Montag, 27. Oktober 2025

Montagsschreibtisch (113)

Den Ar­beits­all­tag ei­ner Dol­met­scherin fin­den Sie auf die­sen Sei­ten skiz­ziert. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch, ich ar­bei­te über­wie­gend mit Fran­zö­sisch und Eng­lisch, die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Es ist kalt, dun­kel und nass da drau­ßen.

Mon­tag­mor­gen, der Schreib­tisch ruft, vor al­lem der Rück­stän­de et­li­cher Ta­ge der letz­ten Wo­che we­gen, an de­nen nichts mehr ging. 

Eine Frau am Schreibtisch (Schreibmaschine!) vor einer Regalwand mit Unterlagen
Schreib­tisch Ul­la Hof­meis­ter (1928)
Die Er­käl­tungs­sai­son hat bei mir ih­ren Tri­but ge­for­dert, ein grip­pa­ler In­fekt (von der fie­sen Sor­te). Jetzt geht’s ans Hoch­hä­keln der run­ter­ge­fal­le­nen Ma­schen.

Als Ers­tes pla­ne ich am Mor­gen mei­ne Pau­se. Ich lie­be es, mit­tags durch die Stadt zu wan­dern. Seit ges­tern übt der Herbst schon mal, wie ech­tes Schiet­wet­ter geht, um es Nord­deutsch zu sa­gen. Wird es ein Loch in der Wol­ken­de­cke ge­ben?

Der Som­mer war die­ses Jahr be­son­ders schnell vor­bei. Al­so folgt jetzt et­was zwi­schen frei­wil­li­gem Haus­ar­rest, Trau­­rig­keit über feh­len­de Wär­me und der Su­che nach den per­fek­ten Gum­mi­stie­feln. 

Dann sor­tie­re ich den Schreib­tisch für die­se Wo­che:
❦ ei­ne Stu­die zum The­ma PFAS aus­wer­ten (Me­dien­ar­beit)
❦ Über­set­zung Film­ex­po­sé
und na­tür­lich das
❦ Auf­ho­len der Ar­beit aus der Zeit, in der ich grip­pal war.

Zwi­schen­durch stol­pert mein Kopf über die Welt drau­ßen: al­les so­fort, al­les auf­re­gend, bald kommt die nächs­te Kri­se, wird die nächs­te Sau durchs Dorf ge­trie­ben, So­for­tis­mus meets Auf­re­gungs­öko­no­mie, das neue Grund­rau­schen des All­tags. Die ech­ten Sau­e­rei­en ge­sche­hen im Hin­ter­grund. Orange Face hat die Ark­tis zur Öl­er­kun­dung frei­ge­ge­ben.

Noch mehr Müll, Gif­te und CO₂ pla­nen die Herr­schaf­ten. Da­bei ha­ben wir schon jetzt mit vie­len Um­welt­ka­ta­stro­phen pa­ral­lel zu tun. PFAS, die mich die­ser Ta­ge be­schäf­ti­gen, wer­den auch „Ewig­keits­che­mi­ka­lien“ ge­nannt, gel­ten als en­do­kri­ne Dis­rup­to­ren und wur­den be­reits (wie Mi­kro­plas­tik) in der Na­bel­schnur von neu­ge­bo­re­nen Men­schen­kin­dern ge­fun­den.

Be­reits En­de Ju­li die­ses Jah­res hat der In­ter­na­tio­na­le Ge­richts­hof (IGH) mit Sitz in der nie­der­län­di­schen Stadt Den Haag ein Gut­ach­ten ver­öf­fent­licht, in dem er die völ­ker­recht­li­che Ver­pflich­tung der Staa­ten zur Be­käm­p­fung des Kli­ma­wan­dels be­kräf­tig­te. Staa­ten wie die USA, die die­se Ver­pflich­tun­gen jetzt mit Fü­ßen tre­ten, han­deln völ­ker­rechts­wid­rig.

An­de­re Staa­ten, die ge­mein­sam be­schlos­se­ne Kri­te­ri­en der Pa­ri­ser Ver­trä­ge ig­no­rie­ren oder in­fra­ge­stel­len, eben­so.  Es ist be­kannt, dass der­zeit die Selbst­ver­pflich­tun­gen der Staa­ten nicht aus­rei­chen; statt­des­sen be­han­deln im­mer mehr Staats­ober­häup­ter Kli­ma­fra­gen wie die be­rühm­te Kir­sche auf der Tor­te: ver­zicht­bar.

Das Gut­ach­ten hat in­des be­kräf­tigt, dass ei­ne sau­be­re, ge­sun­de Um­welt ein Men­schen­recht ist, und dass an­de­re Staa­ten, die un­ter den Fol­gen be­son­ders lei­den, un­ter be­stimm­ten Be­din­gun­gen von den Haupt­ver­ur­sa­chern für Schä­den ent­schä­digt wer­den müss­ten. 

Hoff­ent­lich wird die­ser Ent­scheid bald na­tio­na­le Ge­richte und in­ter­na­tio­na­le Di­plo­ma­tie er­rei­chen. Auch für Deutsch­land könn­ten sich da­raus Kon­se­quen­zen er­ge­ben. Es ist zu hof­fen, dass die Me­dien, aber auch et­li­che Par­tei­en, die­se Kar­te öf­ter aus­spie­len.

Das Gut­ach­ten ist zwar recht­lich nicht bin­dend, das Ge­richt hat kei­ne Durch­set­zungs­mög­lich­kei­ten, ihm wird aber ei­ne ho­he Si­gnal­wir­kung zu­ge­schrie­ben. Men­schen­rech­te und Um­welt­schutz sind zwei Sei­ten ein- und der­sel­ben Me­dail­le. Hier zum Deut­schen In­sti­tut für Men­schen­rech­te: klick!

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Fo­to: Ar­chiv Eli­as Los­sow

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