me leicht rei­be­i­sig, da­bei rau­che ich gar nicht. Oh­ne Spre­ch­aus­bil­dung je­den­falls wür­de ich sol­che Kraft­ein­sät­ze kaum be­ste­hen kön­nen.

Un­ter­schied­li­che Ar­beits­plät­ze in Cott­bus (Film­fes­ti­val)
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Fo­tos: C.E.

Dienstag, 4. November 2025

Unver­hoff­ter Dank

Hal­lo! Schön, dass Sie und Du hier mit­le­sen, auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Als Dol­met­sche­rin ist mei­ne Haupt­ar­beits­spra­che Fran­zö­sisch, denn ich dol­met­sche in bei­de Rich­tun­gen (oder aus dem Eng­li­schen ins Fran­zö­si­sche). Deutsch ist mei­ne Mut­ter­spra­che, schrift­lich die Ziel­spra­che. Mein Be­ruf bringt mich oft da­zu, über all­täg­li­che Ent­schei­dun­gen re­gel­mä­ßig nach­zu­den­ken.

Vie­le Wo­chen im Win­ter und im Som­mer und man­che Mon­ta­ge nach Fei­er­ta­gen oder Schul­fe­ri­en sind chro­nisch un­ter­bucht. Al­so ging's ges­tern in der Früh los zu ei­nem bei­na­he eh­ren­amt­li­chen Ein­satz.

Die Hän­de wan­dern ei­gen­stän­dig über die Tas­ten, der Kopf sucht nach Wör­tern, die Lip­pen jon­glie­ren Be­grif­fe, dann schal­te ich auf dem Mo­ni­tor zwi­schen Zu­hö­ren und Dol­met­schen und den Spra­chen hin und her. Ich hö­re bei ei­ner hy­br­i­den Kon­fe­renz Saal- und Re­mo­te-Teil­neh­mer:in­nen zu, spre­che nur bei Be­darf, das Event ist zwei­ein­halb­spra­chig, ich de­cke als Ein­zel­dol­met­sche­rin die Aus­nah­me­fäl­le ab.

Zwi­schen­durch schal­te ich brav auf ei­nem klei­nen Pult rum, an dem ich auch die Tö­ne pe­geln kann, ei­nen hal­ben Tag lang. Al­les läuft, wie es soll. Fast. Ir­gend­wann, die Mit­tags­pau­se ist schon lan­ge her, hö­re ich: „Wir ver­mis­sen un­se­re Dol­met­scher­in …!“

Wie bit­te? Ich bin doch da! Ich ha­be al­les so ge­macht, wie im­mer, aber of­fen­bar kommt kein Ton an. Das Sys­tem ist boc­kig. Auch beim zwei­ten und drit­ten Ver­such bleibt die Re­ak­ti­on aus. Der Mo­de­ra­tor, pro­fess­io­nell und ge­las­sen, schlägt ei­ne Kaf­fee­pau­se vor. Mit Blick auf die Uhr, nicht auf mich.

Der Kon­fe­renz­tech­ni­ker war nur kurz am Mor­gen da. Ich bin hier ganz al­lein auf wei­ter Flur. Und Flur ist hier wört­lich zu neh­men, ich sit­ze im Durch­gang zu den Toi­let­ten, akus­tisch vom Saal ge­trennt. Ne­ben­job: Zwei­te Ad­mi­nis­tra­to­rin die­ser Kon­fe­renz. Zum Glück kennt sich die „Haupt­ad­min­na“ und Chat-Mo­de­ra­to­rin bes­ser mit dem Sys­tem aus als ich. Sie kommt aus dem Saal ge­eilt, loggt mich aus, wie­der ein – und zack, schon läuft wie­der al­les.

Vie­le klei­ne Fens­ter, die Leu­te hal­ten sich Ge­gen­stän­der oder Pa­pier oder Blät­ter vors Ge­sicht und spie­len mit den Fens­tern.
On­line­kon­fe­renz mit Hu­mor


Nach der Pau­se bin ich wie­der live. Der Mo­de­ra­tor be­grüßt mich la­chend ins Mi­kro: „Ah, da ist un­se­re Dol­met­scher­in wie­der — wir hat­ten schon Angst, Sie hät­ten sich im welt­wei­ten Netz ver­irrt!“ Na ja. War ja nur ein klei­nes, we­der sicht- noch hör­ba­res Ab­tau­chen im Sys­tem, und zwar aus un­er­find­li­chen Grün­den.

Plötz­lich kommt die Chat-Mo­de­ra­to­rin zu mir zu­rück, hat die Ka­me­ra an­ge­macht, drückt auf den Licht­schal­ter im Flur­licht (drin­gend nö­tig) und sagt: „Darf ich Euch Ca­ro­line vor­stel­len, der wir heu­te die Ver­dol­met­schung ver­dan­ken?“ … dann sagt sie es auch noch ein­mal auf Fran­zö­sisch, wie es sich ge­hört.

Ich sit­ze da, ver­blüfft und kurz sprach­los. Die Ka­me­ra zeigt mich, die aus dem Funk­loch. Sze­nen­ap­plaus. Die Ka­chel­ge­sich­ter stra­hlen mich an und klat­schen wei­ter. Ich ni­cke und deu­te ei­ne Ver­beu­gung an, als stün­de ich auf ei­ner The­a­ter­büh­ne.

Fa­zit: Aus ei­ner Tech­nik­pan­ne wur­de ei­ne Dank­sa­gung. Wir ar­bei­ten meis­tens un­sicht­bar, und wenn un­se­re Ar­beit gut ge­macht war, ist sie nicht wei­ter auf­ge­fal­len.

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Fo­to: C.E. (Ar­chiv)

Montag, 3. November 2025

Montagsschreibtisch (114)

Sekretär mit Intarsien: Blumen
Fast schon Win­ter­blu­men


Bon­jour & he­llo! Her­zlich will­kom­men beim ers­ten deut­schen Dol­met­scher­web­log aus dem In­ne­ren der Dol­metsch­ka­bi­ne. Ich bin Dol­met­scher­in für die fran­zö­si­sche Spra­che, und ich über­set­ze auch.

Vor den Einsät­zen schrei­ben wir fleißig Kos­ten­vor­an­schlä­ge und brin­gen un­se­ren Wis­sens­stand à jour. Was liegt auf der Tisch­plat­te des Sek­re­tärs?
⊗ Kos­ten­vor­an­schlä­ge Ja­nuar bis Juli 26
⊗ Was­ser­ma­na­ge­ment
⊗ Untertitellektorat

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Fo­to: C.E. (Ar­chiv)

Freitag, 31. Oktober 2025

KI-Stuss

Hier ver­öf­fent­licht eine Sprach­ar­bei­te­rin Epi­so­den aus dem All­tag der Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen. Mei­ne Haupt­ar­beits­spra­che ist Fran­zö­sisch (in bei­de Rich­tun­gen). Deutsch ist mei­ne Mut­ter­spra­che. Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche. Holy crap!, das mit der KI wird im­mer schlim­mer.

Gruselig ...
Manch­mal nen­ne ich ihn Orange face, wir kön­nen ihn aber auch Kür­bis­kopf nen­nen. Ihr wisst schon, wen ich mei­ne, passt au­ßer­dem bes­ser zu Hel­lo­ween. Pump­kin head al­so war beim Arzt, und er hat an­schlie­ßend mit Jour­na­lis­ten dar­ü­ber ge­spro­chen: The doc­tor said [these were] some of the best re­ports for the age, die KI macht da­raus: "Der Arzt sag­te, es sei­en ei­ni­ge der bes­ten Be­rich­te für die­se Zeit."

Hä? Echt jetzt? Ich über­tra­ge: Der Arzt sag­te, es sei­en mit die bes­ten Er­geb­nis­se / Be­fun­de für die­se Al­ters­grup­pe ge­we­sen.

Und das war jetzt nur ei­ner von meh­re­ren Klop­pern. Zum The­ma schwe­re Krank­heit mein­te er: "I would have let you known negatively." KI: "... wür­de ich Ih­nen das ne­ga­tiv mit­tei­len." Meint: Wä­ren die Be­fun­de schlecht, wür­de ich Sie das wis­sen las­sen.

Bin ich froh, dass ich den nicht dol­met­schen muss. Mit sei­nem ein­ge­schränk­ten Vo­ka­bu­lar fällt das im­mer auf die Sprach­mitt­ler zu­rück. So schnell könn­te ich gar nicht von Ein­fach­spra­che ei­nen Winz­grad hoch­stu­fen, so dass bei­des OK ist, der Ori­gi­nal­ton nicht ver­ra­ten und das ei­ge­ne Image ge­wahrt ist.

Ab­ge­se­hen da­von kau­fe ich Orange face sei­nen ver­meint­li­chen Ge­sund­heits­sta­tus nicht ab. Ich schät­ze, dass er in ei­ni­gen Mo­na­ten tot ist oder auf im­mer hin­ter den di­cken Mau­ern des Wei­ßen Hau­ses un­sicht­bar ver­schwin­det. Und ich hof­fe, dass der Wi­der­stand ge­gen die Tech-Fa­schis­ten und die Ul­tra­li­be­ra­len bald ef­fi­zi­ent zu­sam­men­fin­det.

Und dass hier den Men­schen auch klar wird, was z.­B. die KI für ei­ne Pseu­do-Lö­sung ist. Und dass auch uns das "Pro­ject 2025" ge­sto­hlen blei­ben soll.

