Freitag, 2. Juli 2010

Der Dolmetscher braucht eine Pause!

— Hier bloggt eine Übersetzerin und Dolmetscherin aus Berlin.

L'autre jour à l'Adlon, ein Früh­stücks­ge­spräch im Hotel mit Wis­sen­schaft­lern, Di­plo­ma­ten und Politikern. Es wird serviert, und in diesem Moment geht das Hin­ter­grund­ge­spräch auch schon los. Zum Glück hatte ich vorher gefrühstückt, denn mit leerem Magen verlasse ich nicht das Haus. Auf meinem Teller liegt ein Croissant, wir besprechen die aktuelle europäische Politik. Der Kellner stellt ein Glas Oran­gen­saft an meinen Platz, wir sind in der deutschen Außenpolitik. Dann kommt der Käse, jeder be­kommt eine eigene, kleine Platte, wir sprechen über deutsche Ge­schich­te. Bei Fleisch-/Wurstwaren schüttele ich den Kopf, wir sprechen über den Euro.

Diplomatisches Frühstück am Pariser Platz
Getränke werden nach­ges­chenkt. Das Gespräch geht in eine lockere Phase, "...auch für un­se­re Dolmetscherin", sagt ein Mann. Er weiß, was ich seit einer Stunde leiste. Normalerweise treten Dolmetscher im Doppel auf und wechseln sich ab, bei Kon­se­ku­tiv­ein­sätzen wird leider oft nur eine Kollegin/ein Kollege einbestellt. Und aus konsekutiv wird hier rasch simultan, denn alle Beteiligten sind es gewohnt, dass jemand leise 'reinspricht'.

Das Pausengespräch dreht sich um den Platz, auf den wir schauen: Bran­den­bur­ger Tor, Krieg(e) und die Zer­stö­run­gen bis hin zum Mauerbau.

Einer beschreibt, was vom alten Hotel Adlon übriggeblieben war; der Rest stand neben der Ruine eines Teils der Akademie der Künste, die heute in den Neubau direkt neben dem Hotel integriert worden sind.

Dann wird Fisch gereicht. Der Platz um meinen Teller wird knapp, mein Ne­ben­sitzer entlastet mich, isst mit gesundem Hunger. Thema: Deutsch-französische Beziehungen. Neues Brot, Bundespräsidentenwahl und Zukunft.

Am Ende kommen die Früchteteller. Wir sind erneut beim deutschen Militär, Ver­än­der­ung der Wehrpflicht, Auslandsaufträge. Die Herren ham wohl alle jedient, mir schwirrt der Kopf. DAS ist ganz bestimmt nicht mein aktives Vokabular.

Nach eindreiviertel Stunden und weil ich weiß, dass gleich noch so ein Gespräch ansteht (mit einer politisch bedeutenderen Person), erlaube ich mir ein Wort in eigener Sache: "Der Dolmetscher braucht eine Pause!"

Die Anwesenden reagieren erstmal mit ungläubigem Staunen à la "wer spricht da"? 'Der Dolmetscher' und die 'Dolmetscherin' ist auf Französisch gleich, l'interprète, also ist nicht gleich klar, dass die Dame am Tisch sich selbst meint. Ach so, Sie brauchen eine Pause! Aber natürlich! Wir haben Sie im Eifer des Gefechts ganz vergessen. 

Wie im diplomatischen Dienst üblich, erfolgt der Aufbruch rasch.

Während ich fotografiere, bringt der Service, diesmal nur für mich, Brot, Käse, Fisch (die hatten das Ganze natürlich beobachtet). Das Croissant vom Anfang liegt unberührt da. Ich habe fünf Minuten zum Essen.

Hätte ich genug Energie gehabt, um selbst noch etwas zu sagen, hätte ich na­tür­lich über Percy Adlon gesprochen, den Filmemacher und Sohn der berühmten Ho­tel­ier­fa­mi­lie. Filmthemen kommen als small talk in allen französischen Ge­sell­schafts­schich­ten gut. Und schon geht's weiter zum nächsten Termin.

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Foto: C.E. (Photoshop-Arbeit wäre noch
nötig ...)

5 Kommentare:

Doro hat gesagt…

Bravouroes beschreiben - so war sicher auch Dein Einsatz! Wie gern haette ich Maeuschen gespielt!
Gruesse, Doro
(immernoch unterwegs, wie Du schon bemerkt hast ;-)

caro_berlin hat gesagt…

Danke für die Blumen :-)

Dabei wollte ich doch eigentlich nur kurz sein. Und viel sagen darf ich ja auch nicht, Berufsgeheimnis. Hm, was war das gleich, das ich nicht erzählen darf? Von welchem Einsatz nochmal?
Grüße and have a safe trip back home (kann ich leider nicht auf Portugiesisch!)
Caro

Anonym hat gesagt…

eine ganz schlimme angeberei ohne ende ist das hier
noch schlimmer sind nur die devot ehrfuerchtigen fankommentare

Ina ohne Blog hat gesagt…

Oha, da hat sich ja ein Oberschlauer gemeldet - oder eine Oberschlaue. Ich finde, Caroline gibt nicht die Bohne an! Sie beschreibt vielmehr sachlich, was wir so erleben - und auch erleiden. Das ist Alltag! Leider reißt immer mehr ein, dass wir allein für Einsätze gebucht werden, bei denen zwei Kollegen/Kolleginnen nötig gewesen wären.

Offenbar scheint der-/diejenige nicht nur zu feige zu sein, hier unter eigenem Namen zu schreiben, sondern auch keinen Plan zu haben von unserem Metier.

Wissen Sie, und jetzt spreche ich Sie doch noch direkt an, was ich erst nicht wollte: Niemand zwingt Sie dazu, dieses Blog zu lesen!

caro_berlin hat gesagt…

Damals gab es keine zweite Kollegin, weil die Treffen zu kurzfristig anberaumt worden waren und niemand verfügbar war.

Beim Wiederholungstermin war mir zugesagt worden: Das machen wir dann ganz anders.

Ein solcher würde nächste Woche stattfinden. Leider galt unser Angebot mit den Honorarsätzen des Auswärtigen Amtes und kleinem Flüsterkoffer als zu hoch.

Ich weiß jetzt auch nicht weiter, wie mit solchen Anfragen zu verfahren ist. Doch, eine Idee habe ich: Meine "Bedienungsanleitung für Dolmetscher" werde ich ergänzen, noch lustiger schreiben und rumschicken.

Das Thema "Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz" sollte auch für Freiberufler gelten.