Montag, 31. Januar 2011

Nachkalkulation

Bevor ich neue Aufträge annehme, kalkuliere ich den Arbeitsaufwand, und entsprechend gebe ich dann meine Preiseinschätzung ab. Am Ende des Auftrags kommt dann gleich die Nachkalkulation dran. Dazu werte ich meine
Arbeitszeittabelle (noch schnöde auf Excel) aus, um zu schauen, ob ich richtig lag. Von Mal zu Mal werde ich besser ...

Ergebnis des ersten in der neuen Zeit per Diktiersoftware übersetzten Drehbuchs: Ich hab genau die Zeit gebraucht, die ich nur von Hand auch gebraucht hätte - das kann also nur besser werde. Die automatisierte Texeingabe geht zwar sehr schnell, aber mit vielen Fehlern. Filme bilden ihre eigene Welt ab, haben in der Regel aber mehr mit Umgangssprache zu tun als irgendwelche Schriftsätze oder Arztbriefe, für die die Diktiersoftware erfunden worden war.

Auch seltene Namen sind ein Problem. Das wird dann manchmal komisch wie neulich, als der Rechner statt des Namens "Yvette" immer "im Bett" schrieb. (Da der Familienvater ein Auge aufs Kindermädchen geworfen hatte, war das sogar plausibel!)

Neuestes Beispiel:

Die Kinder schauen sich alte Fotos an, die Oma kommt hinzu. Sie sehen ein Bild, auf dem der kleine Gabriel als Baby am Meer zu sehen ist.

YVAN
(kichert)
Boaaah! Der hat ja 'nen ganz kleinen Himmel!

                    für

Ouaaah! Il a un tout petit zizi!

Streiche 'H' von Himmel, nehme 'P' ...


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Fotos: Sommer 2010

Samstag, 29. Januar 2011

Haitianische Schönheiten

Letzten Mittwoch schrieb ich über Haiti. Gelesen? Diese haitianischen Schönheiten sind heute mein Sonntagsfoto.

 Assely (rechts) und ihre Freundin
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Foto: Claudette Coulanges

Freitag, 28. Januar 2011

Einrichtungsfilme

In unserer Familie stürzen sich immer (fast) alle auf die neusten Einrichtungbücher und Wohnzeitschriften. Kein Wunder, dass Innenarchitektur als Dolmetscherin zu meinen Fachgebieten gehört. So sehe ich im Netz auch regelmäßig diverse Sendungen zum Thema, zum Beispiel

Natürlich ist Intérieurs es eine französische Sendung und vieles, was da an überdimensionierten Vasen aus Holz in die Wohnungen gestellt wird, finde ich eher ... höchst unpraktisch. Außerdem scheinen die Menschen, die hier Zielgruppe sind, ein Leben ohne Bücher und Akten zu führen. Nun denn. Ästhetisch ist vieles eben doch und hilft beim Vokalbellernen, vor allem die Rubik fait maison ("selbstgemacht").

Und hier noch der Link zu einer anderen, leider eingestellten Sendung, deren Beiträge noch online zu sehen ist, die mehr alltagspraktische Tips bieten, wie zum Beispiel in einer Mini-Wohnung eine Wand durch ein von zwei Seiten nutzbares Kleiderschrank-Regalmöbel mit Wandfunktion ersetzt werden kann: sie hieß SOS Maison oder Question Maison, je nach Sendeplatz.

Denn es soll noch ein Leben neben dem Kino geben, hab ich mir sagen lassen ...

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Fotos: Intérieurs.fr

Donnerstag, 27. Januar 2011

Billy Wilder dolmetschen

Einen hab ich noch von der ablaufenden Woche, wenn ich den Sonntag hinzurechne, der spannender war als die Restwoche (Drehbuchübersetzungen). Also, Sonntag vor dem Tee hatte ich Mittagsschläfchen gehalten, davor fürstlich im Restaurant gespeist, denn davor ...

Ich sitze ganz hinten, direkt an der Tür, die zur Technik führt. Einer der beiden Vorführer ist nochmal nach hinten gegangen, denn leider ist das Mikro, das er mir brachte, ein Standmikrofon: Ich hatte es kurz angefasst und schon die Art meines Anfassens wurde in den Raum übertragen, dann fing der rechte kleine Finger laut hörbar zu schwitzen an.

Mein "POV" (point of view) dieses Einsatzes im Kino
Kurz darauf steht auch schon der Theaterleiter vorne und erklärt, dass die vollständige Billy Wilder-Retro ohne den Film, den wir gleich sehen werden, unvollständig gewesen wäre, von dem sich leider in letzter Minute nur noch eine Kopie in Brüssel anfand — und die ist natürlich auf Französisch. So wird heute "Madame ne veut pas d'enfants" anstatt "Madame wünscht keine Kinder" gezeigt. Die Filme entstanden 1932/33 im ersten auf dem europäischen Kontinent zum Zwecke der Tonfilmaufnahme erbauten "Tonkreuz" in Potsdam-Babelsberg. Regie führte Hans Steinhoff. Die Filme waren übrigens bereits damals das Remake des gleichnamigen Films von Alexander Korda aus dem Jahr 1926 (zu dem ich hier noch wunderbare film stills fand).

Kordas Film ereilte, was vielen Filmen der späten Zwanziger widerfuhr: Er war von einem Tag auf den anderen altmodisch, da half auch das moderne Sujet nichts. Denn plötzlich wollten alle Tonfilm sehen. Und weil auch schon damals die Erfolge international geplant wurden, durften vor der Erfindung der Synchronisation in Babelsberg Schauspieler aus drei Ländern vor ein- und denselben technischen Teams in ein- und denselben Dekos agieren. Diesem Umstand verdanken wir die Besonderheit unserer Sonntagsmatinée im Kino Babylon Mitte.

Licht aus! Ton an! Film ab! Die Vorführerin pegelt den Ton parallel zu den ersten Bildern. Kinoleiter Timothy hatte zuvor einen anderen frühen Tonfilm von Wilder gesehen und meinte, als er mich anheuerte: "Vermutlich werden die gar nicht viel sagen!"
Aber das Gegenteil ist der Fall. Zwei Herren im Spielzeuggeschäft, liebevoll wird die Erstausstattung für ein Baby ausgesucht: Diese Puppe oder jener Teddy? Wir nehmen beide! Ach, was ist das denn? Ein neuartiger Kinderstuhl! Nehmen wir! Und der Kinderwagen, hast du den gesehen? Wann darf ich liefern? usw.

Film ab! Das Mikro musste höher
Im Taxi geht der Redeschwall gleich weiter. Das Kind, für das eingekauft werden soll, ist noch nicht mal gezeugt, der künftige Vater heiratet heute, vorerst muss er sich aber von seiner Geliebten verabschieden, was die erste Zwickmühle des konfliktreichen Filmgeschehens darstellt. Innerhalb der ersten Minuten hat die eine Filmvorführerin den Ton eingestellt, was nicht ohne ist, denn meine Verdolmetschung wird zusammen mit der Filmtonspur über die großen Boxen in den Raum übertragen, in dem ich selbst sitze. Mein Stuhl steht daher im Eck hinter und unter den meisten Lautsprechern, wir wollen keine Rückkopplung; aber ich behindere mich wiederholt selbst beim Sprechen, überdeckt meine Stimme doch manchmal leicht den Ton, den ich verdolmetsche.

Ich war inhaltlich vorbereitet und geistig-moralisch ebenso. Wir wussten zwar die Sache mit der französischen Fassung nicht sooo lange im Voraus, um genau zu sein war ich seit Freitag Nachmittag informiert, sonst hätte ich mir aus dem Filmarchiv das Drehbuch besorgt (sofern es dort noch vorhanden ist).
Indes, ich fand im Internet einen Hinweis auf einen französischen Erfolgsroman aus den 1920-er Jahren des gleichen Titels und aus der Feder eines gewissen Clément Vautel (... den Tucholsky einen Bahnhofsliteraten und schlimmer schilt, siehe unten). Das Titelbild des Buchs wird in einer ebenfalls im Netz gefundenen wissenschaftlichen Arbeit etwa so beschrieben: Eine junge Frau mit Bubikopf sitzt auf dem Schoß ihres Mannes, sie scherzen miteinander wie Kameraden, der Stoff ihrer beiden gestreiften Pyjamas fällt so übereinander, dass auf den ersten Blick nicht auszumachen ist, welches Bein zu wem gehört.

Cover (1ère de couverture)
Der Plot war damals anscheinend auch im Theater erfolgreich: Eine moderne junge Frau, Garçonne genannt, heiratet und will ihren Alltag weiterführen, der im Falle der zweiten Filmfassung vom Sport geprägt ist. Monsieur Gatte indes, (erst bei Wilder ein erfolgreicher Kinderarzt,) wünscht sich nichts sehnlichster als Nachwuchs, Weibchen am Herd und Heimstatt für seine geliebten Pantoffeln.

Nein, ich habe nicht das ganze Buch über die Garçonne für den Sonntagseinsatz gelesen (Literaturhinweis unten), nur ein gefühltes Drittel. Als Dolmetscherin bin ich umso ruhiger, je mehr ich über das Thema des Einsatzes weiß. Außerdem verfüge ich über eine Eigenschaft, die manche Menschen stören mag, die in unserem Metier aber eine Grundtugend darstellt: Ich bin neugierig.

So bin ich relativ gelassen, als sich der Konflikt auf der Leinwand weiter entspinnt, als es zu Streit kommt, als Madame die Wohnung in eine olympische Anlage verwandelt, was die Drehbuchautoren Max Kolpé und Billy Wilder zu Sprüchen an der Grenze zur Schlüpfrigkeit provozierte: "... das Wohnzimmer ein Boxring, das Schlafzimmer ein Gymnastikraum."

Deckblatt (page de garde)
Und gerade, als ich vergesse, was ich mache, nennt die junge Garçonne ihren gar nicht mehr toleranten Gatten une mauviette ... mich durchzuckt rasch ein Millisekundenschreck, gesehen das Wort, ja, im Kontext gelesen und nachgeschlagen auch (und zwar im Studium bei Céline), aber noch nie verwendet, Umgangssprache mit leicht historischem Beigeschmack, so fühlt es sich an, dieses 1932-1935 zum ersten Mal im Dictionnaire de l’Académie française erwähnte Wort.

Mich retten Gedächtnis und Filmzusammenhang: In der Tat nennt sie den Göttergatten einen "Schwächling", und mauviette wird im Film noch derart häufig vorkommen, dass ich es allein in diesem Film so gelernt habe, dass ich das Wort bis zu meinem Lebensende können werde.

Dann wieder Aktwechsel (Rollenwechsel), und plötzlich ist der Ton zu leise. Die Vorführerin ist in ihre Kabine zurückgekehrt, der Kinoleiter, der vorne sitzt, merkt's, springt zum Lautstärkeregler, jetzt höre ich wieder, was ich gleich danach zusammenfassend und möglichst immer im Duktus des Films dolmetsche. Eingesprochene oder verdolmetsche Filme sind gesprochene Untertitel, die sind ja ebenfalls reduziert, und auch die legen keine Emphase in ihre Worte. Ich darf also nicht spielen; nur manchmal, wenn das Geschehen auf der Leinwand lauter wird, muss auch ich lauter werden.

Plakat (affiche) des Films von 1926
Hätten wir das Ganze etwas länger im Voraus gewusst, die Vorführer hätten den Tonausgang an der Abhörbox im Vorführraum nutzen und einen besonderen Stecker auftreiben können (XLR auf Klinke), um ans Ende einer langen Schnur einen Kopfhörer für mich hängen zu können, auf dem ich dann "sauberen" Filmton gehabt hätte. Da es dieses Mal nicht so war, gingen an zwei Stellen ein paar Worte verloren, beim Aktwechsel und als eine ältere Madame Quatscheviel mit sprachlicher Überschallgeschwindigkeit dem Gatten auf dessen eigener Hochzeit zusetzt, als dieser auf die Rolle 'Zaungast bei einer Sportveranstaltung' reduziert ist. Aber es gibt Figuren wie diese, wo das WIE des Gesagten wichtiger ist als das WAS.

Meine Filmhelden singen jetzt, ich übertrage nach ein paar Takten rasch den Inhalt, dann hören wir alle der Musik zu.
Ich darf mich kurz zurücklehnen, Wasser trinken, tief durchatmen.


Literaturtipps: "La Garçonne: Wandlungen einer literarischen Figur", Julia Drost, Wallstein Verlag, Göttingen 2004.
Über Vautel einen herrlichen Verriss von Tucholsky, hier (für eilige: der letzte Absatz hat's in sich).
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Fotos: C. Elias sowie Archivmaterial

Mittwoch, 26. Januar 2011

The proof of the pudding ...

Sonntag habe ich Film mit Pudding verglichen. Warum? Weil ich genervt war. Was ist passiert? Der Klassiker mal wieder! Etwas, das ich in dieser oder jener Variante als Französisch-Dolmetscherin in Berlin mit Spezialisierung auf Film, Medien, Kultur und Soziales für meinen Geschmack schon zu oft erlebt habe!


Es war einmal eine Pariser Filmproduktion, die sandte Ende November eine Produktionsassistentin zur Vor-Ort-Recherche nach Berlin. Sie bereitete einen Film vor, der im Januar gedreht werden sollte. Man wolle bis zur Berlinale dann auch gleich hier schneiden, hieß es. Die letzten zwei Kurzportraits würden mit Beginn des Filmfestivals entstehen und noch in den fertigen Film reingeschnitten werden. Soviel zum Hintergrund.

Das Telefon klingelte also im November, man bat mich um Zusendung meines Lebenslaufs und eines Kostenvoranschlags. Nach einem zweiten Telefonat, in dem man mich kurz bat, meine Honorare zu erläutern, habe ich erstmal von dieser Firma nichts mehr gehört.

Bis auf letzten Sonntag. Da war ich bei Annette, einer Freundin, die einmal im Vierteljahr zum Tee einlädt, Cutterin ihres Zeichens. Annette kenne ich seit ewig. Sie hat nach der Realschule bei einer Filmproduktionsfirma angefangen, sich in Abendkursen zur Europasekretärin ausbilden lassen, dann Abendgymnasium besucht, dann neben dem Beruf teilzeitstudiert. Später, als das Teilzeitkind kam, das mal bei ihr, mal bei ihrem Ex aufwuchs, kannte sie die Doppelbelastung schon. In der Produktionsfirma landete sie recht schnell neben dem Schneidetisch fürs Schnittprotokoll, seit vielen Jahren und etlichen Fortbildungen schneidet sie nun. Sie nennt sich ausbildungstechnisch einen "Spätzünder".

Ihr Sohn, der sie inzwischen an Zentimetern überragt, ist auch von dieser Sorte. Mit Mühen schaffte er den Realschulabschluss, und weil er zu Hause auch am Rechner schneiden üben durfte, hatte er Vorzeigbares aus eigener Produktion, fand einen Ausbildungsplatz, lernt nun Mediengestalter. Annette war Dank eines kleinen Erbes zwei Jahre zum Studium in Paris, der Kindsvater ist Franzose.

Warum ich diesen Umweg erzähle? Wegen der Honorarhöhe. Bei nämlichem Teetrinken war auch ihr Filius und dessen derzeitige Arbeitgeberin aus Paris zugegen, eine Produktionsleiterin, die im Januar drehen ließ, jetzt schneidet und, Sie wissen es schon, am Anfang der Berlinale die letzten Interviews machen lassen wird. Annette stellte mich der Französin mit den Worten vor: "Hier, Deine Rettung!" (Damit meinte sie mich.)

Ich mach's kurz: Es hatte sich fürs Dolmetschen am Set natürlich 'billiger' Nachwuchs angefunden, ein Romanistik-Student kurz vor Studienabschluss. Überhaupt ruht das Projekt teilweise auf jungen Schultern, auch auf denen von Annettes Sohn, der ja noch in der Ausbildung ist und den sein Lehrherr gerne für das Projekt abstellt. Als zweisprachiger Nachwuchs kommt er für die Franzosen nicht teuer, die bei der deutschen Firma auch die Technik geliehen haben, so entstand der Kontakt.

Und jetzt erklär ich meinen "Klassiker!"-Seufzer von eben. Der Klassiker war das deshalb, weil immer mehr junge Menschen Film und Medien irgendwie sexy finden - mit Betonung auf 'irgendwie' bitte! Auf die Frage, was sie später mal werden wollen, kommt ein ungefähres "Irgendwas mit Medien!" Und wer nicht die Traute hat/und oder Biss und Talent, Schauspieler/in, Regisseur/in, Drehbuchautor/in, Cutter/in oder Journalist/in zu werden und "so ganz gut" in Sprachen ist, verfällt leicht auf den Gedanken, für Medien übersetzen oder dolmetschen zu wollen.

Okay, ich könnte auch mal eben so auf den Gedanken verfallen und sagen wir mal Bundestagsabgeordnete werden wollen - mach' ich aber nicht. Hab ich auch nicht schon seit frühem Erwachsenenalter angestrebt (nach einer kurzer Erprobung meiner rhetorischen, programmatischen und gruppendynamiklenkenden Talente in der Hochschulpolitik).

Ich schweife schon wieder ab. Mir ist die Geschichte peinlich. Ich hasse meine häufigen vernichtenden Analysen einer Branche, die mir lieb und teuer ist (das Lehrgeld zahlt hier, wer nicht bescheid weiß). Kurz: Die sogenannte Verdolmetschung der Nachwuchskraft war keine, die betreffende Person wusste auch gar nicht, worauf es ankommt. Das Material ist zum Großteil unbrauchbar. Weil es aber nicht sein kann, dass renommierte Gesprächspartner, die für einen renommierten Sender interviewt wurden, nochmal angefragt werden für ein- und dasselbe Projekt, helfe ich jetzt ab und zu Annettes Sohn beim Filmmosaik. Vier Ohren hören mehr - und so gut der jeune homme auch Französisch kann, bei den ganzen erudierten Ergüssen der Hochkaräter aus Kultur und Medien ist er überfordert, und niemand wird ihm das ernstlich vorwerfen.

Meinen stundenweise abgerechneten Job nennt man 'Schnittberatung'.  Das Ganze ist billiger als Neudreh und deutlich teurer, als wenn ich von Anfang an mitgearbeitet hätte. Wir schnitzen uns einen Wolf, weil wir hier ein Fitzelchen und da ein Fitzelchen finden und Schnittbild und Zwischenschnitt von anderer Ebene aneinandergehängt werden, weil nicht ausreichend Schnitt(bild)material da ist. So greifen wir über den Kopf von Regisseur und Autor hinweg mit deren Billigung in den Film ein (anders formuliert: beide haben gekniffen).

Merke: Dolmetschen ist ein qualifizierter Beruf. Die Dame aus Paris hatte mir Sonntag noch anvertraut, dass die französische Produktionsfirma jeweils 250 Euro für den Tonmann und für die Dolmetscherin vorgesehen hatte.
Mit Annettes Sohn und einem anderen Mediengestalter und Tonmann, der wie Annette in den Beruf einstieg, bevor dieser ein Lehrberuf wurde, haben wir am Sonntag beim Tee die folgenden Daten zusammengetragen:

The proof of the pudding is in the eating. (Sprichwort, erstmals 1605 erwähnt)

The proof of the shooting is in the editing. (eigene Aktualisierung)

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Bild: eigene Berechnungen sowie
ein anderer Dreh

Dienstag, 25. Januar 2011

Haiti!

Es  ist mehr als ein Jahr her, als ich anfing, kostenlos für ProjectEducation e.V. zu übersetzen, ein 2003 gegründetes haitianisches Bildungsprojekt, aus dem vor einem Jahr und zwei Wochen ein Nothilfeprojekt wurde. Das Schicksal der Menschen, die Opfer nicht nur eines Erdbebens, sondern auch von Korruption, Misswirtschaft und von (vermeidbaren) Krankheiten sind, erschüttert mich unverändert - und nicht nur am Jahrestag der Naturkatastrophe.

Claudette und die Kinder beim Kunstunterricht
Meiner Erschütterung möchte ich Taten folgen lassen. Da ich es mir nicht erlauben kann, dort für mehrere Monate als Dozentin zu arbeiten, (diese Anfrage gab es über das französische Bildungsministerium,)  überweise ich den Ertrag meines heutigen Arbeitstages an dieses Hilfsprojekt. Meine Verbindungsfrau dort ist die Vorsitzende des Vereins ProjectEducation, Claudette Coulanges, eine in Deutschland lebenden haitianische Filmemacherin und Kamerafrau. Uns verbindet seit über zehn Jahren eine herzliche Freundschaft, denn wie viele Filmschaffende wirkt auch Claudette hinter den Kulissen der Berlinale mit.

Ihr Verein engagiert sich abseits der Hauptstadt Port-au-Prince, und zwar in Claudettes Heimatstadt Aquin und Umgebung. ProjectEducation schafft dort Arbeitsplätze und Überlebensmöglichkeiten. Das ist mir auch deshalb wichtig, weil sich viele andere Hilfsorganisationen auf Port-au-Prince konzentriert haben.

Ich zitiere aus Claudettes Spendenaufruf von Januar 2010: "Unsere Hauptaufgabe besteht nach wie vor in der Durchführung kleiner, dezentraler, langfristig angelegter Projekte: die Schulung und Bildung von Kindern und Jugendlichen, die Prävention von Frühschwangerschaften, AIDS und Infektionskrankheiten, die Erziehung zur Schonung der Umwelt, die Unterstützung von Kleinbauern, um die Ernährung zu sichern, sind einige unserer wichtigsten Maßnahmen, die wir noch verstärken wollen."

Assely und Freundin machen Musik
In der Erdbebenhilfe erleichtert der Verein vor allem Kindern den Alltag und das Verarbeiten der traumatischen Erfahrungen, zum Beispiel mit Hilfe von Musik. Zusammen mit Filmemacher Robert Krieg, der sich vor Ort umgesehen hat, kann ich versichern, dass jeder von Ihnen/Euch gespendete Euro sinnvoll zum Einsatz kommt.

KontoverbindungProjectEducation e.V., Kontonummer: 2514240 bei der Baden-Württembergischen Bank, BLZ 60050101
Kontakt: Tel: 0711- 505 4082,  contact@haiti-pe.org


P.S.: Der Verein stellt natürlich auch Spendenbescheinigungen aus.
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Fotos: Claudette Coulanges

Montag, 24. Januar 2011

Aufgehangen

Zitat aus einer Spammail mit dem angeblichen Absender "VISA":
Für Ihren Schutz haben wir Ihre Kreditkarte aufgehangen. Um diese Suspension aufzuheben Klicken Sie hier!
Klingt verdammt nach automatischer Übersetzung. Wie war das gleich noch, das Europäische Patentamt will die jetzt auch einführen?

Sonntag, 23. Januar 2011

Der kleine Drache hat 'nen Vogel

Wie bereits berichtet, arbeite ich seit wenigen Wochen mit Diktiersoftware, die mir meine Arbeit aber noch nicht sehr erleichtert. Das System muss erst den Sprecher, sein Vokabular und seine Art des Schreibens kennenlernen.

Da es (ursprünglich) "Dragon" hieß, nenne ich es weiterhin meinen kleinen Drachen.

Der Drache muss zum Diktat. Der Drache hat seine liebe Müh' mit mir. Denn ich habe berufsbedingt nicht ein- und denselben Stil, benutze, anders als ein Anwalt oder Arzt, die Kernzielgruppe, eben nicht stets das gleiche Vokabular. Da gibt es schon manch' witzigen Irrtum beim Übersetzen von Drehbüchern.

Anstelle von "Yvette" schreibt er beständig "ins Bett". Ja, der Familienvater würde gern was mit dem Kindermädchen anfangen, das scheint hier der Name zu verraten.

Der Durchblick des Drachens reicht bis in noch tiefere Schichten! Er lieferte mir neulich "Schauspielhauszombies" statt "Schauspielensemble".

Die Welt des Theaters ist geschlossen, eng und klein und bringt so manche Gestalt hervor, die auf den ersten Blick und vor allem für Außenstende durchaus ein wenig wie ein Zombie wirken mag.

Aber woher zum Kuckuck weiß das mein Diktierprogramm? Probehalber subsumiere ich mich als Filmübersetzerin und Filmdolmetscherin mal unter diese Spezies, wir Filmleute wirken ja oft ähnlich exotisch auf Normalmenschen. Aber nein, das muss ich dann doch gleich wieder ablehnen, das geht so nicht.

 Der Drache hat doch 'nen Vogel ...

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Foto: Lichtspieltheater in Marseille

Fotopause


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Foto: C. Elias

Freitag, 21. Januar 2011

Lieber Glück durch Helfen als Schokolade aufm Sofa

Im Winter fehlt uns Licht, da müssen die Glückshormone woanders herkommen! Und es geht so leicht! Zwei kleine Beispiele, nicht nur für Kommunikationsprofis.

1. Gestern Mittag stand vor dem Biosupermarkt wieder der "Straßen­feger"-Ver­käu­fer. Diese Art 'Personal' vor der Tür wechselt, ich frag den jeweils anwesenden Menschen ziemlich regelmäßig, ob ich was mitbringen kann. Der gestern frug daraufhin ganz vorsichtig nach einem Glas Tomatenmark. Das brachte ich ihm auch - und einen gefüllten Stoffbeutel mit Spaghetti, Gemüse (und Möhren), Salat, Fisch (mit nativem Olivenöl drin für die Beta-Carotine) und Obst/Joghurt dazu. Denn meine Rückfrage bei der Tomatenmarkbestellung hatte zutage gebracht, dass der Mann eine Kochmöglichkeit hat. So bekam er meinen halben Einkauf und ich hab mich mit ihm gefreut, also doppelte Freude!

2. Wer in Hamburg wohnt und dort am Vormittag des 5.2. Förderern von Hinz & Kunzt helfen will, Obdachlosen ein Samstagsfrühstück zu bereiten, es gibt ein "Facebook-Event" dazu: http://www.facebook.com/event.php?eid=191757064184058

Kurzinfo: 5.2.2011, 09:00 - 13:30, bei Hinz & Kunzt, Altstädter Twiete 1-5, Hamburg, Preis: maximal 12,- Euro (Spende zum Einkauf fürs Frühstück)

Wer sich deshalb nicht extra bei Facebook anmelden will, schreibe mir eine Mail, ich vermittle gern einen Direktkontakt.

Wortfindungsstörungen

Einstmals, an manchem Hofe, wurde der Überbringer schlechter Nachrichten ermordet, denn es sollte ja keinen Zeugen für die schmachvolle Niederlage geben.
So kann ich von Glück sagen, dass ich noch lebe. Aber ich kenne seltene Momente ganz besonderer Wortfindungsstörungen, wo ich wie einst mancher Bote keine gute Kunde für den Kunden habe.

Autsch, von Peinlichkeit berührt, flüchte ich mich in schlechte Kalauer. Aber das Thema ist ernst: Wie gehe ich als Dolmetscherin und Übersetzerin im Kundenkontakt mit schlechten Nachrichten um, und ich meine hier jetzt nicht zu übersetzende oder zu verdolmetschende schlechte Nachrichten.

REALITÄT!
Die neue Lust am Dokumentarischen
1. Beispiel: Kunde A. aus Berlin ruft an, hat ein Drehbuch übersetzen lassen. Der Text wirkt aber in seinen Augen doch an einigen Stellen etwas ungelenk. Er bittet mich, die Arbeit zu evaluieren, um sie später, falls nötig, zu verbessern. Der Text kommt an, das Original auch: Katastrophe! Ich lese, markiere, probiere Neues aus, schau' auf die Uhr. Und stelle fest, dass es mindestens genauso lang dauert, dieses Buch zu schleifen, wie es neu zu übersetzen. Kunde A., der ein potentieller Neukunde ist, sagt, er habe doch nur die Schwester einer Praktikantin des Nachbarbetriebes gebeten, sich des Buchs anzunehmen, sie sei gerade aus Frankreich zurückgekehrt, wo sie erfolgreich studiert habe.

Lassen Sie mich das vorlesen.
2. Beispiel: Wieder potentielle Kunden, diesmal Monsieur B. aus Paris. Ich bewerbe mich um einen Dolmetschjob, für sein Haus wurde ich schon tätig, allerdings mit anderem Ansprechpartner. Ich bekomme einen Filmlink zugeschickt, sehe im Netz das fertige Werk. Es hat Untertitel. Und was für welche. Ich frage mich, ob sie a) mit Übersetzungssoftware gemacht worden sind, b) durch den Hausmeister oder c) durch die Katze. Wir treten in die Honorarverhandlungen ein. Vorher frag ich zaghaft nach den Untertiteln, deute an, dass sie nicht gut sind. Knieschuss! Der Freund der Bürokollegin war's, er sei ja in Deutschland geboren, und ja, es seien bereits erste Kopien gebrannt ... Und ob ich das nicht das nächste Mal machen wolle, der Freund der Kollegin habe allerdings einen Freundschaftstarif aufgerufen, 9 Cent das Wort. (Der offizielle Tarif liegt in Frankreich bei 3,90 Euro je Untertitel, und die bewusste Firma gehört zu den solider finanzierten Medienunternehmen, um's vorsichtig zu sagen.)

Warum kommst du her?
3. Beispiel, denn auch Monsieur C. aus der französischen Provinz hat mal wieder was für mich: viel Arbeit, indes kein Bares (in neuer Firma). Oder nur kaum. Dann meint er, er könne doch Gelder zur französischen Arbeitslosenversicherung für mich zahlen und die Abgaben für die Tantiemen seien doch auch erklecklich, die Verwertungsgesellschaft zahle mich doch. Ich stelle klar, dass es in Deutschland keine Arbeitslosenversicherung für unständig beschäftigte künstlerische Berufe (caisse des intermittents du spectacle) gibt und dass die französische Verwertungsgesellschaft für das betreffende Werk an mich vielleicht einige Zehn-Euro-Scheine ausschütten wird, wenn dann in X Jahren der Film vielleicht ... Monsieur C. zeigt sich verwundert über meine Ausführungen. Die Englisch-Kollegin aus einem Vorort des Pariser Südens hätte anders reagiert. Und er setzt nach einer Pause selbst hinzu, dass dies vielleicht kein guter Vergleich sei, es handele sich hier um eine Mutter, Fremdsprachenkorrespondentin, die nach Familienpause langsam wieder ins Arbeitsleben einsteigen wolle, obwohl sie das gar nicht müsse.

Nichts gegen Berufsrückkehrer, in Deutschland Geborene und frischgebackene Hochschulabsolventen, ich meine das nicht persönlich. Trotzdem: Es gibt wohl wenige Berufsbilder, bei denen die "Konkurrenz" von Laien derart zum Alltag gehört, wie bei dem des Übersetzers.

Zum Glück hab ich auch andere Kunden, die gut und pünktlich die vollen Summen zahlen. Aber in Situationen wie den beschriebenen weiß ich immer nicht, wie ich's ausdrücken soll, wenn ich mich nicht um Kopf und Kragen reden will.

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Fotos: Aus Kundenschutz keine Quellen-
angabe bzw. Modifizierungen/Schwärzungen.
Ich schütze auch meine Nicht-Kunden ...

Donnerstag, 20. Januar 2011

In der Pause

An dieser Stelle können Sie seit Februar 2007 Erlebnisse, Geständnisse und Anmerkungen einer Berliner Übersetzerin und Dolmetscherin für die französische Sprache lesen. Wenn Sie Fragen zu den Themen Übersetzen, Dolmetschen, Frankreich, Deutschland und ihre Sprachen, Kulturwirtschaft, Soziales und Medien haben, die von allgemeinem Interesse sind, schicken Sie sie mir bitte! In den Wochen vor der Berlinale versuche ich hier darauf zu antworten.


Rasch Geldbeutel und Handy geschnappt und raus an die frische Luft!

Obwohl die klimaanlagenrundgewirbelte Kongressluft ja nicht wirklich Frischluft genannt werden kann, so ist doch alles besser als der Nebel, der in der Dolmetscherkabine hängt. Wir haben gerade zwei Stunden Programm absolviert, uns dabei die Hirne hübsch zermartert und etlichen Schweiß abgesondert. Immerhin, der Feierabend ist fast schon in Sicht. Aber leider ist die Klimaanlage nicht gut/stark/neu genug, um auch uns im fest installierten Kämmerlein mit ausreichend vielen Sauerstoffatomen zu versorgen.

Zu zweit klemmen wir noch rasch den Papierkorb in die Tür, denn nicht nur das Dolmetschen, auch das Drumherum ist Teamarbeit! Die Kollegin hängt sich daraufhin ans Handy, Privatsache. Ich eile indes zur Kaffeebar. Hier könnte ich jetzt den letzten Getränkebon einlösen, der im Geldfach steckt, riskiere aber in Gespräche verwickelt zu werden, die ohne Dolmetscherin nicht stattfänden.

Denn heute früh wurde ich bei einer spontanen Blumenübergabe samt Dankesrede spontan aufs Podium gezerrt und dolmetschte konsekutiv. Seither werde ich von allen erkannt — und verbrachte die ersten Kaffeepausen ... dolmetschend.

Am Ende des Stockwerks sehe ich eine zweite Bar, sie ist menschenleer und wird offenbar privat betrieben. Möglichst unauffällig schlendere ich an der Kaffeewarteschlange vorbei, gehe einen kleinen Zick in Richtung der Fenster, genieße kurz das Licht, mache einen kleinen Zack über die Toilette und stehe kurz darauf am Tresen einer einsamen Bar.

Welche Ruhe! Ich atme auf.

Aber die Pause währt kurz. Schon sehe ich mich von drei Menschen umringt, die dringende Fragen klären müssen. Ich dolmetsche und frage mich im Stillen, warum niemand auf die Idee kommt, dass auch Dolmetscher sich zwischendurch erholen müssen.

Dann ist die Kaffeepause schon vorbei. Beim Weggehen kommt der entscheidende Tipp. Wie gut, sagt der eine Dolmetschkunde, dass ich so einen schönen, bunte Seidenschal um den Hals trüge, damit hätte man mich ja auch aus großer Entfernung schnell wiederfinden können.
Ach, der Schal! Beim nächsten Mal ...

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Foto: C. Elias

Mittwoch, 19. Januar 2011

Fundstück aus dem Netz

Bonjour, guten Tag, hier bloggt eine Sprachmittlerin. Heute: Im Netz Gefundenes.

Wie läuft der Alltag eines Dolmetschers ab? Ich muss für die Schule einen Tag eines Dolmetschers beschreiben. Hoffe, irgendwer antwortet mir ..."

Bettwäsche mit französischer Handschrift als Aufdruck
Antwort eines Lesers:
"Um 6h geht sein Radiowecker — er spricht den Text simultan auf Englisch nach ... dann begrüßt er seine Frau: Guten Morgen, Frau Clark, ebenso mit: Good morning Mrs. Clark ...

Er muss halt alles auf der einen wie auf der anderen Sprache sagen. Und wenn er einen Job hat, bekommt er sogar noch Geld da­für."


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Illustration: www.simons.ca
Danke, Bine, für den Hinweis!

Dienstag, 18. Januar 2011

Dolmetscher im Film

Heute der versprochene Text über die Darstellung einer Dolmetscherin in einem deutschen Fernsehfilm der letzten Woche. (Der Film kann derzeit in der ARD-Mediathek gesehen werden.)

“Die fremde Familie” (Regie: Stefan Krohmer) stellt die Frage nach dem Umgang von Mittvierzigern mit der Elterngeneration und ihrer Hinfälligkeit. Katja Riemann verkörpert die Dolmetscherin Ira Wolfens, die den eigenen Vater (Fritz Schediwy) nicht ins Heim geben will. Ihr Gatte Marquard, ein kleiner Beamter (Thomas Sarbacher), fand erst nach dem Auszug des Sohnes Zeit, seine politischen Ambitionen zu verwirklichen. Dann sind da noch eine rumänische Studentin (Katharina Nesytowa) , die (auch aus Kostengründen) in der häuslichen Altenpflege helfen soll, sowie Iras Halbbruder (Stephan Luca)  — genug Konfliktpotential für einen abendfüllenden Film, das ebenso unterhaltsam wie realistisch abgearbeitet wird (Casting: Nina Haun).

Dabei bemühen sich seine Macher um ein hohes Maß an Wirklichkeitsdarstellung. Schön die vielen Momente, wo Kommunikation leicht schiefgeht oder unterbrochen wird: Das Paar joggt im Park, er spricht dabei mit einer Frau, die er für seine Gattin hält, bis er bemerkt, dass es eine fremde Joggerin ist; die rumänische Studentin versteht nicht gleich das Wort "Landsmännin", das der ziemlich garstig daherkommende Vater ausspricht, Blicke werden getauscht, dann fragt der Vater mit Einfachstvokabular, langsam und zu laut nochmal nach; das Paar unterhält sich im geparkten Auto, da klopft jemand an die Scheibe und will wissen, ob man den Parkplatz denn ewig blockieren wolle usw.

An diesem Realismus möchte ich den Film messen. Mich interessiert natürlich als kleine déformation professionnelle und Bloggerin zum Thema "Dolmetschen", wie echt unsere Arbeitswelt abgebildet wird.

Zunächst gar nicht: Sie hätte viele Jobs abgesagt, heißt es am Anfang. Ira gibt von einem Moment zum anderen ihr Arbeitszimmer auf, um für die junge Frau aus Rumänien Platz zu schaffen. Sie arbeitet aber auch sonst nicht, liest keine Zeitung, informiert sich nicht, was alles der Umgewöhnung an die neuen Umstände geschuldet sein mag. In dieser Phase treten potentielle Arbeitgeber allenfalls als Anrufer auf den Plan: Irgendwann fällt bei einem Telefonat der Satz, dass sie dieses Jahr mehr organisieren müsse als im Vorjahr.

Dann sagt sie ihrem Mann, dass sie nächsten Monat an "dem Kongress" teilnehmen wolle. Wie lange das dauere, fragt Marquard zurück. "Zwei Wochen", antwortet Ira und zeigt sich besorgt darüber, ob die anderen in der Zeit den Vater allein würden versorgen können. Die lakonische Haltung des Gatten, die hier und später zum Ausdruck kommt, fand ich sehr überzeugend. Seine zu seiner Frau gesprochenen Sätze "Du bist die Hälfte des Jahres gar nicht zu Hause", oder: "Den Sohn hab ich fast allein erzogen" spiegelt eine Berufswirklichkeit von Konferenzdolmetschern, die viel auf Achse sein müssen (weshalb die wenigsten wie die Filmheldin ihr(e) Kind(er) mit Mitte zwanzig bekommen).
Ohne Unterstützung durch das Umfeld ist derlei nicht möglich. Und hier hat offenbar der abgesicherte und unkündbare Gatte viele Jahre zurückgesteckt.

Nur die Dolmetscherin im Vordergrund ist im On
Nach einer Stunde und fünf Minuten Film kommt endlich auch die bislang nur behauptete berufliche Existenz Iras im Bild vor. Von der Konferenz, auf die sie sich zuvor offenbar nicht vorbereiten musste, was unserem Alltag nicht entspricht, sehen wir erst einen großen, im Halbdunkel liegenden Raum samt geneigter Hörerschaft. Dann vernehmen wir babylonisches Sprachengewirr, die Kamera schwenkt aus einer Kabine zur Seite und zeigt die Reihe der Dolmetscher in fest installierten Dolmetscherkabinen, die theoretisch durch seitliche Fenster zueinander Sichtkontakt hätten.
Dem Ton nach sehen wir aus der Englisch-Kabine in die Französisch-Kabine hinein. Doch wirkt es wie eine große Kabine für drei, denn die gläserne Trennwand dazwischen fällt beim Schwenk nur denen auf, die von ihr wissen. Die Kamera endet auf Ira, die einen kaum verständlichen Satz, eher umgangssprachlichen Satz auf Französisch sagt, während die Englisch-Kollegin, angeschnitten und im Vordergrund, etwas ganz anderes erzählt.

So weit, so ungewöhnlich, indes: diese inhaltliche Differenz kann am doppelten "Décalage" liegen, der Verschiebung, die daraus entsteht, dass Dolmetscher ja erst einmal begreifen müssen, worum es geht, bevor sie weitersprechen (1. Zeitverzögerung), und durch den  "Pivot", also einer zentralen Sprache als Dreh- und Angelpunkt, von der sich die Dolmetscher jene Informationen holen, die der Dolmetscher dieser Sprache zum Beispiel von einem Redner übernommen hat, der sich einer exotischen Sprache bedient (2. Verzögerung).

An dieser Sequenz ist also eigentlich nicht viel auszusetzen, außer, dass ich mir weniger décalage und eine deutlicher trennende Kabinen(glas)wand gewünscht hätte, weil es hier so aussieht, als säßen drei Leute in ein- und demselben Kabuff und sprächen zugleich zwei Sprachen. Ein anderes falsches Moment hat sich indes leider deshalb eingeschlichen, weil das vermeintlich ästhetischere Bild Vorrang über dem Wirklichkeitsanspruch des Abgebildeten erhielt. Ich erkläre mich: In der Kabine ist der Stuhl neben Ira frei, der "Kollege" sitzt einen Platz weiter. Das geschah fürs Bild, damit Katja Riemann optisch "freigestellt" ist (die sonst exzellente Kamera: Benedict Neuenfels). Dieses "Alleinsitzen" entspricht aber leider gar nicht der Art, wie wir arbeiten. Dolmetschen ist Teamarbeit, die Kollegen passen mit auf und notieren im Bedarfsfall Namen, Daten und Orte auf den Schmierzettel.

Die Szene wurde augenscheinlich am Rande eines echten Kongresses in einer "stummen" Kabine gedreht. "Stumm" heißt sie deshalb, weil sie nicht "auf Sendung" geht ... (solche Kabinen dienen oft zu Schulungszwecken). Das Mikrofon der Englisch-Kollegin aus dem Vordergrund zeigt durch rotes Licht an, dass von ihm aus übertragen wird. Das Mikro von Schauspielerin Katja Riemann ist dunkel.

Am besten wurde der dress code unseres Berufes getroffen, das schmal geschnittene Kostümchen, die unauffällige Frisur und, einige Szenen später, das Rollköfferchen, manche sprechen hier von der Anmutung einer Stewardess. (Glückwunsch, Kostümbildnerin Silke Sommer!)

"dolmetschen" wäre hier das richtige Verb
Unglaubwürdig ist aber, dass der Kongress, der durch die nächsten Bilder als Begleitprogramm zu einer Messe erzählt wird, zwei Wochen dauern soll. (Hätte man komplizierte Sitzungen in Brüssel oder Straßburg samt einer Tagungswoche gewählt, wäre die Chose glaubhaft gewesen.) Auch nicht plausibel nach dem, was ich aus der Praxis kenne, ist die nächste Szene. Ira spricht mit einem Italiener, der endlich wissen wollte, wie denn die Stimme aussieht, der er jetzt so lange gelauscht hat. (Wie? Ira sprach doch in der Kabine gerade Französisch, nicht Italienisch!) Der Italiener hätte Ira die nächsten Tage gebucht, wird kurz darauf vermittelt, als ein Franzose Ira vom Fleck weg nicht nur betörend ansieht, sondern sie ebenfalls buchen will. Er werde das mit den Veranstaltern klären, sagt darauf der Franzose.

Erst ganz am Ende wird ausgesprochen, dass der Spielort Hannover war. Die Kongresse und Messen, auf denen ich gearbeitet habe, sind eindeutig anders, was das Buchen und der Aufgabenzuschnitt von Dolmetschern angeht.

