Dienstag, 31. März 2015

Wasser

Welcome, bienvenue, hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin über ihren Berufsalltag. Meine Sprachen sind Französisch (als Ausgangs- und Zielsprache) und Englisch (Ausgangssprache). Ich arbeite in Paris, Berlin, Köln und dort, wo Sie mich brauchen.

Nachtrag zum Interviewdolmetschen: Was fällt mir in Ministerkreisen auf, für die ich gerade tätig bin? Das Catering wird wieder einfacher.

Auf der untersten Ebene sind die Mittel knapp, entsprechend mager ist mitunter die Auswahl des Dargebotenen. Auf Staatssekretärsebene können Wünsche ge­äu­ßert werden, dann kommt jemand vom Catering-Service rein, wie es auf gut Deutsch heißt, und bringt vorbei, was das Herz begehrt.

Teekanne mit Stövchen
Tee gab's erst wieder nach der Arbeit
Hier aber, mit dem Verteidigungsminister, liefert der majordome, der Butler, nur eine karge Auswahl, es sind Kaffee und Wasser, um genau zu sein, man hilft sich selbst (oder einander), die mehr nur gehauchte Frage nach einem grünen Tee verhallt ungehört. Jede weitere Störung ist zu vermeiden. Der Journalist hat alles schon aufgebaut, die Zeit sitzt allen im Nacken, der Minister muss gleich wei­ter­rei­sen, um in der Mitte Berlins beim deutsch-französischen Ministerrat sei­nes­glei­chen zu treffen.

Das Wort majordome verwirrt mich als Be­griff immer leicht, denn es klingt ja ganz so, als stecke das Wort "Major" darin.

Was [ma.ʒɔʁ.dɔm] ausgesprochen wird, kommt vom Lateinischen "maior domus", dem Chef des Hauses oder der Domäne, alles klar, den majordome und seinen Major eint, dass beide der jeweilige Boss sind. Heute bekommt jedenfalls ein hoher Militär, dessen Rang sich mir aus den Tressen nicht erschließt, ich­hab­nich­je­dient, aus gefühlt behandschuhten Butlerhänden etwas gereicht, da treffen Sphären aufeinander.

Und statt des mir zugeteilten Kaffees suchen meine Augen die Tafel nach Wasser ab, sans bulles, flüstere ich nebenbei, "ohne Sprudel", dann serviert mir der Herr Minister persönlich; ein kurzes merci, und schon geht's weiter.

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Foto: C.E. (Archiv)

Montag, 30. März 2015

Vor- und Nachbereitung

Guten Tag oder guten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­ta­ge­buch hinein­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­schen, Über­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­mitt­lerin ar­bei­te ich in Pa­ris, Berlin, Marseille und dort, wo man mich braucht. Der Schreib­tisch einer Dolmetscherin ist oft auch mobil, und Vorbereitung ist die halbe Miete. Heute wieder: Blick auf den Schreibtisch.

Vor einem Ladengeschäft sitzt eine junge Frau mit dem Klapprechner an einem improvisierten Tisch
Das "Terrassenbüro", gesehen in Neukölln
Montag um acht ist ein denk­bar schlechter Termin, um ein Interview zu verdolmetschen. Vor allem der Montag nach einer Zeitumstellung an ei­nem schlechtwettrigen Wo­chen­en­de, wo es kaum Spaß gemacht hat, sich draußen auszupowern. So schlecht, dass der mobile urban wri­ting-Desk mehr eine Wunsch­vor­stel­lung oder eine Art Heraufbeschwörung ist.

Und nein, auf dem abgebildeten Fahrrad habe ich mich nicht zu nachtschlafener Zeit im Straßen dem Straßenverkehr ausgesetzt. Es gibt Tage, an denen ich meinen Kunden mit der Rechnung die Taxiquittung mitschicke. Notiz an mich selbst: Ab 2016 mit der Zeitumstellung schon Donnerstag oder Freitag anfangen, je­den­falls mit der vorgezogenen Zubettgehzeit.

Welche Themen liegen auf dem Schreibtisch?
  • Nordafrika, der vereiste Frühling der Demokratie
  • Flüchtlingspolitik
  • Sanitäre Situation in den Flüchtlingscamps der sogenannten Dritten Welt
  • Waffenlieferungen in Krisenregionen
  • Deutsch-französische Beziehungen
  • Zukunft des Euro
  • Französische Tax credits (crédits d'impôts) für ausländische Dreh­ar­bei­ten im Hexagon (ab 01.01.2016)

Die Dolmetscharbeit besteht übrigens zum größeren Teil aus Vor- und Nach­be­rei­tung, auch wenn manchmal ein Thema dabei ist, das ich aus dem Effeff be­herr­sche, so frische ich doch immer die Kenntnisse auf. Die sichtbar beim Kunden ver­brach­te Zeit ist wie die über die Was­­ser­­ober­­flä­­che her­aus­ragende Spitze des Eis­bergs: Ohne großen Eisblock darunter gibt es sie nicht.

Interviews zu dolmetschen ist immer wie eine große mündliche Abschlussprüfung zu bestehen. Die Themen beschäftigen mich im Zusammenhang mit der Sprach­ar­beit für ein Interview, Hintergrundgespräche und ein Seminar.

Dabei würde ich heute Abend viel lieber in Berlin auf die Filmpremiere eines fran­zö­si­schen Films gehen und hätte dortselbst am liebsten auch Film­ge­spräch und zu­vor die Pres­se­in­ter­views gedolmetscht so­wie am Electronic Press Kit mitgearbeitet. Aber das ist leider heutzutage fest in der Hand der berichterstattenden Jour­na­lis­ten, wobei dabei eher (meistens) sinngemäß und verkürzend übertragen wird. Schade. (Auch das ein Verfall der Pres­se­ethik, siehe dazu die Debatte über die Medien der letzten Woche.)

Vokabelnotiz
die Spitze des Eisbergs — la partie émergée de l'iceberg (wörtlich: siehe oben)


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Foto: C.E. (Archiv)

Mittwoch, 25. März 2015

Geoblocking

Bon­jour, hel­lo und sa­lut ... auf den Sei­ten die­ses Blogs. Hier schreibt ei­ne Dol­met­scher­in und Über­setzerin über ihren Alltag in Berlin, Paris, Köln und dort, wo sie gebraucht wird. Ich bin Teil eines Netz­werks von Freiberuflern.

Die Kollegin in Berlin möchte sich darauf vorbereiten, für einen deutschsprachigen TV-Sender französische Berichterstattung aus den Alpen, Pressekonferenzen und ähnliches zu verdolmetschen. Sie würde sich darauf gerne zuhause vorbereiten (wie wir das im­mer machen) und sucht aktuelle Informationen aus dem Rundfunk.

Wie leider so oft streiken etliche Redaktionen von Radio France, Hörfunk kann also ver­nach­läs­sigt werden. Beim Versuch, in Berlin übers Internet TV-Nachrichten zu se­hen, wer­den dann gerne Bilder wie dieses angezeigt:

Aus rechtlichen Gründen kann dieses Video in Ihrer Region nicht angeboten werden
Darstellung in Berlin
Zweite Möglichkeit: Erst läuft ein Werbefilm, der immer dann blockiert, wenn "in der Zwischenzeit" ein anderes Fenster geöffnet wird, der also angesehen werden muss, worauf die TV-Nachrichten des Vorabends (und nicht der Mittagsausgabe) erscheinen. Das ist alles schrecklich retro und folgt dem Weltbild mit in­ner­eu­ro­pä­ischen Grenzen und unterschiedlichen Länderwährungen! (Wenn sich Dol­met­scher auf­re­gen, dann vorsichtig.)

Kurzfristige Umgehung: Über Skype bekommt die eine Kollegin Einblick auf den Bildschirm der anderen Kollegin, die sich in Paris aufhält, die dann aber selbst nicht am Rechner weiterarbeiten kann.

Fachmann und Archivbilder aus dem Cockpit
Darstellung in Paris
Diese Formen der Arbeitsbehinderung sind auf jeden Fall alles andere als spaßig. Was macht die nicht so technikaffine Sprachdienstleisterin? Jemand in ihrem Umfeld müsste einen ihrer Webbrowser so abändern, dass die IP-Adresse eines französischen Proxy-Ser­vers angezeigt wird. Mit einem anderen Browser ließe sich dann weiterhin Pro­gramm aus dem Erstland empfangen. Aber kann das jemand? Und ist das auch le­gal? Muss die Vorbereitung der Kollegin in den nächsten Tagen darunter leiden?

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Illustrationen: France 2 (verändert)
#4U9525

Dienstag, 24. März 2015

Schreibtischarbeit

Bonjour, guten Tag! Sie haben die Seite einer Übersetzerin und Dolmetscherin für die französische Sprache angeklickt. Ich lebe und arbeite in Paris und Berlin, meinem Hauptwohnsitz, und ich komme gerne dorthin, wo Sie mich brauchen.

Wenn ich nicht gerade Drehbücher oder Fi­nan­zie­rungs­plä­ne von Filmen übersetze, in der Kabine sitze oder mit Kunden Fa­bri­ken oder Kran­ken­häuser besichtige, sitze ich am Schreibtisch. Dort dürfen Sie mir jetzt wieder über die Schulter schauen:

Pappschachteln mit Kärtchen vor Stempelkarussell
Vokabel- und Visitenkartenboxen
Ergänzung der Lexik Flugsicherheit ... aus traurigem Anlass;

Vorbereitung eines Termins zum Thema Urheberrecht, Recherchen zum Thema Wohnraum, Bedarf und Gestaltung;

Nachbereitung der Filmuntertitelung einer Kollegin (Korrektorat);

Kostenvoranschläge für die nächsten Tage sowie für Einsätze in den Monaten Juni bis Oktober erstellen;

Wiederholung: Fach­lex­ik Ge­sund­heits­ma­na­ge­ment und Notfallmedizin.


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Foto: C.E.

Westentasche

Bienvenue, guten Tag! Sie sind auf den Ar­beits­ta­ge­buch­sei­ten einer Übersetzerin ge­lan­det, die daneben in Paris, Berlin oder wo immer Sie mich brauchen als Fran­zö­sisch­dol­metscherin für Politik, Wirtschaft und Handel, Kino, Medien und Me­dien­öko­no­mie arbeitet. Blick auf den Schreibtisch: Kuriose Anfragen.

Sachen gibt's! Eben flatterte mir das da in die Mailpost:
Sehr geehrte Frau Elias,
als Fachkundige hoffen wir auf Ihre Empfehlung. Wir haben folgendes Kom­mu­ni­ka­tions­problem: Person A spricht Deutsch und kein Fran­zö­sisch, Person B spricht Französisch und kein Deutsch, A spricht ein wenig Englisch, B fast gar nicht. Welcher Technikübersetzer könnte ihnen hel­fen, sich über ein komplexes Thema erfolgreich zu verständigen? Können Sie uns etwas empfehlen, am besten ein Elektronikteil in Westen­ta­schen­grö­ße?
Vorab vielen Dank ...
Zunächst stolperte ich über das "Fachkundige". Die Anfrager sind Fachkundige, warum fragen sie mich dann, schießt es mir durch den Kopf ... Dann irritierte mich der "Technikübersetzer", geht es hier um jemanden, der Bedienungsanleitungen für technische Geräte übersetzt?

Erst dann dämmerte mir die Naivität (oder Unverschämtheit) der Anfrage.

Und ich dachte über eine Analogie nach. Wie wäre es, einen stadtbekannt guten Pizzabäcker nach einer Marke aus dem Segment der Tiefkühlpizzen zu fragen? Der Vergleich hinkt, weil TK-Pizzen, so schlecht sie auch sein mögen, doch wohl ir­gend­wie sättigen. Der Vergleich hinkt allerdings nicht für Gourmets.

Oder einen Reparaturbetrieb für Markenautos nach dem Schrauber am Stadtrand fragen. Hinkt auch, hier geht's in beiden Fällen um Menschen.

Die Autoren der Mailanfrage gehen davon aus, dass komplexe Themen mit Westen­ta­schentranslatoren zu bewerkstelligen sein könnten. Ich fürchte, hier sind Leute mit ein Paar Übersetzungsspielereien mit Microsofttranslator im Rückstand.

Pierre Cardin am Brandenburger Tor
Für derlei ist Sprache viel zu komplex, mehrschichtig, paradox, kulturabhängig.
Sorry, ich wiederhole mich. Ein Handyhersteller warb mal damit, dass sein Gerät Sätze wie: "Ich heiße Pierre und komme aus Paris" fehlerfrei in andere Sprachen übertagen sollte. Es scheiterte indes an: "Könnten Sie mir bitte sagen, wie dieses große Bauwerk heißt?"

Meine Antwort: Ich bin Fachkundige für simultanes Dolmetschen und empfehle, wenn Ihnen der Austausch der Personen wichtig ist, eine Kollegin, die sehr tech­nik­affin ist und viele Jahre in einem Ingenieurbüro gearbeitet hat. Wenn Sie mir das ge­naue Feld mitteilen könnten, um das es geht — vielleicht passt es ja.

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Foto: C.E. (Archiv)

Montag, 23. März 2015

Die Extras

Willkommen et bienvenue beim Arbeitstagebuch einer Französischdolmetscherin und -übersetzerin aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Ich arbeite in Paris, Bordeaux, Berlin oder Köln, kurz: überall dort, wo ich gebraucht werde. Meine Arbeitssprachen sind Deutsch, Französisch und (passiv) Englisch. Heute: Wo­chen­end­rückb­lick.

Freitags um eins macht jeder seins, den Spruch kenne ich am ehesten aus dem Osten Deutschlands, wo sich das Gros der Bevölkerung an Wochenenden und im Urlaub deutlicher von den Pflichtveranstaltungen des Arbeits- und Aus­bil­dungs­le­bens abgesetzt hat, als es in der westdeutschen Republik der Fall war.

Freitag um eins, kurz vorm Verlassen des Büros, fiel einem unserer Kunden ein, dass da noch eine Vorlage zu Montag zu übersetzen sein müsste, schaute im di­gi­ta­len Ordner nach und wurde fündig. Wenig später war klar, dass der obenstehende Satz häufig nicht für Freiberufler gilt. Und das ist jetzt keine Beschwerde, sondern lediglich eine Feststellung. Wer hier aus den Reihen der Schüler und Studenten mit­liest: Freiberuflichkeit bedeutet, oft unkonventionelle Arbeitszeiten zu haben. Und dann zählt auch nicht, dass der Geburtstag der besten Freundin oder ein Well­ness­wo­chen­en­de auf dem brandenburgischen Schloss auf dem Programm gestanden hatte.

Noch ein Kunde meldete sich kurz vor eins: Der Veranstalter einer zweitägigen Schu­lung, die im Juni in einer deutschen Stadt stattfinden soll. Er bat mich, für zwei Sprachen das auf das Fachthema am besten spezialisierte Kabinenpersonal zu finden, dann geriet er ins Stottern. Ich hakte nach. Leider, meinte er, müssten wir mit etwa 2/3 von dem auskommen, was in den Vorjahren an Honoraren dafür geflossen war.

Dolmetschpult auf Sendung
Vorsichtig frage ich nach den Hintergründen. Mein Kunde berichtet, dass es daran läge, dass die Dolmetscherkabinen so exorbitant teuer geworden seien. Ich bitte um Details und erfahre, dass ein re­nom­mier­tes Hotel meinem Kun­den angeboten hat, ihm nicht nur die hoteleigenen Kon­gress­räu­me zu vermieten, sondern auch die Technik zu stel­len.

Für diese Extra-Dienstleistung wollte sich nun das vielsternige Be­her­ber­gungs­un­ter­neh­men einen Aufschlag von 100 % der Kosten von Kabinen und Funkstrecke mit Endgeräten genehmigen. Leider erlebe ich so etwas nicht zum ersten Mal.

Daraufhin habe ich dann die mir bekannten Preise aufgezählt und Kon­fe­renz­tech­nik­an­bie­ter empfohlen, die vor Ort ansässig sind. Das Ergebnis: Mein Kunde strich das Angebot des Hotels zusammen, kümmert sich nun selbst um die Kabinen und schlägt uns heute dann per Mail vor, nach vielen Jahren Zusammenarbeit bei un­ver­än­derter Vergütung doch mal wieder die Honorare zu erhöhen. Was für ein schöner Wo­chen­an­fang!

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Foto: C.E.

Sonntag, 22. März 2015

Fest der französischsprachigen Welt

Bonjour, guten Tag. Ganz gleich, ob ich in Paris oder Berlin bin, Sie können mich auch kurzfristig für Einsätze anfragen, denn ich bin Teil eines Netzwerks aus qua­li­fi­zier­ten Freiberuflern. Derzeit bereite ich mich auf eine Kon­fe­renz und eine Drehreise vor. Terminanfragen erreichen mich am besten per Mail und per Mo­bil­te­le­fon.

Was macht die Dolmetscherin und Übersetzerin (außer sich um eilige Kunden zu kümmern)? Sie geht auf einige Stündlein feiern. Am Samstag wurde die Fran­ko­pho­nie gefeiert, und zwar im Centre Français de Berlin. Und dort gab es nicht nur vie­le französischsprachige Informationen, Filme und Diskussionen, sondern neben Es­sen und Trinken, Märchen- und Musikateliers für die Kleinen auch ein schönes Kon­zert! Das Publikum durfte sich dabei als Chor betätigen. Mitsingen ist Eh­ren­sa­che, zumal wir dabei einige afrikanische Sprachen kennenlernen durften.

Das diesjährige Fest stand unter dem Motto "Frankophonie und Solidarität". Die Ver­an­stal­tun­gen waren zwar rappelvoll, aber überall herrschte eine fröhliche, res­pekt­vol­le, zugewandte Stimmung! Das hat mir besonders gefallen. Von der Ki­no­- und Veranstaltungsbühne des Centre stammt mein Sonntagsbild mit Sister Fa und ihren Musikern. Merci beaucoup !

Bühne in blauem Licht
Berlin-Wedding, Müllerstraße
Es hatten eingeladen:
Belgien, Benin, Burkina Faso, El­fen­bein­küste, Föderation Wal­lo­nie-Brüssel, Frankreich, Ga­bun, Griechenland, Haïti, Ka­na­da, Kap Verde, DR Kon­go, Libanon, Luxemburg, Ma­da­gas­kar, Mali, Marokko, Ni­ger, Qué­bec, Ruanda, Schweiz, Se­ne­gal, Togo, Tschad, Tunesien.

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Foto: © 2015 Peter Panorama Pictures

Freitag, 20. März 2015

Erleuchtung erbeten

Hello, bonjour, guten Tag! Was eine Dolmetscherin mit den Lebens- und Ar­beits­ort­en Paris und Berlin so umtreibt, lesen Sie hier. Inzwischen schreibe ich im neun­ten Jahr dieses öffentliche Arbeitstagebuch. 

Am Jardin du Luxembourg
Ein Zitat aus der Kategorie 'kuriose Ab­sa­gen': "... leider kommen wir dieses Mal nicht zu­sam­men. Wir haben uns für eine Deutsch-Muttersprachlerin entschieden."
Öhhmmm, die deutsche Firma kennt mich nur als Dolmetscherin, da scheine ich mit meinem Französisch ge­punk­tet zu haben. Ich nehm's als Kom­pli­ment und freue mich.

Ähnlich paradox ist die Abendstimmung, die am Vormittag hier am Ufer herrscht, dabei sind die Schatten der Men­schen kurz; ein Halbmondnebel taucht in der Fen­ster­lai­bung der Küche auf: Das Licht fällt durch ein Stück Pappe, das zuvor mit einer Nähnadel traktiert wurde.

Dann wird's praktisch: Kolleginnenberatung. Es geht um die Übersetzung dreier Fil­me von je 45 Mi­nu­ten aus Mali, interessiert mich brennend. Faustregel: Zwei Mi­nu­ten normal gesprochene Sprache entsprechen 1800 Anschlägen inklusive Leer­zei­chen, das ist das, was die Deutschen unter einer Normseite verstehen. (Attention, le feuillet français ne comporte que 1500 caractères, blancs inclus; in Frankreich ist diese Normseite 300 Zeichen kürzer.)

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Foto: C.E.

Mittwoch, 18. März 2015

Stille-Post-Effekt

Hallo und guten Tag auf den Sei­ten des ersten Blogs Deutsch­lands aus dem In­ne­ren der Dol­met­scher­ka­bi­ne. Wenn ich nicht in Paris, Berlin oder sonstwo meine Stim­me verleihe, sitze ich am Übersetzerschreibtisch. Heute durfte ich mich wundern.

Couper les cheveux en quatre nennen Franzosen das, was wir Haarspalterei nen­nen. Auf Deutsch sind wir ausnahmsweise etwas weniger genau als die Fran­zo­sen, die das Haar vierteilen.

Anruf eines entsetzten Kunden mit der Frage, was es denn kosten würde, Un­ter­ti­tel gegenzulesen. Dazu müsste ich erstmal die Ausmaße des Schadens be­gut­ach­ten, sage ich im Scherz.

Immeuble de rapport (Grundriss)
La maison de rapport — das Zinshaus
Das Lachen bleibt mir im Hals stecken, als ich kurz darauf auf einer mit einem Pass­wort  ge­schützten Seite fünf Mi­nu­ten des Films se­he. Drei Un­ter­ti­tel sind OK, das Tempo ist aber immer falsch (das ist noch das un­ver­än­der­te Spot­ting der englischen Fas­sung), oft sind die Titel ultrakurz, an anderen Stellen fällt die Ti­tel­ei wortreich und kurz­at­mig aus.

Ich frage nach und erfahre, dass diese deutschen Untertitel auf einer Ver­dol­met­schung aus dem Französischen ins Englische basieren. Zwei unterschiedliche Dol­met­scher­in­nen hatten im Wechsel übertragen, zwei unterschiedliche Untertitler daraus versucht, deut­sche Titel zu machen. By the way: Keiner der beteiligten Titelsetzer ist des Fran­zö­si­schen wirklich kundig.

Zudem handelt es sich um ein sozialpolitisch hochkomplexes Thema. Es geht um Paris, die Segregation der Armen in Richtung Vorstädte, urbanistische Probleme, auch Architekturbegriffe wie das seit dem Baron Haussmann bekannte immeuble de rapport kommen vor, auf Deutsch geht das in Richtung (schickerer) Miets­ka­ser­ne, wörtlich übersetzt ein "Ertragsgebäude" oder "Zinshaus" von le rapport — der Ertrag.

Pariser Mietshaus
Großzügiges Wohnen Ende des 19. Jh.
Da im Plural les rap­ports in der Verkürzung je nach Kontext auch les rapports se­xu­els be­zeich­nen können, also sexuelle Kon­tak­te, und das Wort im Singular und Plural gleich klingt, interpretierte eine der Dol­met­scher­innen mutig maison de rap­ports als einen "Puff". (Der Kontext mag das ein­ge­flüs­tert haben.) Dem Untertitler war aber nicht ganz geheuer bei der Sache, so wur­de eine "Begegnungsstätte" daraus, denn le rapport kann auch "die Be­zie­hung" hei­ßen.
An einer anderen Stelle wird das Synonym für das englische brothel ge­nannt, the whorehouse, aber so französisch aus­ge­spro­chen, dass das Gebäude auf Deutsch prompt zum "Warenhaus" avan­cier­te.

Well, well. Ich will ja hier keinen verbalen Haarspliss bekommen, aber seit ich die finanziellen Hintergründe der Katastrophe kenne, denke ich nur: Wer keine Profis anheuert, braucht sich nicht zu wundern.

Wir haben dem Kunden empfohlen, die Untertitelung komplett neu machen zu lassen. Das wird billiger als eine Flickschusterei.

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Illustration: Archiv
rez-de-chaussée — das Erdgeschoss

Montag, 16. März 2015

Medienhintergründe

Bonjour und gu­ten Tag! Hier bloggt eine Dol­met­scher­in und Über­setzerin. Ich arbeite in Paris, Bordeaux, Berlin und dort, wo ich gebraucht werde. Heute wie­der: Blick auf den Schreibtisch.

Vor dem Dolmetschen: Studieren!
Dieser Tage beschäftigen mich eine Film­untertitelung, die Vertriebswege von ve­ga­ner Kleidung, Urheberrechtsfragen und das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit seinen immer größer werdenden An­sprü­chen gegenüber den "freien Pro­duk­tions­firmen".
Als die öffentlich-rechtlichen Sender in den 1980er Jahren von der Politik den Auftrag er­hiel­ten, mehr Aufträge an au­ßen­ste­hen­de Pro­du­zen­ten und Autoren zu vergeben, wurde das rasch unterlaufen: Die Sender er­kann­ten einige Aus­ga­be­pos­ten nicht an (wie war das noch einmal, beim NDR durf­te man Kosten für Licht nicht kal­ku­lie­ren?), bis heute soll es bei manchen Sen­dern tabu sein, die so­ge­nann­ten HUs zur Erstattung vorzulegen.

HUs sind die Handlungsunkosten, also alles, was einen Produzenten eigentlich erst dazu befähigt, den eigenen Laden aufrechtzuerhalten. Dass diese nicht in den Kal­ku­la­tio­nen für die Sender vorkommen dürfen, ist eine Projektion der eigenen Ver­hält­nis­se (von Fest­an­ge­stell­ten mit firmeneigenem Büro) auf andere Un­ter­neh­mun­gen. (Hatte der NDR damals eigentlich gerade seine Licht­ab­tei­lung rund­er­neu­ert? Konnte Tech­nik dort un­ent­gelt­li­ch entliehen werden?)

Aus: "7 Tage oder ewig?", AG DOK, 2015
Außerdem bekommen Pro­duk­tionsfirmen sogar bei "voll finanzierten Auf­trags­produk­tio­nen" in der Regel nicht 100 % der benötigten Summe, der Prozentsatz scheint im freien Fall zu sein. Als ich meine ersten Projekte um­ge­setzt habe, gab es 75 % des Budgets vom Sender, heute scheint es in vielen Fällen deutlich weniger ge­wor­den zu sein.

Ergebnis: Die Filmmitarbeiter bekommen für ihre Arbeit heute in der Regel noch weniger, als es vor 20 Jahren der Fall war. Und die Produzenten, die bei an­de­ren europäischen Sendern und Filmfördereinrichtungen weitere Gelder "ein­lo­ben" sol­len, haben damit größte Mühen, vor allem dann, wenn die Sender ihre Filme immer länger in den Mediatheken online bereitstellen wollen (... was ich als Wunsch sehr gut verstehen kann, vor allem bei Filmen über Wirtschaft, Soziales und Kultur, also über das, was die Gesellschaft zusammenhalten sollte [und leider immer mehr spaltet]).

Die Arbeit der "freien Produktionsfirmen" wird daher immer mehr gefährdet, ihre Freiheit ständig weiter eingeschränkt. (Daher meine Anführungszeichen.)

Für mich als auch auf Medien und Filmproduktion spezialisierte Dolmetscherin heißt das seit einigen Jahren, dass ich immer weniger Filmeinsätze habe, da sie unter dem Strich zu viel Arbeit für zu wenig Geld bedeuten. Nur das simultane Dol­met­schen von Livesendungen oder Interviews ist eine Richtung, die für mich immer in­te­res­san­ter wird. Hier ist es aber wie mit altem Wein: Nur die al­ler­bes­ten be­kom­men viele Sterne. Also gilt es, weiter zu reifen und im Hörfunk Rou­ti­ne zu ge­win­nen. (Und ab und zu leiste ich mir ein Filmprojekt, wenn es mich inhaltlich be­geis­tert.)


Der vollständige Titel der Schrift lautet: "7 Tage oder ewig? Zahlen — Fakten — Hin­ter­grün­de zur Debatte um die Verweildauer von Filmen in öffentlich-recht­li­chen Mediatheken", Hg. Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, Frank­furt/Main 2015
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Fotos: C.E.

Sonntag, 15. März 2015

Der Place du Trocadéro

Bien­­ve­­nue und will­­­kom­­­men! Sie le­­sen hier No­­ti­­zen aus dem Sprach­mitt­­ler­­be­­rufs­­all­­tag. Als Dol­­met­­scherin und Über­setzerin ar­bei­te ich in Paris, Berlin, Toulouse, Köln und überall dort, wo ich gebraucht werde. Mein Sonntagsbild stammt aus Paris, wo ich vor einer Woche war.

Wir fahren über la Place du Trocadéro, wir sind in Paris, ein nasser Märztag. Ein deutscher Mitfahrer sagt "der Place du Trocadéro", was mir in den Ohren wehtut, genauso wie "das Maison de France", auf Französisch ist maison (Haus) nun einmal weiblich, also la maison. Ja, ich weiß, der Artikel wird nach der Zielsprache an­ge­gli­chen, aber ich fühle mich als Dolmetscherin immer wie 'zwischen Baum und Borke', wenn ich diese Regel beherzige.

Seit 1918 lautet der Platzname länger, la Place du Trocadéro-et-du-11-Novembre, nach dem Datum, an dem der Erste Weltkrieg zuende ging. Südlich, in Richtung Es­pla­na­de du Palais de Chaillot, reitet Marschall Ferdinand Foch (1851-1929) auf das Stadt­in­ne­re zu. Im Palais de Chaillot habe ich in meinen Stu­den­ten­ta­gen einen Groß­teil meiner Filmbildung erhalten, denn dort war damals die Cinémathèque française beheimatet.

Und auch die Filmhochschule La Fémis saß einst dort. Für sie habe ich, selbst noch Studentin, Stu­den­ten­be­geg­nun­gen gedolmetscht. Manchen Berliner Nachbar kenne ich aus die­ser Zeit — das war sogar noch vor der deutschen Wiedervereinigung. Zu nennen ist Matl Findel, der als Fotograf heute oft mit Unschärfen arbeitet. Ça ne nous ra­jeun­it pas, sagen in solchen Momenten die Franzosen gerne, das macht uns jetzt nicht gerade jünger!

Durch eine Glasscheibe mit Regentropfen hindurch gesehen ...

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Foto: C.E., hier noch ein Alltagsbild von
Matl von Mitte März 2006: klick!

Samstag, 14. März 2015

Schlafbericht, die Fortsetzung

Herz­lich will­kom­men auf den Sei­ten mei­nes "Notizblogs" aus dem Dol­met­scher- und Übersetzeralltag. Hier schreibe ich auch darüber, wie der Beruf sich aufs Private auswirkt. Und heute ist der Tag des Schlafs.

Bei dem, was mitunter in öffentlichen Nahverkehrsmitteln so |besprochen| ge­la­bert wird, mit Verlaub, habe ich mir schon oft Ohrenlider gewünscht. Damit wir uns effektiv vor dem wilden Tier schützen können, hat uns die Natur glück­li­cher­wei­se damit nicht bedacht.

12 Spuren Autostraße, einige Handwerker, eine Straßenbahn vor dem Fenster im 1. Stock
Lärmquellen in der Stadt
Heute, wo das wilde Tier in den al­ler­meis­ten Fällen nur noch laut und dumm ist und es nicht mehr auf uns abgesehen hat, er­gibt sich daraus ein handfestes Problem. Berliner Hand­werker, die morgens um sie­ben un­über­hör­bar anfangen, nein, mit dem Al­ler­lau­tes­ten, was der Tag so zu bieten hat, die Ru­he­zeit jener unsanft beenden, die sie be­zah­len, um dann spä­tes­tens halb neun mit den stillen Dingen, zum Beispiel Früh­stück, wei­ter­zu­machen, sind das eine, Au­to­ver­kehr, keifende Nach­barn oder einfach nur ein zu laut gestelltes Radio mit der falschen Musik das andere. Die Ruhe ist dahin, das Ener­gie­auf­tan­ken gestört.
Und genau das passt nicht zum Beruf.

Denn Dolmetschen ist eine Aufgabe, zu der wir mehr als 100 % Energie einsetzen. Wie das mit Mehr-als-einhundert-Prozent geht, weiß ich übrigens selbst nicht so genau. Ich weiß nur, dass es so ist. Wer mal eine Dolmetscherin in den Tagen nach einem Einsatz erlebt hat, weiß, wovon ich spreche. Müdigkeit, Hunger und Wort­fin­dungs­stö­run­gen dominieren diese Zeit.

Also ist guter Schlaf sehr wichtig. Mein Problem war lange, dass ich in diesen nur müh­sam fand, leicht darin störbar war, oft meine ganzen Tage vom un­zu­rei­chen­dem Tiefschlaf der Nächte geprägt waren. Dann die Revolution: Ich fand, Dank nochmal an Ans­gar Obort, einen Kurs zum Schlafenlernen, der voll angeschlagen hat. Gerade übe ich den guten Schlaf weiter in stressigen Phasen. Verbessern kann ich ihn noch in Nächten, an deren Ende ich sehr früh aufstehen muss; da stört wohl noch die Be­fürch­tung, möglicherweise den Wecker zu überhören.

Gepolsterter Hocker neben einem Kopfende, auf dem Schlafhilfsmittel liegen
Pulswärmer, Ohropax und Schlafmaske in Griffweite
Sonst habe ich durch das Schlaf­­trai­ning, das ich hier genauer beschreibe und von dem ich demnächst einen weiteren Kurs zur weiteren Vertiefung und Verankerung belege, gelernt, besser auf mich aufzupassen. Der Schlaf­ins­tinkt ist zu­rück­ge­kehrt. Ich habe mir neue Kis­sen gekauft, auch ein Rei­se­kis­sen, und mein Ver­hal­ten vor dem Zu­bett­ge­hen geändert.

Und ich kann jetzt richtig gut mit Ohropax schlafen. Ohrenlider gibt's also doch. Vor allem bin ich in Schlafdingen entspannt, gelassen und kann den Schlaf zu­las­sen.

Das Maß der Veränderung zeigt sich in diesem für mich sensationellen Foto oben links: Unlängst bin ich vor einer Baustelle aufgewacht, an einer sechsspurigen, tram­be­fah­ren­en Straßenkreuzung. Die Nacht hatte ich ruhig und entspannt verbracht.

Die Nacht über hatte das Fenster offen gestanden. Der Schlaf ist mein Freund geworden.


Link der Woche: Sounder Sleep System
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Foto: C.E.

Freitag, 13. März 2015

TV-Tipp

Wie schön, dass Sie auf den Sei­ten meines Blogs ge­lan­det sind. Hier schrei­be ich über meinen Sprach­be­ruf. Ich bin Dol­met­scherin und Über­setzerin, der Schwer­punkt liegt auf der französischen Sprache. Wenn ich nicht dolmetsche, halte ich mich in Themen der aktuellen Politik und meinen Fachbereichen auf dem Lau­fen­den.

TV mal anders
Noch bis zum 16. März läuft in der ARD-Mediathek aus der Reihe "Die Story" der Film "Die Spur der Troika", von Harald Schumann und Arpád Bondy, der die Hintergründe der Kri­se in Südeuropa beleuchtet. Die leicht andersnamige Lang­fas­sung des Troika-Films lief auf Arte und war heute noch bei den üblichen Nach­spiel­an­bie­tern ver­füg­bar. (Erstsendetermin: 24.2.2015).

Als Dolmetscherin, die sich regelmäßig in drei Sprachen informiert und in viele Län­der vernetzt ist, sind mir leider viele der im Film untersuchten Aspekte be­kannt. Als Bürgerin habe ich immer wieder die demokratische Legitimation der Kri­sen­ma­na­ger hinterfragt, die im Auftrag der großen Finanzinstitutionen den be­trof­fen­en Länd­ern Vorgaben machen.

Der Film kulminiert im Satz "Griechenland wurde für die Stabilität des in­ter­na­tio­na­len Finanzmarktes geopfert." Ich muss da immer an Eleni denken, eine Stu­dien­kol­le­gin von mir, die in Paris mit Auszeichnung abgeschlossen hat, dann wieder nach Griechenland zurückging. Sie hat an einer Privatschule unterrichtet und wur­de vor über einem Jahr entlassen. Begründung: Sie habe mit ihren fran­zö­si­schen Di­plo­men viele berufliche Chancen, auch im Ausland, verglichen mit den nicht so guten Absolventen, die zudem nicht die Mühe des Auslandsstudiums auf sich genommen hatten.

Ergebnis: Die Schüler haben eine motivierte Lehrerin verloren, die sich neben dem Unterricht um die Vernetzung der Schule mit Bildungseinrichtungen anderer Län­der gekümmert hat, und bekommen jetzt ihren Sprachunterricht von Men­schen, die mit starkem Akzent sprechen und die ihre Schüler nicht über den eigenen Ho­ri­zont hi­naus be­ra­ten können. Die pä­da­go­gi­schen Eignungen lasse ich als Kriterium außen vor, sie kann ich weder in dem einen, noch in dem anderen Fall ein­schät­zen. Etliche Stun­den, die Eleni gegeben hat, sind aber ersatzlos gestrichen wor­den. Es wird mas­siv an Bildung gespart in Griechenland.

Dass so keine brillante Zukunft vor­be­rei­tet werden kann, leuchtet ein.

Und so wird schon die Gegenwart immer düsterer: Elenis Mann ist Arzt, sein Kran­ken­haus wurde geschlossen, weil es zu klein war und weil die Troika massive Ein­spa­run­gen im Gesundheitswesen verlangt hat. Lange wollte das Paar das Land nicht verlassen, denn der Mann nimmt den hipp­o­kra­ti­schen Eid ernst, er arbeitet ohne Bezüge in einer Gesundheitsstation. Sie haben ihre geerbte Wohnung mit Ver­lust verkauft, leben jetzt von den Rücklagen und wissen, dass sie ihr Land ver­las­sen müssen, wenn sich in den nächsten 12 Monaten nichts ändert.


Hier noch ein Link zu einem Interview mit H. Schumann bei "Krautreporter".
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Foto: C.E.

Donnerstag, 12. März 2015

Wanderdüne

Schattenrisse vor Sand
Die Düne beginnt noch vor dem Ende des Waldes
Hallo und will­kommen auf den Sei­ten des ersten deutschen Weblogs aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. 

Ich dolmetsche und übersetze mit den Fachgebieten Politik und Soziales, Wirtschaft, Ar­chi­tek­tur, Kultur und Kino. Neben dem Wälzen dicker Bücher wüh­le ich mich durch Fo­to­ber­ge, Mitbringsel von der letzten De­le­ga­tions­rei­se.

Heute vor einer Woche war ich auf der Dune du Pilat. Sie liegt in der Nähe des Städtchens Arcachon am Rande der gleichnamigen Bucht, in der ich Anfang des Jahrhunderts schon einmal war. Ein Termin führte uns dorthin. Auf der Rückfahrt haben wir am späteren Nachmittag gleich noch vor Ort ein Stündchen Freizeit eingelegt.

Die Autorin dieser Zeilen
Weitsicht im Gegenlicht
Und natürlich kamen sofort Kalauer ins Spiel. Über eine Wanderdüne lässt es sich nämlich nicht nur wunderbar wan­dern, sie wandert anschließend auch mit. Noch tagelang hatte ich Sand in den Schuhen. Auch so wandert die Düne weiter, sogar in die ganze Welt. Vermelde: Heute ist der erste Tag, an dem ich keine Sand­körn­chen mehr in meiner Fußbekleidung verspürt habe.

In dieser Zeit waren die Treter zu Wan­der­schu­hen geworden.

Auf Französisch ist die Wanderdüne übrigens nur eine sich bewegende Dü­ne, une dune mouvante. 



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Fotos:  C.E. / privat

Dienstag, 10. März 2015

Goldsaft

Bon­­­jour, hel­­­lo und sa­­lut ... auf den Sei­­­ten die­­­ses Blogs. Hier schreibt ei­ne Dol­­­met­scher­­­in und Über­­­setzer­in über ihren All­­tag in Ber­­lin, Paris, Köln und dort, wo sie gebraucht wird.

JUS / D'OR / ANGE
Orangensaft im Frühlingslicht
Vor einigen Jahren hat eine bekannte fran­zö­si­sche Kaufhauskette die Ver­pa­ckungen ihrer Eigenprodukte auf ein gra­fi­sches Design umgestellt, das mit bun­ten Buchstaben und farbigen Hintergründen spielt. So kam es dazu, dass jetzt im Nach­bar­land Gold­saft über die La­den­the­ke geht, Zeile für Zeile übersetzt: "Gold-Saft Engel". Mir gefällt diese Art von All­tags­po­e­sie.
Als ich die Saftverpackung nach dem Ein­satz zurück in die Küche einer eu­ro­pä­i­schen In­for­ma­tions­stel­le bringe, kom­men­tie­ren die Mi­tar­bei­ter, die dort täglich sind, dass ihnen die­ser Doppelsinn nicht auf­ge­fal­len sei. Da muss also erst 'ne Sprach­ar­bei­ter­in aus Berlin kommen ...

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Foto: C.E. (Herstellername verpixelt)

Montag, 9. März 2015

Bürotage

Bon­jour und gu­ten Tag auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs. Ich dol­met­sche und übersetze, Hauptsprachen sind Deutsch, Französisch und Englisch (dieses Idiom nur als Ausgangssprache). Nach Rekonvaleszenz und einer sehr langen Woche in Frankreich stehen einige Bürotage an. Heute wieder der Blick auf meinen Schreib­tisch.

Arbeitsplatz (Archivaufnahme)
Arbeitsplanung
Nachbereitung der letzten Ta­ge lautet das Stichwort, also möchte ich die Wort­fel­der der in­ter­na­tio­na­len Ju­gend­ar­beit, der Aus­tausch­pro­gram­me und Frei­wil­li­gen­diens­te beackern, nein, gründ­­lich durchpflügen. Nicht tief durchgepflügt wer­den die Beete in der scho­nen­den Per­ma­frost­kul­tur im Dé­par­te­ment Landes, wo ich letzte Woche auf De­le­ga­tions­rei­se war.

Der éco-lieu Jeanot ist ein experimenteller, pädagogischer und soziokultureller Bau­­ern­­hof, der von Jugendlichen selbst aufgebaut wurde. Er passt zu meinen frü­he­ren Einsätzen zu den Themen Agroökologie, Agrarforstwirtschaft und Tran­si­tion der land­wirt­schaft­li­chen Produktionsweisen (siehe die Filme von Marie-Mo­nique Robin und Nils Aguilar). Auch hier lese ich mich weiter ein und bilde mich fort, denn nach dem Einsatz ist immer auch vor dem Einsatz.

Das Thema Jugendarbeit im länd­li­chen Raum gehört zum Thema Sozialgeographie Frankreichs, das ich auch in unregelmäßigen Abständen auf dem Tisch habe.

Frankreich steckt tief in der Krise, außerhalb der reichen Vier­tel großer Städte und der umsatzstarken Branchen herrscht an vielen Orten ein pes­si­mis­ti­scher Grundton vor: Die Preise galoppieren davon, die Gehälter wachsen nicht im gleichen Maß, Un­ter­be­schäf­ti­gung und Arbeitslosigkeit, be­son­ders unter Jugendlichen, sind große Themen.

Une autre histoire des "Trente Glorieuses", contestations et pollutions dans la France d'après-guerre Céline PESSIS, Sezin TOPÇU, Christophe BONNEUIL
Auf der Leseliste
Manche Autoren bescheinigen Frankreich eine handfeste Identitätskrise; der für Skan­dal­äu­ße­run­gen bekannte Redakteur der Zeitung Le Figaro Eric Zemmour bescheinigt seinem Land sogar Selbstmordabsichten in dem pamphletischen Buch Le suicide fran­çais, das das Jahr 1986 als Aus­gangs­punkt der moralischen Krise sieht.

Hier bietet sich eine parallele Lektüre mit dem Buch Une autre Histoire des "Trente Glorieuses" an, wie die Wirt­schafts­wun­der­ja­hre der Nachkriegszeit bis zum ersten Ölpreisschock genannt werden. Die Autoren nehmen die Begriffe Modernisierung, Pro­test­be­we­gung und Umweltverschmutzung als Grundlage für die Interpretation der Epoche.

Weitere Antworten erwarte ich vom Buch What is wrong with France? von Laurent Cohen-Tanugi.

Was lese und lerne ich sonst noch? Finanzwirtschaft (heute beginnt Mario Draghi mit seiner umstrittenen Geldschwemme), Architekturgeschichte der Stadt Paris, Ost-West-Kon­flikt aus der Sicht einer im Libanon geborenen Künstlerin. Hier darf ich für Arte gedrehtes Material simultan verdolmetschen.

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Fotos: C.E.

Montag, 2. März 2015

Wohnungsbau in Paris

Bonjour, guten Tag, beim ersten deutsch-französischen Weblog aus dem Inneren der Dolmetscherkabine. Hier berichte ich über meinen vielseitigen Alltag. Ich lebe und arbeite in Berlin, Paris — und komme bei Bedarf auch in Ihre Stadt!

Thibaud Babled, Architectes Urbanistes (2013), rue de Vaugirard
Studentenwohnungen in Paris

Eine Ausstellung in Paris zeigt aktuelle und historische Bei­spie­le des sozialen Woh­nungs­baus der französischen Haupt­stadt. Die Schau "Habitat Me­tro­po­le" im Pavillon de l'Ar­se­nal stellt Beispiele aus den letzten 100 Jahren vor. Sie überrascht zunächst durch ein riesiges Stadtmodell. Un­be­fan­gene Zuschauer können darin allerdings nicht sofort Paris erkennen.

Hintergrund: Die 210 Quadratmeter große Fläche bietet kei­nes der bekannten Ge­bäu­de zur Orientierung an. Die Wände des Ausstellungsraumes sind mit Plänen, Be­schrei­bun­gen, Fotografien und Monitoren gepflastert, die die einzelnen Bau­pro­jek­te anschaulich und detailreich prä­sen­tie­ren.

AusstellungsplakatAm Ende erschließt sich das Modell: Es zeigt die Standorte der vorgestellten Pro­jek­te, die Geduldige auch noch auf einem Stad­tplan iden­­ti­­fi­­zie­­ren können. Hier wären mir allerdings etwas mehr Struktur und Fin­de­hil­fen will­kom­men gewesen, die Epochen oder Himmelsrichtungen wä­ren zum Beispiel durch Farben leichter un­ter­scheid­bar zu machen gewesen.
Sehr gefallen hat mir die Idee, dass die Kurz­be­schrei­bun­gen der Bauprojekte und einige Grundrisse mitgenommen werden können. Da ich regelmäßig für Ur­ba­nis­ten, Architekten und Innenarchitekten arbeite, habe ich außerdem schönes Material für mei­nen Lern­ord­ner gefunden.

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Fotos: C.E.

Sonntag, 1. März 2015

Frühling!

Violete Krokusse
Krokusse in Paris
Ab­sicht­lich oder zu­fäl­lig sind Sie auf den Sei­ten mei­nes di­gi­ta­len Arbeitstagebuchs gelandet. Hier schreibe ich über meine Spracharbeit als Dolmetscherin und Über­setzer­in. Ich arbeite in Berlin, Paris und überall dort, wo ich gebraucht werde. Zeit für das Sonntagsfoto!

Frühblüher auf der Ile Saint-Louis in Paris! Zwischen Arte-Dreh und Delegationsreise bin ich in meiner Studienstadt. Wir gehen die meisten Wege zu Fuß. Und wie­der ein­mal fällt mir auf, wie klein die Innenstadt ist, innerhalb der Stadtautobahn (intra muros) nur ein Achtel von Berlin in seiner Ausdehnung seit der Reform von 1920.


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Foto: C.E.