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Il­lus­tra­tion: Netz­fund

Museum der Wörter (44)

Bien­ve­nue auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Wie Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, kön­nen Sie hier in lo­ser Fol­ge mit­le­sen. Mei­ne Spra­chen sind Fran­zö­sisch und Eng­lisch (Letz­te­res nur als Aus­gangs­spra­che). Heu­te schau­en wir kurz ins Wör­ter­mu­se­um und be­wun­dern ein be­son­de­res Ex­po­nat!

Das Mu­se­um der Wör­ter heu­te mit ei­nem Bon­bon, das auf den zwei­ten Blick wun­der­bar ab­surd ist:

              
             
Deut­sche Reichs­bahn (DR)
 
Das Fo­to des Dop­pel­deckers un­ten stammt aus den 1930er-Jah­ren, auch wenn der Da­men­hut un­ten noch nach 20-er aus­sieht. Reichs­bahn, das be­zieht sich auf das Deut­sche Reich, so hieß der Na­tio­nal­staat zwi­schen 1871 und 1945 (Kai­ser­reich, Wei­ma­rer Re­pu­blik und das „Drit­te Reich“).

Doppelstock-Stromlinienwagen
Dop­pel­stock-Strom­li­nien­wa­gen (ver­mut­lich nach 1936)

Das nächs­te Fo­to sieht aus, als wür­de es ei­nen Zug-Old­ti­mer zei­gen, auf­ge­nom­men ir­gend­wann zwi­schen 1950 und 1990. Viel­leicht be­schreibt die­ser Satz die Ab­sur­di­tät ja ganz zu­treff­end.

Fahrt­un­ter­bre­chung

Denn die Deut­sche Reichs­bahn (DR) hat­te deut­lich län­ger Be­stand als das Deut­sche Reich: Die Reichs­bahn der DDR wur­de erst am 1. Ja­nu­ar 1994 mit der Deut­schen Bun­des­bahn (DB) zur „Deut­schen Bahn AG“ zu­sam­men­ge­legt.

Der Grund ist be­redt. Der öst­li­che Teil Deutsch­lands war ein Man­gel­staat, Ma­te­ri­al und Ar­beits­kräf­te wa­ren im­mer knapp. Erst die so­wje­ti­sche Be­sat­zungs­zo­ne, dann die DDR zahl­ten Re­pa­ra­tions­leis­tun­gen an die So­wjet­u­ni­on. Der Rumpf­staat mit sei­ner in Sach­sen weit ent­wic­kel­ten In­dus­trie war vom Ruhr­pott und da­mit der Stein­koh­le ab­ge­schnit­ten und muss­te gan­ze Bran­chen neu auf­bau­en. Vie­le Men­schen flo­hen, im Som­mer 1961 wur­de des­halb auch die Mau­er er­rich­tet.

Neue Wag­gons und Loks wur­den ge­baut, ge­stri­chen, al­te re­pa­riert, ge­stri­chen. Es gab nie ge­nü­gend Far­be und Ar­beits­kräf­te, um al­le Loks und Wa­gen auf ein­mal um­zu­la­ckie­ren. Ei­ne SVBD, ei­ne so­zia­lis­ti­sche Volks­bahn Deutsch­lands oder so­was in der Preis­la­ge, gab es nie.

Kei­ne Poin­te.

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Fo­tos: Ar­chiv Eli­as Los­sow

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Mix and match

Wie Sprach­pro­fis ar­bei­ten, ist seit 2007 Ge­gen­stand die­ses Web­logs. Ich bin Deutsch-­Mut­ter­s­prach­le­rin, ar­bei­te als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin mit Fran­zö­sisch und aus dem Eng­lischen, was wie­de­rum die Ziel­sprache der Bü­ro­kol­le­gin ist, die al­ler­dings text­ba­siert ar­bei­tet: sie über­setzt. Heu­te Di­ver­ses, das sonst nir­gend­wo rein­passt.

„K
ann bit­te mal einer das Licht an­ma­chen da drau­ßen?, fragt mich die Schreib­wa­ren­händ­le­rin, als ich am Mor­gen auf dem Weg zur Ar­beit ein Fäss­chen Tin­te kau­fe. Sie hat recht. Ho­he Zeit, dass die Ta­ges­licht­lam­pe wie­der auf den Ess­tisch kommt. Die mor­gend­li­che Licht­du­sche än­dert al­les.
⊕ Hier mein al­ter Text da­rü­ber: „Kunst­lich­ter­zeit“.