« Non merci, pas à cette heure ... »
Der betörend dreinblickende Franzose verführt Ira dann auch gleich. Nach dem Akt im Hotelzimmer bekundet er Hunger, ob es ihr denn nicht auch so ergehe, fragt er dann. "Nein, nicht um diese Uhrzeit", antwortet sie darauf lachend, non, pas à cette heure - der Untertitler machte aus dem "diese" das gleichlautende "sieben" ...
(Ob derlei Anmache einer Dolmetscherin durch Kunden plausibel ist oder nicht, vermögen Sie selbst zu entscheiden; im berühmtesten Fall brachte es eine Sprachmittlerin an einen europäischen Königshof.)

Und dann rechne ich die Angaben des Films durch. Ira sei das halbe Jahr auf Achse, heißt es, von 220 Arbeitstagen (hier sind Ferienzeiten schon abgezogen) also die Hälfte. Ich persönlich kenne keinen freiberuflichen Dolmetscher, der (wiederum die Reisetage abgerechnet) 170 oder mehr Tage im Jahr dolmetscht. Denn das Dolmetschen verlangt zwingend nach Vorbereitung, die Themen wechseln. Wenn Konferenzdolmetscher sehr viel machen, also auch Routine für Stammkunden dabei ist, sind 100 Honorartage für viele die Belastungsobergrenze. Dann kommen geschätzte 50 Reisetage hinzu, die in dieser Liga auch bezahlt werden. Wenn Ira als Dolmetscherin also wirklich vor allem auf internationalen Kongressen tätig sein soll, kommt sie mit Honoraren und Entschädigungen für Reisetage (frais d'approche / de déproche) gut und gerne auf einen Jahresumsatz von 100.000 Euro. Gatte Marquard verdient als Beamter sicher deutlich weniger, aber regelmäßig; man lebt in einer kleinen Vierzimmerwohnung, der Sohn studiert zwar in New York, aber wer, wenn nicht Angehörige dieser Schicht, sollen, unterstützt von der Pflegeversicherung für einen Schlaganfallpatienten, einen guten Pflegeplatz bezuschussen können? (Oder liege ich hier falsch? Auch der Vater ist nicht bettelarm, bezieht ja Rente, bewohnte eine eher großzügige Wohnung.)

"Die Kategorie (Pflegeheim), die wir uns leisten können" bezeichnet Dolmetscherin Ira als "schäbige Parallelwelt", was Besseres sei nicht drin. Der Gatte schlägt daraufhin vor, den Gürtel enger zu schnallen, ein paar Jahre auf Urlaub verzichten ... Sie winkt ab, sie wolle Vater nicht abschieben. Nein, der grundlegende Plot des Films wankt jetzt nicht, die Hauptmotive für die heimische Pflege scheinen woanders zu liegen. Werden wir kurz extradiegetisch, kehren wir in die Geschichte der Figur Ira zurück: Der Vater hatte ihre Mutter und sie früh verlassen, um eine zweite Familie zu gründen. Ira versucht, Vergangenes aufzuholen; sie, die noch heute verletzt ist, möchte es besser machen. Wie so oft im wirklichen Leben werden die wichtigsten Gründe also nicht klar ausgesprochen. Und wo wir bei der Sprache sind: Auf den Punkt geschrieben wurden die oft doppeldeutigen Dialoge (Drehbuch: Daniel Nocke) und die Anlage der Figuren wie die Konkurrenz zwischen den Halbgeschwistern und die Wir-sind-ja-so-liberal-wir-besprechen-alles-Haltung von Ira und Marquard den anderen Generationen gegenüber — bei gleichzeitiger Dominanz. Da fühle ich mich als Vertreterin dieser Generation wunderbar böse getroffen!

Das schönste Fernsehfilmsprachkuddelmuddel des Jahres (bei aller Unglaubwürdigkeit des Gesprächsthemas) ist übrigens bei 1:06.

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Fotos: Screenshots / ARD
P.S.: Fürs nächste Filmprojekt mit Figuren, die Dol-
metscher sind: Wir bieten Beratung, Übersetzung,
Sprachcoaching und Untertitel aus einer Hand.

Montag, 17. Januar 2011

Zum Weinen

Heute früh kam ein Kistchen Wein hier an. Von einem Kunden, nur so, zum Jahresanfang und als Dankeschön für meine Übersetzungen.

Passt wie die Faust aufs Auge, wo ich doch meine eigene Definition von Quartalssäuferin gefunden habe: Alle drei Monate ein "Viertele". Ich spar' mir meine Gehirnzellen für die Arbeit auf. Und wenn ich trinke, bin ich gleich betrunken, weshalb ich selten trinke usw.

Wenn ich mich dem Kistchen widme, ist die Freude über meine Übersetzungen im Anschluss sicher weniger groß ;-)
Naja, alles eine Frage der Zeit und der Gesellschaft.

Guten Start in die Woche!


P.S.: Der für heute angekündigte lange Text folgt heute Abend oder morgen, je nachdem, wieviel Zeit mir bleibt ...

Sonntag, 16. Januar 2011

(No) blue in the sky ...


Unser Küchenfenster mit den Balkonflüchtlingen. Hier das Sommerarrangement für vielreisende Balkonliebhaber.
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Foto: C. Elias

Samstag, 15. Januar 2011

Online-Festival

Online" und "Festival", das sind zwei Begriffe, die einander ebenso ausschließen wie "TV" und "Festival". Denn Festivals bestehen, besonders aus Sicht einer Dolmetscherin, aus Begegnungen und Gesprächen.

Nun hat sich, nachdem Arte im Dezember sein erstes "Filmfestival" gefeiert hat, auch Unifrance, der französische Marketingverband für Kinofilm, zusammen mit der Kinowebseite AlloCiné gewagt: Er rief prompt mit "my French Film Festival" das weltweit erste Online-Festival für französischen Film ins Leben. Zehn Kurz- und zehn abendfüllende Spielfilme können ab jetzt vierzehn Tage lang weltweit betrachtet (und bewertet!) werden, außerhalb Frankreichs zum moderaten Preis von ingesamt 13,99 Euro, unter zehn Euro zahlt, wer nur die langen Filme sehen will, Einzelbuchungen als VOD (Video on Demand) sind auch möglich.

Hier noch rasch der Trailer, der schön mit Klischees spielt:


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Illustrationen: Unifrance / AlloCiné

Freitag, 14. Januar 2011

Um sieben ess' ich nichts!

Hallo, Sie haben ein digitales Arbeitsjournal angesteuert. Hier denke ich über Dolmetschen und Übersetzen nach. Ich lebe und arbeite in Berlin, Paris, Cannes und anderswo ... mein Schwerpunkt liegt bei Politik, Wirtschaft und Medien.

Die heutige Notiz wäre nicht ohne einen Leserhinweis entstanden, Danke! Vor zwei Tagen brachte das Erste einen Film, in dem eine Figur Dolmetscherin ist. Der Film ist derzeit in der ARD-Mediathek anzusehen.

“Die fremde Familie” (Regie: Stefan Krohmer) mit Katja Riemann in der Hauptrolle arbeitet sich an den Themen Pflege eines kranken Angehörigen und Patch­work­fa­mi­lie ab. Dienstag folgt an dieser Stelle eine ausführliche Kritik des Films, in der ich die Dar­stel­lung des Dol­met­scher­be­rufs untersuche.

Vorab nur der Schmunzler der Woche, der es mir erlaubt, die zweite Januarwoche zu zu beenden, wie ich sie angefangen habe: Mit Untertiteln.

Szene: Ein Paar im Hotelzimmer, irgendwann in der Nacht. Schon die Art, wie er (Jean-Yves Berteloot) sie bei der ersten Begegnung im Film angesehen hat, war Verführung pur.

"Danach" bekundet er Hunger, fragt nach, ob es ihr denn nicht auch so gehe. "Nein, nicht um diese Uhrzeit", antwortet sie darauf lachend, non, pas à cette heure.

Nun ist dieses cette gleichlautend mit sept, und ein(e) Untertitler/in, der/die mit dem Projekt offenbar weniger vertraut war oder einfach nur unter Zeitdruck stand, brachte dann auch prompt:


Ich weiß nicht, wann der Urheber dieser Untertitel frühstückt und zu Abend isst, mir scheint indes und ganz grundsätzlich sieben Uhr eine durchaus passable Zeit zur Einnahme feststofflicher Nahrungsmittel zu sein.

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Foto: Screenshot / ARD

Donnerstag, 13. Januar 2011

Jean schreiben lernen

Bonjour, guten Tag! Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin aus dem Fran­zö­si­schen. Wenn ich nicht bei Konferenzen und Dreharbeiten dolmetsche, arbeite ich im home office.

Dieser Tage diktiere ich zum zweiten Mal eine Drehbuchübersetzung. Ich habe vor sechs Jahren meinen ersten Kontakt mit der Diktiersoftware "Dragon" von Nuance gemacht, damals noch auf PC. Jetzt gibt es das Programm auch für die andere Fraktion, es heißt "MacSpeech Dictate". Die Software muss ab dem ersten Tag ihre Feuerprobe bestehen, denn ein Berlinaledrehbuch ist mir kurz nach Sylvester auf den Tisch geflattert.

