Sonntag, 20. Juli 2025

Bonjour

... und herz­lich will­kom­men auf mei­ner Blog­sei­te! Was Dol­met­scher und Dol­met­scherin­nen be­schäf­tigt, kön­nen Sie hier seit 2007 mit­le­sen.

Treppe, Jalousien, Fenster, Garten im Frühsommer
Grün, Weiß und Sandfarbe im Dialog
Sie su­chen Kom­mu­ni­ka­tions­pro­fis für die Sprach­kom­bi­na­ti­on Fran­zö­sisch und Deutsch so­wie aus dem Eng­li­schen, für Über­set­zun­gen ins Deut­sche und Lek­to­rat? Dann sind Sie hier rich­tig!

Seit 2005 er­leich­te­re ich in­ter­na­tio­na­le Kom­mu­ni­ka­ti­on. Wenn Sie Dol­met­scher für Ihre Kon­fe­renz, Ver­hand­lung oder De­le­ga­ti­ons­rei­se su­chen: Sen­den Sie mir bit­te ei­ne Mail! Wir kön­nen auch ein Te­le­fo­nat ver­ein­baren. Ich hel­fe ger­ne wei­ter.

Dol­met­schen ist Team­ar­beit, das Gros der Kol­le­gin­nen (und Kol­le­gen!) ken­ne ich seit Jahr­zehn­te­n. Wir sor­gen da­für, dass Ihre Bot­schaft klar, prä­zi­se und wir­kungs­voll an­kommt!

Ein­satz­ge­bie­te
­✅ In­ter­na­tio­na­le Kon­gres­se, Kon­fe­ren­zen & Se­mi­na­re
✅ Hoch­ka­rä­ti­ge Ver­hand­lun­gen & po­li­ti­sche Ge­sprä­che
✅ De­le­ga­ti­ons­rei­sen & Werk­s­be­sich­ti­gun­gen
✅ Wirt­schaft & Land­wirt­schaft, Ge­sell­schaft & So­zia­les, Ur­ba­nis­mus, Ar­chi­tek­tur, 
Kul­tur, Me­di­en, Ki­no, Eu­ro­be­triebs­rats­sit­zun­gen usw.

Es geht um Fach­kom­pe­tenz, Hin­ter­grund­wis­sen und um Er­fah­rung! Ger­ne bin ich Ih­re Brü­cke zwi­schen der deutsch- und fran­zö­sisch­spra­chi­gen Welt — fle­xi­bel, zu­ver­läs­sig und punkt­ge­nau! Vor Ort und auch mit On­line-Ex­per­ti­se: Mein Ein­satz ga­ran­tiert Ih­nen Ver­ständ­lich­keit oh­ne Miss­ver­ständ­nis­se.

Jetzt pla­nen  Er­folg si­chern!
Dol­met­schen ist mehr als Spra­che. Es ist Prä­zi­si­on, Kon­text, Wis­sen um Sprech­ab­sich­ten, Hin­ter­grund, Takt­ge­fühl und Er­fah­rung. Si­chern Sie sich mei­ne oder un­se­re pro­fes­sio­nel­le Un­ter­stüt­zung! Bit­te eine Mail an 📩 ca­ro­li­ne@ada­zylla.de. In Teil­zeitpfle­ge ich eine An­ge­hö­ri­ge, bin auch für man­che Kun­d:in­nen auf der Rei­se.
Ei­ne Ant­wort er­hal­ten Sie meist rasch, spä­tes­tens in­ner­halb von zwölf Stun­den.

Mei­ne Ex­per­ti­se für Sie
🔹 Weil Ihre Ge­sprä­che per­fekt lau­fen müs­sen
🔹 Weil KI kei­ne kom­ple­xen Nu­an­cen ver­steht
🔹 Weil ich Fach­wis­sen mit sprach­li­cher Prä­zi­si­on kom­bi­nie­re
🔹 Weil lang­jäh­ri­ge Be­rufs­er­fah­rung ein Plus ist
🔹 ... und weil eine aus­ge­bil­de­te Spre­che­rin­nen­stim­me gut an­kommt

Ich freue mich auf Ih­re Mail!
Herz­li­che Grü­ße,
Ca­ro­li­ne Eli­as

P.S.: Wir sind nicht nur Sprach­ar­bei­te­rin­nen und Sprach­ar­bei­ter, son­dern be­ob­ach­ten auch die Welt. Hier dür­fen Sie in mei­nem Ar­beits­ta­ge­buch mit­le­sen. Die­se Sei­te ist für das Web­la­y­out op­ti­miert — sonst dro­hen  Text­pas­sa­gen hin­ter den Fo­tos zu ver­schwin­den.

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Fo­to: C.E.

Sonntagsfreuden

Bon­jour, hel­lo & gu­ten Tag! Hier bloggt seit fast 20 Jah­ren eine Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin. Dol­met­schen gilt als ei­ner der stres­sigs­ten Be­ru­fe der Welt, ir­gend­wo zwi­schen Pi­lo­tin bei Start und Lan­dung und Flug­lot­se. Wir hö­ren die­se Aus­sa­ge im­mer wie­der, manch­mal sa­gen wir es selbst, ob­wohl nie­mand je ei­ne se­riö­se Quel­le da­für ge­se­hen hat.

Da­rum sind Ru­he­ta­ge un­ver­zicht­bar. Sonn­tags ins „Jrü­ne“, auf den Aben­teu­er­spiel­platz oder aufs Land zum See oder in den Zoo. Bal­kon, Kaf­fee, Obst, Mu­se­um, Thea­ter. Sehr wich­tig da­bei im­mer auch: gu­tes Es­sen, sehr gu­tes Es­sen.

Frauen mit Kindern im Waldzoo
Im Wald­zoo




Bei uns ste­hen bun­te Sa­la­te hoch im Kurs, und zwar mit Bio­zu­ta­ten aus der Re­gi­on vom Markt­stand oder dem ge­nos­sen­schaft­li­chen Le­bens­mit­tel­la­den.

Der Ren­ner ist ein Mix aus Pflück­sa­lat, Lö­wen­zahn, Ru­co­la, Brenn­nes­seln, ge­ras­pel­ter Ka­rot­te, To­ma­ten, Oli­ven, Kräu­tern, ei­nem biss­chen fein­ge­hack­ter Zwie­bel und was sonst so im Hau­se ist.

Die Vi­nai­gret­te da­zu ist auf Lein­öl­ba­sis, eher nicht we­gen des Ge­schmacks, son­dern der Ome­ga-3-Fett­säu­ren we­gen. Da das Öl man­chen muf­fig vor­kommt, kom­bi­nie­re ich es mit Him­beer­es­sig, der schon bei Ge­mü­se­sup­pen ei­ne tra­gen­de Rol­le spielt. Da­zu Kräu­ter­salz (auf Stein­salz­ba­sis), ei­ne Spur Mus­kat, frisch ge­mahl­ener Pfef­fer und ei­ne Mes­ser­spit­ze un­ge­zu­cker­ten Senf oder Senf­sa­men aus dem Mör­ser. Dann mä­keln auch Oma und die Kin­der nicht.

Da­zu ser­vie­re auf­ge­back­enes Rog­gen­brot und Au­ber­gi­nen­pas­te aus dem Ofen. Kin­der zie­hen To­ma­te-Par­me­san-Pas­te vor. Ich selbst es­se we­nig Brot, viel­leicht drei Schei­ben in der Wo­che, wes­halb ich im­mer ei­nen Teil des Laibs scheib­chen­wei­se ein­frie­re (mit Pa­pier ge­trennt).

Kü­chen­tipp am Ran­de: Ka­rot­ten las­sen sich ras­peln oder mit dem ent­spre­chen­den Werk­zeug in Spi­ra­len schnei­den, ich aber ich nut­ze ger­ne den Kä­se­ho­bel, ein be­son­ders hoch­wer­ti­ges Mo­dell, das wun­der­bar scharf bleibt. Für mich ei­ne güns­ti­ge Al­ter­na­tive zur (un­be­zahl­ba­ren) Voll­me­tall-Ge­mü­se­man­do­li­ne. Auch Fen­chel und Gur­ke las­sen sich da­mit gut ver­ar­bei­ten.

Mein Man­tra bleibt: Selbst­für­sor­ge ist nie falsch, ge­ra­de in un­ru­hi­gen Zei­ten, in Wo­chen vol­ler po­li­ti­scher Un­ru­he und Sor­gen.

Heu­te ist der 20. Ju­li, über­all Ge­den­ken an den Wi­der­stand der Of­fi­zie­re ge­gen Hit­ler; in die­sen Mo­na­ten wird in Deutsch­land ei­ne fa­schis­tische Par­tei im­mer stär­ker, und es ist nicht ab­zu­se­hen, wann end­lich ein Ver­bots­ver­fah­ren ge­gen sie ein­ge­lei­tet wird.

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Fo­tos: Ar­chiv Eli­as Los­sow

Donnerstag, 17. Juli 2025

Kurzer Rückblick

Sie le­sen hier in ei­nem Blog aus der Ar­beits­welt, ge­nau­er: aus dem All­tag ei­ner Dol­met­sche­rin und Über­set­ze­­rin. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch. Ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, und die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­lische Spra­che. Heu­te: Throw­back thurs­day, wir bli­cken kurz zu­rück.

Passbilder, s/w und bunt mit Rotstich
Die Au­to­rin die­ser Zei­len als Stu­den­tin
Einst ha­be ich mit Fran­zö­sisch als zwei­te Fremd­spra­che in der Schu­le an­ge­fan­gen. Zu­vor durf­te ich schon ei­ne schö­ne Ver­bin­dung zu die­ser Spra­che auf­bau­en, denn als Kind ha­be ich ein biss­chen Fran­zö­sisch mit mei­ner Ur­groß­mut­ter und dann mit Nach­barn ge­lernt. Als mein Fran­zö­sisch­un­ter­richt los­ging, ha­ben wir in Hes­sen ge­wohnt. Der Schwer­punkt dort lag auf dem Spre­chen. Gram­ma­tik wur­de ein­ge­übt, aber nicht krampf­haft. Dik­ta­te wur­den am An­fang nicht ge­schrie­ben. Ich war da­mals auf ei­ner Ge­samt­schu­le. 

Wir hat­ten ein Sprach­la­bor, ein Vi­deo­sys­tem mit Schnitt­platz, ha­ben auf Eng­lisch und auf Fran­zö­sisch Sket­ches in­sze­niert und ge­filmt. 

Dann sind wir, ich war mit­ten in der "Mit­tel­stu­fe", aus be­ruf­li­chen Grün­den des Va­ters nach Ba­den-Würt­tem­berg ge­zo­gen. Ich muss­te in ein ma­the­ma­tisch-na­tur­wis­­sen­schaft­li­ches Gym­na­sium wech­seln, auf dem Land gab’s kei­ne Aus­wahl. Prompt wur­de dort Fran­zö­sisch wie ei­ne to­te Spra­che un­ter­rich­tet: Dik­tat, Kon­ju­gie­ren, tro­cke­ne Gram­ma­tik­ü­bun­gen. Bei der ers­te Klas­sen­ar­beit hat­te ich dann die schlech­tes­te No­te auf der Ska­la, aber mit ei­nem Fünk­chen Hoff­nung, ei­ne 6+, kurz: ich war ver­set­zungs­ge­fähr­det.

Als Schü­­le­­rin ha­be ich auch aus Angst vor dem schreck­li­chen Leis­tungs­druck manch­­mal ge­stot­tert. Ein Leh­rer mein­te da­­mals zu mei­nen El­tern: „Las­sen Sie das Mäd­chen doch Kin­der­schwes­ter oder Kin­der­gärt­ne­rin wer­den, es kann ja so gut mit Men­schen, aber mit Fremd­spra­chen oder öffent­li­chem Re­den ist Ihre Toch­ter kom­plett über­for­dert!“

Dann folg­ten: Schul­wech­sel, die täg­li­che Zug­fahrt zum Bil­dungs­ort, zu­­ge­­wand­­te Päd­ago­gik, die Thea­ter-AG, ein Wahl­fach­kurs Pychologie, her­vor­ra­gen­der Kunst­un­ter­richt. Wech­sel­grü­­nde wa­­ren aber vor al­lem die Leis­tungs­kur­se in den Fä­chern Deutsch und Fran­zö­sisch, wo­bei ich dann mit Schü­lern ler­nen durf­­te, de­ren ers­te Fremd­spra­che Fran­zö­sisch war.

Mei­ne No­ten wur­­den erst wie­der schlech­ter, aber nicht ganz so schlimm wie nach dem Um­zug. Wä­re mir der Abi­tur­durch­schnitt nicht piep­egal ge­we­sen, hät­te ich das nicht ma­chen dür­fen. Dies ist ein Plä­doy­er ge­gen Schul­no­ten, ge­gen das "Grund­schul­abi­tur" in Ba­den-Würt­tem­berg, ge­gen star­re Ver­setz­ungs­re­geln, ge­gen den Nu­me­rus Clau­sus und für fle­xib­le­re Schul­for­men, für För­de­rung, Er­mu­ti­gung, Ta­lent­su­che. Ich bin pha­sen­wei­se mei­nen Weg trotz der Schu­le ge­gan­gen.

