Donnerstag, 23. Oktober 2025

Statistiken

Bon­jour, hel­lo und Will­kom­men! Sie le­sen auf den Blog­sei­ten ei­ner Kon­fe­renz­dol­met­scher­in. Hier be­rich­te ich über den All­tag hin­ter den Ku­lis­sen des Dol­met­schens. Über Spra­chen nach­zu­den­ken ge­hört eben­so da­zu wie über un­se­re Zeit.

Schreibtisch, Zeitungen, Vokabelheft
Auf dem Schreibtisch ...
Heu­te ein kur­zer Ein­wurf vom Schreib­tisch. Die Grip­pe­sai­son hat auch mich ge­streift. Für ein fran­zö­sisch­spra­chi­ges Me­di­um durf­ten wir ei­ni­ge Zei­tungs­ar­ti­kel zu­sam­men­fas­sen. Es geht um die ak­tu­el­le De­bat­te über die Wahr­neh­mung von Aus­län­dern, Zu­ge­wan­der­ten und Ge­flüch­te­ten (mit oder oh­ne Auf­ent­halts­sta­tus) in der deut­schen Öf­fent­lich­keit.

Ja, doch, da war ge­ra­de was, es gab ei­nen Kom­men­tar von ganz oben, der eher un­di­plo­ma­tisch war. Da­bei klaf­fen Wahr­neh­mung und Wirk­lich­keit offenbar aus­ein­an­der. Es ist ein be­kann­tes Mitt­el von Po­pu­lis­ten, mit Angst die Ratio aus­zu­schal­ten. Die­se Me­tho­den ha­ben un­se­re Po­li­tik längst ver­gif­tet.

Un­ten ei­ne Aus­wer­tung: Kri­mi­nal­sta­tis­tik ei­ner­seits und der Be­richt­er­stat­tung in den Me­di­en an­derer­seits. Die Kun­din sand­te uns ei­ne per Han­dy „über­tra­ge­ne“ Gra­fik. Sie stammt von der ge­mein­nüt­zi­gen GmbH COR­REC­TIV, die Me­dien kri­tisch be­ob­ach­tet und Inf­or­ma­tio­nen aufbereitet. Im Team ha­ben wir dann über­setzt, uns be­le­sen und nach Hin­ter­grün­den ge­sucht.

Recht akkurat automatisch übertragen
Die Er­ge­bnis­se sind spann­end. Die ver­öf­fent­lich­ten Zah­len bil­den al­ler­dings nur den Be­ginn ju­ris­ti­scher Ver­fah­ren ab, er­fas­sen Fall­da­ten, nicht Ver­ur­tei­lun­gen. Die Un­schulds­ver­mu­tung gilt al­so auch sta­tis­tisch.

Zu­dem fällt ein gan­zer Be­reich durchs Ras­ter: die Fi­nanz­kri­mi­na­li­tät. Fäl­le die­ser Art, et­wa aus dem Um­feld von Steu­er­hin­ter­zie­hung oder kom­ple­xen Fi­nanz­trans­ak­tio­nen, wer­den meist di­rekt an die Staats­an­walt­schaft über­ge­ben und er­schei­nen folg­lich nicht in der all­ge­mei­nen Kri­mi­na­li­täts­sta­tis­tik.

Die Ausgangsgrafik
Ein Blick auf Skan­da­le wie Cum-Ex oder Cum-Cum, erst 2018 be­kannt ge­wor­den, zeigt, dass die­se For­men wirt­schafts­kri­mi­nel­len Han­delns über Jah­re hin­weg we­der aus­rei­chend sank­tio­niert noch struk­tu­rell ver­hin­dert wur­den. Wie um­fas­send bil­den un­se­re Sta­tis­tik­en die Wirk­lich­keit ab?

In An­be­tracht der ho­hen Fall­zah­len von Steu­er­ver­mei­dung und -be­trug durch ge­wis­se in­te­res­sier­te Krei­se zeigt sich, dass die­se white-collar crimes in den Sta­tis­tik­en nicht ab­ge­bil­det schei­nen. Oder ir­re ich mich, und sie sind in­tern?

Und da in Deutsch­land ei­ne in­ter­na­tio­na­le Kli­en­tel ak­tiv ist, Geld­wä­sche, or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät (abgekürzt OK, zu der ich die oben ge­nann­ten Be­trugs­ma­schen durch­aus zäh­len wür­de), wä­re auch hier ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung nach Pass sinn­voll.

Deutsch­land gilt als ein über­re­gu­lier­tes Land in ei­ner über­re­gu­lier­ten EU. Um­so mehr über­rascht es, dass in die­sem Be­reich be­last­ba­re Da­ten zu feh­len schei­nen. Seit 1997 gibt es kei­ne of­fi­zi­el­le Sta­tis­tik mehr über die Ver­mö­gen der Ul­tra­rei­chen, seit die Ver­mö­gens­steu­er aus­ge­setzt wur­de, nach­dem das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVG) die da­ma­li­ge Be­rech­nungs­grund­la­ge als ver­fas­sungs­wid­rig ein­ge­stuft hat­te: Im­mo­bi­li­en wur­den da­mals teils noch nach den Ein­heits­wer­ten von 1936 be­mes­sen, un­ter­schied­lich in Ost und West.

Ein gro­ßer Zeit­sprung in die Ge­gen­wart: Seit dem 1. Ja­nu­ar 2025 gilt in Deutsch­land ei­ne neue Be­wer­tungs­grund­la­ge für Im­mo­bi­li­en­ver­mö­gen. Den­noch ist öf­fent­lich nicht da­von die Re­de, die einst le­dig­lich aus­ge­setz­te Ver­mö­gens­steu­er wie­der zu ak­ti­vie­ren, oder ha­be ich da et­was ver­passt?

Wie hoch dürf­te der fi­nan­zi­el­le Ver­lust für die All­ge­mein­heit in den fast drei Jahr­zehn­ten seit der Aus­set­zung die­ser Steu­er sein? Es ist ho­he Zeit, dass Öko­nom:­in­nen auf Ba­sis der spär­lich ver­füg­ba­ren Da­ten ei­ne Schät­zung wa­gen.

Denn in den öf­fent­li­chen Kas­sen fehlt Geld. Wir müss­ten In­ves­ti­tions­staus über­win­den: Bil­dungs­ein­rich­tun­gen, Stra­ßen, Brü­cken und die Bahn sind ma­ro­de, der so­zia­le Woh­nungs­bau liegt brach, die In­nen­städ­te ster­ben, um nur mit dem Au­gen­schein­li­chen an­zu­fan­gen. Zu die­ser Fest­stel­lung wür­de ich in al­len po­li­ti­schen La­gern Zu­stim­mung er­war­ten. Funk­tio­nie­ren­de Le­bens­grund­la­gen ha­ben kein Par­tei­buch.

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Bild: pixlr.com

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