Sonntag, 26. Dezember 2021

COVIDiary (453)

Bien­ve­nue auf den Sei­ten einer Sprach­ar­bei­te­rin. Seit 2007 berichte ich hier in loser Folge über das Ar­beits­le­ben von Über­setzerin­nen, Über­set­zern, Dol­met­scherinnen und Dol­met­schern. Heute: Sonn­tags­fotos!

Weihnachts­spa­zier­gän­ge am Ufer: Sehr plötz­lich ist es dieser Tage sehr kalt gewor­den, und das blitz­ar­tig gefrorene Eis ist sauber, Kristall­for­men zeichnen sich sogar aus Ent­fer­nung ab, das Wasser da­run­ter ist nachtschwarz. Dann bricht der frü­he Abend he­rein.

25 Jahre wird es die­sen Som­mer her sein, dass wir die­se Woh­nung am Ka­nal be­zo­gen haben. Ich woh­ne hier mit Un­ter­bre­chungen und lan­ge we­ni­ger als sechs Mo­na­te im Jahr, aber doch ist das ein knap­pes Viertel­jahr­hun­dert her. Und erst jetzt konnte ich diese Bilder schießen. Waren es diese meteo­ro­lo­gi­schen Be­son­der­heiten oder war ich jahre­lang ab­ge­lenkt und ha­be so lan­ge ge­braucht, um wirk­lich hin­zu­se­hen?

Fassaden, Hausdächer, Bäume in Spiegelung auf Eis
Wassermalerei ...

 

Fassaden, Hausdächer, Bäume in Spiegelung auf Eis
... oder Eisblumen­im­pres­sion­is­mus?








 

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Fotos:
C.E.

Dienstag, 21. Dezember 2021

COVIDiary (452)

Herzlich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was wir Sprach­ar­bei­te­r:in­nen ma­chen, wie wir ar­bei­ten und leben, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Der Co­ro­na­vi­rus hat aus dem Ar­beits­ta­ge­buch mein COVIDiary ge­macht. Ne­ben den Spra­chen liebe ich al­te Fo­to­gra­fie und Fil­me.

Keine nature morte (1929)
Heute ist Win­ter­son­nen­wen­de. Ab 16.58 Uhr werden die Ta­ge wieder länger! Ich mag den heidnischen Brauch, sich mit Lich­tern zu um­ge­ben, und auch den Gedan­ken, etwas Grünes ins Haus zu holen in diesen grau­en Tagen, finde ich höchst liebens­wert. 

Einander in diesen Ta­gen alles Gute zu wün­schen, ist ein anderes lie­bens­wer­tes Ritual. Heute sendet uns eine Kol­legin die Worte Je vous souhaite une année 2022 extra­or­dinaire !

Mit Verlaub, ich wünsche uns kein "au­ßer­ge­wöhn­liches" neues Jahr! Wie schön wäre ein strunz­lang­wei­li­ges, stink­nor­males Jahr!

Und bitte kein twenty-twenty, too.

Nur die al­ler­besten Grüße und Wün­sche den Fol­lowerin­nen und Fol­lowern sowie den Zufalls­le­ser:innen dieses Blogs! 2022 bin ich wieder hier; in der Zwi­schen­zeit werden noch einige Notizen nachge­tragen, d.h. Halb­fer­tiges kommt in die Schluss­re­dak­tion und wird pub­li­ziert.

Schöne letzte Tage des Jahres 2021!

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Foto:
Privatarchiv (Suchbild)

Montag, 20. Dezember 2021

COVIDiary (451)

Hal­lo! Sie sind auf den Sei­ten eines di­gi­talen Ar­beits­ta­ge­buchs gelan­det. Hier fin­den Sie Bilder und Mo­mente aus dem All­tag einer Dol­metscherin in Pan­de­mie­zei­ten. Meine Spra­chen sind Fran­zö­sisch, Eng­lisch und natür­lich auch Deutsch, meine Mut­ter­spra­che.

Letzter Arbeits­tag, nun ja, offiziell. Das eben noch volle Büro (im über­tra­ge­nen Sin­ne) leert sich ge­ra­de. Allerdings sind unsere Dolmet­scher:innenhir­ne eigent­lich irgend­wie immer im Ein­satz.

Historische Fotografie, die Büroleben zeigt: Schreibtische, Telefon, Bleistifte, Mitarbeitende
Büroleben vor 100 Jahren
Was ich bis zum 6. Ja­nu­ar an sprach­re­le­van­ten Din­gen) ma­chen werde: mich fran­zö­si­schen und eng­li­schen Bü­chern, Fil­men, Pod­casts und Ra­dio­sen­dungen widmen, te­le­fonieren, sky­pen, si­cher auch noch Fra­gen für die Bau­stelle eines Haupt­kunden zu klä­ren hel­fen — und last but not least ste­he ich für Not­ein­sätze bereit (Po­li­zei, Kran­ken­haus, Amt etc.).

Das ist der Hin­ter­grund un­se­rer Ar­beit und auch ein Trick fürs Spra­chen­ler­nen: Et­liche All­tags­ak­ti­vi­tä­ten finden schlicht und er­grei­fend in der Fremd­spra­che statt. Wohn­de­sign­sen­dun­gen sehe ich zum Bei­spiel über­wie­gend auf Fran­zö­sisch, zum Bei­spiel die Sen­dung Question Maison, bei der mir die Rub­rik "SOS Maison" be­son­ders ge­fällt, in der Re­gel ab der 35. Mi­nu­te. 

Hier wer­den Lö­sun­gen für Wohn­prob­le­me vor­ge­stellt, und zwar nicht nur lu­xu­rie­ren­de Auf­hüb­schungs­pro­jek­te, son­dern zum Teil ganz kras­se Prob­leme aus Pa­ris, wie sie das Bü­ro­per­so­nal da oben si­cher auch kannte: In dieser Folge (klick) tei­len sich eine al­lein­er­zie­he­nde Mut­ter und ihre kleine Toch­ter zwei kleine Man­sar­den­zimmer zum Woh­nen, Schla­fen und Ar­bei­ten (ab Minute 35'05''). Den In­halt ver­steht auch, wer kein Fran­zö­sisch spricht.

Um Ein­rich­tungs­the­men wird es bei mir auch die nächs­ten Wo­chen gehen: Ich wer­de Möbel rücken. Derlei soll ja eigentlich in den Rau­näch­ten  un­ter­ble­iben. (Wer nicht weiß, was es mit diesen Rau­näch­ten, auch Unter­näch­te genannt, auf sich hat, ich habe vor fast einem Jahr­zehnt hier darüber geschrieben.) Da ver­traue ich voll mei­nem Vater, der gesagt hat, dass diese Mythen ein trickreiches Narrativ mit verkapptem Ar­beits­schutz­ge­dan­ken ge­we­sen seien. Wenn also die Che­fin selbst Hand anlegt, ist alles gut.

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Foto:
Privatarchiv (Bild lässt sich, in ein
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Freitag, 17. Dezember 2021

COVIDiary (449)

Was Dol­met­scher und Über­setzer um­treibt (hier: eine Dol­met­sche­rin­ und Über­set­ze­rin­), be­schreibe ich seit 2007 an dieser Stelle. Meine Spra­chen sind Franzö­sisch, natürlich Deutsch — und oft auch Englisch als Ausgangs­sprache.

Viele Büros sind schon in der Win­ter­pause, während ich noch eine Web­sei­ten­über­set­zung kor­rek­tur­lese. In dieser Krise habe sich erwiesen, dass die Struktur der Firma XYZ allen Wett­ern stand­halte, steht da auf Deutsch, das Origi­nal war auf Eng­lisch, und zwar: In the con­text of the cur­rent health and eco­nomic crisis, we were able to prove that our com­pany is an all-weather organisation.  

In Berlin am Großen Stern
Wört­lich über­tra­gen be­deu­tet dieses all-weather: "unter allen Wit­te­rungs­be­din­gun­gen" oder "Ganz­jah­res-~". Die Wetter im Plural, die Lösung der Über­set­zerin, finde ich ein wenig ge­wöh­nungs­be­dürf­tig, das liest sich nicht wie für die breite Öf­fent­lich­keit bestimmt. Die Firma hält jedem Wetter stand ... nun ja, das wäre eine gute Pro­dukt­be­schrei­bung für einen Ter­ras­sen­tisch, hier geht es aber doch mehr um das "schwe­re Wet­ter", das wir alle zusam­men in letzter Zeit erlebt haben und noch erleben.

Das Wetter ge­nauer be­schrie­ben, bringt mich auf "sturm­er­probt". Gehe ich von der La­ge aus, komme ich auf "kri­sen­fest". Aber Sturm und Krise sind Begriffe, auf die später im Text noch ein­ge­gan­gen wird.

Ich lande bei ... "wet­ter­fest": "In der aktu­ellen Ge­sund­heits- und Wirt­schafts­kri­se konn­ten wir bewei­sen, dass unser Unter­neh­men wet­ter­fest ist." Das gefällt mir. Mal sehen, was die Kundin dazu sagt. 

EDIT: Sie nimmt ab, dann wird un­ter­ti­telt. Jah­res­end­grüße per Video, das scheint der Trend dieses Jahr zu sein.

"Wet­ter­fest" fiel mir neulich auch als Be­schrei­bung meines großen Nicht­chens ein. Sie ist 'ne toughe klei­ne Lady, mit der man schon klein­e Aben­teuer er­leben kann, auch wenn sie noch nicht ein­mal drei Lenze alt ist. Das ist schön und viel­ver­spre­chend, was die Zu­kunft angeht.

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Foto:
C.E.

Donnerstag, 16. Dezember 2021

COVIDiary (448)

Bien­ve­nue auf den Sei­ten einer Sprachar­bei­te­rin. Wir Über­setzerin­nen, Über­set­zer, Dol­metscherinnen und Dolmetscher ar­beiten seit Beginn der Pan­demie we­ni­ger als zu­vor, al­ler­dings ist die Ar­beit for­dern­der als frü­her. Zum Aus­gleich ver­fol­ge ich ein ei­ge­nes Pro­jekt.

Maurice in Berlin
Darf ich vor­stellen? Das ist Maurice, ein klei­ner Ber­liner, der in sehr wech­sel­vol­len Jah­ren deut­sche Geschich­te er­lebt hat. Ich sage nur, dass das Foto aus dem Sommer 1933 stammt.

Ich en­twickle gerade eine Ber­li­ner Kin­der­ge­schichte, um kleinen Ber­linerinnen und Ber­linern die da­ma­lige Zeit begreifbar zu machen.

Dafür suche ich Be­richte über wilde Bu­ben­strei­che, die der junge Mann und seine Freun­de gemacht haben können.

Maurice mit fast drei Jahren
Ich spre­che natürlich von wilden (ana­lo­gen) Bu­ben­strei­chen, die auch aus der heu­tigen Zeit stam­men kön­nen, aber eben eins sein müssen: kom­plett ohne High tech.

Dies ist ein Aufruf! Wenn Sie/wenn Du schöne eigene Anek­do­ten auf Lager haben/hast, selbst er­lebt oder aus dem eigenen Um­feld, bin ich an einem Interview in­te­res­siert, vorausgesetzt, ich darf sie in einem Kin­der­buch brin­gen. Wie Sie mich er­reichen, steht rechts. Zum Dank gibt es für alle, deren Geschich­te Auf­nahme findet, zwei Exem­plare des Buchs.

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Bilder:
Privatarchiv

Mittwoch, 15. Dezember 2021

COVIDiary (446)

Was und wie Dol­metscher und Über­setzer arbeiten, können Sie hier ab und zu mit­le­sen. Mein di­gi­tales Arbeits­ta­ge­buch schrei­be ich seit 2007. Heute wieder: Blick auf den Schreib­tisch!

Blick auf den kleinen Sekretär
Was hier ansteht:
⊗ Behördentermin für einen Kunden machen
⊗ über­setzte Do­ku­mente einer Kun­din aus­hän­di­gen (die Ü und Be­glau­bi­gung hat eine Kol­legin gemacht)
⊗ leichte FFP3-Mas­ken für die an­ste­hen­de Reise des nächs­ten Mit­menschen suchen
⊗ Fort­set­zung meiner Re­cher­che nach Schlupf­rech­nungen
⊗ Buch­hal­tung des letzten Quartals
⊗ Er­gän­zung mei­ner Bau­stel­len­le­xik, die dann 2700 Wörter umfassen wird
⊗ Spa­zier­gang mit einem Freund
⊗ Rein­hö­ren in zwei on­line zu­gäng­li­che Kon­fe­ren­zen

Von außen betrachtet ist das ein normaler Ar­beits­tag. Würde ich mit den Augen von 2007 auf die Sa­che schauen, würde ich fragen: Wie­so be­glau­bigst Du selbst keine Über­set­zungen? (Antwort: Weil der Gesetz­ge­ber die Ho­no­rare für Do­ku­men­ten­über­set­zungen gesenkt hat.) Warum sind Rech­nungen durch­geschlupft? (Wegen Fa­mi­lien­ar­beit, die vorging.) Warum die On­line­kon­fe­ren­zen und wo wollt ihr einen Boden ab­schlei­fen? (FFP2-Mas­ken kannte ich damals maximal von der Bau­stelle.)

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Foto:
C.E. (Archiv)

Montag, 13. Dezember 2021

COVIDiary (445)

Wie wir Sprach­ar­bei­ter:in­nen ar­beiten, genauer Konferenz­dol­met­scher und Über­set­zer, beschreibe ich hier. Wir in­ter­na­tio­nal tä­ti­gen Simultandol­met­sche­rin­nen rei­sen nor­ma­ler­wei­se viel. Durch Co­ro­na ar­beiten wir indes immer öf­ter online.

Mit hoher TTpM-Rate
Auch das kann pas­sieren: Gestern stand Sonn­tags­ar­beit für einen deutsch-französisch-belgischen Kun­den auf dem Programm. Im De­zem­ber gibt es be­kannt­lich we­ni­ger Werk­ta­ge, und auf einer Bau­stel­le, hier wird eine Kran­ken­haus­kü­che neu­ge­baut, zählt jede Wo­che. Online-Dol­met­schen mit lan­gen, tech­nischen Rie­men strengt an. Wiederholt ver­ges­sen einige Teil­neh­men­de, Pausen zu ma­chen. Diese sind aber bei der­ar­ti­gen TTpM-Raten, Tech Terms per Minute, sehr wichtig.

Beispiel: "Die Rohre der Bo­den­ab­läufe ver­laufen zu­nächst senk­recht, dann wird das Abwas­ser mit einer 45-Grad-Ver­bin­dung ins Grund­lei­tungs­netz überführt, das mit leich­tem Ge­fäl­le auf den Fett­ab­scheider hin aus­ge­rich­tet ist. Zentral ist dabei die Be­rück­sich­ti­gung der Senk­tie­fe, wobei als Hö­hen­be­zug der Re­fe­renz­punkt Null, also Ober­kan­te Estrich, gilt. Hier eine Quer­schnitts­zeichn­ung, die das Prob­lem darstellt, das wir da­durch ha­ben, dass die Ver­bin­dungs­stücke zum Grund­netz zu hoch ver­baut wor­den sind, so dass wir eine an­dere, kür­ze­re Si­phon­mar­ke ver­bau­en müs­sen, die Rück­stau­klap­pe bleibt gleich."

Screenshot einer Videokonferenz

Es geht also um Ab­läufe. Es gibt eine Bau­ver­zö­ge­rung. Da­her be­kom­men ge­ra­de ei­ni­ge Leu­te ei­nen Ein­lauf. "Je­man­dem ei­nen Ein­lauf ver­pas­sen" = je­man­den ta­deln, zu­recht­wei­sen) — ré­pri­man­der, re­pren­dre quelqu'un.
Das Rohr­stück, das unter dem Boden­ab­lauf im Boden steckt, heißt üb­ri­gens at­tente au sol.  

Hier kenne ich keine knap­pe deut­sche Ent­spre­chung.
Also noch nicht.

Es ist ge­ra­de einmal zwei Jahre her, da war ich als Dol­met­sche­rin auf po­li­tische Ab­stim­mungs­pro­zes­se, wis­sen­schaf­t­liche Kon­fe­ren­zen, So­zia­lwis­sen­schaft, Kunst und Medien und ein wenig auf Re­no­vie­rung mit öko­lo­gi­schen Bau­stof­fen spe­zia­li­siert. Jetzt, 2700 Be­grif­fe später, fühle ich mich noch ein we­nig fremd in die­sem neuen Feld. Aber es klappt! Und es muss, denn von der Nach­frage der lie­ben an­ge­stammten Kun­d­schaft ist pan­de­mie­be­dingt nur noch zehn Pro­zent übrig.

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Illustrationen:
Team


Sonntag, 12. Dezember 2021

COVIDiary (444)

Was Dol­met­scher und Über­setzer umtreibt (hier: eine Dol­met­sche­rin­ und Über­set­ze­rin­), beschrei­be ich seit 2007 an dieser Stelle. Der Sonntag gehört den pri­va­ten Sonn­tags­fotos.

Winteridylle mit Blüten
Über dem Was­ser hängt am späten Vor­mittag noch der Früh­ne­bel, am Kanalufer blüht's, EDIT: ... und das ist auch gut so!
Die Sonne macht sich rar. Spät­herbst­wet­ter, kurz vor Winter­anfang: Die Pas­san­ten eilen mit ra­schen Schrit­ten nach Hause, selbst wenn ihnen eigent­lich nach Sonn­tags­spa­zier­gang sein könnte. Wenig spä­ter nieselt es dann.
Am Nach­mittag auf dem Spiel­platz: Auch da blüht es am drit­ten Ad­vent. (Und die Gärt­ner dort haben es ge­schafft, den Buchs vor dem Züns­ler zu retten!) Die Natur ist aus dem Takt ge­ra­ten. Dé­rè­gle­ment cli­ma­ti­que, wörtlich übertragen 'die Kli­ma­de­re­gu­lie­rung', klingt für mich eher wie das Aus-dem-Tritt-Ge­ra­ten des Kli­mas als der harm­lose, deut­sche Be­griff "Klima­wandel".

Auch hier: Falsche Jahreszeit
Ich habe hier oft von der Kli­ma­ka­tas­tro­phe ge­sprochen. Mir fällt auf, dass viele für die Um­welt En­ga­gier­te die­sen Be­griff nicht mehr ver­wen­den, da wir längst mit­ten­drin sind, die Cho­se ihr ka­tas­tro­pha­les Gesicht aber oft noch nicht oder nur räum­lich oder zeit­lich be­grenzt zeigt.

Auch die Blü­ten muten nicht wie eine Kat­as­trop­he an. Es ist schwer, Dinge der All­ge­mein­heit zu ver­mit­teln, für die eine min­des­tens grundständige wis­sen­schaft­liche Kennt­nis nötig ist.

À propos Ka­tas­tr­ophe: Die herr­schen­de Bil­dungs­ka­tas­tro­phe, vor der man­che seit Jahr­zehn­ten warnen, ich gehöre dazu, fällt auch erst unter be­stim­mten Um­stän­den der All­ge­mein­heit auf — wie jetzt.