Nach dem Abi­tur ging’s so­fort zum Stu­di­um nach Frank­reich. Heu­te ar­bei­te ich als Kon­fe­renz­dol­met­scher­in, oft für die Di­plo­ma­tie, in der Kul­tur­ sowie zu The­men aus den Be­rei­chen Po­li­tik, Bau und Ur­ba­nis­mus, Wirt­schaft und Land­wirt­schaft.

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Fo­to(s): Pri­vat

Mittwoch, 16. Juli 2025

Drei Mal nichts

Bien­ve­nue auf den Sei­ten einer Sprach­ar­bei­te­rin. Seit 2007 be­rich­te ich hier in lo­ser Fol­ge über das Ar­beits­le­ben von Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zern, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­schern. Mei­ne Spra­chen sind Fran­zö­sisch, Eng­lisch und na­tür­lich auch Deutsch, mei­ne Mut­ter­spra­che. Es gibt Ta­ge, da kom­me ich aus dem Kopf­schüt­teln nicht her­aus.

Hahn mit zwei Köpfen
Nichts Hal­bes und nichts Gan­zes
Im Ja­nu­ar wur­de ich von ei­nem mit­tel­stän­di­schen Un­ter­neh­men aus Frank­reich an­ge­fragt, das sei­ne au­to­ma­tisch über­setz­te Web­site samt Web­shop ver­bes­sern las­sen woll­te. Kein Auf­wand schien das in den Au­gen je­ner, die kein Deutsch kön­nen. Al­so frag­te die po­ten­ti­el­le Kun­din: „Könn­ten Sie bit­te mal kurz auf die Web­sei­te schau­en? Das geht schnell, dau­ert nur ei­ni­ge Mi­nu­ten!“ (Pourriez-vous jeter un œil au site web, s'il vous plaît ? Ça sera rapide, en un rien de temps !)

En un rien de temps
Die­se fran­zö­si­sche Re­de­wen­dung setzt auf Kür­ze, hier wird „in ei­ner Nicht­zeit“ die Schnel­lig­keit be­tont, auf Deutsch: „im Nu“, „ganz fix“.

Ich at­me­te ein­mal tief durch und er­klär­te mit der Ge­duld, mit der ich zu ei­nem bock­i­gen Nicht­lein spre­che, dass die­ses Zeug­nis der Qua­li­tät au­to­ma­ti­sier­ter Über­tra­gung vor­schnell sei, dass das Er­geb­nis vom Aus­gangs­text ab­hänge, dass in den sehr vie­len Fäl­len ei­ne Über­ar­bei­tung mit pro­fes­sio­nel­len Kri­te­ri­en ge­nau­so viel Zeit in An­spruch neh­men dürf­te wie ei­ne Neu­über­set­zung, schlimm­sten­falls so­gar mehr. Lan­ger Satz. So hab ich es nicht ge­sagt. Aber in kur­zen Ein­hei­ten eben dann doch.

Das Ge­gen­über setz­te zu ei­ner gro­ßen Ver­tei­di­gung des Aus­wurf die­ser Bits & Boons an, als wür­den wir über Kunst­wer­ke aus der Hand ih­rer Kin­der spre­chen, die sie Fach­leu­ten an­preist. Dann kam der wun­der­ba­re Satz: „Könn­ten Sie nicht Ih­ren Pro­fes­sio­na­lis­mus ein we­nig ab­le­gen und al­les kurz ein­mal glatt­bü­geln?!" Der Satz meint: bit­te güns­tig! Es ging um Mo­ney over Me­rit.

Bits & Boons
... statt Bits & Bytes: „Boon“ kann im Eng­lisch so­wohl „Se­gen“ als auch „Glücks­fall“ oder „un­er­war­te­te Wohl­tat“ be­deu­ten. In der Alt­eng­li­schen Spra­che wur­de es oft ver­wen­det, um et­was Po­si­ti­ves zu be­schrei­ben, das durch Zu­fall oder Glück ge­schah.  

Mo­ney over me­rit
Wem das Wort merit nichts sagt, der oder dem sa­gen die „Me­ri­ten“ viel­leicht et­was, die es mit lan­gem Stu­di­um, Ver­zicht und dar­aus re­sul­tie­ren­der Ex­zel­lenz zu ge­win­nen gilt. „Merit“ wur­de auf Mit­tel­eng­lisch ver­wen­det, um die Gü­te oder den Wert ei­ner Sa­che oder Per­son zu be­schrei­ben. In neue­rer Zeit ist der Be­griff Merit Order oft in den Me­di­en. Hier geht es (lei­der) nicht um ein Ord­nungs­sys­tem, in dem die Klügs­ten das Sa­gen ha­ben. Merit Order ist ein fest­ste­hen­der Be­griff, der die Rei­hen­fol­ge fest­legt, in der Kraft­wer­ke ih­ren Strom auf dem En­er­gie­markt an­bie­ten, ba­sie­rend auf ih­ren „Grenz­kos­ten“.

Kraft­wer­ke mit nied­ri­gen Grenz­kos­ten wie er­neu­er­ba­re En­er­gi­en wer­den zu­erst ein­ge­setzt, wäh­rend teu­re­re Kraft­wer­ke (z.B. Gas­kraft­wer­ke) erst spä­ter hin­zu­kom­men, um den Be­darf zu de­cken. Als Preis für al­les wird das über­nom­men, was der Strom aus dem teu­ers­ten Kraft­werk kos­tet, das zur De­ckung des Ge­samt­be­darfs be­nö­tigt wird. En­de der De­fi­ni­ti­on. Das Ver­fah­ren ver­zerrt den Preis, denn es geht von ei­nem idea­len, funk­tio­nie­ren­den Markt aus.
Ein­schub­en­de.

Um Money over Merit geht es al­so. Ich ru­fe die Web­sei­ten­bau­stel­le der po­ten­ti­el­len Kun­din auf: An­stel­le ei­ner lo­gi­schen Ab­fol­ge von Ge­dan­ken und Ide­en, von fach­lich und sach­lich rich­ti­gen Be­schrei­bun­gen, fin­de ich nur ein sprach­li­ches Trüm­mer­feld vor. Stel­len Sie sich ein Au­to vor, dass als 3-D-Col­la­ge aus ver­schie­de­nen Bau­tei­len zu­sam­men­ge­setzt wur­de, aus ei­ni­gen ech­ten Au­to­tei­len von Schrott­wa­gen, aber auch Bier­kis­ten, Fens­ter­tü­ren, ei­nem Ret­tungs­ring aus Sty­pro­por an­stel­le des lin­ken Vor­der­rads, dem Mo­tor ei­ner Kü­chen­ma­schi­ne un­ter der „Hau­be“. So ein Ge­fährt ist nicht TÜV-taug­lich. Von die­ser Qua­li­tät wa­ren die Sät­ze.

Seit ChatGPT & Co. auf dem Markt sind, ha­ben wir re­gel­mä­ßig sol­che An­fra­gen. Die po­ten­ti­el­le Kun­din ist nur be­dingt schuld, es ist viel­mehr die „Geiz-ist-Geil“-Men­ta­li­tät, die vie­le Köp­fe ver­gif­tet hat und die In­fla­ti­on, die al­le er­mu­tigt, neu­es Ein­spar­po­ten­zi­al aus­zu­lo­ten. Und schließ­lich sind es die KI-Nerds mit ih­ren Wer­be­ab­tei­lun­gen (oder Bil­lig­agen­tu­ren), die die Il­lu­sion be­för­dern, dass ech­te, um­fang­rei­che Pro­fi­ar­beit für 'nen Ap­pel und 'n Ei zu ha­ben sei. 

Sprung zu­rück in den Ja­nu­ar: Na­tür­lich hat­te ich die Da­me über die­se Fall­stri­cke auf­ge­klärt. Sie hat sich be­dankt und schien wirk­lich be­müht. Mein An­ge­bot zur Neu­über­set­zung war sehr fair. Der Win­ter war ruhig, es gab zu vie­le frei­e Stun­den und Aben­de ne­ben der An­ge­hö­ri­gen­pfle­ge. Kaum hat­te ich die Mail ab­ge­schickt, ka­men mir Zwei­fel: War ich zu güns­tig?

Aber un­be­grün­det: Nach ei­ner Wo­che dann die Ab­sa­ge, es ha­be sich ei­ne „wirt­schaft­lich in­te­res­san­te Lö­sung“ ge­fun­den, schrieb sie.

Sur­prise, sur­pri­se
Heu­te schau­e ich mal auf die Web­sei­te der Nicht­kun­din. Und, ta­daaa!, es ist schlim­mer als ich be­fürch­tet hat­te: Der kom­plet­te Murks ist jetzt öf­fent­lich zu­gäng­lich. Ich fin­de im An­ge­bots­dos­sier noch die Word-Da­tei, die ich für das Zäh­len der An­schlä­ge er­stellt hat­te, über­flie­ge al­les, se­he kaum Un­ter­schie­de zum KI-Aus­wurf aus dem Ja­nu­ar. Ich weiß nicht, wer da wo "tä­tig" ge­we­sen sein soll. Bei nä­he­rem Hin­le­sen ist hier ein Sy­no­nym er­setzt, sind dort drei kar­ge Sätz­lein zu ei­ner lan­gen Aus­sa­ge ge­kop­pelt wor­den, ein gu­tes Dut­zend Ge­dan­ken­stri­che ge­stri­chen und zwei Mal „weiß“ durch „hell“ er­setzt wor­den, sol­che Sa­chen. Man­che Be­schrei­bung steht wei­ter­hin un­be­rührt da in ih­rer Trüm­mer­haf­tig­keit, wie ein Mahn­mal für au­to­ma­ti­sier­tes Bull­shit-Bin­go.

Für ihr un rien de temps, „ein Nichts an Zeit­auf­wand“, wird die Da­me wohl „drei Mal nichts“ be­zahlt ha­ben, trois fois rien. 

Ei­nen gro­ßen Un­ter­schied al­ler­dings dürf­te der Um­satz ma­chen. Noch lässt sich al­les auf die Kri­se schie­ben, auch in Frank­reich. Schrei­be ich der Da­me, sa­ge ich es ihr?

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Foto: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Dienstag, 15. Juli 2025

Dop­pel­t sehen

Bon­jour, hel­lo
"Dop­pel­be­lich­tung" in ei­nem Fens­ter
& Gu­ten Tag auf den Sei­ten mei­nes Web­logs! Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin und ar­bei­te haupt­säch­lich mit Fran­zö­sisch und manch­mal auch mit Eng­lisch. Deutsch ist mei­ne Mut­ter­spra­che. 


Der Som­mer ist auf sei­nem Hö­he­punkt, das Wet­ter zur Ab­wechs­lung mal so wie frü­her, näm­lich wech­sel­haft.

Aus­flug auf einem Ber­li­ner Ge­wäs­ser, netz­wer­ken, dol­met­schen, Seele bau­meln las­sen in ei­nem ru­hi­gen Mo­ment, plötz­lich sprin­gen mir De­tails ins Au­ge, die an­de­re nicht se­hen.

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Fo­to: C.E.

Montag, 14. Juli 2025

Montagsschreibtisch (98)

Den Ar­beits­all­tag einer Dol­met­scherin finden Sie auf diesen Sei­ten skiz­ziert. Meine Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich arbei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Büro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che.

Gesehen in Berlin-Kreuzberg
Huch, wo ist denn die letz­te Wo­che ge­blie­ben? Das war span­nend, un­schön und ging sehr, sehr schnell.
Auf dem Schreib­tisch di­eser Ta­ge:
⊗ West­af­ri­ka und Kon­flikt­roh­stof­fe
⊗ Gut­ach­ten Dreh­buch­über­set­zung
⊗ Ab­lage
⊗ Som­mer :-)


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Foto: C.E.

Donnerstag, 10. Juli 2025

Kritische Bildung

Gu­ten Tag oder gu­ten Abend! Sie le­sen in ei­nem Ar­beits­ta­ge­buch, das den The­men Spra­che, Dol­met­schen, Über­set­zen und Kul­tu­ren ge­wid­met ist. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­le­rin ar­bei­te ich dort, wo ich ge­braucht wer­de, oft am Film­set, bei Kun­den oder in der Dol­met­sch­ka­bi­ne. Daf­ür muss ich stän­dig le­sen und ler­nen. Dar­über ver­ges­se ich oft, dass (noch) nicht al­le Men­schen in un­se­rem Land so bil­dungs­op­ti­mis­tisch sind.

V
ie­le von uns Er­wach­se­nen im Lan­de ha­ben die ei­ge­nen Groß­el­tern oder Ur­groß­el­tern ge­fragt, wie es zum Auf­stieg der Na­zis kom­men konn­te, da­zu, dass de­ren Lü­gen sa­lon­fä­hig wer­den konn­ten, dass de­ren Het­ze und Ver­dre­hun­gen der Sach­la­ge ge­glaubt wur­den.

Selbst­stu­dium: Ich ha­be mich, be­glei­tet von An­ge­hö­ri­gen, ein­ge­le­sen, zu den Krie­gen, aus­ge­hend vom deutsch-fran­zö­si­schen Krieg, über den Ers­ten Welt­krieg, bis hin zum Ver­sail­ler Ver­trag und sei­nen Ent­schä­di­gungs­for­de­run­gen, zu de­nen auch Wis­sen­schaft­le­r:in­nen aus dem Aus­land heu­te sa­gen, dass durch die Sum­men, die kaum rea­lis­tisch wa­ren, der Keim für den Zwei­ten Welt­krieg ge­sät wur­de. In mei­nem Bil­dungs­weg wa­ren die ei­ge­nen El­tern wich­tig, Vor­fah­ren, die Krie­ge an der Front er­lebt und De­tails ver­mit­telt ha­ben, mein Stu­di­um in Frank­reich.

Rück­sprung in die Zeit vor 100 Jah­ren: Bit­te­re Ar­mut, Bör­sen­krach und ein Ge­fühl der Er­nie­dri­gung ha­ben die Men­schen mür­be ge­macht und da­mit emp­fäng­lich für Schuld­um­kehr, Grö­ßen­wahn, Hass und Ver­blen­dun­gen. Die di­rek­te An­kün­di­gung des De­sas­ters war zu­gäng­lich, stand in vie­len Bü­cher­re­ga­len. Doch die meis­ten fie­len nur auf die Be­gleit­mu­sik r­ein, die sim­plen Pa­ro­len, die bald schon im Takt von Marsch­mu­sik ge­brüllt wur­den, und die vermeintliche Be­nen­nung der Schul­di­gen. Da­bei war das Dra­ma an­ge­kün­digt. Die brei­te Mas­se hat nie nach­ge­le­sen, was sich da zu­sam­men­ge­braut hat, zu­sam­men­ge­braut wur­de.

So wie heu­te ge­wis­se Be­völ­ke­rungs­grup­pen nicht le­sen, de­nen oft auch die for­ma­le Bil­dung fehlt, in tie­fe­re Ana­ly­sen ein­zu­stei­gen, Wi­der­sprü­che aus­zu­hal­ten, zu be­grei­fen, wie wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se ent­ste­hen.

Bil­dung ist Ar­beit. Und die ist nicht vor­aus­set­zungs­los. Wer sie nicht leis­ten kann oder wem die Zeit da­für fehlt, der/die ho­le sich Be­ra­ter:in­nen mit Fach­kom­pe­tenz, hin­ter­fra­ge aber zu­vor de­ren Wis­sen und Ab­sich­ten, und zwar auf die glei­che Wei­se, wie auch Quel­len zu hin­ter­fra­gen sind. Auch das ist er­for­dert Kom­pe­ten­zen.

Köpfe und Mobiltelefone
Viele sehen die Welt nicht mehr
Quel­len­kri­tik ist heu­te ei­ne Grund­vor­aus­set­zung für po­li­ti­sche Teil­ha­be, ja so­gar mehr noch, wich­ti­ger, als es ein Füh­rer­schein für die Teil­nah­me am Stra­ßen­ver­kehr ist (sagt die Nut­ze­rin von Schus­ters Rap­pen, Rad, Bus und Bahn).

Wun­der­bar: Dä­ne­mark bie­tet jetzt Schul­stun­den an, in de­nen Fa­kes, Des­in­for­ma­ti­on und de­ren Hin­ter­grün­de ana­ly­siert und ver­netzt ge­dacht wer­den. Das ist um­so wich­ti­ger, als die KI in­zwi­schen Fakes liefert, die nur noch Ge­schul­te von ech­ten Informa­tio­nen un­ter­scheiden kön­nen. Es ist da­mit zu re­chnen, dass die­se Fakes im­mer über­zeu­gen­der wer­den.

Die dä­ni­sche In­itia­ti­ve ist her­vor­ra­gend!

Ich wün­sche uns da­rü­ber mehr Berichterstattung. (Der NDR hat Quel­len zu Un­ter­richts­ma­te­rial zu­sam­men­ge­stellt: klick!)

Auch wir soll­ten ein Schul­fach da­zu ein­füh­ren und An­ge­bo­te im Rah­men einer gro­ßen, ko­or­di­nier­ten Ak­tion. Und zwar er­wei­tert: auch vie­le Er­wach­se­nen in un­se­rem Land könn­ten das ge­brau­chen. Al­le, bis hin zu Oma und Opa, brau­chen ent­spre­chen­de Bil­dung. Le­bens­lan­ges Ler­nen ist heu­te ei­ne Grund­vor­aus­set­zung!

Für den Nach­wuchs gibt es ein schö­nes „Ein­falls­tor” für Bil­dung: vor­le­sen! So­gar schon den Kleins­ten, am bes­ten je­den Abend, ger­ne be­reits beim Nach­hau­se­kom­men. Es gibt viel zu ler­nen: Ge­füh­le, Wör­ter, Fak­ten, Phan­ta­sie, Neu­gier­de, Selbst­be­wusst­sein, ... (hier mehr auf der Sei­te der Stif­tung Le­sen).

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Bild: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Dienstag, 8. Juli 2025

Charles Dickens

Wie wir Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, ist im 19. Jahr das The­ma die­ses Web­logs. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch. Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Neu­lich: Ein kurz­fris­tig an­be­raum­ter Ter­min im Kran­ken­haus.

Was ich dort am Rand ei­nes Not­fall­ein­sat­zes mit­er­lebt ha­be, geht mir seit Ta­gen nicht aus dem Kopf: die er­schüt­tern­de Ar­mut ei­ner Fa­mi­lie. Kei­ne De­tails! 

Lesendes Mädchen, Blumenwiese
Lesefähigkeit ist lebensentscheidend
Auch wir Dol­met­scher:in­nen ha­ben ei­ne Schwei­ge­ver­pflich­tung. Doch es ist kaum aus­zu­hal­ten, wie vie­le Kin­der im Jahr 2025 in einem der reichs­ten Län­der der Welt tag­täg­lich Ar­muts­er­fah­run­gen ma­chen müs­sen.

Da­bei ist vie­len Er­wach­se­nen heute Charles Dic­kens noch ein Be­griff, der Au­tor hat das Le­ben von Kin­dern in bit­ters­ter Ar­mut be­schrie­ben.
Nun hat die bri­ti­sche Kin­der­schutz­be­auf­trag­te Rachel de Souza die­se Er­in­ne­rungen bei vie­len ak­ti­viert, da sie die La­ge vieler Kinder in ih­rem Land da­mit ver­gleicht: Die Not vie­ler Kin­der dort ha­be stel­len­wei­se ein „Dickens’sches Aus­maß” an­ge­nom­men, schreibt sie.

De Souza, ehe­mals Leh­re­rin und Schul­lei­te­rin, be­rich­tet von un­fass­bar schlech­ten Wohn­ver­hält­nis­sen, man­geln­der Pri­vat­sphä­re, feh­len­den Lern­or­ten, Hun­ger, über­lan­gen Schul­we­gen, ab­we­sen­den Orten für die Frei­zeit.

Der Be­richt, den sie vor­legt, ist das Er­geb­nis von vie­len Be­fra­gun­gen. Vie­le Kin­der spre­chen da­bei von der Scham, die ihr Le­ben prägt. Sie be­kom­men mit, wie schwer es ih­re El­tern ha­ben „Er­wach­se­nen­pro­ble­me” blei­ben ih­nen nicht er­spart.

De Sou­za for­dert nun ko­or­di­nier­tes Han­deln, um­fas­sen­de Hil­fen, Chan­cen­ge­rech­tig­keit, schnelles Ein­grei­fen und na­tür­lich mehr Geld für Kin­der. Dass hier die Be­trof­fe­nen selbst be­fragt wur­den, fin­de ich sehr gut, denn so ist ein ehr­li­ches, un­ver­zerr­tes Bild ent­stan­den. Auch in an­de­ren po­li­ti­schen Be­rei­chen wä­re es sinn­voll, mehr MIT den Men­schen zu spre­chen statt ÜBER sie. (Hier geht's zum Down­load des Re­ports: klick!)

Ich den­ke an Mar­ga­ret That­cher und ihr be­rüch­tig­tes there's no such thing as so­cie­ty, „so et­was wie Ge­sell­schaft gibt es nicht”. Sie hat da­mals nicht nur die Exis­tenz der Ge­mein­schaft ge­leug­net, son­dern auch je­de Ver­ant­wor­tung ge­gen­über an­de­ren ab­ge­lehnt. In den 1980er-Jah­ren hat sie den Grund­stein für die um­fas­sen­de Durch­set­zung des Neo­li­be­ra­lis­mus ge­legt. Doch wir wis­sen aus der Evo­lu­ti­ons­ge­schich­te der Mensch­heit, dass wir oh­ne Zu­sam­men­ar­beit nie so weit ge­kom­men wä­ren.

Auch bei uns ist Um­den­ken nö­tig. Der Markt re­gelt nicht al­les. Das soll­ten wir mitt­ler­wei­le ge­lernt ha­ben. (Man­che Po­li­ti­ker:in­nen mer­ken es spä­testens dann, wenn die ei­ge­nen Kin­der flü­g­ge wer­den.)

Hier ein Link zu einer Mel­dung da­zu von Spi­egel On­line. Mö­gen die Me­dien hier nach­fas­sen.

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Bild: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Montag, 7. Juli 2025

Montagsschreibtisch (97)

Bon­jour oder bon­soir auf den Sei­ten ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. In die­sem di­gi­ta­len Ta­ge­buch kön­nen Sie seit 2007 und an ei­ni­gen Ta­gen in der Wo­che mit­le­sen, wie Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten. Hier erst­mal, was die­se Wo­che an­steht.

Wer so lan­ge wie ich sein di­gi­ta­les Ar­beits­ta­ge­buch führt, er­lebt Wie­der­ho­lun­gen, und aus län­ge­ren Pro­jek­ten wer­den Spe­zia­li­sie­run­gen. Ich muss mal wie­der vor Ge­richt meine Ex­per­ti­se zum Bes­ten ge­ben.

Auf dem Schreib­tisch:
⊗ Ak­tu­el­le po­li­ti­sche La­ge
⊗ Kor­rek­to­rat Hör­film­fas­sung
⊗ Gut­ach­ten Un­ter­ti­te­lung fürs Ge­richt [es geht nicht um die Il­lus­tra­tion]

Und ge­gen Mit­tag wer­den wir hier ein­an­der, so wie in Frank­reich (nicht) üb­lich, „bren­ne Apfel­tee!“ zu­ru­fen. (EDIT: Laut TikTok ist das ein Wunsch, wie er in Frank­reich vor dem Es­sen üb­li­cher­wei­se aus­ge­tauscht wer­den soll.)

Teller, Tisch, Mund, Nase, Untertitel: burn Apple Tea! (KI)
Chi­ne­sisch ge­dämpf­te Eier (Tik­Tok)

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Bild: Netz­fund (Dan­ke, M.!)

Samstag, 5. Juli 2025

Verhältnismäßigkeit

Hel­lo, bon­jour, gu­ten Tag! Als Dol­met­sche­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che mit Deutsch als Mut­ter­spra­che blog­ge ich hier seit 2007. Ich dol­met­sche auch En­g­li­sch → Fran­zö­sisch, und ich über­set­ze nur in die deut­sche Spra­che. Am Wo­chen­en­de wer­de ich pri­vat. Nein: wür­de ich ger­ne, denn das Pri­va­te ist po­li­tisch. Mei­ne Links der Wo­che.

Es war ein­mal ei­ne Kas­sie­re­rin in Ber­lin, die be­ging ei­nen un­glaub­li­chen Be­trug. Sie lös­te zwei Leer­gut­bons ein, die ihr nicht ge­hört ha­ben. Es ging um Pfand­geld in der Hö­he von 48 und 82 ... Cent. Das war 2009, der Fall ging durch die Pres­se. 

An die Wand gesprayt: MÜDE
Kom­men­tar des Tages, am We­ges­rand
Sie wur­de ent­las­sen. Das Ver­trau­ens­ver­hält­nis sei gründ­lich zer­rüt­tet, so ihr Ar­beit­ge­ber. Der un­ter dem Na­men Em­me­ly be­kannt ge­wor­de­ne Fall ging vor Ge­richt. Zweit­in­stanz­lich hat die Da­me ih­ren Pro­zess ge­won­nen, konn­te ih­ren Sieg trotz­dem nicht lan­ge ge­nie­ßen: Sie starb we­ni­ge Jahre spä­ter mit nur 57 Jah­ren. Ar­me Men­schen ster­ben frü­her. Der Fall gilt als Mus­ter­bei­spiel für so­ge­nann­te Ba­ga­tell­kün­di­gun­gen.

2021, ein an­de­res Pres­se­rau­schen: Ein am­tie­ren­der Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter leis­tet sich in der Hoch­pha­se der Pan­de­mie und oh­ne aus­rei­chen­des Ei­gen­ka­pi­tal ei­ne mil­lio­nenschweren Vil­la. Die Her­kunft der Mit­tel blieb bis heu­te un­ge­klärt. Au­ßer­dem un­ter­lie­fen ihm „hand­werk­li­che Feh­ler“ beim Ein­kauf von me­di­zi­ni­scher Schutz­aus­rüs­tung.