Bitte recht deutlich!
Zunächst aber dürfen "der kleine Drache" und ich uns kennenlernen. Dazu muss ich vorgegebene Texte vorlesen. Meine Aussprache des ersten Texts wird flugs integriert, beim zweiten Mal speichert das System eine halbe Stunde lang, bis ich den Vorgang abbreche, da ich einen Fehler vermute.

Gestern, nach den ersten dreißig Seiten, habe ich den zweiten "Kennenlerntext" diktiert, nachdem ich bei Martin Sauer, einem anderen Blogger, die Information fand, dass langanhaltendes Abspeichern durchaus normal sei. (Das teilweise etwas kraus ins Deutsche übersetzte Benutzerhandbuch warnt hier nicht genug vor.)

Deshalb habe ich jetzt Zeit, meine ersten Erfahrungen zu beschreiben. Ich über­setze ein Drehbuch aus Frankreich — und merke gleich, dass es das Dik­tier­pro­gramm mit dem Idiom unseres Nachbarlandes nicht so hat (dabei ist "dragon" doch auch ein französisches Wort!) ...

Der Held des neuen Buches ist ein i-Dötzken ("Das war Westfälisch" für 'Schul­an­fänger'). Er heißt Jean, und auch wenn ich alles andere an ein deutsches Umfeld anpasse und aus dem CP (cours préparatoire) die "erste Klasse" mache, Ei­gen­na­men wie Jean bleiben stehen. Ich ersetze "Jean" also nicht durch "Hans", selbst wenn der Vorname Hans samt Bindestrich und zweitem Vornamen einstmals ähnlich weit in Deutschland verbreitet war, wie es "Jean" in Frankreich in manchen so­zia­len Schichten heute noch ist.

Und wie ich da schön diktiere, erlebe ich mein blaues Wunder. Jean wird von der Technik un
­ter­schied­lich interpretiert, nämlich als "Schau", "Show", "schon", "schau­en". Erst zweif­le ich kurz an meinen Aus­spra­che­küns­ten. Stört sich das Gerät am Rest der Wintergrippe?

Bitte recht freundlich!
Gut, es ist etwas her, dass ich meine Sprech­aus­bildung ab­solviert habe. Dann entdecke ich einen "Knopf", über den ich mir die Auf­nah­me anhören kann. 
Ja, damit wäre Mme Grisaille durch­aus ein­ver­stan­den ge­wesen (so hieß damals ein stets miss­ge­laun­ter, grau­ge­wan­de­ter Drache unter uns Leidenden im Sprach­la­bor der Sorbonne).

Ich suche und finde die Liste der bekannten Worte. "Jean" ist darunter. Außerdem Namen wie Jean-Marie, Jean-Paul und Jean-Claude. Sie zu diktieren klappt prob
­lem­los. Außerdem kennt der kleine Drache angeblich "Frau Glück" (Jean-Luc), "schon wie" (Jean-Luis) und sogar "Schaumbad" (Jean-Baptiste) (sic!) ...
 

Offenbar müssen der kleine Drache und ich dringend weiterüben. Als ich mir aus dem Übungs­do­ku­ment, das ich inzwischen zusammen'diktiert' habe, einem lin­gu­is­tischen Kuriositätenkabinett, mir die hübschesten Beispiele rausfische, treffe ich auf einen alten Bekannten: Jean-Marie Straub! Wow, denke ich, wenn das keine Diktiersoftware für Menschen sein soll, die viel für Kino und Medien arbeiten! 

Ich versuche, das Wunder zu wiederholen. Bekanntlich sind Wunder, die sich wie­der­ho­len lassen, keine; es klappt nicht. Da ich den Regisseur in Frankreich ken­nen­ge­lernt habe, spreche ich seinen namen in Gänze französisch aus: "Jean-Marie Strobe" tippt das Maschinchen wie von Zauberhand. Ich versuche es nochmal, anders. Bingo! Ich muss mich also konzentrieren und "Jean-Marie" fran­­sisch, "Straub" aber deutsch aussprechen.


Dann versuche ich, das dem System bekannten "Jean" zu trainieren. Da das Wort vom Hersteller vorgegeben und seine Aussprache definiert wurde, klappt es nicht gleich mit meiner in Paris geschulten Art der Aussprache. Ich trickse, indem ich beim Namen zunächst immer auf Eng­län
­der­in mache. Und wenn von "Jeans Pferd" die Rede ist, sage ich etwas, das wie 'amerikanische Nietenhose" [Pause] Pferd klingt.

Das System wirbt übrigens mit "einer erstaunlichen Erkennungsgenauigkeit von bis zu 99 % schon beim ersten Einsatz". Das gilt bestimmt für alle juristischen und medizinischen Fachtermini. In meinem Fall klappt das nicht, denn neben den heim­tückischen Eigennamen tauchen immer wieder Wörter auf, die sonst eher nicht geschrieben werden. Drehbücher leben von gesprochener Spra
­che und Aus­drücke wie jetzt reicht's, guck mal, huhu, tschuldigung, ähh gibt's reichlich.

So, ich bin fertig jetzt mit der Beschreibung meines Abenteuers, habe Screenshots und ein Selbstportrait ausgewählt. Und was macht der kleine Drache? Er sichert noch immer meine Aussprachemerkmale.  Und um mich nicht weiter vom System aus­brem
­sen zu lassen durch Hin- und Herschalten zwischen drei Sprachen, taufe ich "Jean" kurzerhand in "Topf" um. Dieses Wort kommt im Drehbuch nicht vor, und Copy & Paste erledigt am Ende den Rest.


P.S.: Das Profil hat 18 Stunden gespeichert, dann habe ich es erneut abgebrochen, weil es nach vier Stunden alle anderen Funktionen blockiert hat.
Das finde ich Jean-Pierre ("schon sehr") lang, das ist mehr als die Nacht, die Martin Sauer erwähnt. Hallo, Nuance, wenn Ihr das hier lest: Hier gibt's Verbesserungsbedarf! Laut Protokoll war MacSpeech nicht abgestürzt; ein "Fortschrittsbälkchen" fehlt hier leider.
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Bilder: Dragon Dictate für Mac und
die Autorin (MacBook Pro-Kamera)

Mittwoch, 12. Januar 2011

Nachprogrammiert

Meine heutige Notiz muss ich mit einer Entschuldigung beginnen. Ich hoffe, dass Sie, liebe regelmäßige Leserinnen und Leser dieses Arbeitstagebuchs einer Übersetzerin und Dolmetscherin aus Berlin für die französische Sprache, mir jetzt nicht übelnehmen, wenn ich heute etwas bringe, das hier schon wiederholt Thema war. Um's kurz zu machen: Das schöne deutsche Wort "programmiert".
Was macht ein Informatiker? Er bastelt mit seinen Nullen und Einsen so lange herum, bis der gewünschte Effekt dann, wenn der Anwender das entsprechende Programm aufruft, eintritt. Er hat also etwas programmiert. Dies findet notgedrungen im Vorfeld statt, weil es sonst gar nicht stattfände.

Können Sie mir folgen? Mehr sage ich jetzt nicht, außer: Bitte lesen Sie die nächsten Zeilen aus einem der führenden Berliner Blätter durch. Denn es gibt Dinge, die sind doch recht unnötig.
Den Rest finden Sie selbst.

Bonne journée !

Montag, 10. Januar 2011

... freitags nach eins

Freitagmittag hatte ich gerade den Schlusspunkt hinter die erste Fassung meines Artikels über die Neubeeidung von Dolmetschern in Berlin gesetzt und wollte in die Kantine aufbrechen, da klingelte das Telefon. Ein Makler war an der Strippe, der so klang, als sei Not am Mann: Er suchte für das Ende der Mittagspause eine Dolmetscherin. Es ginge um einen Kaufvertrag. Die Details seien dank eines Familienmitglieds im Wesentlichen geklärt, es müsse nur aus rechtlichen Gründen jemand für Rückfragen mit dabei sein, der nicht mit den Käufern oder Verkäufern verwandt ist.

Ich hakte trotzdem nach, bat um Einsichtnahme ins Dokument und nutzte die Zeit, in der er mit den künftigen Wohnungsbesitzern Rücksprache nahm, dazu, mich bei einem Anwalt über die Rolle von Notaren zu versichern: Anders als in Frankreich, handelt es sich in Deutschland um der Neutralität verpflichtete Personen, die darüber wachen müssen, dass keine der Parteien übervorteilt wird. Außerdem obliegt es ihnen, alles Unklare zu erklären.