Ergänzung meiner Kollegin Lai­la Neu­bert-Mader: "Du hast ein Gehölz fotografiert, das im Winter blüht. Es ist der Bodnant-Win­ter­schnee­ball (Vi­bur­num bod­nan­ten­se „Dawn“). Mein klu­ger Mann hat in der Schwei­zer Zeit­schrift „der gar­tenbau“ zu dem Thema „Win­ter­schön­heiten“ einen Artikel ver­öf­fent­licht und auch diesen Vi­bur­num im vor­letzten Satz er­wähnt. Es gibt ja auch den Win­ter­jasmin oder die Ha­ma­me­lis, die blühen, wenn an­de­re Pflan­zen noch schlafen.

Natür­lich ist der Klima­wandel deut­lich zu spüren und zu sehen. In der Groß­stadt noch mehr als in der Klein­stadt oder auf dem Land. Wann hast Du zum letzten Mal einen Dom­pfaff ge­se­hen? Als unsere Kinder klein waren und noch Schnee im Winter fiel, gab es sie mas­sen­wei­se im Vogel­häus­chen. Jetzt müs­sen sie nicht mehr in den Sü­den, um Nah­rung zu fin­den und blei­ben in Skan­di­navien."

Vielen Dank, liebe Laila, für diese be­rei­chern­de Er­gän­zung!

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Fotos: C.E.

Mittwoch, 8. Dezember 2021

COVIDiary (442)

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­terin können Sie hier ­ erhalten. Ich bin Dol­met­scherin für die fran­zö­sische Sprache, und ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen. In Ber­lin ist Schnee ge­fal­len, und er blieb lie­gen.

Dame im Schnee (1929)
Das eine Nichtchen erlebt kom­men­des Früh­jahr ihren drit­ten Lenz. Sie wohnt in Süd­deutsch­land. Ich weiß nicht, ob sie schon oft Schnee gesehen hat, außer in der Wun­der­ku­gel, in der ein Weih­nachts­mann durch kräf­ti­ges Schüt­teln hinter weißen Flöckchen zum Ver­schwin­den ge­bracht wer­den kann.

Ich erkläre ihr, was Schnee ist, welche Ei­gen­schaften er so hat. Und was ein Schnee­mann ist, weil er in einem Kinder­buch aus den 1980-er Jahren vorkommt, das ich vorlese.
Damals haben wir mit unseren Eltern noch alle in Süd­deutsch­land gelebt, und wer über 175 cm groß war, durfte Schnee­schip­­pen. 

Es war ein ungeliebter Job, morgens, vor dem Früh­stück, rasch den Gang auf dem Geh­weg zwischen den bald klein­kind­hohen Hügeln frei­machen, mit­tags wieder, er­neut am Abend. Heute würde ich manches dafür geben, wenn wir die Klima­de­re­gu­lie­rung nicht hätten.

Später, wie die Tante in Ge­dan­ken ver­­lo­ren, sagt die Nichte: "Dann regenet es bald mit Kris­tal­len." Ja, so ähn­lich! (... in­hal­tlich, meine ich. Ihre Sprach­lern­qua­li­tä­ten be­geis­tern mich.) Sie schiebt sich den Begriff "Kristall" im Mund hin und her, als wäre es Schokolade, schmeckt und lauscht ihm hin­ter­her. Das Wort scheint ihr zu gefallen.

Es war nicht einfach für mich, eine so un­be­kannte Sache zu erklären, und es ka­men gleich drei, vier neue Un­be­kannte mit hinein. Kris­tal­le­kris­tal­le­kris­tal­le. Ganz frei von an­de­ren As­so­zia­tio­nen und oft genug wie­der­holt, fühlt sich der Klang wie frisch­ge­schrubbt und neu und sogar bar jeder Bedeutung an. Hier jetzt noch schnell ein Foto für die Nichte aus dem Archiv geholt aus der Zeit, bevor der Be­griff (als Wort­be­stand­teil) ei­nen bit­te­ren Bei­ge­schmack be­kam.

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Foto:
Privatarchiv

Freitag, 3. Dezember 2021

COVIDiary (438)

Herz­lich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir ar­beiten, ist an dieser Stelle seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Der­zeit ändert sich sehr viel sehr schnell. Die erhobene Hand könnte auch ein Zeichen im Wandel sein.

Gesehen u.a. in Heidelberg
Als ich dieser Tage ambu­lant zur Nach­kon­trol­le meiner bre­to­ni­schen Co­ro­na­vi­rus­va­rian­te war (nach­dem ich schon Ja­nuar 2020 erste ei­gene Anti­kör­per her­stel­len musste), mein­te der Kranken­haus­arzt zu mir: "Diese Jahre werden auch als Jahre der rauen Hände ins Bewusst­sein der Menschen ein­ge­hen!" 
Nicht ein Hände­druck war An­lass zu dieser Äuße­rung, Pföt­chen­geben ist ab­ge­schafft. Ich muss irgendwo ein Des­in­fek­tions­mit­tel erwischt haben, das mir nicht bekommen ist. Die Haut meiner Hän­de ist seither sehr ris­sig, pellt sich, es fühlt sich an, als würde ich gerade Woll­hand­schuhe tragen, die in exakt diesem Augen­blick ins Koch­programm einer Wasch­ma­schine geraten sind. Das ir­ri­tiert sehr, er­schwert die Kon­zen­tra­tion. 

An­sons­ten hat sich meine Long-Covid-Allergie auf dem Rücken nach einer er­neu­ten Impfung gebessert. Wie paradox!

Und dann wieder die Erin­ne­rung an den Ampel­quatsch man­cher­orts. Zwei Jahre geht die Pan­demie fast schon, und in zwei Jahren haben es die In­ge­nieur:in­nen nicht ge­schafft, die "Licht­zei­chen­sig­nal­an­lage" so umzurüsten, dass sie auch mit einem Stöckchen, der Re­gen­schirm­spitze oder durch die Man­tel­ta­sche hindurch betätigt werden kann. Nein, hier muss mit einer mensch­li­chen Hand Druck ge­macht werden, oder aber die Ampel reagiert nicht.

Sehr oft symbo­lisiert die erhobene Hand al­ler­dings: "Stopp! So nicht weiter!" Das würde ich hier auch ger­ne sagen. Am­peln scheinen heut­zutage ein Prob­lem zu sein, dabei brau­chen wir dort und an an­derer Stelle so dringend schnell Lösungen.

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Foto:
C.E.

Montag, 22. November 2021

COVIDiary (431)

Bonjour und guten Tag! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir ar­beiten, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema, derzeit unter be­son­de­rer Be­rück­sich­ti­gung der all­ge­mei­nen Gesundheits­lage.

Fische im Aquarium
Something is fishy mit den Coronahilfen
Eine Konferenz­dol­metscherin ist in einer Pandemie wie ein Fisch, der auf ei­nem Camping­tisch Trocken­schwimm­übun­gen macht.

Naja, nicht ganz richtig, dieses Bild. Für den Fisch geht es böse aus. Wir Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen haben zum Glück mehr als Kiemen und au­ßer­dem meis­tens noch weitere Talente. 

Wie überleben so man­che Kol­legen und Kol­le­ginnen, wo doch die Regie­rung vor allem große Firmen, Banken und Ver­mieter absichert mit ihren Hilfen und uns aufs Hartz-IV-Amt für Grund­si­cherung schickt? (... von mir gerne H-IV und GruSi abgekürzt, da­mit ist klar, was ich davon halte.) Hier folgen einige Beispiele in kurzer Zu­sammen­fas­sung.


Kollegin A steht vier Mal in der Woche auf dem Markt und verkauft Bio-Le­bens­mit­tel. Da ihre große Tochter ausge­zogen ist, vermietet sie das freige­wordene Zimmer an eine Malerin, die ihr Atelier im Zuge der Berliner Im­mo­bi­lien­spe­ku­lation ver­lo­ren hat. Das Gäste­klo der Wohnung wurde dem neuen Atelier zu­ge­schlagen, im Bad ist noch eine Toilet­te. Die Kollegin lässt sich außer­dem ab und zu von einer Agentur mit Fern­dol­metsch­ein­sätzen aus­beu­ten. Diese Agentur bezahlt jenen, die die Arbeit machen, 350 Euro für einen ver­kür­zten Tag, und sie wird sicher den End­kun­den nicht unter 650, 700 dafür be­rech­nen.

Kollegin B kümmert sich um die Schul­auf­ga­ben ihrer Kinder, strickt wieder, macht bei Online­sport­kursen mit oder geht in den Park, wenn das Wetter es zu­lässt, nimmt einmal in der Woche vom Schlaf­zim­mer aus am "virtuellen Großraum­büro" teil, wenn wir mit einem wieder­holt unge­nutzten Zoom-Account eines Partners ein wenig Norma­lität simulieren, sie übersetzt und beglaubigt dann Urkun­den. Ihr Mann sichert sie wirt­schaf­tlich ab.

Kollegin C sitzt alle drei, vier Wochen im Zug und fährt auf eine deut­sche Bau­stel­le mit franzö­sischem Bau­herrn. Zu Beginn der Pan­demie reiste sie noch öfter, um ihren Vater zu pflegen. Sie hat einige Direkt­kunden, die sie zusätz­lich digital (und ohne Flasch­enhals, der Pro­zen­te kostet) beschäftigen. Lücken werden mit dem Re­ser­ve­budget für schwere Zeiten überbrückt.

Kollege D würde jetzt eigentlich zwei Kinder mit dem Dol­met­schen mit­er­nähren. Als junger Mann hat er oft als Fern­fahrer ge­ar­beitet, ihm blie­ben die Kontak­te, er sitzt nun wieder auf dem Bock und ist daran beteiligt, dass alle zu essen haben und woh­nen kön­nen. Seine Frau ist nicht glück­lich als de facto-al­lein­er­zie­hende Berufs­tätige.

Kollegin E hat einen of­fi­ziel­len Erstberuf. Sie ist an die Schule zurück­ge­kehrt bzw. unterrichtet online. Dane­ben bildet sie sich fort in Sachen Di­gi­ta­li­sie­rung der Leh­re. In zwei Jah­ren wird sie ir­gen­dwo (Details vergessen) ein Zerti­fikat er­werben und damit ein zweites Stand­bein haben.

Kollegin F hat schon immer Deutsch un­ter­rich­tet, an Sprach­schu­len auf ihren Welt­reisen, später In­te­gra­tion­skurse ge­ge­ben, dann auch mal Jour­na­lis­ten und Schau­spie­le­rin­nen. Sie sitzt auf Bali und gibt zwei Stunden täglich Online­kur­se. Ihre Woh­nung in Ber­lin hat sie an ein amerikanisches Wis­sen­schaft­ler­paar unter­richtet, die US-Hoch­schule zahlt, also hat sie den Mie­tpreis mal eben verdop­pelt.

Kollege G hat seine Woh­nung auf­ge­ge­ben, ist zu seiner de­men­ten Mutter gezogen, die er jetzt pflegt. Da­ne­ben hat er ein Fern­stu­dium im Fach Psy­cho­logie auf­ge­nom­men.

Das sind nur ei­ni­ge Bei­spie­le unter vielen.

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Illustration: C.E.

Sonntag, 21. November 2021

COVIDiary (430)

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­terin können Sie hier ­ erhalten. Ich bin Dol­met­scherin für die fran­zö­sische Sprache, und ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen. Paral­lel dazu beob­ach­te ich, wie sich die Spra­chen verändern.

Tot­en­sonn­tags­bild
Hier können Sie regel­mäßig Kurz­texte über Wörter, Aus­drücke, Hinter­gründe und sich verän­dernde Zu­sam­men­hänge lesen. Am Wo­chen­en­de wer­de ich pri­vat und zei­ge Sonn­tags­bil­der.
Heu­te stehe ich fas­sungs­los vor einem Gebäu­de und den­ke: Was für die Spra­che gilt, lässt sich auch bei Bau­werken ent­decken. Hier eine "Intu­bierte", der der Vo­gel des To­des schon auf der Schul­ter hockt.

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Foto:
C.E. (gesehen in Heidelberg)

Donnerstag, 11. November 2021

COVIDiary (425)

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­terin können Sie hier erhalten. Ich bin Dol­met­scherin für die fran­zö­sische Spra­che, und ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen. Die Wo­che geht mit ge­misch­ten Ge­fühlen in die Ziel­gerade.

Strichzeichnung: Eine Lady? Schwarz-weiß ...
Minimalistische Kunst im Herbstlicht

Die sani­tä­re Lage in Deutsch­land ist Schrei­ße, 50.000 Neu­in­fek­tio­nen an einem Tag, die Intensiv­sta­tionen laufen lang­sam zu.

Schreiße — wir Dol­met­scher:in­nen ver­wen­den sol­che Wör­ter nor­ma­ler­weise nicht, denn wir sind verbale Lei­se­tre­ter, spre­chen immer schön und über­aus ge­wählt, ganz so, als stün­den wir die gan­ze Zeit auf cosy Hoch­flor­tep­pichen, die hin­ter hun­dert Ber­gen von zarten Kin­der­händen ge­knüpft wur­den und in den Sa­lons der Haupt­stadt­re­prä­sen­tanzen von Wirtschaft und Po­li­tik liegen. Sagen wir's mal so: Solche Mi­lieus prä­gen. Dass wir im dolmet­schen­den Be­rufs­all­tag gro­be Wör­ter immer weniger grob wie­der­geben in der Über­tra­gung, ist häufig Selbst­schutz.

Denn wenn sich die Her­ren (also meis­tens sind es Herren) am Ende wieder ver­tra­gen, möchten ja, wir als Über­brin­ge­rin­nen dieses häss­lichen Voka­bu­lars ja nicht vom Hof gejagt werden. "Hof" ist hier auch das Stich­wort, die­ses Gebah­ren (ein­fa­che­res Wort dafür: Ver­halten) stammt aus hö­fi­schen Tagen. Höfisch und höflich klingen nicht zufällig ähnlich.

Strichzeichnung: Eine Lady? Dieses Mal bunt
... bunt und in Farbe

Verdamm­te Hacke, die aktu­ellen Fall­zah­len se­hen al­les an­de­re als gut aus. Wenn un­ser­ei­ner dann doch mal böse Wörter los­wer­den muss, behilft er oder sie sich gern mit Zi­ta­ten. Das "Schrei­ße" da oben stammt ver­mut­lich vom Über­set­zer­paar, das Al­fred Jar­rys Ubu Roi über­tra­gen hat. In die­sem The­ater­stück schreit ein klei­ner, ner­viger König im­mer wieder laut merdre, also die fran­zö­si­sche Ent­spre­chung mit dem rein­ge­schmug­gelten "R".

Noch ein Zitat: Ich winke rasch den Radio­lo­gen Frank Ulrich Mont­go­mery auf die Bühne, Eh­ren­vor­sit­zender der Ärzte­ge­werk­schaft Mar­burger Bund. Er hat kürz­lich zur La­ge ge­sagt: "Wir wer­den von ein paar lauten Voll­idio­ten in Geisel­haft ge­hal­ten."

König Ubu ließ immer alles im gro­ßen Loch ver­schwin­den, hinter oder unter der Fall­tür / Klappe / Ver­sen­kung mit einem don­nern­den: "À la trappe !" Das wür­de ich jetzt am liebs­ten der Pan­de­mie an­ge­deihen lassen. Hin­fort und weg mit ihr! Die Nase voll!

In Son­der­heit auch von jenen, die die Pan­demie gerade anfeuern, durch Impf­ver­wei­ge­rung, Karneval und Kol­lek­tiv­be­säuf­nisse und damit durch die wei­tere Fall­zu­nahme das Aus­brü­ten einer neuen Varian­te fördern. Wer macht sowas? Leute mit Fest­an­stel­lung und bes­tem Ren­ten­an­spruch, fürchte ich. Keine frei­be­ruf­li­chen Über­set­zerin­nen und Dol­met­scherin­nen. Uns, die wir in der Poli­tik und im For­schungs- und Mes­se­be­reich ar­bei­ten, zieht man er­neut den Bo­den unter den Fü­ßen weg.

Merk­wür­di­ger­weise zeich­nen sich deutsch­spra­chi­ge Länder gerade als Herde der Impf­ver­wei­ge­rung aus. Ausländische Presse wie die Fi­nan­cial Times beri­chtet da­rü­ber. Mir treibt das Scha­mes­röte ins Gesicht. Was für ein Schlag in die Ma­gen­grube fürs me­di­zi­nische Per­so­nal, das jetzt seit 21 Monaten kämpft! Si­cher gab es auch Ru­he­mo­men­te, auch nicht über­all ist Krise, aber die Ab­nah­me der In­ten­siv­bet­ten durch den Aus­stieg von Pfle­ge­kräf­ten kam ja auch nicht von un­gefähr.

Die Liste der mög­li­chen Neu­va­rian­ten von Covid-19 ist noch lang, das grie­chi­sche Al­pha­bet bie­tet als­dann Ep­si­lon, Zeta, Eta, Theta, Iota und et­liche mehr. (EDIT: An­de­re Län­der sind schon bei Lamb­da!) "Wel­ches Schwein­derl hät­ten's denn gern?", fragte Ro­bert Lemb­ke, der be­rühm­te Talk­mas­ter des deut­schen Fern­sehens, in den 1970ern. Wel­chen Buch­sta­ben soll die gerade in Deut­schland wahr­schein­lich er­brü­tete denn Varian­te tra­gen?

MERDRE!

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Foto:
C.E. (besser s/w oder bunt?)

Dienstag, 9. November 2021

COVIDiary (423)

Herz­lich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir ar­beiten, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema, aber auch meine Er­fah­run­gen und Prä­gun­gen, die mich da­zu befä­hi­gen, in den Be­rei­chen Kul­tur, Po­li­tik, So­zia­les und Wirt­schaft zu ar­bei­ten. Denn Dol­met­schen setzt eine gute All­ge­mein­bil­dung vor­aus. Für ma­nche The­men hat mich die Her­kunft sen­si­bi­li­siert.

Gleich zu Beginn dieses tiefdunklen Monats No­vember liegt der deutsche Ge­denk­tag überhaupt. Schil­lernd lie­gen wie Schichten von Eis im ver­schmutzten Kanal­was­ser die Jahre über­ein­ander: 1848, 1918, 1923, 1938, 1989.

Gut, der zugefrorene Land­wehrkanal ist für später. Heute spreche ich vom 9. No­vem­ber. Die Folgen ei­ni­ger der seriellen Da­ten, Hitler­putsch, Ver­nich­tungs­politik gegen Minder­heiten und die Fol­gen wie Krieg und Tei­lung des Landes, haben meine Ge­schwister und ich jahr­zehn­te­lang im eigenen Leb­en stark erlebt.

Mit Mauer stimmt der Plural "jahr­zehn­te­lang" nur für mich, mit Tren­nungs­folgen des Lan­des für alle vier. Wir waren (sind?) Mauerkinder in dem Sinne, dass unsere nächs­ten An­ge­hö­ri­gen in der "Zone" ge­lebt ha­ben, wie unsere Oma es noch lan­ge gesagt hat, und da­mit nur schwer be­such­bar waren. Das hat uns nicht da­von ab­gehal­ten, dort oft zu sein. So oft, dass unser Va­ter in der West­re­pu­blik nach Gün­ter Guil­laume nicht die gro­ße be­ruf­liche Kar­riere ma­chen konnte, zu der er das Po­ten­tial hat­te, aber das ist eine an­dere (kaum erzäh­lte) Ge­schi­chte.

Mit dem Auto über Grenze zu fahren, war keine ein­fache Sache. Wir Kin­der wurden zum Klappe­halten ver­donnert. Wir sind alle recht ge­sprächig, und in li­beralen Fa­mi­lien kamen solche Sprüche mit Bas­ta-Men­ta­li­tät höchst sel­ten. Ich habe das Ge­fühl noch in den Kno­chen: Erst müssen wir lange, sehr lange war­ten, dann treten frem­de Leute mit Macht und in Uni­form ans Auto heran und geben ihre Be­feh­le. Die El­tern haben Angst. Die sonst immer so mäch­ti­gen und einen sicher be­schüt­zenden Eltern ha­ben Angst!

Das wa­ren schon prägende Er­fah­rungen.
Grenz­über­gangs­stelle Dre­witz-Drei­linden alias Check­point Bravo (1986)

Höchst ir­ri­tie­rend für mich: Diese Lüt­ten sehen aus wie meine jüngs­ten Ge­schwis­ter in jün­geren Jahren. Sie können es gar nicht sein, es sei denn, das Bild würde von 1981 stam­men und meine El­tern hätten die Mi­nis mal mit an­de­ren Eltern rei­sen las­sen. Quatsch!

Mein zweiter Bruder ver­mel­det in­zwi­schen auf das Bild, er habe die Grenz­über­gangs­si­tuatio­nen gar nicht als sooo schlimm in Er­in­ne­rung.
Umso besser!

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Foto:
Foto von David Wintzer, Wikicommons

Mittwoch, 3. November 2021

COVIDiary (419)

Bien­ve­nue auf den Sei­ten einer Sprachar­bei­te­rin. Wir Über­setzerin­nen, Über­set­zer, Dol­metscherinnen und Dolmetscher ar­beiten seit Beginn der Pan­demie we­ni­ger als zu­vor. Die Ein­sät­ze sind kom­ple­xer ge­wor­den, noch an­stren­gen­der als frü­her. Dies ist eine Fest­stel­lung, keine Be­schwer­de! Wir küm­mern uns schon um uns.

"Je simpler die Antwort auf eine komplexe Frage ist, desto wahrscheinlicher ist sie falsch." Daran musste ich gestern im Zug denken, als ich vom Einsatz zurückkam.

Es gibt Tage und Wochen, da machen mich die einfachen Antworten eines Teils der Gesell­schaft einfach nur müde. Ich muss dann immer sehr aufpassen, gezielt etwas zum Aus­gleich zu machen, zu den Pinseln zu greifen wäre eine Sache, die his­to­ri­schen Fotos zu sortie­ren oder mich mit Lieblings­buch, Tee und einer Woll­decke in den Sessel zu fle­zen, wären solche Aktivi­täten die hel­fen, um an der Menschheit nicht zu ver­zwei­feln. Das sind Tage, an denen ich nur zwei­mal Nach­rich­ten lese.

Wenn ich unter­wegs beim Einsatz bin, geht das we­ni­ger gut, da ist die innere Emi­gra­tion nicht so leicht. Lesen hilft da schon, klassi­sche Musik auch, so­gar Vo­ka­bel­pauk­tran­ce kann hilfreich sein. Zum Glück haben wir Sprach­ar­beiterinnen grund­sätz­lich gute Laune, das hab ich ja ges­tern schon an­ge­deutet. Warum? Die Arbeit ist schwer genug, warum sollten wir sie uns mit schlechter Laune noch schwerer machen?

Hotel: schummrig, Kerze: abgebrannt, Tischlampe: schwach, Badezimmerlampe: gemütlich
Alles eine Fra­ge des Lichts
Es gibt wei­tere Hilfs­mit­tel. Licht ist eins. Der nass­dunk­le Herbst­teil ist an­ge­bro­chen. Schon ges­tern Abend habe ich im Hotel­zim­mer damit be­gon­nen, über Be­leuch­tung nach­zu­den­ken. Nach einem spä­ten Mit­tag­es­sen wie­der zu­hau­se, hilft eine Kerze beim Kaf­fee­. Wie wär's mit ei­ner Le­se­lampe zum Ak­ten­stu­dium am Be­spre­chungs­tisch? Und was ist als neu­es Licht im Bad denk­bar, das Well­­ness­stim­mung schafft?
Jene Para­meter an­zu­ge­hen, die ich selbst ver­än­dern kann, das ist mein Mittel der Wahl für eine po­si­tive Stim­mung. Die alte Zeit wird hier nicht ver­herr­licht: Rien n’est plus res­ponsable du « bon vieux temps » qu’une mau­vaise mémoire.

Auf Deutsch: "Nichts ist so sehr für die 'gute alte Zeit' ver­ant­wort­lich wie ein schlech­tes Ge­dächt­nis." (Anatole France)

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Fotos: C.E.

Dienstag, 2. November 2021

COVIDiary (418)

Was Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­scher so erleben, können Sie hier mit­ver­folgen. Ich arbeite mit den Sprachen Fran­zösisch und Eng­lisch. Wir sind im zweiten Co­ro­na­herbst. Anders als früher, als ich meistens vor Ort tätig war, ar­beite ich jetzt oft aus der Ferne.

Immer wieder dolmet­schen wir auf Bau­stellen, bei der Sanie­rung von altem Be­stand mit öko­lo­gi­schen Bau­stof­fen ebenso wie im Industrie­sektor. Dieses Dol­met­schen findet zwischendurch oft online statt, was die Ar­beit manch­mal leichter macht: Mit Hilfsmitteln lässt sich das besser be­werk­stel­ligen als ohne.

Internetanschluss kurz vor dem Anschluss
Bald auch online
Hier folgt ein Beispiel­satz aus der in­dus­tri­el­len Kühl­technik, bei der un­ser­ei­ner froh ist, wenn beim Dolmetschen fünf, sechs Grund­be­griffe be­kannt und zudem eine (zumin­dest grobe) Idee vom tech­ni­schen Vor­gang vor­han­den ist, der dem Gan­­zen zu­grun­de liegt:

"Kon­den­sa­to­ren, die luft­ge­kühlt sind, oder Verdam­pfer, die ab­raum­luft­be­heizt wer­den, be­ste­hen aus einem kombinier­ten Lüfter-Verdam­pferge­häu­se, in dem rip­pen­artig ge­bo­gene Kühl­mit­tel­roh­re ange­ord­net sind, er­gänzt durch min­des­tens ein Ge­blä­se, wobei die Kühl­mit­tel­rohre halb­kreis­för­mig und in Ab­stän­den über­ein­an­der mit einem jeweils kons­tan­ten Radius an­ge­ord­net sind ..."

Die all­ge­mei­ne Bau­lexik aller 13 Gewer­ke umfasst jetzt 110 Seiten, die ver­kürz­te nur zwölf, die lässt sich schnel­ler durch­blät­tern. Die größte Bau­stelle ist leider in Verzug geraten, erst Corona, dann Hoch­was­ser, jetzt Bau­ma­te­rial­man­gel. Keine ein­fa­chen Zeiten sind das. Wir Dolmetscher:innen bleiben indes immer ruhig und positiv. Alles andere wäre kon­tra­pro­duk­tiv.

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Foto: C.E.

Montag, 1. November 2021

COVIDiary (417)

Hal­lo! Sie sind auf den Sei­ten eines di­gi­talen Ar­beits­ta­ge­buchs gelan­det. Hier fin­den Sie Bilder und Mo­mente aus dem All­tag einer Dol­metscherin in Pan­de­mie­zei­ten. Meine Spra­chen sind Fran­zö­sisch, Eng­lisch und natür­lich auch Deutsch, meine Mut­ter­spra­che.

Kreativer Kopf (Kunst)
Kopf, nicht von Pappe
Es gibt Tage, da erinnere ich mich gerne an meine Kunden. Und dann gibt es sol­che, Kunden, nicht Tage, die würde ich lieber heute als mor­gen ver­gessen. Wie diese fran­zösi­sch­spra­chige Klein­familie, die schwer zur Boboisierung (s.u.) Berlins mit ihren schlech­testen Ausprä­gun­gen beige­tragen hat. Einige Male durfte ich die Leute zu Ämtern be­glei­ten, zur Ein­schu­lungs­un­ter­su­chung der Tochter und zu Gericht. Die Fa­mi­lie schien immer klamm, so zu­mindest bei der Ho­no­rar­ver­hand­lung. An­sonsten hat sie auf großem Fuße gelebt. Und eine Über­wei­sung meiner Ho­norar­note konnte schon mal Monate in An­spruch nehmen.

Eines Tages bekam ich eine Mail. Ich wartete gerade wieder auf eine Überwei­sung. 

Ob ich nicht vielleicht das schöne Designer­sofa über­nehmen wolle statt der Bezah­lung, Foto im Anhang, wurde ich gefragt. Der De­signer ist namhaft, weltweit, die Möbel gelten als elegant, ich finde sie aber ebenso un­be­quem wie un­prak­tisch. Hier folgt kein Marken­name, kein Bild. Der Ärger muss nicht noch größer werden.

Mit einer zweiten Mail, ver­sendet an eine grö­ßere, anony­me Grup­pe, er­reichte mich eine Woh­nungs­an­zeige. Man werde aus beruflichen Gründen Berlin verlas­sen, ziehe nach Lon­don. Die schöne neue Wohnung am Gleis­dreieck sei jetzt frei, 180-Grad-Blick auf den Park und Rich­tung Pots­damer Platz würden hier geboten, 120 Qua­drat­meter für 3100 Euro warm, mit Kamin und zwei Tiefgaragestellplätzen, nur 15 Minuten Fußweg zur franzö­si­schen Grund­schule Voltaire. Ich ahne, in welchem Neubau­bereich die résidence tant aimée liegt, das "so sehr gelieb­te Anwesen".

Kreativer Kopf (Kunst)
Kein Holzkopf
Idéal pour une famille d'expats, steht da noch, ideal für eine Fami­lie von Expats, expatriés, außer­halb der Heimat le­bende und ar­bei­tende Menschen, die (eigent­lich engli­sche) Exklusiv­form des Wortes "Gast­ar­bei­ter". 

Der Familien­vater war nicht politisch-dip­lo­matisch tätig, wie manche unserer Privat­kun­den, sondern für ein deutsches Groß­un­ternehmen, das fran­zö­sisches Geld fi­nan­ziert. Maman gab ab und zu Yogastunden, und sie entwarf Kinder­kleidung für ein La­bel, bei dem ein einzi­ges Kleid­­chen so viel kostet wie die Restau­rierung meines alten Kleider­schranks samt neuer Kleidung ge­kos­tet hat. Ich über­treibe, ja, aber nur mini­mal.


Vokabelnotiz
La boboïsation
— die Schi­cki­micki­fi­zierung, das wäre zumin­dest mein be­schei­de­ner Ter­mi­no­lo­gie­vorschlag. Bour­geois bohème sind jene Bour­geois, die sich für Bohème halten, mit ihrem Verhalten diese aber zerstören. Auch in Deutsch­land macht die Schi­cki­micki­be­völkerung aus einst hippen Vierteln eine muse­ali­sier­te, kaputt­sa­nierte Pup­penstuben­welt.
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Bilder:
gesehen in einer Behinderten-
werkstatt (bearbeitet)

Sonntag, 31. Oktober 2021

COVIDiary (416)

Bonjour und guten Tag! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir ar­beiten, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Mei­ne Ar­beits­spra­chen sind Fran­zö­sisch, Eng­lisch und Deutsch. Sonn­tag: Hier fol­gen die eher pri­va­ten Sonn­tags­fo­tos!

Der letzte Tag des gol­de­nen Ok­to­bers leuch­tet wirk­lich in den schöns­ten Farben. Hier gibt es einen Blick in un­se­ren Hof­gar­ten am May­bach­ufer:

Bunte Blüten und Blätter als Collage
Die Regentropfenbilder sind vom letzten Jahr zur gleichen Zeit


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Collage: C.E.

Freitag, 29. Oktober 2021

COVIDiary (414)

Wie wir Sprach­ar­bei­ter:in­nen ar­beiten, genauer Konferenz­dol­metscher und Über­set­zer, beschreibe ich hier. International tätige Simul­tan­dolmetscher reisen nor­ma­ler­wei­se viel. Durch die Pandemie reise ich im zweiten Jahr durch die Woh­nung und unsere Nach­bar­schaft.

Marktwägen und -stände, vom Balkon aus gesehen
Viele Stadtbäume sind noch sehr grün
Einkauf direkt vor dem Haus, regional, un­ver­packt und an der frischen Luft: Wir zäh­len zum privi­le­gierten Teil der Bevöl­kerung, der das regel­mäßig machen kann. Aufgrund von Kanalar­beiten und der Pan­demie wurde der May­bach­ufer­markt, der dienstags und freitags stattfindet, fast bis vor unser Haus verlängert. Und meinen Stand der Bio­gärt­ne­rin­nen gibt es weiterhin, weiter unten am Markt.

Ich habe Nach­barinnen, die dort regelmäßig mit­arbeiten, was in zentralen Wohnvierteln der Haupt­stadt in Zei­ten der Gen­tri­fi­zie­rung be­droht ist. Es sind Mütter mit Kindern, die davon profitieren, dass der Weg zum Ar­beits­platz nah ist. 

1929 in Berlin
Für die Kinder die­ser Mütter ist das auch gut. Es ist schlimm, daran er­in­nern zu müssen, aber eine Stadt ist ein soziales Gefüge, die für alle Platz bie­tet. Nor­ma­ler­weise.

Es kann nicht sein, dass weniger Ver­mö­gende aus den In­nen­städten ver­trie­ben werden, wie es derzeit der Fall ist. Hier soll­te die Politik drin­gend ak­tiv werden.

Ich erin­nere mich an eine dazu pas­sen­de Ab­bil­dung aus den 1920-er Jah­ren aus meinem Foto­archiv: Hier ist meine Roman­heldin Anna mit ihrem erst­ge­bo­re­nen Sohn Ma­xi­mi­lian zu sehen, wie sie je­man­den be­suchen gehen.
Fast 100 Jahre liegen zwischen den beiden Aufnahmen. Geändert hat sich, dass die Markt­meister heute fluores­zie­re­nde Westen tra­gen und da­mals An­züge. Über­haupt waren früher die Leute besser gekleidet.

Und dass wir heute mehr Ver­kaufs­trailer haben. Flecht­körbe versus Plas­tik"körbe", Euro-Palet­ten versus Handwagen, Unmengen von Plas­tik­fo­lie versus Rupfen- oder Hanf­seil, das sind die ande­ren Pa­ra­meter. Es gibt andere Bilder die­ser Zeit, auf de­nen sind schon die typi­schen Ber­liner "Büd­chen" mit ih­ren wei­ßen Regen­pla­nen ab­ge­bil­det, die Sie oben auf dem Bild sehen kön­nen. Sie ka­men in­des nicht in allen Wohn­vier­teln gleich­zei­tig auf.

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Fotos:
privat. Das Blumenbild möchte ich bald
von den Nachbarn im 1. OG aus nachstellen.

Donnerstag, 28. Oktober 2021

COVIDiary (413)

Sie sind auf den Sei­ten eines digitalen Ta­ge­buchs aus der Welt der Sprachen ge­landet. Seit 2007 blog­ge ich hier über das Be­rufsle­ben der Über­set­zer und Dol­met­scher. Seit März 2020 gibt es aus den be­kann­ten Gründen kaum Konfe­renzen, hat sich unsere Arbeit stark verändert.

Heute ist die Luft sauber und nicht zu kühl. Ich sehe in einen wun­der­voll herbst­blau­en Him­mel hin­ein.

Mein Bal­kon­mit­be­wohner und neue Knospen

Meine Nach­barn von Ge­gen­über sehe ich das hal­be Jahr indes fast nicht mehr, so zu­ge­wachsen ist alles. In der Ferne bellt ein Hund. Fahr­rä­der schnur­ren vorbei, Meisen und Els­tern meckern am Ufer, dann pfeifen drei Schwä­ne mit kräf­ti­gen Flü­gel­schlä­gen den Kanal ent­lang.
Plötzlich schleicht das Tou­ris­ten­schiff "Fortuna" am Haus vorbei, über­ra­schend lei­se ver­gli­­chen mit früher.

Ich kann den Un­ter­schied auch riechen. Die Diesel­moto­ren scheinen der Ver­gan­gen­heit anzugehören. Auch Autos höre ich weniger, hier ist der Unter­schied sehr gering, aber wahr­nehm­bar. Ihre Anzahl scheint in unserem Viertel etwas ab­ge­­nom­men zu haben, in absoluten Zahlen oder nur in der Men­ge des das Viertel durch­que­ren­den Ver­kehrs, ich weiß es nicht. Das wären dann einige der guten Ne­ben­ef­fekte der Sch*pan­demie.

Was liegt auf dem Schreib­tisch? Ein Vertrag, der da dringend wieder runter muss, dann Vo­kabel­listen "Neubau In­dus­trie­ge­bäude", "Leben mit Be­hin­derung", "Öko­land­bau" zur Wie­der­holung sowie nur ein (als Ziffer: 1!) Kos­ten­vor­an­schlag. Au­ßer­dem Abla­gen, Abrechnungen und Technik­planung. Auch au­ßer­halb der Ho­no­rar­tage ist zu tun.

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Foto:
C.E.

Mittwoch, 27. Oktober 2021

COVIDiary (412)

Herz­lich will­kom­men! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir ar­beiten, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Aus Heidel­berg stammt ein Bild, das die Viel­falt un­serer Ar­beit ab­bildet.

Sprecherin mit Mikrofon, Pinsel und Feder
Die Vielfalt der Spracharbeit

Was wir machen: Über­set­zen und Dol­met­schen. Ob­wohl beide Begriffe in den Me­dien oft wie Sy­no­nyme verwendet werden, handelt es sich hier um zwei un­ter­schied­liche Tä­tig­kei­ten: über­setzt wird schrift­lich, gedolmetscht mündlich (siehe Untertitel dieses Blogs).
Beides verbindet ein ver­tief­tes Interesse an Spra­chen. Doch Interesse allein reicht nicht aus.

Zu­nächst le­ben wir jeden Tag mit und in unseren Spra­chen. Das ist auch mit vielen Auf­ent­hal­ten in verschiedenen Län­dern verbunden, und zwar idealer­wei­se le­bens­läng­lich. Wir verfügen über ein schnel­les Auffassungsvermö­gen und haben auch in unserer jeweiligen Mut­ter­spra­che ein geschärftes Sprach­ge­fühl.

Einer Sprache zuzuhören, das Ge­sag­te sofort im Kopf in eine an­dere zu übertragen, nahezu zeit­gleich in einer an­deren zu spre­chen und den ei­ge­nen Out­put ide­aler­wei­se noch auf Vollständigkeit zu prüfen, das ist viel Multi­tas­king auf einmal! Wer sich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentriert, muss extrem fokus­siert sein; al­ler­höchs­te Kon­zen­tra­tion und komplexe Wort­fel­der, die oft noch in der Kabi­ne Re­cher­chen nötig machen, be­deu­tet Teamarbeit. Wir arbeiten bei mittel­langen Ein­sätzen zu zweit, bei langen sogar zu dritt.

Auf internationalen Kongres­sen, bei Tagungen und Fes­ti­vals sorgen wir so für Ver­stän­di­gung. Wir passen unsere Dol­metsch­mo­di dabei an die jeweiligen Situationen an. Auch die Sprach­kennt­nisse und die An­zahl der Teil­neh­men­den sind zu berück­sich­ti­gen. 

Die Luft in unseren schall­iso­lier­ten Kabinen wird oft dünn. Von hier aus funkt die Kon­fe­renz­tech­nik das Ver­dol­metschte auf die Kopf­­hörer des geneig­ten Publi­kums. Sind mehrere Spra­chen im Raum, steht am Ende des Raums schon mal eine ganze Straße von Dol­metsch­ka­binen.

Im kleinen Kreis dolmetschen wir konse­kutiv, oder aber wir flüstern unseren End­kun­den direkt ins Ohr, letztes geht aber nur für eine kurze Zeit, denn die Sitz­hal­tung dabei ist sehr unnatürlich. Beim Konsekutiv­dol­met­schen stützen wir uns auf Notizen, die auf Außen­ste­hen­de wie kunst­vol­le Symbole oder eine Art Kurz­schrift wirken. Die Redner:innen legen dann regel­mäßig Pausen ein, so dass wir die In­hal­te nach und nach übertragen können. 

Angeblich soll unser Beruf, einer Studie der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sation zufolge, der dritt­stres­sigs­te Beruf überhaupt sein, direkt hinter Pilot:innen und Men­schen von der Flug­si­che­rung. Meh­re­re Kol­legin:innen haben diese Studie ge­sucht und nicht ge­fun­den. Was aber verbürgt ist: Unser Beruf ist sowohl phy­sisch als auch psy­chisch höchst an­stren­gend. Nach den Ein­sätzen brauchen wir oft Stunden oder Tage zum Abschalten und Er­holen.

Neulich musste ich anlässlich einer Befragung zu einer Gewalt­tat dolmet­schen. Opfer war eine junge Frau. Ich habe eine Zeit­lang gebraucht, um mich davon wie­der zu befreien. Denn beim Dolmet­schen gehen alle In­hal­te buchstäb­lich durch uns hin­durch.

Dolmetschen erfordert auch den langen Atem. Die letzte Kon­fe­renz, die wir be­treut haben, umfasste 22 Redebeiträge in zwei Tagen zuzüglich ausgiebigen Fach­ge­sprächen. Zum Dolmetschen hinzu kommt die intensive Vorbereitung solcher Ein­sätze. Hier konnten wir uns je Vortrag zwischen zwei und fünf Stun­den mit der jeweiligen Thematik befassen. Unsere Zeitin­vestition war hier leider über­pro­por­tio­nal groß und eigent­lich unwirt­schaft­lich. Dem stehen Einsätze gegenüber, für die wir uns weniger intensiv vorbe­reiten müssen. Im Durch­schnitt macht das Dol­met­schen selbst 20 Prozent unserer Arbeitszeit aus. So war es jeden­falls vor der Pan­de­mie. Über­haupt sind wir Dolmet­scherin­nen, das Gros unseres Berufs­stan­des ist weiblich, Lern­profis.

Als Gedan­ken­stütze zeichne ich immer wieder Wort­fel­der oder andere Il­lus­tra­tio­nen, die ich dann mit Aquarellfarben verschönere, denn spielerisch lerne ich am besten. Wie Maler:innen müssen wir Dolmetscher immer die richtige Nu­ance tref­fen. Die Be­ma­lung des Heidel­berger Strom­kastens, siehe Foto, bildet diese Viel­falt her­vor­ra­gend ab!

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Foto:
C.E.

Dienstag, 26. Oktober 2021

COVIDiary (411)

Was Dol­met­scher und Über­setzer um­treibt (hier: eine Dol­met­sche­rin­ und Über­set­ze­rin­), be­schreibe ich seit 2007 an dieser Stelle. Meine Spra­chen sind Franzö­sisch, natürlich Deutsch, und oft auch Englisch als Ausgangs­sprache.

Die zweite Corona-Herbst­saison fand in ei­ner Woche An­fang Sep­tember statt, da hatten wir Drei­fach- und Vier­fach­bu­chun­gen im Netz­werk. Sonst ist die Herbst­sai­son kei­ne: Wir ha­ben wenig Anfragen, echte, mehr­tägige Konfe­renzen müssen in den Ver­an­stal­tungs­ka­len­dern mit der Lupe gesucht werden, De­le­ga­tions­rei­sen sind selten.

Wenn unsere Kunden uns brauchen, sind wir weiterhin für sie da, gei­mpft, ge­ne­sen und getes­tet, vor Ort, rein digital oder hybrid: Die Kon­fe­renz­for­mate sind, wie er­war­tet, viel­fäl­tiger geworden, die Ein­sät­ze kürzer.

Daher bringe ich heu­te ein Bild aus ver­gan­ge­nen Zeiten, das Herbst 2021 aller­dings er­klärt werden muss.

Mikrofon auf dem Boden, daneben ein Schild "Wir sind in Paris"
Nach nicht einmal zwei Jahren erklärungsbedürftig
Das Archiv­bild zeigt unsere Dol­met­scher­ecke in ei­ner Mit­tags­pau­se. Wir waren bei einer De­le­ga­tions­rei­se in Paris, reis­ten von Mi­niste­rium zu Be­hör­de zu Un­ter­neh­men, daher hatten wir mit mobiler Tech­nik out of the box (*) gear­beitet und nicht in ei­ner Dolmet­scher­ka­bi­ne ge­ses­sen.

Am Boden lag ein Hinweis­schild: "Wir sind in Paris". Das war in früheren Zeiten nötig.

Manchmal haben einst­mals Red­ner:in­nen so Sa­chen gesagt wie "Hier in Ber­lin / Paris / Köln / Mün­chen / Hei­del­berg ... ". Gerade bei den Haupt­städten musste ich höl­lisch auf­passen, dass ich aus "Hier in Berlin ..." nicht "Ici, à Paris ..." mache, also die Stadt mit­über­trage ... oder eben anders­herum.

Derzeit besteht diese Gefahr nicht. Wir rei­sen äußerst selten. Fragt uns Dol­met­scher:innen, ob die Pan­demie vorbei ist oder nicht. Ist sie nicht. Die Bran­che lei­det (wie die gesamte Ver­an­stal­tungs­bran­che). Gebucht wer­den wir äußerst zag­haft, Bu­chungs­an­fragen werden zö­ger­lich un­ter­schrie­ben. Wir hof­fen aufs Früh­jahr. Es ist lei­der nur nicht klar, ob es Früh­jahr 22 oder Früh­jahr 23 sein wird.


(*) Vokabelnotiz
Out of the box thinking bedeutet, klas­si­sche Denk­muster zu überwinden, sich mit Kreati­vi­tät alten Probl­emen zu widmen. Neues Denken, mutige Schritte und un­er­war­tete Lösungs­ansätze finden wir Sprach­ar­bei­te­rin­nen in der Re­gel sehr schnell, denn wir sind im Problem­lösen gut trainiert.
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Foto:
C.E. (Archiv)

Montag, 25. Oktober 2021

COVIDiary (410)

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­terin können Sie hier ­ erhalten. Ich bin Dol­met­scherin für die fran­zö­sische Sprache, und ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen. Die neue Woche be­ginnt mit Erinnerungen.

Menschen sitzen um einen runden Tisch herum: Rundfunk
France Culture auf der Berlinale, u.a. mit Romuald Karmakar,
Heike Hurst und Angela Schanelec
Große Freude: Die Nichte, noch nicht einmal drei Jahre alt, fragt: "Warum steht das Tor offen? Machen wir's zu!"
Wenig später frage ich, die Hän­­de sind da­bei nicht untätig: "Und was mache ich jetzt?" Sie: "Du machst das Tor auf!"
Ich freue mich sehr darüber.
Natür­lich halten Ange­hörige jedes Mini, das sich schlau zeigt, für einen kleinen Ein­stein. 

Aber im Ernst: Ich nehme an, dass ein Groß­teil der Bevöl­kerung das Be­grif­fs­paar "auf/zu" für die Bewe­gung und "offen" für den Zustand nicht sauber beherrscht. 

Das ging mir auch mal so. Das ist länger her. Als ich noch mehrheitlich in Frank­reich gelebt habe nämlich, denn das Franzö­si­sche kennt diesen Unterschied nicht. Einmal, ich saß am Anfang meiner Dolmetscherin­nen­lauf­bahn auf einer Ber­li­na­le-Bühne im Delphi, habe ich diesen Fehler öffent­lich gemacht. Peinlich ge­nug, ich hätte es selbst nicht gemerkt. Zum Glück saß eine deutsch-französische Film­kri­ti­kerin und Hochschul­leh­rerin mit im Raum. Beim Heraus­geh­en lobte sie mich fürs Dol­met­schen und flüs­ter­te mir dann mit der größt­mög­li­chen Non­chanlance einen Merk­satz zu à la "Die Tür mach auf, jetzt steht sie offen!"

Die Gute ist leider schon lange nicht mehr bei uns, sie starb vor knapp neun Jah­ren. Hier der Nachruf: Madame 'Örst. Freude und Trauer liegen eng bei­ein­an­der.

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Foto:
privat (Archiv)

Freitag, 22. Oktober 2021

COVIDiary (408)

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Ein­blicke in das Le­ben einer Sprach­ar­bei­terin können Sie hier ­ erhalten. Ich bin Dol­met­scherin für die fran­zö­sische Sprache, und ich über­set­ze auch aus dem En­g­li­schen. Die Woche en­det mit einem Blick in den Himmel.

Heute leider nur Stak­ka­to, kei­ne Zeit für 'ne Schön­schreib­übung. 

Fliegende Vögel, die sich aus wenigen Linien zeichnen lassen
Von Edwin George Lutz (1913)
Abfahrt zu nacht­schla­fe­ner Zeit, Rück­kehr nach Berlin bei Ein­bruch der Dunkel­heit, völlig normal für gute Kunden und im Herbst an langen Tagen. Es geht auf eine Bau­stelle. In der Regel bin ich eine halbe Stun­­de vor Ter­min vor Ort, bei län­­geren Ent­­fer­­­nun­­gen wird es mehr: Heute an­dert­halb Stun­den frü­her, denn ich rei­se mit dem ÖPNV.

Am Ziel angelangt, spre­che ich mit einer betei­lig­ten Person über das Pr­ogramm des Tages, sofern schon je­mand greifbar ist, und kann noch Vokabeln nach­schla­gen. Heute: Die Planungs­stufen eines Gebäudes, also "Entwurfs­planung", le dessin conceptuel, le projet préliminaire, und "Geneh­mi­gungs­­pla­­nung", la planification pour approbation. Wir Dolmet­scherinnen kommen immer dann ins Spiel, wenn mehrere Sprachen aufein­an­der­tref­fen. Hier stammt die Bau­herrin und ein Teil der Handwerksfirmen aus Frankreich.

Unsere Baulexik umfasst inzwischen an die 100 Seiten. Die Kurzfassung ist nur ein Zehntel davon. Bei den 13 Gewerken und ihren Begriffen spielt auch immer mit hinein, was an diesem hand­werk­lichen Produktions­standort einst hergestellt wer­den wird. 

Die Anreise hat drei Stunden gedauert, die Rückreise wird länger dauern, denn in der Regel gehen alle schön essen anschließend. In den letzten Monaten war das kein Problem, wir konnten gemüt­lich unter hohen Bäumen im Land­gasthof sitzen. Ab diesem Monat wird sich die Rück­rei­se­zeit wohl wieder verkürzen. 

Und dann sehe ich verträumt in den Himmel. Nicht die Turmschwalben fliegen über die Landschaft, hier ein Blatt aus dem Buch, mit dem mein Vater zeichnen gelernt hat, ich denke, es sind die Wildgänse von Nils Holgerssohn.

Vielleicht sollte ich mich statt Schönschreibübungen ein wenig den Schön­­zei­chen­übun­­gen widmen, die über 100 Jahre alt sind. Das Buch gibt es übrigens im Re­print. (Der Link verbirgt sich unter dem en­gli­schen Titel.)




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Illustrationen: "bungabungaoha" (YouTube) und
E. G. Lutz: "What To Draw and How To Draw It"

Freitag, 1. Oktober 2021

COVIDiary (391)

Herz­lich will­kom­men auf den Blog­sei­ten ei­ner Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­metscher und Über­setzer machen, wie sie arbeiten, wie sie leben, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema, außerdem Unterschiede zwischen Sprachen, Ländern und Leuten.

Herbst­zeit mit Kon­fe­renzen, also den we­nigen Kon­fe­renzen, die pan­de­mie­bedingt gerade stattfinden: Kollege A ist "G" wie genesen, Kol­legin B ist "G" wie geimpft. Sie sit­zen zusam­men in ein- und derselben Box, und sie haben seit 20 Mona­ten auf keiner mehr­tä­gi­gen Kon­fe­renz au­ßer­halb des Wohn­orts mehr gedolmetscht.

Der Mensch als Industriepalast, historische Grafik
Der Mensch als Industriepalast
Alles fühlt sich neu an. Und ja, es gibt kurz Selbst­zweifel à la "Kann ich das überhaupt noch?", denn Dol­­met­­schen ist Üb­ungs­sache. In den Co­ro­na­jahren haben alle über­wie­gend kurze Formate online ver­dol­metscht und natürlich März 2020 auch nicht von einem zum an­de­ren Moment "abtrai­niert", wie es man­chen sport­lich Akti­ven nach einem Unfall passiert, sondern sich in den Lock­downs auch neben den wenigen Einsät­zen, die es gab, in vielfältiger Weise mit Inhal­ten und Spra­chen be­fasst, um fit zu blei­ben.
Und dann das Räuspern: Irgendwas kratzt im Hals, denn so viel Spre­chen ist un­ge­wohnt. Zum Glück gibt es eine Räusper­taste, die das jeweils sen­den­de Mikrofon kurz stumm schaltet.

Die Kol­legin: "Ich habe einen Frosch im Hals!" Der Kollege lacht: Moi, j'ai un chat dans la gorge! Und ja, auf Französisch ist der Frosch eine Katze. Zu­min­dest in die­ser Re­de­wen­dung.

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Illustration: Dr. Fritz Kahn (1926)
Vergleichbares gab's schon hier.

Donnerstag, 30. September 2021

COVIDiary (390)

Hallo! Sie sind auf den Seiten eines di­gi­talen Ar­beits­ta­ge­buchs gelan­det. Hier fin­den Sie Bilder und Momente aus dem Alltag einer Dolmetscherin in Pan­de­mie­zei­ten.

"Jetzt ist die beste Zeit, Ihre Bettfedern zu reinigen" (schwarz-weiß-Illustration)
Bettfedern zu reinigen ist aus der Mode gekommen

Urlaubs­pla­nung, wir schreiben Mails an ein Hotel. "Zwei Ein­zel­bet­ten", steht im In­fo­text auf dessen Webseite, ab­gebildet ist indes ein gro­ßes Bett.

So schreiben wir: "Sollten Sie noch ein Zim­mer mit Bett ohne 'Be­sucher­ritze' zur Verfü­gung haben, mit einer ein­tei­li­gen Matrat­ze oder auch 'fran­zö­si­sches Bett' genannt, Queen­size oder wie immer Sie es be­zeich­nen, wür­den wir dieses vor­ziehen."

Das ist eigent­lich ein schö­nes Bei­spiel für unsere Über­set­zerprob­le­maktik und wa­rum wörtliches Über­tra­gen meist nicht mög­lich ist: Die "Königin­größe", Queensize, muss hier­zu­lan­de erklärt werden. Sie ist schmaler als "Königs­größe", Kingsize, wie in den USA die be­son­ders breite Ma­tratze heißt. (Immer dieser Ma­chismus!)

Auf Fran­zö­sisch macht der Aus­druck "französisches Bett" für eine eintei­li­ge Ma­trat­ze von ca. 140 cm Breite übrigens keinen Sinn. Hier denke ich statt­des­sen spon­tan an das Betten­ge­schäft "Le lit national", das es seit 1908 gibt, in un­mit­tel­ba­rer Nähe zum Pari­ser Tro­ca­déro gelegen. Wer hier sein Bett kauft, wird darin wohl künf­ti­ge Prä­si­dent:innen zeu­gen!

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Foto:
historische Kinowerbung (Archiv)

Mittwoch, 29. September 2021

COVIDiary (389)

Bonjour und guten Tag! Hier bloggt ei­ne Dol­met­sche­rin. Was Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­setzer machen, und na­tür­lich auch wir Frau­en im Be­ruf, wie sie bzw. wir ar­beiten, ist hier seit 2007 re­gel­mä­ßig Thema. Derzeit sitze ich viel am Schreibtisch.

Grauer Himmel, elektrisches Licht schon am Vormittag, Gewitter: Donnerwetter, schon wieder ist Herbst!

Tageslicht vs. natürliches Licht in einem Zimmer
Im Sommer hilft sie nur wenig

Hohe Zeit, die Tageslicht­lampe wieder aus der Kam­mer zu ho­len. Und einen Blog­ein­trag zu recyclen, der einen Blogeintrag recycelt: Über "Mehr Licht" hab ich hier bereits geschrieben.

Außerdem futtere ich ab einem gewis­sen Zeit­punkt Vitamin D und mache viele Gänge über­wie­gend in der Mit­tags­zeit, wenn die natür­liche Licht­menge auch im Winter hoch ist.

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Foto:
Wikipedia/Creative Commons

Dienstag, 21. September 2021

COVIDiary (385)

Bien­ve­nue auf den Sei­ten einer Sprachar­bei­te­rin. Wir Über­setzerin­nen, Über­set­zer, Dol­metscherinnen und Dolmetscher ar­beiten seit Beginn der Pan­demie über­wie­gend zu Hause im eigenen Ar­beits­zimmer. Der eigene Garten ist da nicht fern. Anlass zu Natur­beob­achtungen!

Vom Regen über Böden, Gewässer, Reinigungsanlagen, Industrie und Haushalte ... zurück zur Verdunstung
Was­ser­kreislauf und -reinigung
2017 floss mir mal wieder ein Ge­dicht aus der Feder. Ich hab es neulich kurz rum­ge­zeigt. Eine Be­kannte schrieb dazu: "Der Kli­ma­wan­del ist schnel­ler als unsere Wahrnehmung." Gefühlt habe ich das Gedicht ges­tern ge­schrie­ben, gefühlt waren die Berlinsommer nasskalt und bestanden aus vier Mo­na­ten April­wet­ter. Das ist nun an­ders.
Verglichen mit den Wet­ter­auf­zeich­nun­gen lagen die Durch­schnitts­gra­de der Som­mer­mo­na­te 2021 fast ein Grad über den Durch­schnitts­tem­pe­ra­tu­ren der letzten drei Jahr­zehn­te.

Berlinsommer

Was in Berlin so Sommer genannt wird.
Der Keller trocknet noch, auch die Schuh.
Weggehen, morgen Abend? Ach nee, es
Wird doch wieder schütten, aber sowas

Von nass wird's. Im Rinnstein ein Meer
Und die Tomaten schon wieder ersoffen.
Tage später steht die Luft. Der Eismann
Macht endlich die Deals seines Lebens.

Was in Berlin Sommer genannt wird, war
Früher mal besseres Aprilwetter. Balkon
Putzen? Sitzkissen auf die Stühle dort?
Lohnt doch nicht. Komm lieber mit mir

Ins Kino. Aber vergiss die Jacke nicht.
Los! Heute! Wetter, echtes. Statt Büro
Die Räder angespannt und zum See ge-
Radelt. Was in Berlin so Sommer heißt.

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Foto: C.E. (Archiv)