In­zwi­schen ken­nen wir mehr De­tails zum Mas­ken­ska­n­dal. Über­men­gen auch nach­weis­lich schlech­ter Wa­ren wur­den trotz War­nun­gen von ihm per­sön­lich auch im ei­ge­nen Um­feld be­stellt, ei­ne Po­li­ti­ker­toch­ter be­kam für ei­ni­ge Te­le­fo­na­te mehr als 48 Mil­lio­nen Eu­ro „Prämie“, an­de­re Lie­fe­ran­ten wur­den zu­rück­ge­pfif­fen. Der Ge­samt­scha­den ist we­gen lau­fen­der Pro­zes­se noch nicht be­zif­fer­bar, sechs Mil­li­ar­den sind be­stä­tigt, es könn­te zwei­stel­lig wer­den. (Hier der un­ge­schwärz­te Be­richt bei Frag­Den­Staat.)

Kon­se­quen­zen gab es kaum. Der Mi­nis­ter blieb im Amt und hat an­schlie­ßend wei­ter Kar­rie­re ge­macht.

Nur ei­ne knap­pe Vier­tel­mil­li­ar­de Scha­den lös­te 2019 ei­ner sei­ner Par­tei­kol­le­gen aus, als er trotz War­nun­gen, die auch ein Erst­se­mes­ter im Ju­ra­stu­di­um hät­te ge­ben kön­nen, ei­nen Maut­ver­trag un­ter­schrieb, und das, ob­wohl da­zu auch ein Ver­fah­ren vor dem Eu­ro­pä­i­schen Ge­richts­hof lief. Auch hier: kein Kar­rie­re­knick.

Al­le ken­nen die Na­men die­ser Her­ren. Im Lich­te die­ser Er­eig­nis­se ir­ri­tie­ren an­de­re Fehl­grif­fe: Ein Vi­ze­kanz­ler gab sein Amt auf, weil er auf of­fi­zi­el­lem Brief­pa­pier für die Ein­kaufs­wa­gen­chips ei­nes Ver­wand­ten warb (Jür­gen Möl­le­mann, 1993). Ein Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter trat zu­rück, weil er dienst­lich ge­samm­el­te Bo­nus­mei­len pri­vat ge­nutzt hat (Cem Öz­de­mir, 2002). An­de­re Po­li­ti­ker sind we­gen der Pri­vat­nut­zung von Dienst­wa­gen oder der Flug­be­reit­schaft der Luft­waf­fe zu­rück­ge­tre­ten.

Sprin­gen wir wie­der in die Pan­de­mie­zeit zu­rück. Ich bin frei­be­ruf­li­che Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin. Als we­gen Co­vid-19 al­les still­stand, war ich über Mo­na­te fak­tisch ar­beits­los, auch au­ßer­halb der Lock­down­pha­sen, weil kei­ne Pla­nungs­si­cher­heit da war. Kon­fe­ren­zen und De­le­ga­tions­rei­sen fie­len aus, Prä­senz­ter­mi­ne wur­den ab­ge­sagt. Mei­ne Haupt­auf­trag­ge­ber, Mi­nis­te­ri­en, For­schungs­ein­rich­tun­gen, Par­la­men­te, blie­ben for­mal ge­öff­net. Und ge­nau des­halb be­kam ich (nach ei­nem ers­ten „Schlag aus der Gu­lasch­ka­no­ne“) kei­ne Hil­fen. Am Te­le­fon er­klär­te mir ein Sach­be­ar­bei­ter der KfW in gön­ner­haf­tem Ton: „Ih­re Auf­trag­ge­ber haben nicht pan­de­mie­be­dingt ge­schlos­sen.“ Das war sach­lich kor­rekt, aber prak­tisch zy­nisch.

Ich konn­te mich glück­lich schät­zen, denn die Erst­hil­fe­zah­lun­gen hat­te ich ja be­kom­men. Sie haben ei­ni­gen Eu­ro täg­lich entsprochen, mit dem ich mein Bü­ro wei­ter­un­ter­hal­ten, die schon be­stel­le Mo­der­ni­sie­rung und die da­mit zu­sam­men­hän­gen­den lau­fen­den Kos­ten bezah­len konn­te. Für den Ei­gen­be­darf (woh­nen, es­sen, ver­si­chern, ...) durf­te ich an mei­ne Rück­la­gen fürs Al­ter ge­hen, denn ge­nau die­se ha­ben mich „reich“ ge­macht.

Ich soll­te, so der KfW-Mann, al­les bis auf 60.000 Eu­ro „ab­schmel­zen“ (als wür­de es sich hier um ei­nen na­tür­li­chen Vor­gang han­deln); dann könn­te auch ich Un­ter­stüt­zung be­kom­men. In an­de­ren Wor­ten: Aus mei­nen Al­ters­rück­la­gen wur­den mir für ca. 20 „Er­lebens­jah­re“ im Ren­ten­al­ter mo­nat­lich 250 Eu­ro zu­ge­stan­den. Ein Witz. Ich war nicht al­lein, muss­te im­pro­vi­sie­ren, wie im­mer.

Ich hat­te und ha­be Glück im Un­glück. Da ich im fünf­ten Jahr in Teil­zeit An­ge­hö­ri­gen pfle­ge, kom­me ich bis heu­te nicht wirk­lich da­zu, das al­les zu durch­den­ken. Im­mer, wenn ich zur Ru­he kom­me, spü­re ich die Ris­se.

Die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ist ver­lo­ren­ge­gan­gen. Grund­sätz­lich soll­ten Po­li­ti­ker ehr­lich sein, das Bes­te für die Be­völ­ke­rung an­stre­ben, und grund­sätz­lich soll­ten wir auch Men­schen in Not hel­fen: Leu­ten im Land, die kaum über die Run­den kom­men, Men­schen au­ßer­halb der Gren­zen. Die ak­tu­el­le Re­gie­rung streicht die Mit­tel bei der Hoch­see­ret­tung im Mit­tel­meer und wür­de am liebs­ten ein ei­ser­nes Tor an der Lan­des­gren­zen hoch­zie­hen, um Ge­flüch­te­te ab­zu­hal­ten, die es zu­hau­se nicht mehr aus­hal­ten, weil dort Krieg, Bür­ger­krieg, Ver­fol­gung, Hun­ger herr­schen.

Es wer­den der­zeit Men­schen ab­ge­schoben, die bei Nacht und Ne­bel aus ih­ren Bet­ten oder von den Schul­bän­ken ge­holt wer­den. Da­run­ter sind auch Leu­te, die im Ge­sund­heits- und Pfle­ge­be­reich tä­tig sind. An­de­re wür­den ger­ne ar­bei­ten, dür­fen aber nicht. Wä­ren nicht zu vie­le Pfle­ge­ein­rich­tun­gen so grau­en­voll, hät­ten wir un­se­re Care-Ar­beit ver­mut­lich schon ab­ge­ge­ben, denn mich als ei­ne der Haupt­ver­ant­wort­li­chen schränkt die La­ge be­ruf­lich ein. So fällt es mir schwer, das den Al­ters­rück­la­gen ent­nom­me­ne Geld wie­der auf­zu­fül­len.

Die Deut­schen wür­den zu we­nig ar­bei­ten, schilt uns zu­gleich die Po­li­tik. Ich neh­me das als kol­lek­ti­ve Ohr­fei­ge wahr. Und ich bin ge­neigt, das Gan­ze lang­sam per­sön­lich zu neh­men. Mein Ver­trau­ens­ver­hält­nis zu man­chen Po­li­ti­kern ist gründ­lich zer­rüt­tet.

Nicht nur ich ha­be die­se mas­siv­en Stör­ge­füh­le. Das Gan­ze ist Was­ser auf die Müh­len je­ner, die mit den Ach­seln zu­cken und sa­gen: „Die da oben ma­chen doch so­wie­so, was sie wol­len.“ So den­ken in­zwi­schen nicht nur die Em­me­lys die­ser Welt, ich er­in­ne­re, die Da­me mit den Pfand­bons, son­dern auch ver­meint­lich ar­ri­vier­te Krei­se. Kurz: Im Land dro­hen bald ex­tre­mis­tische Mehr­hei­ten, oder die Macht­über­nah­me von Po­li­ti­kern mit ex­tre­men An­sich­ten in­ner­halb bür­ger­li­cher Par­tei­en, sie­he USA.

Das darf, nein, das muss uns ei­ne War­nung sein. Ei­ne sehr lau­te.

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Fo­to: C.E. (ge­se­hen in Neu­kölln)

Freitag, 4. Juli 2025

Museum der Wörter (42)

Gu­ten Tag oder Abend, hier bloggt ei­ne Lin­gu­is­tin, ich über­set­ze und dol­met­sche. Ar­beits­spra­chen: Fran­zö­sisch (ak­tiv und pas­siv) und Eng­lisch (nur Aus­gangs­spra­che). Heu­te im Wör­ter­mu­se­um: ein sü­ßes Wort!

Ei­gent­lich ist Ur­laubs­zeit, in Ber­lin sind aber noch kei­ne Schul­fe­rien. Die­ses Jahr sind wir hier im Ka­russ­ell der Schul­jah­res­zei­ten spät dran. Beim Be­schrif­ten von Ge­fä­ßen im Ba­de­zim­mer zö­ge­re ich, denn ich will un­se­re Gäs­te aus dem Aus­land nicht ver­un­si­chern. In un­se­rer Fa­mi­lie ist fol­gen­des Wort be­kannt und be­liebt:
           
                    H-Mi­mi

   

Als das klei­ne Fräu­lein, was mei­ne Nich­te ist, ir­gend­was zwi­schen ei­nem und zwei Len­ze jung war, be­wies es mir ei­ne be­rühm­te Re­gel der Lin­gu­is­tik.

Ausgeschnittenes und aufgeklebtes Pochoir, das eine schöne, junge Frau mit einer Frisur zeigt, die viele Haargummis nötig macht
Vie­le H-Mi­mis (ge­se­hen in Ber­lin-Neu­kölln)

Ich zi­tie­re aus der Er­in­ne­rung: „Das Prin­zip der Sprach­öko­no­mie ist der Kom­pro­miss zwi­schen gu­ter Kom­mu­ni­ka­tion und dem mög­lichst ge­ring­sten Auf­wand, der die Struk­tur von Spra­chen auf al­len Ebe­nen be­stimmt.“ (Le prin­cipe de l'é­co­no­mie lin­guis­tique est le com­pro­mis entre une bonne com­mu­ni­ca­tion et le moins d'ef­forts pos­sible, qui ré­git la struc­ture des lan­gues à tous les ni­veaux.)

Das klang bei der Lü­t­ten dann so: Das Haar­gum­mi war ein „H-Mi­mi“, das Kau­gum­mi ein „K-Mi­mi“. Ähn­lich ver­fuhr sie mit mehr­si­bi­gen Frau­en­na­men: Car­la hieß bei ihr „La­la“, Cé­cile war „La­li­le“ und ich, Ca­ro­li­ne, wur­de „La­li­ne“ ge­nannt. Der Klei­nen die fran­zö­si­schen Ar­ti­kel le und la bei­zu­brin­gen, war dann ein Kin­der­spiel.

[Und wie im­mer der Seuf­zer: Ach, die wer­den so schnell groß!]

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Fo­to: C.E.

Donnerstag, 3. Juli 2025

Museum der Wörter (41)

Kom­mu­ni­ka­ti­on ist al­les, Bil­dung und In­for­ma­ti­on sind die zwei­te Hälf­te. ☺ Als Dol­met­scher­in schrei­be ich hier seit 2007 über mei­nen All­tag in der Bran­che. Was und wie Dol­met­scher und Dol­met­scher­in­nen be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, ist kaum be­kannt. Heu­te: Wör­ter­mu­se­um.

Ein Satz wie ein Faust­hieb, und ein jun­ger Mann un­ter 25 hat ihn mir ge­schrie­ben. Hier folgt ein Gast­bei­trag! Dank, lie­ber M.!

Er schrieb: Hört mir auf mit Kli­ma­schutz, es geht um ...
           
            Men­schen­schutz!

   
Und weiter: „Kli­ma­schutz“ ist heu­te­ fast ein Reiz­wort. Es klingt für vie­le nach Öko-Dau­er­be­schal­lung oder Schul­thea­ter mit Papp­ku­lis­se. Der Be­griff wird so oft ver­dreht oder sar­kas­tisch ver­wen­det, dass man sich fragt: Worum geht’s ei­gent­lich noch mal?

Gesehen in Schöneberg
Und ehr­lich ge­sagt: Das Wort ist so­wie­so falsch. Denn das Kli­ma braucht un­seren Schutz nicht. Es war schon da, lan­ge be­vor sich über­haupt ein le­ben­des We­sen über die Erd­ober­flä­che be­wegt hat — und es wird noch da sein, wenn die Son­ne in ein paar Mil­li­ar­den Jah­ren zur feu­ri­gen Riesin wird und un­se­ren Pla­ne­ten ver­schluckt.

Wir Men­schen sind ein kos­mi­sches Hüs­teln, ein Furz der Ge­schich­te. Das dür­fen wir uns im­mer wie­der klar ma­chen.

Denn es geht nicht um Kli­ma­schutz, es geht um Men­schen­schutz. Die Evo­lu­ti­on ist lang­sam. Rich­tig lang­sam. Tie­re kön­nen sich ver­zie­hen, Men­schen auch, Pflan­zen auch.

Pflan­zen müs­sen aus­sa­men, dann brau­chen sie Wind und Vö­gel, die sie ih­re Sa­men weitertragen. Sie brau­chen Zeit, Platz und Glück. Man­che Art schafft es nicht. Bäu­me zum Bei­spiel ver­meh­ren sich zu lang­sam, wach­sen lang­sam. Und wir Men­schen ha­ben ko­mische Luft­wur­zeln. Man­che lei­ten da­von die ei­ge­ne Wer­tig­keit ab. Und plötz­lich ist es zu spät für die gro­ße Flucht.

Das Kli­ma ver­än­dert sich heu­te zu schnell für Bäu­me, für Tie­re, für uns.

Der Kli­ma­wan­del ist da. Wir müs­sen uns an­pas­sen: Städ­te um­bau­en, Wirt­schaft um­stel­len, den Fos­si­lis­ten den Geld­hahn zu­dre­hen, neue We­ge in Land­wirt­schaft und In­dus­trie fin­den. Men­schen schüt­zen, die be­son­ders be­trof­fen sind, und auch Men­schen er­mu­ti­gen, die Din­ge an­pa­cken kön­nen.

Je­der weiß: In der Wüs­te ohne Was­ser über­le­ben wir ge­nau­so­wenig wie mit den Fü­ßen im Meer. Aber ge­nau das mu­ten wir heu­te an­de­ren Völ­kern zu: Dass ih­re Le­bens­grund­la­ge ver­schwin­det, weil wir auf un­se­re Ab­ga­se pfei­fen.

Wir brau­chen mehr als das Bild ei­nes ster­ben­den Baums, der nicht schnell ge­nug flie­hen kann. Kön­nen wir uns da­rauf ei­ni­gen, ab jetzt von Kli­ma­ka­ta­stro­phe zu spre­chen ... und von Men­schen­schutz statt Kli­ma­schutz?
Oder wie wär’s mit „Glo­bus­schutz“? Hm. Spricht sich nicht gut. „Glo­bus-vor-dem-Men­schen-Schutz“? Klingt nach et­was zwi­schen Sci-Fi und Ko­mö­die.

Und wir brau­chen jetzt ein neu­es Wort. Eines, das un­miss­ver­ständ­lich ist, das Wumms hat, aber auch Hoff­nung macht. Denn eins bringt uns gar nichts: wenn wir uns nur noch ohn­mäch­tig füh­len.

Also: don­ners­tagsabends trotz­dem raus, vor­glü­hen geht, fei­ern auch. Und ab Sams­tag wie­der ran, Welt ret­ten. Wir könn­te das wup­pen.

Gruß, M. (Gen Z)

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Foto: C.E.

Mittwoch, 2. Juli 2025

Wenn der Postbote dreimal klopft ...

Hallo! Wie Dol­met­scher und Dol­met­sche­rin­nen ar­bei­ten, be­schre­ibe ich hier seit 2007. Meine Haupt­ar­beits­spra­che ist Fran­zö­sisch (in bei­de Rich­tun­gen). Deutsch ist mei­ne Mut­ter- und wich­tigs­te Schrift­spra­che. Die Büro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­lische. Ich be­ob­ach­te auch, was das Leben mit uns macht. Heu­te wie­der: „KI-Mitt­woch“.

Kopf, französischsprachige Zettel, "Jean peut-être" auf einer Berliner Wand
Vielleicht Jean?
Mei­ne Freun­din, nen­nen wir sie Dag­mar, muss­te kürz­lich ei­ne neue Mit­ar­bei­te­rin (oder ei­nen Mit­ar­bei­ter) ein­stel­len und hat übers In­ter­net ge­sucht. 
Ihr Bü­ro liegt in ei­nem Ber­li­ner Hin­ter­hof, drit­ter Stock. Der Post­bo­te kommt hoch, hör­t sie drin te­le­fo­nie­ren und klopft vor­sich­tig, ein­mal, zwei­mal, drei­mal. Er ist ei­ne Nach­wuchs­kraft, sie wa­ren ein­an­der noch nie be­geg­net. An die­sem Mor­gen über­rasch­t er sie mit über 100 Um­schlä­gen, al­les Be­wer­bun­gen!

Die Stel­le ist nicht über­mä­ßig do­tiert, die An­for­de­run­gen al­les an­de­re als be­lie­big. Dag­mar rech­ne­te mit fünf bis zehn Zu­schrif­ten. 

On­li­ne mel­den sich noch­mal weit über 500 Kan­di­dat­:in­nen. Dag­mar setzt kurz­er­hand ih­re Toch­ter zur Vor­aus­wahl ein, sie geht in Bran­den­burg zur Schu­le und hat |schon Fe­ri­en| frei, wäh­rend die 13. im Abi schwitzt. Die Ober­schü­le­rin ist schnell, hat kla­re Kri­te­ri­en, die pro­fes­sio­nell klin­gen. Ihr fällt auf, dass vie­le An­schrei­ben und Le­bens­läu­fe fast wort­gleich sind, durch­ge­stylt bis in den letz­ten Halb­satz. Der Ton: hoch­pro­fes­sio­nell und aus­tausch­bar. Ar­beits­su­chen­de nut­zen Tools wie Chat­GPT, um mit Mi­ni­mal­auf­wand mas­sen­haft maß­ge­schnei­der­te Be­wer­bun­gen zu er­zeu­gen.

Dag­mar schal­tet sich rasch ein. Was auf­fällt: Vie­le Be­wer­be­r:in­nen pas­sen über­haupt nicht, bit­ten aber um ei­ne Ein­gangs­be­stä­ti­gung fürs Ar­beits­amt. OK, die­se Art von Bü­ro­kra­tie­zu­nah­me ken­nen wir.

Pa­ra­dox bei den ernst­ge­mein­ten Zu­schrif­ten: Kei­ne Tipp­feh­ler in den Un­ter­la­gen ist kein Merk­mal für Ge­wis­sen­haf­tig­keit mehr. „Glatt­ge­bürs­tet“, nennt Dag­mar das, und sie meint nicht die Be­wer­be­r:in­nen, son­dern die Un­ter­la­gen.

Man­che Fir­men stel­len schon fes­te Mit­ar­bei­te­r:in­nen ab, die oder der sich durch die Flut an Do­ku­men­ten kämpft. An­de­re nut­zen KI zur Vor­aus­wahl. Und das ist ein Pro­blem: Denn die KI sor­tiert gna­den­los nach fes­ten Mus­tern aus. Wer ei­nen Aus­lands­ab­schluss hat und die KI er­kennt ihn nicht, ein Jahr zu alt ist oder ei­ne Lü­cke im Le­bens­lauf hat, fliegt raus, auch wenn die Per­son ide­al ge­we­sen wä­re.

In den USA nennt man das Phä­no­men „Hi­ring Cha­os“, und es schwappt her­über. Auf Platt­for­men wie Lin­ked­In rau­schen pro Mi­nu­te hun­der­te Be­wer­bun­gen durchs Sys­tem, ver­mel­det die Be­rufs­platt­form Lin­ked­In selbst; sie­ben wür­den mi­nüt­lich an­ge­stellt.

Die Re­ak­ti­on der grö­ße­ren Un­ter­neh­men erfah­ren Dag­mar und ich am Abend bei ei­nem Un­ter­neh­me­rin­nen­cock­tail: Die let­zte Aus­wahl­run­de wird oft mit ei­ge­nen KI-Sys­te­men ge­macht. Es be­wirbt sich nicht mehr ein Mensch bei Men­schen, son­dern ein Bot beim Bot. Eine Per­so­nal­ver­mitt­lerin be­rich­tet von mehr Be­trugs­ver­su­chen. Ers­te KI-An­bie­ter, aus­ge­rech­net die!, ra­ten Be­wer­be­r:in­nen mitt­ler­wei­le da­von ab, ih­re Tech­nik für Le­bens­läu­fe zu nut­zen.

So keh­ren ers­te Un­ter­neh­men zu dem zu­rück, was sich nicht au­to­ma­tisie­ren lässt: Pro­be­ar­bei­ten, ech­te Auf­ga­ben im Feld. Das di­rek­te Ge­spräch per Zoom fin­det frü­her statt. (Co­ro­na sei Dank, ken­nen al­le die Tech­nik.) Das könn­te trotz al­lem ein Hoff­nungs­schim­mer sein: für ei­ne Zu­kunft, in der das In­di­vi­du­um zählt.

Die KI kann für bei­de Par­tei­en im Be­wer­bungs­pro­zess ei­n Prob­lem sein. Nur, wer auf der Be­wer­be­r:in­nen­sei­te sie gut und un­sicht­bar nut­zen kann, hat ei­nen Vor­teil. Die KI denkt nicht selbst, sie ist ein Werk­zeug in den Hän­den in­for­mier­ter Men­schen.

Zu­rück zu Dag­mar. Sie ist froh über ih­ren Aus­wahl­pro­zess per Hand. Und das ist buch­stäb­lich ge­meint. Es sind auch drei hand­ge­schrie­be­ne Le­bens­läu­fe im Sta­pel bzw. im Mail­post­fach (als Fo­to­da­tei), zwei da­von sind her­vor­ra­gend, ei­ne die­ser Personen ist es dann auch ge­wor­den.

Tipp von Dag­mar: Den In­halt des hand­ge­schrie­be­nen Ma­te­rials im­mer auch in ma­schi­nen­ge­schrie­be­ner Fas­sung mit­sen­den — und das am oberen Blatt­rand auch deut­lich ma­chen. Wer weiß denn schon, was die Ma­schi­ne im Ein­zel­fall heu­te leis­tet.

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Fo­to: C.E.

Dienstag, 1. Juli 2025

Immer mehr!

Fast zwan­zig Jah­re ist es her, da ha­be ich hier mit dem Blog­gen be­gon­nen, da­mals oh­ne ei­nen Zeit­ho­ri­zont auf dem Schirm zu ha­ben. Nun be­schrei­be ich im 19. Jahr mei­nen sprach­be­ton­ten All­tag. Ich bin Fran­zö­sisch­dol­met­scher­in und -über­set­ze­rin. In den fast zwei Jahr­zehn­ten ist et­li­ches bes­ser ge­wor­den, nur das Kli­ma wird im­mer kri­tisch­er.

Das Kli­ma ge­rät aus den Fu­gen
"Hit­ze­frei hat­ten wir schon als Schü­ler, heiß war's im­mer", trom­pe­ten die Ig­no­ran­ten laut­stark je­der und je­dem ins Ohr, auch al­len, die's gar nicht hö­ren wol­len. Aber das sind ge­ra­de nicht ein­fach nur ei­ni­ge Som­mer­ta­ge. Für den heu­ti­gen 1. Ju­li wer­den in Frank­reich 12 °C über Nor­mal­wert an­ge­kün­digt.

Die­se ge­fähr­li­chen Hit­ze­wel­len sind kei­ne Aus­nah­men mehr, sie kom­men im­mer öf­ter, dau­ern län­ger, die Son­ne brennt ge­fähr­li­cher, da­zu häu­fig Stür­me, Som­mer­ha­gel und sint­flut­ar­ti­ge Re­gen­fäl­le. Und nein, die Er­de wärmt sich nicht ein­fach so auf, sie wird durch un­ser Ver­hal­ten in sei­nen Ab­läu­fen ge­stört. Das sind kei­ne sai­so­na­len Aus­rei­ßer.

Mit­te Ju­li ist es vier Jah­re her, als die Flut­ka­tast­ro­phe im Ahr­tal ge­schah. Und auch dort le­ben Men­schen, die Haus und Hof ver­lo­ren ha­ben und bis heu­te die Exis­tenz der Kli­ma­ka­tast­ro­phe ne­gie­ren.

Vor zehn Jah­ren hat die Wis­sen­schaft pro­gnos­ti­ziert, dass wir sol­che Ex­tre­me zum En­de des Jahr­hun­derts be­kom­men wür­den, soll­ten wir nicht bis in die 2030-er Jah­re um­steu­ern. Un­se­re Ge­sell­schaf­ten steu­ern bis­lang nur kos­me­tisch um. Und die Kipp­punk­te wer­den schnel­ler über­schrit­ten als be­fürch­tet, und Ex­trem­wet­ter­la­gen ha­ben wir schon jetzt.

In den Staa­ten der Welt ha­ben im­mer mehr Re­gie­run­gen mit Po­li­ti­kern an der Spit­ze das Sa­gen, die mit über 70 Len­zen end­lich mal den Herbst ih­res Le­bens ge­nie­ßen soll­ten, und sie zu sa­gen schei­nen: Ach, in mei­ner Ju­gend war's so schön, ich ma­che jetzt Po­li­tik mit ei­nem Welt­bild von einst ... und mit den ent­spre­chen­den Ent­schei­dun­gen.

Das Kli­ma folgt nicht nost­al­gi­schen Ide­en, son­dern Na­tur­ge­set­zen. Mit der Schwer­kraft ver­han­delt ja auch nie­mand. Man­che wer­den erst auf­wa­chen, wenn der Kli­ma­not­stand an die Tür klopft. Und im Ahr­tal bei ei­ni­gen wohl erst, wenn sie das zwei­te Mal ge­nau hin­se­hen müs­sen.