Fünf Minuten später rief der Makler erneut an. Meine in den Raum geworfene Kosteneinschätzung war offensichtlich abgesegnet worden, oder aber er hatte gemerkt, dass das (ost)deutsche Sprichwort auch für das heutige Gesamtberlin gilt, denn "freitags nach eins macht jeder seins."

Kurz, wir wurden handelseinig, denn der Anwalt meines Vertrauens hatte mir zuvor auch noch mein ungefähres Wissen bestätigt, dass ich mich in solchen Fällen ad hoc beeidigen lassen kann.

Mir blieb gerade noch etwas Zeit, um ein Dutzend Vokabeln zu recherchieren und das Fachwörterbuch zu schnappen, dann brachte mich die BVG schon ins alte Westberlin. In der Nähe der Gedächtniskirche saßen wir wenig später um einen Holztisch herum und ich hatte die anstrengendsten vierzig Minuten dieses noch recht neuen Jahres. Denn natürlich wurden hier nicht nur Höflichkeiten ausgetauscht, sondern der Kaufvertrag wurde Paragraf für Paragraf gemeinsam durchgegangen.

Verträge stecken voller Fachtermini. Hier gab es Begriffe, die ich noch nie gehört habe, die auf Paragrafen und Rechtssprechungen verweisen, die ich nicht kennen kann. Nachdem wir die ersten Absätze gut hinter uns gebracht haben – es ging um einfache Dinge wie Wohnorte und eine grundsätzliche Absichtserklärung – wurde die Sache schon komplizierter. Der Notar, ein sehr freundlicher, ruhiger Mann, durfte mir danach alles vom juristischen Deutschen ins Normaldeutsche dolmetschen, worauf ich mehr erklärend als verdolmetschend Absatz für Absatz den französischen Käufern vortrug.

Normalerweise arbeite ich ganz und gar nicht so. Im Vertrauen, ich bin ... eher etwas kurz vor control freak, will im alles im Vorfeld wissen, bereite mich lieber zu gründlich vor. Aber hier war in der Tat Not am Mann/an der Frau gewesen. Die französischen Käufer sollten am folgenden Werktag wieder nach Hause fliegen, sie erwarben die Wohnung für ihre in Berlin lebende Tochter und das Enkelkind. Alle Beteiligten waren glücklich über meine sportliche Haltung, aus der Situation das Beste machen zu wollen, auch wenn ich permanent den Eindruck hatte, hier in einem Fach geprüft zu werden, das ich nie belegt habe.

Die schriftliche Fassung erarbeitet jetzt eine Fachübersetzerin für juristische Texte. Danach kann ich sie als Grundlage nutzen, um neue Vokabeln zu lernen. Den Inhalt kenne ich ja schon.

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Foto: C. Elias

Hundekracherschnee ...

... nennt ein mir sehr gut bekannter, fast Siebenjähriger das, was derzeit auf den Berliner Straßen und Gehwegen liegt. Es gibt eine Tauphase, da nützt selbst Slalom nichts mehr, da sind die Reste der Sylvesternacht in Verbindung mit den Hinterlassenschaften der Hunde zusammen mit Schnee im Übergang von einem Aggregatzustand in den anderen durch die Schritte der Menschen zu einer derart homogenen Masse verpampt, dass die Stiefel vor der Wohnungstür bleiben müssen. Außerdem ist es nicht ratsam, im Auto die Heizung anstellen zu wollen, sonst kommt gleich von hinten die Beschwerde der Minderjährigen: "Hier riecht's nach Kuhstall!"

Adieu, Hundekracherschnee! Möge es der Stadtreinigung gelingen, uns von den Überresten bald zu befreien, auf dass wir demnächst, nach Einsetzen der nächsten Schneephase, wieder ungestört rodeln können!

Das Kind habe ich für seinen sprachlichen Erfindungsreichtum natürlich gelobt!

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Foto: In der Hasenheide

Sonntag, 9. Januar 2011

Kleines Konjunkturprogramm

Demnächst darf ich auf Gott und/oder Vaterland schwören. Und da geht es mir wie schätzungsweise 1000 eingetragenen Berliner Dolmetschern und Übersetzern: Wenn sie weiterhin gelistet sein wollen, mussten oder müssen sie zu Gericht, und erneut den Amtseid leisten. Ein neues (EU-konformes) Gesetz macht dies nötig, durch das die alten Beeidigungen am 1. Januar 2011 ungültig geworden sind.

Immerhin unterscheiden durch dieses Gesetz jetzt auch Amtsschimmel und Justitia der deutschen Hauptstadt zwischen "beeidigten Dolmetschern" und "ermächtigten Übersetzern". Das ist ebenso neu wie das unsereiner künftig bundesweit unter Berufung auf den in Berlin geleisteten Eid vor Gericht auftreten darf.

Indies, auch eine Neubeeidigung als Übersetzer oder Dolmetscher muss bezahlt werden, und dafür sah der Gesetzgeber um 50 % reduzierte Gebühren vor. Das machte fürs einfache Eidschwören immerhin noch 80 Euro, wenn dies noch 2010 stattfand, beides zusammen war dann schon 120 Euro teuer, wer mit mehr als einer Fremdsprache arbeitet, zahlt 20 Euro Aufpreis je Sprache — insgesamt sollte det Janze allerdings pro Nase 160 Euro nicht übersteigen. Der Ansturm auf die Gerichte war immens, Termine wurden monatelang im Voraus vergeben.

Das Ganze mutet schon wie ein kleines Konjunkturprogramm an, nur werden diesmal Freiberufler zur Kasse gebeten, denn auch der amtliche Rundstempel ist zu erneuern. Laut Stempelfritzen um die Ecke kostet der Stempel in Holz mit 40 mm Durchmesser ca. 25 Euro für den einfachen Text und 35 Euro für beide Bezeichnungen, vor Steuern jeweils. Macht außerdem um die 6.000 Euro Mehrwertsteuer für die öffentlichen Kassen. Was ein Kleckerbetrag ist gegenüber den geschätzten 130.000 Euro Gebühreneinnahmen für die Beeidigungen.

Und es wird noch mehr Geld fließen. Denn was den Vorsatz, die Chose noch im alten Jahr über die Bühne zu bringen, neben der bereits erwähnten Wartezeit für manche ein kleines bisschen erschwerte, waren die berühmten im Ausland erbrachten gleichwertigen Abschlüsse. Und weil's keine ausgleichende Gerechtigkeit gibt, zahlt jetzt, wer im alten Jahr damit nicht "durch" war, eben den doppelten Betrag ... (so interpretiere ich jedenfalls die amtlichen Infos, am I right?)

Dem höheren Preis steht aber unbedingt ein erhöhter Verwaltungsaufwand durch längeres, gründlicheres Prüfen gegenüber! Vor allem die Notwendigkeit der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse brachte einige von uns in merkwürdige Verstrickungen: Die hiesigen Sprachmittlerfachkräfte durften zunächst ihre selbst übersetzten Abschlüsse von ... richtig, bereits ermächtigten Übersetzern beglaubigen lassen, was, wenn es unter Kollegen nicht irgendwie mit Tauschgeschäften ausgeglichen wurde, erneut Kosten auslöste (und noch mehr Umsatzsteuer in die Staatskasse spülte).

Ja, und dann sind da noch die zwei Kolleginnen, deren Qualifikation überhaupt nicht anerkannt wurde, da die französischen Bildungsabschlüsse des 20. Jahrhunderts nicht ganz den deutschen entsprechen und kühnerweise nicht die Fachrichtung "Übersetzen und Dolmetschen" studiert wurde, sondern Physik bzw. Ingenieurwesen an einer Grande Ecole, ergänzt durch Kurse, die sie einst auf die Sprachmittlerprüfungen vorbereitet haben. Die Folgen: Die eine Kollegin pfeift sich zusammen mit ihren Industriekunden eins auf die Beeidigung, die andere darf nach zwanzig Berufsjahren nochmal beim Berliner Prüfungsamt vorsprechen. Kostenpflichtig natürlich, und nicht zu knapp: 350 Euro derzeit. Dafür durfte sie sich im Sommer anmelden, im November die schriftlichen Prüfungen absolvieren, im Frühjahr folgen die Hausarbeiten und vor der Sommerpause 2011 die mündlichen Prüfungen. (Bis dahin kann sie natürlich keine beglaubigten Übersetzungen anbieten.)

Wem das zu langwierig ist, der geht nach München oder Erlangen und absolviert beim Sprachen- und Dolmetscherinstitut oder beim Institut für Fremdsprachen und Auslandskunde bei der Universität Erlangen die Prüfung als Externer, das geht zwischen Anfang Mai (Schriftliches) und irgendwann im Juli (Mündliches). Kostenpunkt: 450 bis 475 Euro für Dolmetscher und Übersetzer. Wo das Portmonee/Portemonnaie/[pɔrtmɔˈneː] ja schon mal geöffnet ist ...

Ei(d), Ei(d), Ei(d) ... ein Schelm, der arges dabei denkt ...

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Foto: Das leere Stempelkarussell ...