Google hat in sei­ner Such­funk­tion die KI ein­ge­baut, die jetzt bei je­der Such­an­fra­ge rö­delt. Ich kri­ti­sie­re das. In einer Stu­die hat die Eu­ro­pä­i­sche Rund­funk­u­ni­on her­aus­ge­fun­den, dass die meist­ge­nutz­ten KI-Chat­bots, al­lein ChatGPT wird je­de Wo­che von 800 Mil­lio­nen Men­schen welt­weit ge­nutzt, zu 40 Pro­zent fal­sche In­for­ma­tio­nen aus­speit. 30 Pro­zent sei­en frei er­fun­den. Die Ta­ges­schau, na­ment­lich Jörg Schieb (WDR), hat Mon­tag da­rü­ber be­rich­tet. Einen wei­te­ren gu­ten Hin­weis hat Schieb ge­lie­fert: Oft sei­en die Ant­wor­ten ver­al­tet, weil Sys­te­me oft ge­nug nur auf die Trai­nings­da­ten aus der Zeit ih­rer Ein­füh­rung Zu­griff hät­ten (also von 2022).
Was auch nicht OK ist: Vie­le Men­schen wol­len kei­ne KI-Er­geb­nis­se ha­ben, be­kom­men sie trotz­dem. Sie zu er­stel­len kos­tet Strom und Was­ser zum Küh­len.

⊕ Am En­de der Such­wör­ter -ki oder -ai ein­ge­ben und die Such­ma­schi­ne lässt sie weg (bis­lang nur bei Google ge­tes­tet).

Vor­letz­ter Werk­tag der Wo­che mit Re­tro­bil­dern, vor al­lem al­ten, ko­lo­rier­ten Fo­tos. Die KI macht das teil­wei­se ganz gut. Un­nö­tig ist es trotz­dem, ich hör' auch schon wie­der auf! Beim Foto ges­tern wa­ren bei ei­nem An­bie­ter al­le Schat­ten blau, was bei der Hand der Da­me auf dem Schreib­tisch aus­sah, als hät­te sie zu tief ins Tin­ten­fass ge­grif­fen.

Manch­mal mag ich sol­che Spiel­e­rei­en pa­ral­lel zum Hö­ren von Pod­casts zu ak­tu­el­len Ar­beits­the­men. Vor al­lem ha­be ich mei­ner Nich­te zur Ein­schu­lung ein Kin­der­buch ge­schenkt, in dem es um den Schul­an­fang vor 100 Jah­ren geht. Ei­ni­ge Bil­der ha­be ich ver­sucht, mit­tels KI zu ak­tu­a­li­sie­ren. Ich kann ak­tu­ell kei­ne Sei­te emp­feh­len.

Oben hat­te ich's ja schon vom Tin­ten­fass. Ich nutze im All­tag meis­tens ei­nen Fül­ler mit Pump­funk­tion, nur beim Dol­met­schen zie­he ich wei­che Blei­stif­te vor.
⊕ Fül­ler las­sen sich oft auch nach­rüs­ten, et­li­che Her­stel­ler bie­ten Pump­sys­te­me an. Das Plas­tik die­ser Tei­le wird zwar auch ir­gend­wann brü­chig, aber in Sum­me lan­det we­ni­ger da­von im Müll als bei Pa­tro­nen.

⊕ Echt­zeit­über­wei­sun­gen müs­sen jetzt al­le Ban­ken an­bie­ten und sie sind seit An­fang Ok­to­ber gra­tis!

⊕ Ent­deckt im Rah­men der Be­treu­ung ei­ner de­men­ten Per­son: Wenn Sie Klas­sik per YouTube hö­ren möch­ten, nervt die Wer­bung. Vor al­lem ein de­menz­kran­ker Mensch kann gar nichts da­mit an­fan­gen. Ich ha­be ei­nen Brow­ser, der Duck­Duck­Go heißt und Da­ten­schutz liebt. Wenn ich in die­sem YT auf­ru­fe, geht der „Duck Pla­yer“ an und bringt das Ge­wünsch­te oh­ne Wer­be­un­ter­bre­chun­gen.

⊕ Und soll­ten Sie an ei­ner Tel­ko per In­ter­net teil­neh­men oder an ei­ner Vi­deo­kon­fe­renz, die viel­leicht auch ver­dol­metscht wird, den­ken Sie bit­te an die Ba­sics! Seit Co­ro­na ha­ben so vie­le Leu­te die­se Re­geln schon wie­der ver­ges­sen: gu­te Kopf­hö­rer, gu­tes Mi­kro­fon, set­zen Sie sich in ei­nen klei­nen Raum, der nicht hallt und neh­men Sie am Test­lauf teil. Die Oh­ren al­ler wer­den es Ih­nen dan­ken. Link: „Sound­check“.

Ein et­was an­de­res "Klas­si­ker­zi­tat"
⊕ Heu­te muss­te ich den Ein­satz ab­ge­ben, der mit ei­ner Schluss­for­mel ge­en­det hat, die of­fen­sicht­lich in vie­len Jahr­zehn­ten kaum ver­än­dert wur­de, siehe Grafik.

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Il­lus­tra­tion: Netz­fund

Mittwoch, 29. Oktober 2025

Fußnoten

Wie Sprach­pro­fis ar­bei­ten, ist seit 2007 Ge­gen­stand die­ses Web­logs. Mei­ne Mut­ter­sprache ist Deutsch, ich ar­bei­te meis­tens als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. KI-Mitt­woch! Ei­ni­ge der The­men hat­te ich schon mal ge­bracht. Mit Ver­laub, die KI ist die grö­ße­re Wie­der­käue­rin!

Pas­send zu mei­nen Ideen, die ich Pro­jekt Bil­dungs­re­pu­blik 2030 nen­nen wür­de, sie­he ges­tern, heu­te nur ei­ni­ge Fuß­no­ten.

Frau am Schreibtisch, junges Mädchen am Aktenregal
Bü­ro mit Prak­ti­kan­tin (1925)

Ers­tens: Be­hin­de­rung be­ruf­li­cher Ent­wick­lung. Durch die KI gibt es im­mer we­ni­ger Ein­stiegs­stel­len für Ab­sol­vent:­in­nen. Das ist ver­hee­rend, denn um zu Ex­zel­lenz zu ge­lan­gen, brau­chen die Men­schen nun ein­mal Rou­ti­ne und müs­sen Grund­la­gen­wis­sen ler­nen. Kom­ple­xe Fä­hig­kei­ten brau­chen Zeit, auch das Wis­sen dar­um, wie Struk­tu­ren auf­ge­baut sind und wie Kom­mu­ni­ka­ti­on in ei­nem Netz funk­tio­niert.

Zwei­tens: Fal­sche Er­war­tun­gen. Das Pu­bli­kum nimmt die Aus­wür­fe der KI eher für ba­re Mün­ze, für ob­jek­ti­ve In­hal­te, für Wahr­heit. Al­ler­dings stimmt die­se Er­war­tung nicht mit den Tat­sa­chen über­ein. KI-Chat­bots wie ChatGPT sind Sprach­mo­del­le und kei­ne Fak­ten­prü­fer. Auch sie fin­den manch­mal das Ge­such­te nicht, oder ih­nen ist der Kon­text un­klar. Auf­grund ih­rer Pro­gram­mie­rung kön­nen sie nicht nicht ant­wor­ten.

Des­halb pro­du­zie­ren sie so­ge­nann­te „Hal­lu­zi­na­ti­o­nen“, al­so Ant­wor­ten, die plau­si­bel klin­gen, aber falsch sind. So­gar Ent­wick­ler kön­nen nicht er­klä­ren, wie es da­zu kommt. Es gibt Mil­li­ar­den von Pa­ra­me­tern. Un­klar, wo­raus und nach wel­chen Be­wer­tun­gen die KI die Ele­men­te ih­rer Ant­wor­ten zu­sam­men­sucht, war­um sie auf was zu­rück­greift.

Wie hier schon wie­der­holt ge­schrie­ben, ba­siert die KI nicht auf Wahr­heit, son­dern auf Wahr­schein­lich­kei­ten. Wenn sie nicht das Ge­such­te fin­det oder ein­fach nur der Kon­text un­klar ist, füllt sie die Lü­cken mit In­hal­ten, die sie sich selbst zu­sam­men­ge­rei­mt hat. Man­che Trai­nings­da­ten wa­ren Pseu­do-In­for­ma­ti­o­nen, in­zwi­schen wird auch „Hal­lu­zi­nier­tes“ als „frisches, ech­tes Aus­gangs­ma­te­ri­al“ ver­stoff­wech­selt. Die Schlan­ge beißt sich in den Schwanz.

Drit­tens: Die KI als Da­ten­dieb. Den größ­ten Raub­zug in der Ge­schich­te geis­ti­gen Ei­gen­tums er­le­ben wir seit Neu­em und täg­lich aufs Neue. Nie­mand der Ur­he­ber:­in­nen wur­de für die Nut­zung der Tex­te ver­gü­tet. Auch die Dok­tor­ar­bei­ten mei­ner Schwes­ter und mei­nes Va­ters ha­be ich in Lis­ten von il­le­gal An­ge­eig­ne­tem ge­fun­den.

Vier­tens: Mög­li­che Ver­en­gun­g der Ant­wor­ten. Au­gen­fäl­lig sind die­se Ver­zer­rung­en bei Fra­gen zu Schwel­len­län­dern, zu Frau­en­rech­ten, zu mar­gi­na­li­sier­ten Ge­schichts­the­men. Die ganz of­fi­zi­el­len, west­li­chen Da­ten­quel­len do­mi­nie­ren das Trai­nings­ma­te­ri­al. Die KI-Text- und Bild­pro­duk­ti­on re­pro­du­ziert viel­fach über­kom­me­ne Mus­ter.

Fünf­tens: Ak­tu­el­le Lü­gen und Ma­ni­pu­la­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Und jetzt sind wir in den News un­se­rer Zeit. Wenn der mäch­tigs­te Mann der Welt, ein Mann im Ren­ten­al­ter, des­sen ei­ne Ge­sichts­hälf­te wie nach ei­nem leich­ten Schlag­an­fall oft hängt, der vor sich hin brab­belt wie ein De­menz­pa­tient und der dar­über hin­aus, von rein pri­va­ten In­te­res­sen ge­steu­ert, auch be­wusst De­sin­for­ma­tio­nen in die Welt setzt (oder sein Um­feld), wenn wir es al­so mit ei­ner Welt zu tun ha­ben, in der Lü­gen im­mer öf­ter coram publico zu hö­ren sind, wer­den auch die KI-Chat­bots mehr lü­gen. Ei­gent­lich lo­gisch, oder?

Folgt ei­ner der Kern­punk­te, wes­halb wir der KI nicht so viel Macht ge­ben dür­fen: Wer wählt wel­ches Trai­nings­ma­te­ri­al aus, wer ver­bie­tet even­tu­ell wel­che Wör­ter, zwingt ihr be­stimm­te De­fi­ni­tio­nen auf? Ei­ner die­ser Tech-Bros aus den USA grün­det jetzt ei­nen „Er­satz“ für Wi­ki­pe­dia, weil Letz­te­res sich nicht auf­kau­fen und be­herr­schen lässt. Die KI in ih­re Schran­ken zu wei­sen, kla­re Ge­set­ze und Re­geln ein­zu­füh­ren, aber auch Kon­trol­le und Be­steue­rung der Un­ter­neh­men, die sie be­trei­ben, sind ak­ti­ver Schutz der De­mo­kra­tie.

Résumé: Bil­dungs­re­pu­blik Deutsch­land 2030. Fact-Check­ing, Quel­len­re­cher­che und das Er­ken­nen von Fakes wür­den Schul­fä­cher im Pflicht­ka­non wer­den.
Und die wehr­haf­te De­mo­kra­tie darf die Da­ten nicht ver­ges­sen.

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Fo­to: Ar­chiv Eli­as Los­sow; links oben
ist Graf Zep­pe­lin ab­ge­bil­det.

Dienstag, 28. Oktober 2025

Wandel

Bonj­our & hel­lo! Ich bin Dol­met­sche­rin Deutsch–Fran­zö­sisch mit Eng­lisch als Aus­gangs­spra­che. Mei­ne Ar­beit führt mich zu Kon­fe­ren­zen, über Kul­tur­events und mit De­le­ga­tio­nen quer durch Deutsch­land und fran­zö­sisch­spra­chi­ge Län­der und die wich­tigs­ten The­men un­se­rer Zeit. In mei­nem Blog le­sen Sie von den Mo­men­ten, die Sprach­ar­beit so span­nend ma­chen. Ein Sprich­wort weiß: „Es gibt zwei op­ti­ma­le Mo­men­te für das Pflan­zen ei­nes Bau­mes: Vor 20 Jah­ren und heu­te.“
Knorrige Wurzeln, Baumstamm, Blätter, Ufer, Schiff, Wasser
Ufer­baum mit Wur­zeln und Res­tau­rant­schiff

Ein Sprich­wort weiß: „Es gibt zwei op­ti­ma­le Mo­men­te für das Pflan­zen ei­nes Bau­mes: Vor 20 Jah­ren und heu­te.“

Der­zeit Bü­ro­ar­beit: Als Dol­met­sche­rin, die ei­ner Aus­lands­kor­res­pon­den­tin zu­ar­bei­tet, de­ren Deutsch noch nicht ganz auf der Höhe ist, manch­mal ge­be ich auch Un­ter­richt, er­klä­re ich oft Din­ge, die sich kaum er­klä­ren las­sen. Deutsch­land ist das be­rühm­te Land der In­ge­nieur:in­nen, der Ra­tio, der Ef­fi­zi­enz. Da­bei gibt es ge­ra­de ein so ganz an­de­res Bild ab. Das Bahn­dra­ma stellt die Jour­na­lis­tin vor ein nicht auf­lös­ba­res Rät­sel. Sie hat­te da­mit ge­rech­net, dass Zü­ge hier mit der Pünkt­lich­keit ei­nes Schwei­zer Uhr­werks ab­fah­ren und an­kom­men. 

Que nen­ni, aber nicht doch! Ich er­klä­re, was da­mals bei der ge­plan­ten Pri­va­ti­sie­rung pas­siert ist. Dass auf Un­ter­neh­mens­be­ra­ter, die vom Bahn­ge­schäft kei­ne Ah­nung hat­ten, mehr ge­hört wur­de als auf Bahn­mit­ar­bei­te­r:in­nen. Dass der Bör­sen­gang we­gen der Kri­se am Neu­en Markt ge­platzt ist und wie sich dann die Ar­beits­ab­läu­fe auch für Lai­en er­kenn­bar ver­schlech­tert ha­ben. Wir wer­fen ei­nen kur­zen Blick nach Eng­land, wo der Staat die Ei­sen­bah­nen zu­rück­kauft. Wir spre­chen auch über ak­tu­el­le De­bat­ten und Stim­mun­gen. Manch­mal hilft mir mei­ne Ost-West-Ver­gan­gen­heit. Oft schüt­te­le ich selbst nur mit dem Kopf.

