Sonntag, 18. August 2019

Verbindungen

Was Über­setzer und Dol­met­scher beschäf­tigt, können Sie hier mitlesen. Seit vie­len Jahren be­rich­te ich über diese Berufe und meinen sprach­be­ton­ten Alltag. Was macht die Dolmetscherin an einem verregneten Sonntagvormittag? Nun, sie dol­metscht. Sonntagsfotos!

Beine auf Holzboden, Punkte, alles ist miteinander verbunden
Verbindungen
Wir sitzen am Boden in einem Kreis. Um mich herum krei­sen Ta­schen­tü­cher. Beim Dol­met­schen rücke ich etwas näher an "mei­­nen" Fran­zo­sen ran, damit ich andere, die aus mei­ner Pers­pek­ti­ve zu direkt vor einem Fenster hocken, besser sprechen sehen kann. Je mehr Men­schen im Raum ihre Ta­schen­tü­cher auch be­nut­zen, desto mehr muss ich von den Lip­pen ablesen.

Nicht nur ich werde jetzt schlechter verstehen, denke ich, die andren auch, zumal ich ja ständig reinquatsche. Also richte ich mich auf, strecke das Kreuz durch, at­me in den Unterbauch hin­ein, lockere das Zwerch­fell, deute beim Zuhören kurz ein Gähnen an, lockere damit den Gaumen, vergewissere mich meines eigenen Re­so­nanz­kör­pers und artikuliere kurz darauf klarer und mit mehr Volumen.

Blumen: rot, gelb
Farbenspiel ...
Das Ganze kommt mir wie eine Psychotherapie zu zwölft vor. Neben der Therapeutin ist eben auch eine Dol­met­sche­rin dabei. Alle 14 können be­quem atmen in diesem zum Yoga­saal aus­ge­bau­ten, luf­ti­gen Dach­ge­schoss. Wir befin­den uns in irgendeinem Ber­liner Kiez in ein­em ehe­mals be­setzt­en Haus.

Es beherbergt heute ein großes Wohnprojekt ist und gehört den Bewohnern selbst. Wo viele Köpfe sind, sind auch viele Nationen, Sprachen, Miss­ver­ständ­nis­se, Kon­flik­te, Bles­su­ren.

Worum es geht, kann ich emotional nachvoll­ziehen. Den Kloß im Hals bekom­me ich durch die bewusste Kon­zen­tration auf die Sprech­technik weg. Schreiben werde ich weiter nichts darüber, Inhalte sind Berufs­geheimnis und bleiben vor Ort. Die Er­grif­­fen­­heit im Saal wächst von Mi­nu­te zu Mi­nu­te. Je an­spruchs­vol­ler die Inhalte wer­den, desto ruhi­ger wird mei­ne Stimme. Am Ende das große Versöh­nen. Kaffee­pau­se.

Bevor ich gehe, wird mir ein durchaus schon sehr erwachsener Mensch, der aus dem globalen Süden zu­ge­wan­dert und der des­halb mehr­spra­chig ist, au­gen­zwin­kernd sagen: "Das will ich auch mal können, wenn ich groß bin!"

Ein anderer lässt ein: "Du bist ja viel zu kost­bar für uns profane Groß-WG!" fallen. 

Blaue Passionsblume
... im Garten
Ich antworte, dass alles rich­tig so ist und dass ich manch­mal das Gefühl hätte, zu kost­bar für die Mi­nis­ter zu sein. 
Zu­frie­den trete ich meine Rück­reise quer durch die Stadt an. In einigen Wo­chen geht es weiter, ver­mut­lich dann an einem Werk­­tags­­nach­mit­tag mit etwas weniger Zeit.

Auf der Fahrt nach­hau­se, alle Gefü­­hle aus dem Dach­ge­schoss rau­schen noch­mal richtig durch mich hin­durch, tröste ich mich und bewundere Blumen.

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Fotos: C.E.

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