Die Vielfalt der Spracharbeit |
Was wir machen: Übersetzen und Dolmetschen. Obwohl beide Begriffe in den Medien oft wie Synonyme verwendet werden, handelt es sich hier um zwei unterschiedliche Tätigkeiten: übersetzt wird schriftlich, gedolmetscht mündlich (siehe Untertitel dieses Blogs).
Beides verbindet ein vertieftes Interesse an Sprachen. Doch Interesse allein reicht nicht aus.
Zunächst leben wir jeden Tag mit und in unseren Sprachen. Das ist auch mit vielen Aufenthalten in verschiedenen Ländern verbunden, und zwar idealerweise lebenslänglich. Wir verfügen über ein schnelles Auffassungsvermögen und haben auch in unserer jeweiligen Muttersprache ein geschärftes Sprachgefühl.
Einer Sprache zuzuhören, das Gesagte sofort im Kopf in eine andere zu übertragen, nahezu zeitgleich in einer anderen zu sprechen und den eigenen Output idealerweise noch auf Vollständigkeit zu prüfen, das ist viel Multitasking auf einmal! Wer sich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentriert, muss extrem fokussiert sein; allerhöchste Konzentration und komplexe Wortfelder, die oft noch in der Kabine Recherchen nötig machen, bedeutet Teamarbeit. Wir arbeiten bei mittellangen Einsätzen zu zweit, bei langen sogar zu dritt.
Auf internationalen Kongressen, bei Tagungen und Festivals sorgen wir so für Verständigung. Wir passen unsere Dolmetschmodi dabei an die jeweiligen Situationen an. Auch die Sprachkenntnisse und die Anzahl der Teilnehmenden sind zu berücksichtigen.
Die Luft in unseren schallisolierten Kabinen wird oft dünn. Von hier aus funkt die Konferenztechnik das Verdolmetschte auf die Kopfhörer des geneigten Publikums. Sind mehrere Sprachen im Raum, steht am Ende des Raums schon mal eine ganze Straße von Dolmetschkabinen.
Im kleinen Kreis dolmetschen wir konsekutiv, oder aber wir flüstern unseren Endkunden direkt ins Ohr, letztes geht aber nur für eine kurze Zeit, denn die Sitzhaltung dabei ist sehr unnatürlich. Beim Konsekutivdolmetschen stützen wir uns auf Notizen, die auf Außenstehende wie kunstvolle Symbole oder eine Art Kurzschrift wirken. Die Redner:innen legen dann regelmäßig Pausen ein, so dass wir die Inhalte nach und nach übertragen können.
Angeblich soll unser Beruf, einer Studie der Weltgesundheitsorganisation zufolge, der drittstressigste Beruf überhaupt sein, direkt hinter Pilot:innen und Menschen von der Flugsicherung. Mehrere Kollegin:innen haben diese Studie gesucht und nicht gefunden. Was aber verbürgt ist: Unser Beruf ist sowohl physisch als auch psychisch höchst anstrengend. Nach den Einsätzen brauchen wir oft Stunden oder Tage zum Abschalten und Erholen.
Neulich musste ich anlässlich einer Befragung zu einer Gewalttat dolmetschen. Opfer war eine junge Frau. Ich habe eine Zeitlang gebraucht, um mich davon wieder zu befreien. Denn beim Dolmetschen gehen alle Inhalte buchstäblich durch uns hindurch.
Dolmetschen erfordert auch den langen Atem. Die letzte Konferenz, die wir betreut haben, umfasste 22 Redebeiträge in zwei Tagen zuzüglich ausgiebigen Fachgesprächen. Zum Dolmetschen hinzu kommt die intensive Vorbereitung solcher Einsätze. Hier konnten wir uns je Vortrag zwischen zwei und fünf Stunden mit der jeweiligen Thematik befassen. Unsere Zeitinvestition war hier leider überproportional groß und eigentlich unwirtschaftlich. Dem stehen Einsätze gegenüber, für die wir uns weniger intensiv vorbereiten müssen. Im Durchschnitt macht das Dolmetschen selbst 20 Prozent unserer Arbeitszeit aus. So war es jedenfalls vor der Pandemie. Überhaupt sind wir Dolmetscherinnen, das Gros unseres Berufsstandes ist weiblich, Lernprofis.
Als Gedankenstütze zeichne ich immer wieder Wortfelder oder andere Illustrationen, die ich dann mit Aquarellfarben verschönere, denn spielerisch lerne ich am besten. Wie Maler:innen müssen wir Dolmetscher immer die richtige Nuance treffen. Die Bemalung des Heidelberger Stromkastens, siehe Foto, bildet diese Vielfalt hervorragend ab!
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Foto: C.E.
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