Mittwoch, 8. Oktober 2025

Der Wortwolf

Wie Sprach­pro­fis ar­bei­ten, ist im neun­zehn­ten Jahr Ge­gen­stand die­ses Web­logs. Mei­ne Mut­ter­sprache ist Deutsch, ich ar­bei­te meis­tens als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Als Sprach­ar­bei­te­rin­nen ha­ben wir un­ser Ar­beits­ma­te­ri­al im­mer be­son­ders klar im Blick.

Ko­misch, die­se Sprach­po­li­zei. Die­se zwang­haf­te Um­be­nen­ne­rei steht doch für was! Ich ho­le mor­gen mal wie­der das Buch „LTI“ raus dem Re­gal und mei­ne ei­ge­nen Wör­ter­sam­m­lun­gen und Vor­trags­auf­zeich­nun­gen zur DDR-Spra­che.

EU-Verordnung: Uneindeutige Begriffe in den Wortwolf!
Der Wortwolf
Also, mit sehr gro­ßer Mehr­heit hat das EP heu­te die ers­te Stu­fe des Ver­bots von Wör­tern wie Sel­le­rie­sch­nit­zel und To­fu­wurst durch­ge­wun­ken. Kom­plett ga­ga. Als wür­de die Po­li­tik ge­zielt ge­gen Fleisch­ersatz­pro­duk­te und die ge­sünd­es­te Er­näh­rungs­wei­se für die Men­schen und den Glo­bus an­ge­hen wol­len, von de­nen die meis­ten mit ei­ner bis drei Wurst- oder Fleisch­mahl­zei­ten pro Wo­che aus­kom­men wür­den. (Vie­le le­ben ganz oh­ne Fleisch ge­sün­der.)

Statt­des­sen pro­du­ziert die Fleisch­in­du­strie der „ent­wick­el­ten“ Län­der mas­siv Tie­ler­leid, schä­digt das Was­ser, schafft Un­men­gen von Gül­le, setzt Me­than frei, zer­stört den Re­gen­wald usw., kurz: Un­ser Fleisch­kon­sum stellt ein Kli­ma­pro­blem dar, so­gar noch vor Kohle und Öl.

Die Ar­beits­plät­ze der Fleisch­pro­duk­tion sind oft in der le­galen Grau­zo­ne und aus­beu­te­risch, die Ge­sund­heit der Kon­su­men­ten be­fö­r­dern die­se Fleisch­ber­ge auch nicht. Volks­wirt­schaft­lich ist das Zu­viel sehr un­ver­nünf­tig. Eben­so un­ver­nünf­tig wä­re ein Zwang zur Um­be­nen­nung, so­lche Zusatz­kos­ten kön­nen die Preis­kal­ku­la­tion ge­fähr­den, Ver­kaufs­prei­se, Un­ter­neh­mens­bes­tand, Ar­beits­plätze. Das Gan­ze ist also nicht so harm­los und ga­ga, wie es auf den ers­ten Blick er­scheint.

Verpackungen mit "Vurst" und "Šnitzel"
Nicht Fisch, nicht Fleisch
Und es zeugt von man­gel­nder Bil­dung. „Wurst“ be­deu­tet ety­mo­lo­gisch et­was dre­hen, ver­men­gen, rol­len und wen­den, und es stammt aus ei­ner Wei­ter­ent­wick­lung des ger­ma­ni­schen Wor­tes für „Ge­dreh­tes“. „Schnit­zel“ ist ein klei­nes Stück, das von et­was Grö­ße­rem ab­ge­schnit­ten wor­den ist.

Also, lie­be EU, es be­steht drin­gen­der Hand­lungs­bedarf!

Fol­gen­de Be­grif­fe be­in­hal­ten nun wirk­lich nicht, wo­nach sie klin­gen: Ame­ri­ka­ner, Ap­fel­rin­ge, Aus­tern­pil­ze, Ba­by­brei, Ba­by­öl, Ba­by­pu­der, Back­erb­sen, Bär­chen­wurst, Bär­lauch, Baum­ku­chen, Baum­wol­le, Ber­li­ner, Bie­nen­stich, Bier­schin­ken, Blu­to­ran­ge, Boh­nen­kä­se, Cä­sar­sa­lat, Chef­sa­lat, Com­pu­ter­maus, Do­mi­no­stei­ne, Do­nau­wel­le, Earl Grey Tea, Eich­blatt­sa­lat, Ei­er­schwam­merl, En­gels­au­gen, Erbs­wurst, Erd­nuss­but­ter, Ess­pa­pier, Fa­mi­lien­piz­za, Flamm­ku­chen, Fleisch­käse, Fleisch­pflan­zerl, Fleisch­sa­lat, Fleisch­to­ma­te, Fleisch­wolf, Floh­sa­men, Frucht­fleisch, Ge­lée Roya­le, Gän­se­blüm­chen, Glet­scher­eis (Bon­bons), Glet­scher­milch, Gold­bä­ren, Got­ter­spei­se, Gum­mi­bär­chen, Hack­schnit­zel, Hand­käse, Heu­milch, Her­ren­ge­deck, Hirsch­horn­salz, Holz­schnit­zel, Ho­nig­me­lo­ne, Hot Dog, Hüh­ner­au­gen, Hun­de­ku­chen, Hun­de­fut­ter, Hüt­ten­kä­se, Jä­ger­schnit­zel, Kack­wurst, Ka­kao­but­ter, Kal­ter Hund (Ku­chen), Kä­se­schne­cke, Kä­se­ku­chen, Kat­zen­streu, Kat­zen­zun­gen (Scho­ko­la­de), Kid­ney­boh­nen, Kin­der­scho­ko­la­de, Kin­der­wurst, Kirsch­to­ma­ten, Klo­bril­le, Knob­lauch­ze­he, Ko­kos­milch, Kopf­sa­lat, Lachs­schin­ken, La­va­ku­chen, Le­ber­käse, Leb­ku­chen­her­zen, Leip­zi­ger Ler­che, Lö­wen­zahn, Mar­mor­ku­chen, Mar­zi­pan­kar­tof­fel, Maul­bee­re, Maul­ta­sche, Mäu­se­speck, Mee­res­früch­te (Bel­gi­sche), Mett­igel, Milch­glas, Milch­mäu­se, Och­sen­au­gen, Pa­pier­schnit­zel, Pfef­fer­nüs­se, Pfer­de­ap­fel, Piz­za­schne­cken, Re­gen­bo­gen­fo­rel­le, Reh­rü­cken (Ku­chen), Rei­ni­gungs­milch, Rit­ter­sporn, Roll­mops, Ro­si­nen­bom­ber, Ro­te Grüt­ze, Sa­la­therz, Sa­lat­kopf, Schaum­kuss, Scheu­er­milch, Schlumpf­eis, Schnit­zel­jagd, Scho­ko­os­ter­ha­se, Scho­ko­os­te­rei­er, Scho­ko­weih­nachts­mann, Schweins­oh­ren (Ge­bäck), Sei­den­pa­pier, Se­nio­ren­tel­ler, Son­nen­milch, Spa­ghet­ti­eis, Spa­ghet­ti­kür­bis, Stein­pilz, Stern­a­nis, Stu­den­ten­fut­ter, Tee­wurst, To­te Oma (Ku­chen), Über­ra­schungs­ei, Wach­tel­boh­ne, Wä­sche­spin­ne, Wal­nuss, Was­ser­hahn, Wein­brand­boh­nen, Wein­gum­mi, Wind­beu­tel, Wolfs­barsch, Wolfs­milch, Wurst­sa­lat, Zahn­pas­ta, Zu­cker­wat­te, Zimt­schne­cke, Zitro­nen­fal­ter.

Die Men­schen wis­sen ge­nau, was ein ve­ga­nes Schnit­zel ist. Wenn die Fleisch­in­dus­trie ein Ab­satz­prob­lem hat, dann nicht we­gen Fehl­käu­fen. Nicht die Be­grif­fe sind's, die Mas­sen­tier­hal­tung ist das Pro­blem!

______________________________
Bild: Dal­l:e und pixlr (z.T. Zufallsfund)

Keine Kommentare: