Samstag, 1. März 2025

Diplomatisches Fiasko

Hal­lo! Sie ha­ben zu­fäl­lig oder be­wusst ei­ne Sei­te mei­nes di­gi­ta­len Ar­beits­ta­ge­buchs auf­ge­schla­gen. Ich bin Dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin für Po­li­tik, Wirt­schaft und Land­wirt­schaft, Me­di­en, So­zia­les und Kul­tur.

Ei­gent­lich hat­te ich uns ein lang­wei­li­ges Jahr ge­wünscht, wohl ah­nend, dass es da­zu nicht kom­men wür­de.

Gespräch vor Kamin, zwei Männer
Ein Bild für Lehr­bü­cher (ver­frem­det)
Jetzt reiht sich ein his­to­ri­scher Tag an den nächs­ten. Ge­fühlt ist 2025 schon so viel pas­siert wie sonst in ei­nem Jahr ... oder in fünf.
Dass mit "DDT" in Über­see ei­ne tox­i­sche Per­sön­lich­keit an der Macht ist, dürf­te spä­tes­tens jetzt al­len klar sein.

Of­fen­sicht­lich legt er und sei­ne En­tou­ra­ge auch kei­nen Wert auf di­plo­ma­ti­sche Ge­pflo­gen­hei­ten. Auch wenn der ukrai­ni­sche Prä­si­dent durch­aus gut Eng­lisch spricht, so wä­re hier der Ein­satz von Dol­met­scher:in­nen ein Dämp­fer ge­we­sen, hät­te Raum für Be­denk­zeit ge­schaf­fen, Zeit, Mimik und Ge­bär­den zu ana­ly­sie­ren und ei­nen Plan B für die Au­ßen­wir­kung zu ent­wi­ckeln. Hier wur­de ge­gen üb­li­che Ge­pflo­gen­hei­ten ver­sto­ßen. (Beim Tref­fen mit dem fran­zö­si­schen Staats­chef wa­ren Kol­leg:­in­nen an­we­send.)

Das Set­ting war von An­fang an (be­wusst) falsch ge­wählt. Im nicht ganz run­den Büro (ich las­se den Na­men be­wusst weg, um den Tä­tern nicht noch mehr Reich­wei­te zu ver­schaf­fen) wer­den nor­ma­ler­wei­se kei­ne Pres­se­kon­fe­ren­zen ab­ge­hal­ten. In die­sen Raum ha­ben TV-Ka­me­ras ei­gent­lich nur zu zwei Zwe­cken Zu­tritt: für die Auf­zeich­nung von An­spra­chen oder ei­nes kur­zes Hand­shakes, das mehr oder we­ni­ger wort­los ge­schieht. Für Pres­se­kon­fe­ren­zen gibt es ei­nen ge­son­der­ten Raum. Dort wird ver­laut­bart, was im Vor­feld ab­ge­spro­chen wor­den ist.

So läuft die Ent­schei­dung, hier vor der in­ter­na­tio­na­len Pres­se zu ver­han­deln (und sich spä­ter zu strei­ten), von An­fang an den di­plo­ma­ti­schen Ab­läu­fen zu­wi­der. Es sieht aus, als sei al­les so or­ga­ni­siert wor­den, um den Gast mög­lichst stark zu ver­un­si­chern. Auch das un­ge­wöhn­lich hohe Auf­ge­bot an Ver­tre­tern des Gast­ge­ber­lan­des ge­gen­über ei­ner ein­zel­nen Per­son ist auf­fäl­lig: Dass der Vi­ze­prä­si­dent, der Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter und aus­ge­wähl­te Pres­se an­we­send wa­ren, ent­spricht nicht der üb­li­chen Pra­xis.

Wir se­hen hier deut­lich, wohin es führt, wenn ein Land wie ei­ne Fir­ma ge­führt wird, mit ei­nem Chef, der zu­dem ein ver­ur­teil­ter Straf­tä­ter ist und frü­her ei­ne TV-Show mo­de­rier­te, in der es dar­um ging, Men­schen ein­zu­stel­len oder aus­zu­sor­tie­ren. In bester Ma­fia-Ma­nier wur­de hier je­mand ab­ge­kan­zelt, laut­stark ver­bal ge­nö­tigt, kör­per­lich be­drängt. Sol­che Sze­nen sind aus der der west­li­chen Welt noch nie in den Nach­rich­ten zu se­hen ge­we­sen, seit es Fern­se­hen gibt.

"You are fired!" hat DDT nach dem Mee­ting zwar nicht ge­sagt, aber die Welt­öf­fent­lich­keit dürf­te ge­nau das ge­dacht ha­ben, vor al­lem, als er die La­ge am En­de mit "This is going to be great te­le­vi­sion" kom­men­tier­te. Er­schwe­rend kommt hin­zu, dass auch sein Vis-à-vis kei­ne klas­si­sche po­li­ti­sche Kar­rie­re von der Pi­ke auf ge­macht hat, son­dern zu­nächst als Schau­spie­ler vor Ka­me­ras stand. Mit der Här­te in­ter­na­tio­na­ler Po­li­tik war er kon­fron­tiert, als plötz­lich der Nach­bar krie­ge­risch in sein Land ein­fiel.

Als Dol­met­sche­rin wer­te ich nicht, son­dern ha­be ei­ne pri­va­te Mei­nung. Und wenn ich wie­der Zeit ha­be, wer­de ich mir das knapp ein­stün­di­ge Tref­fen in vol­ler Län­ge an­se­hen (Link hier). Wer je­doch S. heu­te für sein Ver­hal­ten kri­ti­siert (wie Tei­le der bür­ger­li­chen Pres­se und ei­ni­ge Po­li­ti­ker), über­sieht, dass T. die un­an­ge­mes­se­ne und völ­lig un­pas­sen­de Si­tua­ti­on erst her­beig­e­führt hat. (Es wirkt wie ein schlech­tes Film­script.)

Und ich stel­le fest, dass hier zu­nächst bran­chen­frem­de Per­so­nen die Rol­le von Po­li­ti­kern über­neh­men und dass sich Po­li­ti­ker, seit TV-De­bat­ten all­abend­lich über die Bild­schir­me flim­mern, im­mer mehr zu Show­fi­gu­ren ent­wi­ckelt ha­ben. Changing times — mit Fol­gen, die sich be­reits er­ah­nen las­sen. Ich hat­te uns ein lang­wei­li­ges Jahr ge­wünscht.

______________________________
Il­lus­tra­ti­on: Pixlr.com

Keine Kommentare: