Mittwoch, 30. März 2016

Übersetzungsgeräte

Ob ge­plant oder zu­fäl­lig, Sie sind auf die Sei­ten einer Sprach­ar­bei­ter­in geraten. Ich dolmetsche und übersetze. Dabei sind Französisch oder Englisch die Aus­gangs­spra­chen, Deutsch oder Französisch die Zielsprachen.

Eigentlich sind die kleinen Kästchen mit Kopfhörern gar keine Übersetzungsgeräte, sondern Empfangsgeräte für die Ver­dol­met­schung. Aber macht nichts. Das im­pro­vi­sier­te Schild gefällt mir.

(Gesehen vor einem Monat auf Kampnagel in Hamburg — und am Ton auf FR beteiligt.)








______________________________  
Foto: C.E.

Montag, 28. März 2016

Ansprechsperson

Bonjour, hello, guten Tag! Hier bloggt, wegen der beginnenden Kongresssaison derzeit etwas unregelmäßig, eine Konferenzdolmetscherin. Ich arbeite in Paris, Berlin, Ulm und Marseille, kurz: überall dort, wo meine Kunden mich brauchen. Und bei denen höre ich ganz genau hin.

Der Auftrag kommt aus Österreich, das ist auf den allerersten Blick erkennbar.

Kappen und Schaufensterpuppenköpfe
Markante Köpfe
Sogar dann, wenn die En­dung der Web­seite und damit auch der Mail­an­schrift auf .com lautet.
Mir schreibt die Ver­an­stal­te­rin eines Kongresses, für des­sen Verdolmetschung wir im Team ge­bucht sind, wer mei­ne "Ans­prechs­per­son" ist, wenn's um die "Erlangung von de­tail­lier­ten Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen seitens be­tei­lig­ter Redner" geht.

Kurz: Wir hätten am liebsten die Konzepte der Reden und Literaturtipps zur Vor­be­rei­tung, denn 80 % der Dol­metsch­ein­sät­ze besteht aus Einlesen, Wortfeldarbeit und Recherche.

Schönes Wort, das der Ansprechsperson. Deutsche Absender hätten wohl eher "An­sprech­part­ner" geschrieben. Die PA des GF kürzte das übrigens dann als AP ab, das funktioniert ebenso für die -sperson wie für den -partner.

Und das Programm in seiner letzten Fassung werde auch asap kommen, as soon as possible.

Kleine Ergänzung ... GF: Geschäftsführer, PA: Personal Assistant. Ach ja, und na­tür­lich sind die Referenten alle Frau und Herr Magister und Doktor oder mehr.


By the way, Glückwunsch, F.E., zur abgegebenen Dissertation!
______________________________  
Foto: C.E.

Mittwoch, 16. März 2016

Auf dem Schreibtisch XXVIII

Beim Lesen eines Textes kam Ihnen heute etwas spanisch vor? Mit dieser Sprache können Ihnen Kolleginnen und Kollegen weiterhelfen, mein Fach sind da eher Französisch und Englisch. Hier bloggt eine Dolmetscherin und Übersetzerin über den Arbeitstalltag.

Schönes Feedback, das da eben in mein Postfach ploppt. Für die Referenzliste bit­te ich meine Kunden um eine kurze Rückmeldung, und da steht jetzt also ein "Dankeschön an die Dolmetscherin, die unsere Veranstaltung ebenso gewandt wie routiniert vertont hat."

Es war in der Tat nur ich, eine Dolmetscherin, wo wir uns doch sonst alle 30 Mi­­nu­­ten ablösen. Für Seminare der Zivilgesellschaft habe ich das interaktive Work­shop­kon­zept entwickelt: Die Vortrags- und Diskussionsphasen dauern maximal 40 Mi­nu­ten, worauf 20 bis 30 Minuten das Publikum übernimmt und (nach Vor­ga­ben) ei­gen­stän­­dig in einsprachigen Kleingruppen arbeitet, worauf weitere 40 Minuten vor­ge­tra­gen oder "im Plenum" mit Dolmetscherin debattiert werden kann, kurz: schick im Wechsel, so dass sich meine (derzeit in der Flücht­lings­ar­beit allzuoft eh­ren­amt­li­che) Dol­metsch­ar­beit wunderbar ein­schmiegt.

Arbeitsplatz mit Blick auf den Balkon
Bald kann ich wieder mit offener Balkontür arbeiten
Routine hilft sehr beim Dol­met­schen. Jedes Thema ist anders, die intensive Be­schäf­ti­gung mit dem jeweiligen Thema im Vorfeld ist ein Teil der Routine, die uns im Stress des Einsatzes trägt.

Und hier kommt die nächste Routine, die des Blogs: Der re­gel­mä­ßig ge­währ­te Blick auf meinen Schreibtisch.


Korrekturlesen und Weiterentwicklung eines Webseitentextes für eine Kölner Musikerin
Übersetzen: Auswertungsver­trag (Film)
Sexualstrafrecht
Nachbereitung Erinnerungskulturen Erster Welt­krieg
Zwei Kostenvoranschläge
Wandel der Arbeitswelt

Medienempfehlung dazu: Frontal21 (ZDF) von gestern, "digitale Arbeitswelt"; die Sendung brachte übrigens auch einen Beitrag über die Misere der Dozenten von Sprach- und Integrationskursen.

______________________________  
Foto: C.E. (Archiv)

Dienstag, 15. März 2016

Luminarismus

Hallo, hello & bonjour. Was mich als Spracharbeiterin so umtreibt (und auch an­de­re Dol­met­scher und Über­set­zer für Französisch und andere Sprachen kennen), da­rü­ber schreibe ich hier regelmäßig. Nun, gerade schreibe ich regelmäßig NICHT. Ich werde mal kurz erklären, weshalb, falls das kurz möglich sein sollte.

Dunkle Tage. Aber irgendwann wird es auch wieder heller. Warum ich derzeit hier so wenig schreibe liegt daran, dass ich jedes Mal nach drei Zeilen bei der Welt­po­li­tik lande und gerade als Journalistin in einer politischen Redaktion besser auf­ge­ho­ben wäre als auf diesem sprachbetonten Blog.

Zugleich fällt mir bei der Art, wie gewisse böse Menschen andere Mitbürger, die aus welchen Gründen auch immer weniger erfahren sind in Sachen Weltlage und andere Völker, derartig böse ma­­ni­­pu­­lie­­ren, nur noch das Liebermannzitat über Hitlers Machtergreifung ein.

Allee in Overveen
Allee in Overveen
Seit dem Sommer kümmere ich mich in Berlin bei Bedarf um zwei Flücht­lings­fa­mi­lien aus Syrien, deren weibliche Familienoberhäupter aus un­ter­schied­li­chen biografischen Gründen Fran­zö­sisch sprechen. Sie sind Aka­de­mi­ker­in­nen und als Teil von Großfamilien her­vor­ra­gend vernetzt. Ein Teil der einen Familie kam Dezember nach. Die Frau­en kennen einander nicht. Unabhängig voneinander haben sie mir von ul­tra­mo­der­nen Schif­fen auf dem Mit­tel­meer erzählt, die als schwimmende Kli­ni­ken fun­gie­ren, wo für ir­gend­wel­che Super­rei­che mit­tel­los­en Flücht­lin­gen gegen Bares Organe ent­nomm­en wer­den.
Zum K*!

Von ihren Familienangehörigen und von anderer Seite weiß ich, dass das im Spät­herbst weniger geworden sein muss, in etwa seit die Russen, die dieser Tage ihre kämp­fen­den Truppen aus Syrien abziehen, Bashar al-Assad unterstützen. Wer im­mer da auch den Hahn am Abzug hatte, es kam unabhängigen Augenzeugen zufolge immer häufiger zu Flächenbombardements von der Art, dass alles Ent­zünd­li­che explodiert bzw. brennt und den Menschen in den Kellern kaum eine Chance auf Überleben bleibt (was immer da dem Sprengstoff beigemischt wurde).

Von ihnen weiß ich auch von den doppelten Raids, den "chirurgischen" Angriffen, die sehr häufig Krankenhäuser und andere öffentliche Gebäude zum Ziel haben, und bei denen zehn bis 30 Minuten auf den ersten Angriff ein zweiter folgt, weil nämlich dann alle Retter und Helfer die Verletzten unter offenem Himmel ver­sor­gen. Von ihnen weiß ich, dass ein Fünftel bis ein Drittel der Men­schen Sy­ri­ens über­haupt noch einer geregelten Arbeit nachgehen kann und dass das kei­ner ge­re­gel­ten Be­­zah­­lung gleichgesetzt werden darf.

Blumenterrassen
Die Blumenterrassen im Wannseegarten nach Südwesten
Von ihnen weiß ich, dass ma­xi­mal jedes zweite Kind in ihrer Hei­mat noch zur Schule geht, ver­mut­lich we­ni­ger, und dass et­wa noch jedes zwei­te Gebäude im Land nutz­bar ist. Die Zwillinge einer der Fa­mi­lien hätten in den Lagern in Nordafrika über vier Jahre keinen Unterricht ge­habt, wenn sich nicht die Eltern untereinander or­ga­ni­siert hätten. Bildung und Aus­bil­dung war für diese Familie einer der zentralen Gründe, weiterzuziehen.

Bezogen auf die Einwohnerzahlen Europas sind die Flüchtlinge, ihre Versorgung, Bildung und künftige Beschäftigung kein Problem. Das wahre Problem ist der Krieg in Syrien, von einer meiner Dolmetschkundinnen als Dritter Weltkrieg bezeichnet. Im Atomzeitalter finden Auseinandersetzungen räumlich begrenzt statt. Und in Syrien schlagen ca. ein Dutzend Gegner, Gruppierungen und Staaten, aufeinander. Ein Stell­ver­tre­ter­krieg, proxy war, guerre par procuration, wie er im Buche steht.

Und dann muss ich an deutsche Politiker denken, die heute Saudi-Arabien Waffen verkauft haben und an französische, die letzte Woche eine hochrangige saudische Person mit der Ehrenlegion ausgezeichnet haben. Was tragen diese Regierenden eigentlich dazu bei, den Krieg zu beenden? Statt­dessen un­dich­te Gren­zen zum Haupt­the­ma ih­rer Po­li­tik zu ma­chen ist un­ge­fähr so ziel­füh­rend, wie bei ei­nem Erd­be­ben den ka­put­ten Rie­gel einer Bal­kon­tür zu be­kla­gen.

Mir kommt wieder Max Liebermann in den Sinn. Und ich nehme kurz die kosmische Perspektive ein. Menschen in Not und in Todesgefahr nicht zu Hilfe zu kommen, das ist doch unterlassene Hilfeleistung, oder? In Syrien sind ganze Städte von der Versorgung abgeschlossen. In Berlin gab es einst eine "Luftbrücke".

Die Flüchtlinge sind unsere Flüchtlinge, die Flüchtlinge unserer Regierenden, Län­der und Bevölkerungen, das haben nur wenige Politiker verstanden, Norbert Blüm gehört dazu. Daher freue ich mich immer wieder über unsere Zi­vil­ge­sell­schaft, die die Ärmel hochkrempelt und die auch die Art des eigenen Konsums und des Wirt­schaf­tens in Europa längst infrage stellt.

Denn mit der Kli­ma­katastrophe werden weitere Klimaflüchtlinge und "Wirt­schafts­flücht­lin­ge" kommen, deren Le­bens­grund­la­gen dadurch zerstört werden. Völ­ker­wan­de­run­gen gehören zur Mensch­heit wie die Tatsache, dass wir auf zwei Pfoten laufen und nicht mehr auf vier. Ohne diese Wanderungen würden wir alle heute noch in Afrika hocken. Und Max Liebermann hätte nie die Sonnenflecken auf den Kies­we­gen malen können.


P.S. vom 16.3.: ... die Zivilgesellschaft, die die Ärmel hochkrempelt, während sich andere schamlos bereichern. Hier, was wir schon immer befürchtet haben: McKinsey und Flüchtlinge in Berlin.
P.S. vom 24.4.: Die Zivilgesellschaft, die nachliest: klick.
______________________________  
Bilder: Max Liebermann, CCommons

Dienstag, 8. März 2016

Menschentag

Hier bloggt eine Spracharbeiterin. Was Dolmetscher für Französisch (und Über­­set­zer) möglicherweise so umtreibt, können Sie hier mitlesen. Ich arbeite in Paris, Berlin, Frankfurt, Lyon und dort, wo ich gebraucht werde.

Internationaler Frauentag? Ein Witz. Für mehr als die Hälfte der Menschheit gibt es 366 Frauentage jährlich, naja, manchmal.
 
Girls just wanna have FUNdamental rights
Der Spruch zum Tage
Dafür ständig: Schlechtere Be­zah­lung für die gleiche Ar­beit, Diskriminierung in der Karriere, und in Me­di­zin­din­gen sind wir auch nur An­häng­sel, wir, die Frauen, Kinder und andere |Be|Gehinderte.

Medikamente werden für den white caucasian man of 160 pounds produziert, so neulich auf einer Ge­sund­heits­kon­fe­renz ein Redner. Die ge­nann­ten diskriminierten Gruppen stel­len zweifelsohne die über­gro­ße Mehrzahl der Mensch­heit dar.

Sie sind oft leichter, zarter in ihrer Konstitution und verstoffwechseln Me­di­ka­men­te anders. Hier werden die Gaben lediglich reduziert, eine recht grobe Form der "Anpassung".

Was brauchen Frauen noch? Viele nur das Allernötigste: Wasser, Lebensmittel, Hygiene, ein Zuhause, Ärzte, Bildung, einen Beruf, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung, gesellschaftliche Teilhabe und freie, mutige Medien.

Was auch sehr vielen Jungs und Männern fehlt.

Wir leben in finsteren Zeiten. Bleibt mir weg mit Gedenktagen und Lobesreden. Lasst uns gemeinsam endlich um die Basics kümmern. 365 Tage im Jahr ist Men­schen­tag. Immer.

EDIT: Der Link zur Ergänzung MUTIGE Medien ... den auch Menschen verstehen, die kein Französisch können. Auftritt eine Kolumnistin, ein Außenminister, abwesend: ein saudischer Prinz, der dieser Tage mit der französischen Ehrenlegion aus­ge­zeich­net wurde. Das Ganze wurde wenige Tage vor dem internationalen Frauentag ge­sen­det und läuft unter der Rubrik "Satire".



______________________________  
Foto: Netzfund, France Inter

Donnerstag, 3. März 2016

Auf dem Schreibtisch XXVII

Herz­lich Will­kom­men auf den Blog­sei­ten einer Sprach­ar­beiterin. Hier den­ke ich über den All­tag der Welt der Kon­fe­renz­dol­metscher und Über­setzer nach.

Draußen wird es täglich ein wenig früher hell und die Lichtintensität nimmt auch zu. Der Blick auf den Schreibtisch ergibt:

Büroschicke Schurwolle
Übersetzen: Wahr­neh­mungs­ver­trag (Film)
Europäische Fo­to­gra­fie­ge­schich­te (Wiedervorlage)
Wohnraumpolitik
Nachbereitung der Ham­bur­ger Ge­flüch­te­ten­kon­fe­renz
Öko­tou­ris­mus in Frank­reich
Kulturtou­ris­mus in Berlin
Erinnerung an den 1. Welt­krieg


Diese Themen beschäftigen mich in Textform und für Dolmetscheinsätze.
Außerdem: Auswerten von Zeitungen zu aktuellen Themen in drei Sprachen, Eng­lisch(selbst)un­ter­richt, Vorbereiten meiner Tandemstunden.

______________________________  
Foto: C.E., Design: anyonion

Dienstag, 1. März 2016

Wurstbrater

Hallo und guten Tag! Hier bloggt eine Spracharbeiterin. Was Dolmetscher und Über­set­zer so um­treibt, können Sie hier verfolgen. Ich arbeite mit den Sprachen Französisch und Englisch. Der Beruf verändert den Blick auf den Alltag.

Gesehen in Hamburg
Mitunter fällt es schwer, an manchen Orten vor­bei­zu­ge­hen, ohne den Fotoapparat zu zücken. Möglicherweise ist die Würs­tel­bra­te­rei am Bahn­hof in Sa­chen Fleisch­wa­ren bes­ser, als es die Schreib­kennt­nis­se ver­mut­en las­sen.

Getestet habe ich als ein­ge­fleisch­te Vegetarierin den La­den nicht.


______________________________  
Foto: C.E., Dank an H.F.