Dienstag, 7. Oktober 2025

Epigenetik

Bon­jour und hal­lo auf den Blog­sei­ten ei­ner lang­jäh­rig er­fah­re­nen Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin („se­nior In­ter­pret­er“) mit Mut­ter­spra­che Deutsch so­wie aus dem Eng­li­schen. Ich ar­bei­te als Kon­fe­renz­dol­met­sche­rin in Ber­lin und dort, wo in Eu­ro­pa ich ge­braucht wer­de. So sor­ge ich für Ver­stän­di­gung, wo sie am wich­tigs­ten ist: in Ge­sprä­chen, die Ent­schei­dun­gen prä­gen.

Heute ist ein Lern­tag, wäh­rend die Da­me für die Zah­len ihre Ar­beit auf­ge­nom­men hat. Ich darf de­le­gie­ren, denn mit Zah­len hab’ ich’s nicht so. Ich ler­ne und wie­der­ho­le: bäu­er­li­ches und re­gio­na­les Saat­gut, Saat­gut­ver­bes­se­rung, Er­trä­ge, Bo­den­frucht­bar­keit, Frucht­fol­ge, Ar­ten­viel­falt, ...

1910: Männer auf dem Acker mit passendem Gerät
Beim Land­ver­mes­sen und Feld­we­ge­bau
Mein Ur­groß­va­ter müt­ter­lich­er­seits war „Land­junker“ in Ost­el­bi­en mit Rit­ter­gut und Schloss, Nutz­vieh, Pfer­de­zucht und auch mit vie­len Kin­dern. Als Groß­bau­er hat er ein gan­zes Dorf und sei­ne stu­die­ren­den Kin­der au­ßer­halb ver­sorg­t. Es war das Rit­ter­­gut Po­de­wit­ten bei Weh­lau und Kö­nigs­berg, heute in der rus­si­schen En­kla­ve bei Ka­li­nin­grad ge­le­gen. Vom Gut sind nur noch We­ge üb­rig.

Das Wort „Jun­ker“ klingt heute nach ei­n­em al­le be­herr­schen­den Des­po­ten. Das war nicht im­mer so. His­to­risch wur­den jun­ge Adels­spröss­lin­ge oder Guts­be­sitzer be­son­ders in Ost­preu­ßen „Jun­ker“ ge­nannt (oder sie nann­ten sich selbst so). In den So­zial­käm­pfen des spä­ten 19. Jahr­hun­derts wur­de der Be­griff zu­neh­mend zu ei­ner her­ab­set­zen­den Be­zeich­nung für den kon­ser­va­ti­ven, oft auch mi­li­tä­risch aus­ge­bil­de­ten Land­adel mit ei­nem eng be­grenz­ten Ho­ri­zont.

Ich ha­be Men­schen ken­nen­ge­lernt, de­ren El­tern und Groß­el­tern aus dem Dorf stamm­ten. Den Gut­sherrn hät­ten im­mer alle aufs Höchs­te ge­lobt, hieß es. Das freut die Ur­en­ke­lin, die 30 Jah­re nach sei­nem Tod auf die Welt kam.

Er hat­te ei­nen In­stinkt für die Na­tur. „So­was ver­erbt sich nicht“, hieß es noch vor ei­ni­gen Jahr­zehn­ten. In­zwi­schen sind wir schlau­er. Der „grü­ne Dau­men“ wird wis­sen­schaft­lich Epi­ge­ne­tik ge­nannt. Das Wort be­schreibt die „Le­se­an­wei­sung“ für das Erb­gut, und sie wird über Ge­ne­ra­tio­nen wei­ter­ge­ge­ben und durch Er­fah­run­gen ver­än­dert. (Die Kriegs­angst von Oma und Mum steckt mir so auch „in den Kno­chen“.) Die Epi­ge­ne­tik „ent­schei­det“, wel­che Ge­ne laut wer­den und wel­che schwei­gen.

Kurz: Epi­ge­ne­tik ist die un­sicht­ba­re, in der Fa­mi­lie wei­ter­ge­ge­be­ne Acker­pfleg­an­lei­tung des Erb­guts: Die Um­welt schreibt Rand­no­ti­zen, die ent­schei­den, wel­che Ge­ne auf­blü­hen, wach­sen und ge­dei­hen. Die Grund­hal­tung ha­be ich von der Fa­mi­lie, die Nä­he zu Na­tur­the­men und ei­ne gu­te In­tu­i­ti­on da­zu eben­so. Das ist ähn­lich wie das, was auf ei­nem gro­ßen Hof­gut ge­schieht – das Küm­mern und die Pfle­ge, die Ver­ant­wor­tung da­für, was den Mit­men­schen, den Bö­den, dem Um­feld ge­schieht.

So, wei­ter, ich muss das Wort­feld be­ar­bei­ten ge­hen! Mei­ne Lie­gen­schaf­ten las­sen sich grob zwi­schen Wirt­schaft und Land­wirt­schaft, cul­tu­re et agri­cul­tu­re, ver­or­ten.

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Fo­to: Ar­chiv Elias Los­sow

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