E-Scooter (etwas aus dem Weg geräumt) |
Ich bin ausreichend sehbehindert, um das als Behinderung zu empfinden. Diese Behinderung wird allerdings nicht anerkannt.
Einen Behindertenausweis bekomme ich nicht, denn dank Hilfsmitteln lebe ich mit Einschränkungen bislang gut damit. Ich bin froh, nur dieses Problem zu haben. Seit der willkürlichen "Privatisierung" mancher Körperteile (es hätte auch das rechte Bein sein können) erstatten die deutschen Kassen keine relevanten Beträge bei Anschaffung der Sehhilfen mehr. Mit minus zwölf Dioptrien und einer Achskrümmung brauche ich High-Tech-Brillen vom Profi, vergessen wir die Existenz von Brillendiscountern. Ohne jährliche Rücklagen von bis zu 1000 Euro wäre ich nicht überlebensfähig, die wilden Tiere auf der Straße, die Autos, hätten mich längst gerissen. (Die Brille kostet 1200, die Ersatzbrille deutlich weniger, Kindergestell, Minigläser; eine passende Sonnenbrille wird auch angeraten. Alle zwei bis drei Jahre ändern sich die Werte. )
Zu altbekannten Lebensrisiken einer solchen Behinderung kommen gerade neue hinzu: Wild abgestellte E-Scooter. Anders als z.B. in Paris oder Brüssel müssen die Teile in Berlin nach Gebrauch in eine gut markierte Ladestationen geparkt werden. Stattdessen bleiben sie irgendwo stehen ... oder auch liegen. Neulich konnte ich zusehen, wie drei Stück aus dem Landwehrkanal gefischt wurden. Aus Marseille sind solche Praktiken auch bekannt.
Was die FAZ als "Rollermikado auf den Gehwegen" beschrieb, stellt für mich eine ernstzunehmende Sturzgefahr dar. Drei Mal hat es mich schon hingeschmissen. Denn nicht immer können wir Fehlseher im Halbdunkel am Boden liegende Roller erkennen.
Daher müsste ich mich eigentlich freuen über den in Berlin laufenden Umbau der Straßenlaternen: früher funzelige Gasflamme, künftig kraftvolle Halogenstrahler. Ein Unheil kommt allerdings selten allein. Hinterher sind die Laternen so hell, dass sie mich blenden. Menschen mit hoher Kurzsichtigkeit sind lichtempfindlich. Die für mich gleißenden Halogenlampen machen helle Punkte, die auf der Netzhaut nach glühen. Bei jedem Lidschlag zum Benetzen des Augapfels habe ich zudem Artefakte, helles Licht wird in die Regenbogenfarben zerlegt, ich sehe tanzende Flecken.
Die Sache mit den Licht-Artefakten kenne ich von manchen Videoprojektoren. Immer wieder musste ich diverse Kinos verlassen, weil ich vom Film zu wenig sah. Kurz: Durch diese E-Laternen sehe ich im Dunkeln weniger als vorher, weil meine Augen sich nicht auf diese Art von Helligkeit und Dunkelheit einstellen können.
Nein, ich möchte nicht künftig keine vierte Brille anschaffen müssen, deren Gläser oben sonnenbrillenartig getönt und unten normal sind. Wegen der starken Kurzsichtigkeit sind meine Brillengläser immer klein, große Gläser wären zu schwer; wer läuft schon gerne mit Flaschenböden im Gesicht durch die Gegend. Ich müsste die Augen zusätzlich nach oben mit einer Schirmmütze schützen. Und für unten bräuchte ich eine Taschenlampe.
Ich stelle mich mir selbst grade vor. Es ist Nacht. Mir begegnet eine Person mit Sonnenbrille, Schirmmütze und Taschenlampe. Hochgradig suspekt. Drei Lösungen: Nur noch mit Begleitung rausgehen, zu Hause bleiben oder einen Blindenstock zum Wegabtasten. Wie sagen Behindertenvereine immer so richtig? Wir sind nicht behindert, wir werden behindert.
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Foto: C.E.
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