Donnerstag, 5. Juni 2025

Englisch in der Politik

Was Dol­met­scherin­nen und Über­set­zerin­nen, Dol­met­scher und Über­set­zer um­treibt, wie wir ar­bei­ten, ist hier seit 2007 in lo­ser Fol­ge The­ma. Als Französisch­dol­met­scherin mit Eng­lisch als Drittsprache be­ob­ach­te da­ne­ben un­se­re Zeit sehr ge­nau ... und sor­tie­re ein, aus der Per­spek­ti­ve ei­ner Dol­met­scherin.

Auf Französisch ist mei­ne Stim­me hö­her als im Deut­schen, mei­ne Ges­ten flie­ßen­der und zahl­rei­cher. Auf Eng­lisch klin­ge ich iro­ni­scher, denn ich weiß um die gu­te Aus­spra­che und dass mir zehn Jah­re Eng­land feh­len (ver­gli­chen mit Französisch). 

Kaminsitzecke
Ein ovales Büro in anderer Form
Ein Be­kann­ter, der mal bei der Welt­bank war, hat mich trotz sei­ner in­ter­natio­nalen Er­fah­run­gen ge­fragt: "Du wirkst je­des Mal wie ei­ne an­de­re Per­son. Wel­che Caro­li­ne bist Du?" Al­le und je­de, je nach Si­tua­ti­on.

Die­se Wo­che war der In­zwi­schen-Bun­des­kanz­ler Fried­rich Merz beim An­tritts­be­such in den USA. Er hat sei­ne Auf­ga­be her­vor­ra­gend ge­meis­tert. Das Team im Amt hat sehr ge­nau ana­ly­siert, wie Gäs­te dort be­han­delt wer­den, es wur­de ge­scrip­tet, ge­probt. Ein gro­ßes Bra­vo an al­le!

Schon am Mor­gen sei­ner Rei­se ver­mel­de­ten die deut­schen Me­di­en, man wer­de auf Dol­met­scher ver­zich­ten, da Fried­rich Merz sehr gut Eng­lisch spre­chen wür­de.

Die­ser Vor­teil war of­fen­sicht­lich. Und er wirkt in die­ser Spra­che an­ders. Das Ham­bur­ger Wo­chen­blatt Die Zeit schrieb: "... im Oval Of­fice wirk­te Fried­rich Merz wie aus­ge­wech­selt". Und be­rich­te­te wei­ter, dass der US-Sen­der NPR in Per­son sei­nes Kor­res­pon­den­ten be­fand, dass dies auch mit der Spra­che zu tun ha­be (In­ter­view­e­rin Ali­sa Schel­len­berg). Hier die Sze­ne, um die es geht:

May I say a few words in German?, fragt Fried­rich Merz zwi­schen­durch und wen­det sich über die deut­sche Pres­se ans deut­sche Pu­bli­kum. Erst dann merkt der Gast­ge­ber auf: You speak such a good Eng­lish, is it as good as your Ger­man, would you say?

Dar­auf Merz in gro­ßer Be­schei­den­heit: No, it's not my mother tongue, but I try to understand almost everything and to speak as good as I can.

Der Gast­ge­ber dar­auf: Very good. It's an achieve­ment ac­tual­ly. (*)

Auch die Be­schei­den­heit passt zu den gu­ten Sprach­kennt­nis­sen, denn erst, wenn wir uns ei­nen gu­ten Über­blick über ei­ne Spra­che ver­schaf­fen kön­nen, se­hen und hö­ren wir, was uns al­les an Tie­fen­schär­fe noch fehlt.

Vie­le Men­schen in Po­li­tik und Wirt­schaft über­schät­zen gna­den­los die ei­ge­nen Sprach­kennt­nis­se, oder sie las­sen mit sich aus der Po­si­ti­on der Schwä­che her­aus ge­fal­len, was vor nicht all­zu­lan­ger Zeit dem ukrai­nischen Prä­si­den­ten wi­der­fuhr, denn ihm wur­de ver­mut­lich die Dol­met­scherin ver­wei­gert. Sich per­ver­sen An­grif­fen zu wi­der­set­zen ist in ei­ner Fremd­spra­che un­gleich schwe­rer als in der Mut­ter­spra­che.

Un­se­re Kund:­in­nen be­mer­ken im­mer wie­der, dass sie, auch bei recht gu­ten Fremd­spra­chen­kennt­nis­sen, durch das kon­se­ku­tive Dol­met­schen viel mehr Zeit zum Nach­den­ken hät­ten. Und der frü­he­re Au­ßen­mi­nis­ter Gens­cher brach­te zum The­ma ein wun­der­ba­res Bon­mot, und zwar bei die­ser Ge­le­gen­heit: "Dol­met­schen im Ad­lon": "Auf Eng­lisch sa­ge ich, was ich sa­gen kann, aber in mei­ner Mut­ter­spra­che sa­ge ich, was ich sa­gen will."

Das gilt al­so nicht für den ak­tu­el­len Kanz­ler, den der Gast­ge­ber in sei­nem Grö­ßen­wahn kaum zu Wort kom­men ließ. Was er ge­sagt hat­te, hat al­ler­dings per­fekt, scharf und rich­tig ge­klun­gen. Cha­peau ! Hut ab!

P.S.: Noch ein Zi­tat aus der Zeit: "Trump ist of­fen­sicht­lich kein Mensch, der Ge­duld für Über­set­zer hat, er will di­rekt spre­chen." Leu­te, Leu­te. Ihr meint Dol­met­scher (münd­lich), nicht Über­setzer (schrift­lich). Wenn Ihr's an den Au­gen habt, geht Ihr auch nicht zum Oph­tal­mo­lo­gen.


(*) — Sie spre­chen sehr gut Eng­lisch. Wür­den Sie sa­gen, dass es ge­nau­so gut ist wie Ihr Deutsch? — Nein, es ist nicht mei­ne Mut­ter­spra­che, aber ich ver­su­che, fast al­les zu ver­ste­hen und so gut wie mög­lich zu spre­chen. — Sehr gut. Das ist wirk­lich ei­ne Leis­tung.
______________________________
Il­lus­tra­tion: pixlr.com (Zu­falls­fund)

Keine Kommentare: