Samstag, 2. November 2013

zum Schmieren

Hallo! Zu­fäl­lig oder ab­sicht­lich le­sen Sie in mei­nem vir­­tu­­el­­len Ar­beits­­ta­­ge­­buch. Ich ar­bei­te in Paris, Ber­lin und an­ders­wo als Sprach­mitt­lerin mit den Fach­ge­bie­ten Wirtschaft, Politik, Soziales und Kultur. Samstags folgt hier immer mein Link der Woche.

"Das kannste Dir in die Haare schmieren!" habe ich irgendwann in den 1990-er Jahren zum ersten Mal als saloppe Redewendung für "vergiss' es" vernommen. Für die Nicht-Muttersprachler unter uns: Beides meint, dass etwas nie eintreten wird, dass es vergeblich ist, auf etwas zu hoffen.

Um mal wieder anderen Stoff für meine Kolumnen zu haben, hoffe ich als blog­gen­de Spracharbeiterin (und ohne jede Schadenfreude) indes manchmal auf kom­mu­ni­ka­ti­ve Super-GAUs, solange wir sie nicht selbst produzieren. (Die Welt von Sprache und Diplomatie ist oft rutschig genug, nicht selten schlittern wir selbst am einen oder an­de­ren verbalen "größten anzunehmenden Unfall" (GAU) vorbei. Ein Beispiel für eine solche Situation beschrieb ich bereits, es war bei der Eröffnung eines Se­mi­nars zu Marguerite Duras' Schreiben. Ein anderes Beispiel erzähle ich in einigen Mo­na­ten, wenn sich die Aufregegung gelegt hat.)

www.LaMer.deHeute sandte mir eine frühere Kollegin ein Foto. Etliche deut­sche Firmen ver­wen­den die Spra­che Molières, um ihre Geschäfte anzukurbeln. |Arzt und Apo­the­ker| Dol­met­scher und Übersetzer empfehlen in solchen Fällen, eine Fach­frau oder ei­nen Fach­mann in Sa­chen Sprache hin­zu­zu­zie­hen, denn die Gefahren sind doch deren viele.

Vom Haargeel (oder auch nicht, siehe oben) zur Hautcreme: Ein deutscher Hersteller pflegender Substanzen hat sich einen fran­zö­sichen Namen ausgesucht, la mer, das ist die Sorte Creme, bei der ich mit einer leichten Neu­ro­der­mi­tis aufhorche. Aber nicht deshalb schreibe ich hier heute darüber. Wer in unseren Tagen an den Markt geht, braucht auch eine Webseite. Und die Endung für Deutschland lautet nun ein­mal auf .de ...

So weit, so gut. Das Unternehmen ging online, aber ohne vorherige Beratung durch die oben erwähnten Fachkräfte. Den Namen der gewählten Domain entnehmen Sie bitte der Werbung ...

Französische Leser, die den Punkt elegant überlesen, erkennen darin eine Sub­s­tanz, die sich garantiert niemand weder in die Haare noch auf die trockene Haut schmieren würde. Wir haben täglich mit ihr zu tun und freuen uns, wenn wir sie reibungslos hinter/unter uns lassen können. Der Begriff ist weder "tantenfein", wie das in mei­nen Kindertagen hieß, noch eigentlich bühnenfein. Alfred Jarry schmug­gelte ihn dennoch auf die berühmten Bretter, ein zusätzliches "R" sorgte für Ver­frem­dung, trotzdem löste einst der Ausruf des schimpfenden Königs Ubu, der ein merdre ! raus­don­ner­te als wäre es ein Produkt seiner Peristaltik, bei der Ur­auf­füh­rung minutenlange Tumulte aus. (Auf Deutsch wird das gerne mit "Schreiße" wie­der­ge­ge­ben.)

Sowas in der Preislage wird schlussendlich auch im Büro des Herstellers dieser Hautpflegesubstanz zu hören gewesen sein. Die Seite, die in der Frauenzeitschrift angegeben worden war, ist nicht mehr online, es wird automatisch weitergeleitet auf www.cremedelamer.de. Ein wenig besser ist das schon, ja, aber warum nicht die Endung .org oder etwas anderes wählen?

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Foto: Hélène Kohl (merci pour la photo !)
Das Bild, in einem 2. Fenster aufgerufen,
lässt sich vergrößern.

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