Öko­no­misch ist klar: Wer wei­ter auf um­welt­schäd­li­che Stoffe setzt, zahlt am En­de drauf. An­de­re Län­der zei­gen, dass Wan­del funk­tio­niert — durch For­schung, CO₂-Spei­che­rung, An­pas­sung, In­ves­ti­tio­nen. Das Glei­che gilt für an­de­re schäd­li­che Sub­stan­zen, ich sa­ge nur Ag­rar­in­dus­trie. Deutsch­land leis­tet Straf­zah­lun­gen an die EU we­gen der Was­ser­ver­schmut­zung. Der Auf­schlag der Tran­si­tion ist ge­macht. Bei Mes­sen und Märk­ten drau­ßen „im Feld“ sa­gen gro­ße Tei­le der Wirt­schaft: It's uns­top­pa­ble!

Wie trau­rig, dass die Po­li­tik der­zeit nur den Stamm­tisch zu be­die­nen scheint, der Angst vor Ver­än­de­run­gen hat. So scheint auch das Wort Re­si­lienz hier­zu­lan­de ein Wort aus ei­ner frem­den Spra­che zu sein. Ha­ben wir al­le aus den Co­ro­na­eng­päs­sen nichts ge­lernt, trotz der lau­ten Be­teue­run­gen da­mals?

Nach der hit­zi­gen De­bat­te um Zu­wan­de­rung wä­ren ru­hi­ge, mul­ti­la­te­ra­le Ge­sprä­che nö­tig. Mit Schlag­wor­ten und Kli­schees lässt sich kei­ne Zu­künf­t ge­stal­ten. Die Stadt­ker­ne ver­fal­len zu­seh­ends; die Grün­de sind viel­fäl­tig: On­line­ein­käufe, über­teu­er­te Miet­vor­stel­lun­gen, leer­ste­hen­de Bü­ros.

Als Dol­met­sche­rin bin ich oft mit die­ser Fra­ge im Ge­päck ge­reist. Die Maß­nah­men zur Wie­der­be­le­bung sind gar viel­sei­tig. Es gibt gu­te Er­fah­rung­en: Vie­le der auf­ge­ge­be­nen La­den­ge­schäf­te Neu­köllns wur­den in den Nuller­jah­ren durch Quar­tiers­ma­na­ge­ment­bü­ros an in­te­res­sier­te Mie­ter:in­nen ver­mit­telt, die sie dann z. B. für ein Jahr­zehnt zu ver­güns­tig­ten Kon­di­tio­nen nut­zen kon­n­ten. Da­durch wurd­e das Vier­tel für neu­e Mie­ter:in­nen­schich­ten in­te­res­sant. (Die an­schlie­ßen­de Preis­ex­plo­sion geht auf die Kap­pe der Bör­sen­kri­se 2008 und die Flucht ins „Be­ton­gold“.)

Wir bräuch­ten in der Ge­sell­schaft ei­nen Wett­be­werb der Ideen und Pro­jekte für ma­xi­malen Zu­sam­men­halt, statt­des­sen er­leben wir Blo­cka­den. Überall fehlt es an Woh­nun­gen, Struk­tu­ren, So­zial­ar­beit, aber auch an Diskussionsräumen. Frank­reich hat Er­fah­rung mit tiers-lieux, Dritt­or­ten, die Ge­mein­schaft, Kul­tur und Wirt­schaft ver­bin­den. Sie be­le­ben In­nen­städ­te, för­dern Dia­log und schaf­fen Be­geg­nung. Da­bei gilt: klei­ne Mit­tel, gro­ße Wir­kung.

Bau­ge­setze las­sen sich nach­schär­fen. Vor­schlag: keine Bau­rechts­ver­ga­be ohne das, was die „Ber­li­ner Mi­schung“ hei­ßen könn­te, ma­xi­mal ein Drit­tel Ei­gentum, ein Drit­tel frei ver­miet­bar, ein Drit­tel auf ewig preis­ge­bun­den im ein­fa­che­ren Seg­ment bei auch schlich­te­rer Aus­stat­tung UND DA­ZU klei­nere Woh­nun­gen im Erd­ge­schoss, die auch mit Mo­bi­li­täts­ein­schrän­kun­gen al­lein be­wohn­bar sind, eben­falls für im­mer 'be­zahl­bar'.

Exis­tie­ren­de Bau­ge­setze las­sen sich nut­zen, z.B. bei ver­wahr­lo­sten Ge­bäu­den. Das is im Stra­ßen­bau gang und gäbe: En­tei­gnung zu­guns­ten der All­ge­mein­heit. Dann wä­ren Stif­tun­gen und ge­mein­nütz­ige Ge­sell­schaften, Be­rufs­fach­schu­len und ört­liche Hand­wer­ker für die Re­kons­truk­tion ein­zu­bezie­hen. In­dem sich die Zi­vil­ge­sell­schaft en­ga­giert, be­trach­tet sie am Ende den ge­ret­te­nen Bau als Ort der Ge­sell­schaft und bil­det neue Bil­dungs- und Dis­kussi­ons­räume, aus de­nen Neu­es er­wächst. Das sind „Drit­te Or­te“.

Die Fo­kussi­erung des Blicks auf ein­zelne Per­so­nengr­up­pen und Probleme macht an­dere un­sicht­bar. Da­bei braucht das Land Zu­wan­de­rung, und Ef­fi­zienz im Um­gang mit Men­schen, de­nen Deutsch­land lange Asyl ge­bo­ten hat, an­stelle von Sym­bol­po­li­tik.

Nach 2015 ha­be ich im Rah­men von psy­cho­lo­gi­scher Kri­sen­inter­ven­tion ge­dol­met­scht. Wir sind an un­sere Gren­zen ge­sto­ßen, denn es war rasch klar: Die Pro­ble­me sind grö­ßer als das, was sich im Eh­ren­amt lö­sen lässt. „Wer A sagt, muss auch B sa­gen!“, lau­tet das Sprich­wort. B kam nie, schwer ver­zei­hliche Un­ter­las­sungen, ein we­nig wie bei der schlepp­en­den In­te­gra­tion der Ge­flücht­eten aus Schlesien, Pom­mern und Ost­preu­ßen, die einst auch von der an­säs­sigen Be­völ­ke­rung schlecht­ge­macht wur­den. Das war schon da­mals of­fen­sicht­lich.

Will Deutsch­land sei­ne Po­si­tion hal­ten, müs­sen wir das gründ­lich än­dern. Laut ei­ner Stu­die der Ber­tels­mann-Stif­tung braucht Deutsch­land ho­he Ein­wan­de­rungs­zah­lun­gen, die jähr­li­che Net­to­zu­wan­de­rung von 346.000 bis 533.000 Men­schen wird ge­nann­t, um den Ar­beits­kräf­te­be­stand kon­stant zu hal­ten. Auch wenn die di­gi­tale Re­vo­lu­tion zu we­niger Ar­beits­kräf­te­be­darf in der Fer­tigung füh­ren wird, geht kei­ne an­dere der Schätz­un­gen von Zah­len un­ter 200.000 Men­schen aus.

Ein rie­si­ges, kaum be­acht­etes Po­ten­zial sind zu­dem die jun­gen Leu­te am Ran­de der Ge­sell­schaft, egal, ob al­tein­geses­sen oder neu hier. Sie wach­sen meist beengt auf, oh­ne Rück­zugs­raum zum Ler­nen. Wir brau­chen gro­ße Pro­gramme, die Bil­dungs­auf­stieg wie­der mög­lich ma­chen. In Deutsch­land wer­den Reich­tum und Ar­mut ve­rerbt. Das gilt auch für Bil­dungs­reich­tum und -ar­mut.

„Au­gen auf beim El­tern­kauf“, reicht nicht aus.

Gro­ße, also rich­tig gro­ße Sor­gen macht mir der Ima­ge­scha­den, den Deutsch­land der­zeit nimmt. Die Kor­re­spon­den­tin kam mit dem Bild ei­nes klu­gen, be­son­ne­nen, er­fin­dungs­rei­chen Lan­des nach Ber­lin. Jetzt sieht sie Schein­de­bat­ten, sym­bo­li­sche Hand­lun­gen, nicht ver­folg­te Steu­er­tricks, Mas­ken­af­fä­ren und So­zial­be­trug. Wir se­hen Clans und Lu­xus­au­tos, Bett­elei ne­ben un­fas­sa­ba­rem Reich­tum ... und zu we­nig Kon­se­quenz.

Wir brau­chen Aus­tausch über heu­tige Pro­ble­me, die Fol­gen ge­striger Ver­säum­nisse sind, da­mit wir uns viel­leicht mor­gen an das al­te Ima­ge an­knüp­fen kön­nen. Nur wer sich än­dert, bleibt sich treu. Es gibt zwei op­ti­male Mo­men­te für ei­ne Bil­dungs­re­vo­lu­tion: Vor 20 Jah­ren und heu­te.

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Fo­to: C.E. auf alt ge­macht; in ein an­de­res
Fens­ter ge­la­den, lässt es sich ver­größ­ern