Und sor­ry für die the­ma­ti­sche Re­dun­danz, aber Kli­ma und Wet­ter sind ein Dau­er­the­ma.

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Fo­to: C.E.

Montag, 30. Juni 2025

Synonyme (I)

Hal­lo! Hier le­sen Sie re­gel­mä­ßig Neu­es aus der Dol­met­scher­ka­bi­ne, vom Über­set­zer­schreib­tisch und aus der Welt der Idi­o­me ... völ­lig sub­jek­tiv ge­fil­tert von mir, ei­ner Dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che. In Deutsch­land geht das ers­te Hit­ze­wo­chen­en­de des Jah­res los.

Pochoir auf Papier: Sonne, Fenster, Baum, auf Berliner Fassade
Gesehen in Berlin
Wir ler­nen in der Schu­le, Sy­no­ny­me rich­tig zu ver­wen­den. Im­mer wie­der die glei­chen Be­grif­fe in den Sät­zen ma­chen Tex­te ein­tö­nig. Sy­no­ny­me sor­gen für le­ben­di­ge­re Zei­len.

In mei­nem Be­ruf ha­be ich re­gel­mä­ßig zu kämp­fen, wenn Jour­na­lis­t:in­nen im­mer den Be­ruf "Dol­met­scher" mit "Über­set­zer" gleich­set­zen und an­ders­her­um. Bei­des sind Spra­ch- und Text­be­ru­fe.

Es gibt noch an­de­re: Re­dak­teu­rin, Ter­mi­no­lo­gin, Au­tor, frü­her Set­zer. Ich ha­be er­lebt, dass Jour­na­lis­t:in­nen die Be­grif­fe falsch ver­wen­det ha­ben und, auf den Feh­ler hin­ge­wie­sen, stur da­ge­gen ge­hal­ten ha­ben: "Doch, die Be­grif­fe wer­den wie Sy­no­ny­me ver­wen­det!"

Wer­den sie lei­der oft ge­nug, aber es bleibt falsch. Und wenn Sie Oh­ren­schmer­zen ha­ben, ge­hen Sie auch nicht in die Oph­thal­mo­lo­gie.

Manch­mal hel­fen uns Sy­no­ny­me, die Groß­wet­ter­la­ge bes­ser zu ver­ste­hen. Groß­wet­ter..., das mei­ne ich wört­lich.

Pro-Tipp: Wer das Wort „Kli­ma­schutz“ durch die sy­no­nym­ähn­li­che Be­schrei­bung „Schutz der Le­bens­grund­la­gen auf dem Glo­bus“ er­setzt, könn­te ins Sto­cken ge­ra­ten.

Wir kön­nen uns den „Schutz der Le­bens­grund­la­gen auf dem Glo­bus“ nicht leis­ten, weil er das Wachs­tum ge­fähr­det. Mit dem „Schutz der Le­bens­grund­la­gen“ wur­de es in letz­ter Zeit über­trie­ben. Wir brau­chen heu­te mehr In­no­va­tion und die Wirt­schaft ist zu stär­ken, der "Schutz der Le­bens­grund­la­gen auf dem Glo­bus" ist nicht so wi­chtig, denn wir wol­len un­se­ren Kin­dern ei­ne gu­te Zu­kunft hin­ter­las­sen. Die Wirt­schaft muss brum­men, da­mit wir den Kin­dern und En­kel­kin­dern ein vol­les Bank­kon­to und vie­le Ak­tien ver­er­ben kön­nen, oder?

Sie ha­ben ver­stan­den, wo­rauf ich hin­aus­will. Noch nie war es in Eu­ro­pa En­de Ju­ni so heiß.

Heu­te sind es knapp 40 Grad Cel­sius in Pa­ris und mehr als 40 in der Re­gi­on Aude, so­gar 47 Grad im spa­ni­schen Sevilla, Deutsch­land ist mit 37 Grad in Mann­heim da­bei. Wir ste­hen am An­fang des Som­mers. Die Bö­den sind trocken.

In Frank­reich sind schon jetzt we­gen Klima­ex­tre­men (Hit­ze und Hoch­was­ser) vie­le Schu­len ge­schlos­sen, kön­nen die Kin­der nicht gut ler­nen, Stich­wort Zu­kunft. Ein ers­tes Atom­kraft­werk, dem das Kühl­was­ser fehlt, wur­de dort her­un­ter­ge­fah­ren. Das Atom­ lie­fert kei­ne grü­ne En­er­gie, Stich­wort End­la­ger.

Bei uns im Gar­ten wer­den die Fei­gen reif. Der Fei­gen­baum steht seit drei Jah­ren drau­ßen, ge­schützt im Hof. So ein Fei­gen­baum (Fi­cus ca­ri­ca) stammt aus Klein­asi­en und fühlt sich im Mit­tel­meer­raum wohl, in vie­len sub­tro­pi­schen Län­dern, nun auch in Ber­lin. Bei Nach­barn steht seit Jah­ren ei­ne Pal­me im Gar­ten.

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Bild: C.E.

Montagsschreibtisch (96)

Wie wir Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, ist im 19. Jahr das The­ma die­ses Web­logs. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, und die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Hier folgt der mon­täg­li­che Blick auf den Schreib­tisch.

Tisch, Computer, Stuhl, Palme, als Wanddarstellung mit einem Streifen Gehweg unten
Sommerschreibtisch als Wandmalerei
Auch in der letz­ten Wo­che war ich zwi­schen­durch un­ter­wegs.

Diese Wo­che steht da­her an:

⊗ ... noch et­was er­ho­len
⊗ Ak­tu­el­le po­li­ti­sche La­ge
⊗ Nach­be­rei­tung
⊗ Film­gut­ach­ten
⊗ Zwei Kos­ten­vor­an­schlä­ge
⊗ Bü­cher auf­räu­men

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Bild: www.pixlr.com (Zu­falls­fund)

Sonntag, 29. Juni 2025

Echter Konservatismus ist progressiv

Bon­jour, hello & gu­ten Tag! Hier le­sen Sie in Be­rich­ten aus dem Le­ben von Über­set­ze­rin­nen, Über­set­zer, Dol­met­scher­in­nen und Dol­met­scher. Ich bin Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und ar­bei­te auch mit Eng­lisch (das Id­i­om Shake­spea­res nur als Aus­gangs­spra­che). Sonn­tags werde ich pri­vat, aber mei­ne Ge­dan­ken sind das heu­te gar nicht.

PRES­SE­LEK­TÜ­RE am Sonn­tag. Der Vize­kanz­ler fällt beim Par­tei­tag in der Zu­stim­mung der ei­ge­nen Par­tei zu­rück. Eines sei­ner Wahl­ver­spre­chen — der Min­dest­lohn von 15 € — bleibt bis­lang un­er­füllt. Es wirkt, als set­ze sich in der Ko­a­li­tion vor al­lem die stär­ke­re Kraft durch. Klei­ne und mit­tle­re Ein­kom­men ge­ra­ten aus dem Blick. Doch bräuch­ten wir jetzt eine Po­li­tik, die brei­ten Rück­halt fin­det, über al­le La­ger hin­weg.

Buchstaben auf Wand: misanfobia
Gesehen in Berlin
Gleich­zei­tig wird an­ge­kün­digt, dass Ge­flüch­te­te mit sub­si­di­ä­rem Schutz­sta­tus zwei Jah­re lang kei­ne An­ge­hö­ri­gen nach­ho­len dür­fen. Das trifft über­wie­gend Frau­en und Kin­der. Es fällt schwer, die­sen Schritt mit christ­li­chen oder hu­ma­ni­tä­ren Wer­ten zu ver­ein­ba­ren.

Im Land sinkt die all­ge­mei­ne Le­bens­zu­frie­den­heit, das zei­gen Um­fra­gen.

Ver­spro­chen wur­den mit der Glo­ba­li­sie­rung stei­gen­de Ein­kom­men für al­le. Die In­fla­ti­on je­doch zehrt sie auf. Die Le­bens­mit­tel­prei­se sind seit Be­ginn des Kriegs in der Uk­rai­ne um fast 50 % ge­stie­gen, die Mie­ten im letz­ten Jahr­zehnt gar um mehr als 100 %. Die Zahl der Men­schen, die zur Ta­fel ge­hen, steigt ste­tig.

(Aus mei­ner Sicht, ich bin in den 1970ern auf­ge­wach­sen, war die so­zia­le Un­gleich­heit da­mals weit we­ni­ger spür­bar. Die „Ta­feln“ heu­te er­in­nern mich an Al­mo­sen­ver­tei­lung. Die Ver­sor­gung der Schwäch­sten ge­hört in staat­li­che Ver­ant­wor­tung.)

1989 ZER­BRACH der Ost­block. Im Wes­ten hieß das Ge­gen­mo­dell „so­zia­le Markt­wirt­schaft“. Da­mals war es selbst­ver­ständ­lich, den Un­ter­schied zur DDR sicht­bar zu ma­chen, nicht nur durch Wor­te, son­dern durch kon­k­re­te Po­li­tik. Heu­te wirkt vie­les da­von ver­ges­sen. Der so­zia­le Woh­nungs­bau wur­de zu­rück­ge­fah­ren, öf­fent­li­che Ver­kehrs­mit­tel ver­nach­läs­sigt, Bil­dungs­ein­rich­tun­gen dif­fe­ren­zie­ren stär­ker denn je.

Für Kin­der hängt der Bil­dungs­er­folg von Her­kunft und Geld­beu­tel der El­tern ab, und das so stark wie sonst in kaum ei­nem ent­wic­kel­ten Land (Quel­le: OECD). Die Ideen von Chan­cen­gleich­heit und Auf­stiegs­ver­spre­chen sind Ge­schich­te.

Die Glo­ba­li­sie­rung brach­te güns­ti­ge En­er­gie und güns­ti­ge Wa­ren, aber nur auf den ers­ten Blick, weil wir die Fol­ge­kos­ten aus­klam­mern. Zug­leich sind die öko­lo­gi­schen Be­las­tun­gen un­über­seh­bar ge­wor­den. Das Wis­sen dar­über war längst vor­han­den, es wur­de nur sel­ten nach­ge­fragt.

Heu­te ist En­er­gie teu­er, die Schä­den an der Na­tur be­tref­fen uns al­le. Trotz­dem wird noch im­mer ge­gen ei­nen Wan­del an­ge­ar­bei­tet. Tei­le der Pres­se spie­len da­bei eine frag­wür­di­ge Rol­le, zu groß ist der Ein­fluss be­stimm­ter In­ter­es­sen­grup­pen. Der Jour­na­lis­mus wur­de in den letz­ten Jahr­zehn­ten aus­ge­höhlt: We­ni­ger Zeit, we­ni­ger Re­cher­che, we­ni­ger Un­ab­hän­gig­keit. Und in den so­zia­len Me­di­en lässt sich Mei­nung leicht ma­ni­pu­lie­ren ... durch Kam­pag­nen, Bots und ge­ziel­te Stim­mungs­ma­che.

ICH BIN DANK­BAR. Durch den Be­rufs­wech­sel ha­be ich mehr Zeit zum Ein­le­sen. Auf mei­nen Rei­sen als Dol­met­sche­rin durf­te ich Dör­fer se­hen, in de­nen Bür­ge­rin­nen und Bür­ger selbst ak­tiv ge­wor­den sind. En­er­gie­pro­jek­te, die Wind- oder Bio­gas­an­la­gen be­trei­ben, Pho­to­vol­ta­ik fast über­all, so­gar auf Bus­war­te­häus­chen. Der Strom ver­sorgt die Nach­bar­stadt mit. Neue Ar­beits­plät­ze ent­ste­hen, die Raif­fei­sen­stütz­punk­te blei­ben er­hal­ten. Ein Stück re­gio­na­le Iden­ti­tät kehrt zu­rück, et­wa durch Saat­gut­in­i­ti­a­ti­ven.

In einem Ort konn­te durch die Ein­nah­men aus Bür­ger­en­er­gie das Kul­tur­haus sa­niert wer­den, nam­haf­te Künst­ler gas­tie­ren dort. Ein leer­ste­hen­des Ge­bäu­de wur­de zur Dienst­woh­nung für ein Ärz­te­paar, das die ver­wais­te Pra­xis über­nahm. Men­schen zo­gen zu, dar­un­ter Fa­mi­lien und Äl­te­re. Seit der Pan­de­mie ist Ho­me­of­fice für vie­le All­tag. Die Dorf­kul­tur blüht wie­der auf, Schu­le, Feu­er­wehr, Fuß­ball­ver­ein; so­gar ei­ne Markt­gär­tnerei und ei­nen ge­nos­sen­schaft­lich be­trie­be­nen Dorf­la­den gibt es nun. Ein pen­deln­der Bä­cke­rei­an­ge­stell­ter nutzt sams­tags das his­to­ri­sche Back­haus für ech­tes Land­brot.

ER­FOLGS­GE­SCHICH­TEN sind kein Zu­fall. Die Tech­nik für de­zen­tra­le En­er­gie­ver­sor­gung schreitet vor­an. Auf Um­welt­mes­sen se­he ich re­gel­mä­ßig Neu­e­run­gen, z. B. klei­ne, leis­tungs­star­ke Wind­tur­bi­nen in Form von Dach­rei­tern auf Pri­vat­häu­sern. Der Markt ent­wi­ckelt sich ra­sant, dort, wo er ge­las­sen wird.

An­de­re Bran­chen ver­lie­ren an Be­deu­tung: in­dus­tri­el­le Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on, in­ter­natio­nale Saat­gut­kon­zer­ne, die fos­sile En­er­gie­branche. In ei­nem Dorf wer­den Land­ma­schi­nen und in­zwi­schen auch Au­tos ge­mein­schaft­lich ver­wal­tet. Nie­mand ver­teu­felt dort die Er­rung­en­schaf­ten der Mo­der­ne. Sie wer­den nur an­ders ge­nutzt.

Die­se Dör­fer zei­gen: At­trak­tive Ge­mein­den ent­ste­hen nicht zu­fäl­lig. Sie sind das Er­geb­nis kla­rer Ent­schei­dun­gen. Und oft steckt bür­ger­li­ches En­ga­ge­ment da­hin­ter. Ich möch­te man­cher staat­li­chen Stel­le Dan­ke sagen, denn durch meine Dol­met­sch­ar­beit auf Rei­sen wurden mir in letz­ten Jah­ren viele Per­spek­tiven er­öff­net.

Der Ent­zug von An­schub­sub­ven­tio­nen oder so­gar neue Steu­ern auf nach­hal­tige En­er­gien dro­hen der­zeit al­ler­dings den neu­en Tech­no­lo­gien den Ga­raus zu ma­chen. Un­ver­ständ­lich bis heu­te: wie ei­ne Par­tei, die sich kon­ser­va­tiv nennt, so die deut­sche So­lar­in­dus­trie zer­stört hat.

ZU­RÜCK IN DIE GROSS­STADT. Als Lern­hel­fe­rin für Ju­gend­li­che mit an­de­rer Fa­mi­lien­sprache als Deutsch er­le­be ich, wo Struk­tu­ren feh­len: ru­hi­ge Lern­or­te, Frei­zeit­an­ge­bo­te, Räu­me für Ent­wick­lung. Die Idee: Bei Schul­neu- und Um­bauten ei­nen zwei­ten Ein­gang schaf­fen zur Schü­ler­bü­che­rei, Kü­che, Grup­pen­räu­men, of­fen auch in den Fe­ri­en, be­treut von So­zi­al- und Kul­tur­ar­bei­ter:in­nen.

Der­zeit se­hen wir das Ge­gen­teil: in Ber­lin wur­den hier fürs näch­ste Schul­jahr für die­se Ar­beit Gel­der ge­stri­chen. Man­ches Hort­team wird in­zwi­schen eh­ren­amt­lich ak­tiv, um Kin­dern zu hel­fen, die in den Fe­ri­en in Ber­lin blei­ben. Dabei ist die staat­li­che Fi­nan­zie­rung von Fe­ri­en­la­gern wich­tig. (In man­chem Bun­des­land sind hier mut­maß­lich ver­fas­sungs­feind­li­che Grup­pie­run­gen ak­tiv.)

Je­des fünf­te Kind in Deutsch­land lebt un­ter­halb oder an der Ar­muts­gren­ze, so die Bertels­mann-Stif­tung. Rund 3,3 Mil­lio­nen Be­rufs­tä­tige brau­chen laut Bun­des­an­stalt für Ar­beit zu­sätz­lich Bür­ger­geld. Die Miet­be­las­tung steigt, Zu­schüs­se sind ge­deck­elt. Man­che El­tern ver­zich­ten still­schwei­gend auf Mahl­zei­ten, da­mit die Kin­der ein sta­bi­les Um­feld be­hal­ten. An Kin­dern, an der Bil­dung zu spa­ren, halte ich für ein Ver­bre­chen. Wir brau­chen je­des Ta­lent. Sie sind un­ser ein­zi­ger Roh­stoff.

DEUTSCH­LAND ist ein rei­ches Land. Um­so mehr for­dern in­zwi­schen auch Men­schen aus bür­ger­li­chen, kirch­lich oder hu­ma­nis­tisch ge­präg­ten Mi­lieus deut­li­che Ver­än­de­run­gen. Der Ein­fluss ex­trem Ver­mö­gen­der muss ein­ge­hegt wer­den. Ihr über­mä­ßi­ger CO₂-Aus­stoß, ihr Zu­griff auf po­li­tische Ent­schei­dungs­pro­zes­se be­schä­digt De­mo­kra­tien, sie­he USA. Jüngs­tes Sym­bol: die pri­va­te Fei­er eines der Tech-Mil­liar­dä­re, die halb Ve­ne­dig ta­ge­lang lahm­legt.

Auch in Deutsch­land braucht es stär­ke­re de­mo­kra­tische Kon­trol­le. Haus­halts­gel­der wie der KTF, ur­sprüng­lich zur För­de­rung von Kli­ma­schutz und In­fra­struk­tur vor­ge­se­hen, dür­fen nicht um­ge­lenkt wer­den, schon gar nicht ein­sei­tig zu­guns­ten je­ner, die oh­ne­hin über Res­sour­cen ver­fü­gen. Wer Kli­ma­neu­tra­li­tät bis 2045 tor­pe­diert, ver­stößt ge­gen das Grund­ge­setz. Auch wer das So­zia­le aus­klam­mert, al­so den we­ni­ger Be­gü­ter­ten Un­ter­stüt­zung ver­wei­gert, ver­fehlt das Ziel.

Der Be­griff kon­ser­va­tiv stammt vom la­tei­ni­schen con­ser­va­re ab, be­wah­ren, er­hal­ten, be­hü­ten. Ur­sprüng­lich ging es um das Fest­hal­ten an dem, was sich be­währt hat, nicht um blin­de Ab­leh­nung des Neu­en. Ech­ter Kon­ser­va­tis­mus schützt Grund­la­gen, er­mög­licht Wei­ter­ga­be und Zu­kunft, nicht Still­stand. Ihm ge­gen­über steht das Dis­rup­tive, vom la­tei­ni­schen dis­rum­pe­re, „zer­rei­ßen, zer­schla­gen“, also das Auf­bre­chen be­ste­hen­der Struk­tu­ren, oft oh­ne Rück­sicht auf Ver­lus­te.
Doch wer heu­te wirk­lich be­wah­ren will, muss sich dem Wan­del stel­len. Wer an über­kom­me­nen Struk­tu­ren fest­hält und Fort­schritt ver­hin­dert, ver­rät den kon­ser­va­tiven Geist. Zu­kunfts­si­che­rung ist das neue Be­wah­ren.

EDIT. Kaum war der Bei­trag fer­tig, kam die­se Mel­dung: Für den Kli­ma­so­zi­al­plan kann Deutsch­land 5,3 Mil­li­ar­den Euro EU-Zu­schüs­se be­an­tra­gen, er­gänzt durch na­tür­lich er­for­der­li­che Bun­des­mit­tel. Der An­trag muss bis zum 30. Juni 2025 bei der EU-Kom­mis­sion ein­ge­hen. Bis­lang liegt kei­ne Ei­ni­gung auf kon­k­re­te Ent­las­tun­gen der Bür­ger:­in­nen vor, für die die Mit­tel ein­ge­setzt wer­den könn­ten. Oh­ne Ein­rei­chung ver­fal­len die Zu­schüs­se.

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Foto: C.E.

Dienstag, 24. Juni 2025

Berufswahl

Hal­lo! Hier le­sen Sie re­gel­mä­ßig Neu­es aus der Dol­met­scher­ka­bi­ne, vom Über­set­zer­schreib­tisch und aus der Welt der Idi­o­me ... völ­lig sub­jek­tiv ge­fil­tert von mir, ei­ner Dol­met­scher­in und Über­set­ze­rin für die fran­zö­si­sche Spra­che. Ich bin Dol­met­scher­in im drit­ten Be­rufs­fin­dungs­an­lauf.

Roter Fahrradweg, Dame mit Rollkoffer
Neu­lich auf der Rei­se
Dermaleinst, ich war noch Schü­le­rin, hat­ten wir so gut wie kei­ne Be­rufs­be­ra­tung an der Schu­le. Ei­ne Leh­re­rin sag­te mal, wir soll­ten uns selbst be­ob­ach­ten und über­le­gen, was un­ser Lieb­lings­fach wä­re. Viel­leicht wür­de uns das auf Ide­en brin­gen.

Neu­lich war ich auf ei­ner De­le­ga­tions­rei­se und da­mit Teil ei­ner Grup­pe, die in ei­ner Wo­che meh­re­re hun­dert Ki­lo­me­ter ge­mein­sam zu­rück­legt, viel Neu­es ken­nen­lernt, Aben­teu­er er­lebt, in Ge­mein­schafts­un­ter­künf­ten näch­tigt, Ho­tels ge­nannt, mit­ein­an­der isst, lacht, die Freu­den, aber auch Sor­gen der an­de­ren bes­ser ken­nen­lernt.

Irgend­wo un­ter­wegs, viel­leicht war es auf Ki­lo­me­ter 512, fiel mir die­ser Be­ob­ach­tungs­auf­trag von da­mals wie­der ein, oder bes­ser: dass mir da­mals nicht viel ein­ge­fal­len war. Mei­ne Ant­wort von da­mals: "Ich lie­be Aus­flü­ge und Klas­sen­fahr­ten."

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Fo­to: C.E.

Montag, 23. Juni 2025

Montagsschreibtisch (95)

Was Dol­met­scher­in­nen und Über­set­zer­in­nen (und die Her­ren im Be­ruf) tag­ein, tag­aus be­schäf­tigt, wie wir ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier in mei­nem di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buch. Heu­te folgt die Wo­chen­über­sicht.

Am Sams­tag war fête de la mu­sique, auch in Ber­lin, in Frank­reich einst er­fun­den, um den Som­mer­an­fang zu fei­ern. Das war ei­ne lan­ge Nacht, auch weil wir län­ger su­chen muss­ten, um et­was an­de­res als Tech­no zu fin­den. Am Sonn­tag war erst Gar­ten an­ge­sagt, dann ein Ge­burts­tag. Heu­te ist al­so Mon­tag, im vol­len Wort­sinn, der durch­wach­se­ne Tag mit Lang­sam­start, zu­mal ich letz­te Woche durch­ge­ar­bei­tet ha­be. Die Mü­dig­keit steckt mir in den Kno­chen.

Besprechungstisch, Kopfhörer, Empfangsgeräte
Arbeitsplatz mit Aussicht
Die­se Wo­che las­se ich es ge­mäch­lich an­ge­hen. Auf dem Schreib­tisch lie­gen:

❦ Fort­setzung Bau­bio­lo­gie 
❦ Kurz­ein­satz Mit­tel­stand
❦ Kos­ten­vor­an­schlä­ge für Sep­tem­ber und Ok­to­ber
❦ Vor­be­rei­tung Ener­gie­wirt­schaft
❦ Nach­be­rei­tung Bio­le­bens­mit­tel, ve­ga­ne Pro­duk­te, ...
❦ Wei­ter­le­sen zu Ostp­reu­ßen (Hei­mat von Ah­nen, Schreib­pro­jekt)



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Bild: C.E.

Sonntag, 22. Juni 2025

Mal wieder: Garten

Ich bin Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin für Deutsch, Fran­zö­sisch (und Eng­lisch) mit Sitz in Ber­lin, ich über­setze auch. Seit über zwan­zig Jah­ren über­tra­ge ich die Wor­te von in­ter­natio­nalen Pro­fis aus For­schung, Po­li­tik und Wirt­schaft, oft zum The­ma Kli­ma­po­li­tik. Ich höre zu­erst, was an­de­re spä­ter nur zu­sam­men­ge­fasst le­sen. Und ich fra­ge mich: War­um han­deln wir nicht? Die Fak­ten sind ein­deu­tig.

Un­ser Hof­gar­ten ist eine klei­ne Idyl­le und ein Bio­top. Neu­lich blieb mir al­ler­dings das Herz fast ste­hen, als ei­ne Mit­gärt­ne­rin mit der Schau­fel im Kom­post rum­ge­hackt hat, um das Ma­te­ri­al ein we­nig run­ter­zu­drü­cken. Wir kom­pos­tie­ren, an die Groß­stadt an­ge­passt, auf we­nig Platz mit nur ei­nem Hau­fen nach dem Wald­kom­post­prin­zip, das ich von mei­nem Va­ter ge­lernt ha­be. Es la­gert im­mer ein we­nig Tot­holz an der Sei­te, da­mit et­was zur Hand ist, sonst ha­ben wir ei­nen Qua­drat­me­ter Kom­post, that's it. Un­ten ent­neh­men wir gu­te Er­de als Kom­post­be­schleu­ni­ger und fürs Gärt­nern, oben wird drauf­ge­packt, ir­gend­wann rutscht es.

Es rutscht lang­sa­mer, weil wir eben das zu Stü­cken von zehn bis zwan­zig Zen­ti­me­ter klein­ge­mach­te Holz rein­tun, das Luft und an­de­re Or­ga­nis­men ein­bringt. Ich hat­te vor bald zwan­zig Jah­ren da­mit an­ge­fan­gen, ei­nen Kom­post auf­zu­bau­en, da­mit die Um­ge­stal­tung des Hofs in ei­nen Gar­ten be­gon­nen. Aber ich „häck­se­le“ mit der Schau­fel üb­li­cher­wei­se NE­BEN dem Kom­post, nicht IN dem Hau­fen.

Durch mei­ne Ar­beit, Rei­se­ein­sät­ze, An­ge­hö­ri­gen­pfle­ge und mei­ne ei­ge­ne Zeit mit Long Covid, muss­te ich los­las­sen und die Ver­ant­wor­tung über­ge­ben. Ich schau­e re­gel­mä­ßig, ob al­les gut läuft, er­gän­ze, mi­sche ein we­nig durch, im­mer vor­sich­tig. Ich will ja kei­ne tie­ri­schen Mit­be­woh­ner:in­nen ver­schre­cken.

Drei Phasen mit Zeitsprung (drei Jahre)

Das Er­geb­nis, un­ser Gärt­chen, ist auf je­den Fall über­zeu­gend. Im Ber­li­ner Hin­ter­hof wur­de neu­lich ein Hirsch­kä­fer ge­sich­tet, für die Grö­ße und die Ge­schich­te un­se­res nur we­nige Qua­drat­me­ter gro­ßen Pa­ra­die­ses ein klei­nes Wun­der. Als wir an­fin­gen, ha­ben wir viel Kriegs­schutt aus dem Beet raus­ge­sam­melt, Scher­ben von Fla­schen, Ka­chel­öfen, Tier­kno­chen.

Die Na­tur braucht je­den grü­nen Fle­cken. Ich wür­de mir wün­schen, dass das mehr Men­schen be­grei­fen ... und ak­tiv wer­den!

Ein Vier­tel der Vö­gel sind in den letz­ten zwan­zig Jah­ren „ver­schwun­den“, auch sel­te­ne Ar­ten. Über 50 % der ein­hei­mi­schen Bie­nen­ar­ten sind ak­tu­ell vom Aus­ster­ben be­droht. Wir ver­lie­ren nicht nur Be­stäu­ber, son­dern er­le­ben ge­ra­de li­ve, wie ei­ne gan­ze Tier­art ver­schwin­det.

Un­se­re Epo­che ist fort­ge­setzt de­sas­trös. Das in den Pa­ri­ser Kli­ma­ab­kom­men ge­setz­te 1,5-Grad-Ziel, auf das die glo­ba­le Er­wär­mung be­grenzt wer­den soll­te, ist längst ge­ris­sen.

Dort wur­de ein „Rest­bud­get“ be­nannt, aus dem ab­zu­le­sen ist, wie vie­le Treib­haus­ga­se die Mensch­heit noch aus­sto­ßen darf. Wenn wir so wei­ter­ma­chen, wird die­ses Li­mit welt­weit in et­wa drei Jah­ren über­schrit­ten sein. Hier in Deutsch­land sind wir wie­der mal Spit­ze. Wir ha­ben das ge­sam­te ver­blei­ben­de Rest­bud­get für 1,5 Grad be­reits im März 2024 auf­ge­braucht, so der Ex­per­ten­rat für Kli­ma­fra­gen.

Doch po­li­tische Kon­se­quen­zen ...? Fehl­an­zei­ge! Nicht ein­mal die ein­fachs­ten Din­ge wer­den um­ge­setzt, wie ein Tem­po­li­mit oder das Ver­bot von In­lands­flü­gen. Gas­hei­zun­gen wer­den wei­ter mun­ter ein­ge­baut, neue Gas­kraft­wer­ke ge­plant, Fleisch in Un­men­gen „pro­du­ziert“ (har­tes Wort für Le­be­we­sen) und kon­su­miert.

Auch ei­ne tief­grei­fen­de Bau­wen­de fehlt, bei der von Be­stands­bauten aus­zu­ge­hen wä­re. Hier lässt sich mit Steu­ern ... rich­tig!, ... so rich­tig viel steu­ern.

Das Haupt­pro­blem ak­tu­ell sind aber die Krie­ge, wo­mit wir wie­der beim The­ma von ges­tern wä­ren. Die ein­sa­men, un­at­trak­tiven Män­ner, die ih­re Exis­tenz nur da­durch zu spü­ren schei­nen, dass sie an­de­re ter­ro­ri­sie­ren, Krie­ge vom Zaun bre­chen, brand­schat­zen und mor­den, das wer­de ich nie ver­ste­hen. Denn auch die­se hat­ten Müt­ter, die sie ge­liebt ha­ben oder hät­ten lie­ben sol­len. Es ist zum Heu­len.

Die lang­fris­tigen Schä­den der Kli­ma­kri­se wer­den schlim­mer sein als die Krie­ge, die wir der­zeit er­le­ben.

So, ab in den Hofgar­ten mit mir, Ap­fel­bäum­chen pflan­zen.

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Fo­tos: C.E.

Samstag, 21. Juni 2025

Drecksarbeit

Im 19. Jahr schrei­be ich hier über mein sprach­be­ton­tes Le­ben, das ich als Fran­zö­sisch­dol­met­scherin und Über­set­ze­rin führe. In der Haupt­stadt ha­be ich mit ak­tu­el­len The­men zu tun. Hier mein kur­zes Wort zum Sams­tag.

Jetzt muss ich doch auch noch dar­über spre­chen, über die­ses Wort, mit dem der deut­sche Kanz­ler Isra­els An­griff auf den Iran be­schreibt, wenn es dar­um geht, dort die Atom­waf­fen­schmie­de still­zu­le­gen, be­vor es zu spät ist.

Der Be­griff „Drecks­ar­beit“, die Is­rael jetzt für uns alle mache, wur­de ihm von der Jour­na­lis­tin im In­ter­view in den Mund ge­legt. Der BK hat hier zu spon­tan und un­be­dacht re­a­giert. Es ist sein ers­tes po­li­ti­sches Füh­rungs­amt ever.

Drehe ich es um. Die Wel­ten­ge­mein­schaft hat die Atom­her­stel­lung zu lan­ge lau­fen las­sen. Auch po­li­ti­sche Mor­de (ali­as „To­des­stra­fe“) und die Ent­rech­tung von Frau­en lässt die Wel­ten­ge­mein­schaft sehr oft un­kom­men­tiert ge­sche­hen. Iran zählt zu je­nen, die An­grif­fe ge­gen Is­ra­el ko­fi­nan­zie­ren, die et­li­chen Geg­nern kon­kret Waf­fen und Brot in die Hän­de ge­ben. Die Wel­ten­ge­mein­schaft hätte also ei­nen gro­ßen Grund ge­habt, ein­zu­grei­fen; Is­ra­el hat­te meh­re­re. Wie es zu dem Be­griff kom­men kann, ist nach­voll­zieh­bar, trotz­dem ist als men­schen­feind­li­cher Duk­tus wie aus der Lingua Ter­tii Im­pe­rii ein­zu­ord­nen (Link).

Ich wün­sche also den Be­tei­lig­ten, mehr Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, und zwar so­wohl in welt­po­li­tischer Sicht, als auch in sprach­li­cher Sicht.

Al­te For­men in Ber­lin-Kreuz­berg
Hätte ich jetzt viel Geld zu in­ves­tie­ren, ich wür­de mich für Un­ter­neh­men en­ga­gie­ren, die die an­ste­hen­de Drecks­ar­beit leis­ten, im ori­gi­nä­ren Wort­sinn. Ich spre­che vom Wie­der­auf­bau. Na­tür­lich bin ich für an­ge­stamm­te Bau­wei­sen. Aber dort, wo viel­leicht schon län­ger der in­ter­natio­na­le „Ren­di­te­stil“ do­mi­niert hat, oh­ne ech­ten Cha­rak­ter, und wo ein Ge­fühl für For­men und Er­gän­zun­gen vor­han­den ist, die iden­ti­täts­stif­ten­des Lo­kal­ko­lo­rit ge­ben, wird hof­fent­lich sehr bald ei­ne neue Me­tho­de ak­tu­ell, die Kriegs­schutt zu le­go­ähn­li­chen Zie­geln ver­ar­bei­tet.

Diese Idee stammt aus Deutsch­land, aus Mainz: Link. (In Aus­tra­lien soll ei­ne Fir­ma zeit­gleich Ähn­liches an­ge­fan­gen ha­ben, fin­de ich im Netz.)

In Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­ten lie­gen ton­nen­wei­se die Res­sour­cen buch­stäb­lich auf der Stra­ße: Schutt. Die­ser Ab­fall kann, und das ist bes­te Kreis­lauf­wirt­schaft, in Pres­sen zu le­go­ar­ti­gen Bau­stei­nen ge­formt wer­den, zu­gleich Low Tech und passt zur de­so­la­ten La­ge in den Ge­bie­ten.

Die Idee ent­stand im Bü­ro des Bau­in­ge­nieurs Al­fons Schwider­ski im Ge­spräch mit ei­nem sy­ri­schen Prak­ti­kan­ten: „Ei­nes Ta­ges bau­en wir Alep­po wie­der auf“, sag­te die­ser. Der Clou: Wo sonst en­er­gie­in­ten­siv­er Ze­ment ein­ge­setzt wird, kann Asche ge­nutzt wer­den. Er­probt wird die Me­tho­de in Deutsch­land und in Ga­za, wo ei­ne NGO in die Er­pro­bung ein­ge­bun­den ist. Die Stei­ne wie­gen rund elf Ki­lo, grei­fen in­ein­an­der. Das Roh­ma­te­ri­al lässt sich mit ein­fa­chen Brech­ma­schi­nen vor­be­han­deln. Selbst mehr­stö­cki­ge Ge­bäu­de können so ent­ste­hen, auch oh­ne Mör­tel.

Lo­kal ge­nutz­tes Ma­te­ri­al, mo­du­lar ver­ar­bei­tet, so lau­tet der Grund­ge­dan­ke. Die deut­sche Ge­sell­schaft für In­ter­natio­nale Zu­sam­men­ar­beit (GIZ) hat sich der Idee an­ge­nom­men. In Ni­ger et­wa un­ter­stütz­te sie den Bau ei­ner Schul­kan­ti­ne mit vor Ort pro­du­zier­ten Lehm­zie­geln. Auch mit Holz wird hier ex­pe­ri­men­tiert. Da­zu gibt es bis­lang nur High-end-Lö­sun­gen mit Mond­holz und me­tall­frei­en Ver­bin­dun­gen.

Wich­tig wä­re hier auch, neue Ab­hän­gig­kei­ten zu ver­mei­den. Pa­tent­freie Ide­en, die sich be­ste­hen­der Tech­nik be­die­nen, könn­ten hier der Gold­stan­dard sein. Ich muss an den Wie­der­auf­bau von Ber­lin den­ken. Hier wur­de der Schutt ein­fach nur weg­ge­schob­en, nach­dem die un­be­schä­dig­ten Zie­gel­stei­ne von Hand raus­ge­sucht wor­den war­en. Die Stadt „ver­dankt“ dem Krieg ei­ni­ge Hü­gel, hier wer­den sie „Ber­ge“ ge­nannt. Das Stadt­zen­trum ge­gen­über dem Ro­ten Rat­haus liegt an­der­thalb Me­ter hö­her als in der Vor­kriegs­zeit, ab­zu­le­sen an den Trep­pen an der Ma­ri­en­kir­che, die einst von ei­nem wun­der­schö­nen Vier­tel um­ge­ben war.

Je äl­ter ich wer­de und je mehr Fo­tos ich vom al­ten Ber­lin ge­se­hen ha­be, des­to un­ver­zeih­li­cher fin­de ich es, dass die Ge­schich­te über­all mit dem Hand­rü­cken weg­ge­wischt und kom­plett Neu­es, oft Häss­li­ches, Kurz­le­bi­ges aus dem Bo­den ge­stampft wur­de. In der Nach­kriegs­zeit lag das am Ma­te­ri­al­man­gel. Nicht aus­zu­den­ken, wo wir heu­te wä­ren, wenn es die­se bahn­bre­chen­de Idee des Bau­ma­te­ri­al­re­cyc­lings da­mals schon ge­ge­ben hät­te. Ich wün­sche, dass wir sie im heu­ti­gen Deutsch­land mas­siv ein­set­zen.

Wenn ich reich wä­re, wür­de ich also dort in­ves­tie­ren. Und ich wür­de Frie­dens­tau­ben züch­ten. Wie das geht? Weiß doch ich nicht! Dol­met­scher:in­nen wis­sen viel, aber auch nicht al­les.

So, jetzt muss ich noch die täg­li­che Me­lio­ra­ti­on in der Woh­nung um­set­zen, dann ler­nen. Wün­sche all­seits ein schö­nes Wo­chen­en­de.

P.S.: Mich hat wiederholt die Fra­ge er­reicht, wie in der Markt­for­schung die Ton­auf­nah­men (Ori­gi­nal­ton, mei­ne Dol­met­schung) tran­skri­biert wer­den. Ich ha­be die Fra­ge wei­ter­ge­reicht und auch in ei­nem Film­ver­band (Dok) ge­stellt. Da­zu gibt es dem­nächst hier ei­nen Blog­post.

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Fo­to: C.E. (Wal­de­mar- Ecke Pück­ler­str.)