Samstag, 21. Juni 2025

Drecksarbeit

Im 19. Jahr schrei­be ich hier über mein sprach­be­ton­tes Le­ben, das ich als Fran­zö­sisch­dol­met­scherin und Über­set­ze­rin führe. In der Haupt­stadt ha­be ich mit ak­tu­el­len The­men zu tun. Hier mein kur­zes Wort zum Sams­tag.

Jetzt muss ich doch auch noch dar­über spre­chen, über die­ses Wort, mit dem der deut­sche Kanz­ler Isra­els An­griff auf den Iran be­schreibt, wenn es dar­um geht, dort die Atom­waf­fen­schmie­de still­zu­le­gen, be­vor es zu spät ist.

Der Be­griff „Drecks­ar­beit“, die Is­rael jetzt für uns alle mache, wur­de ihm von der Jour­na­lis­tin im In­ter­view in den Mund ge­legt. Der BK hat hier zu spon­tan und un­be­dacht re­a­giert. Es ist sein ers­tes po­li­ti­sches Füh­rungs­amt ever.

Drehe ich es um. Die Wel­ten­ge­mein­schaft hat die Atom­her­stel­lung zu lan­ge lau­fen las­sen. Auch po­li­ti­sche Mor­de (ali­as „To­des­stra­fe“) und die Ent­rech­tung von Frau­en lässt die Wel­ten­ge­mein­schaft sehr oft un­kom­men­tiert ge­sche­hen. Iran zählt zu je­nen, die An­grif­fe ge­gen Is­ra­el ko­fi­nan­zie­ren, die et­li­chen Geg­nern kon­kret Waf­fen und Brot in die Hän­de ge­ben. Die Wel­ten­ge­mein­schaft hätte also ei­nen gro­ßen Grund ge­habt, ein­zu­grei­fen; Is­ra­el hat­te meh­re­re. Wie es zu dem Be­griff kom­men kann, ist nach­voll­zieh­bar, trotz­dem ist als men­schen­feind­li­cher Duk­tus wie aus der Lingua Ter­tii Im­pe­rii ein­zu­ord­nen (Link).

Ich wün­sche also den Be­tei­lig­ten, mehr Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, und zwar so­wohl in welt­po­li­tischer Sicht, als auch in sprach­li­cher Sicht.

Al­te For­men in Ber­lin-Kreuz­berg
Hätte ich jetzt viel Geld zu in­ves­tie­ren, ich wür­de mich für Un­ter­neh­men en­ga­gie­ren, die die an­ste­hen­de Drecks­ar­beit leis­ten, im ori­gi­nä­ren Wort­sinn. Ich spre­che vom Wie­der­auf­bau. Na­tür­lich bin ich für an­ge­stamm­te Bau­wei­sen. Aber dort, wo viel­leicht schon län­ger der in­ter­natio­na­le „Ren­di­te­stil“ do­mi­niert hat, oh­ne ech­ten Cha­rak­ter, und wo ein Ge­fühl für For­men und Er­gän­zun­gen vor­han­den ist, die iden­ti­täts­stif­ten­des Lo­kal­ko­lo­rit ge­ben, wird hof­fent­lich sehr bald ei­ne neue Me­tho­de ak­tu­ell, die Kriegs­schutt zu le­go­ähn­li­chen Zie­geln ver­ar­bei­tet.

Diese Idee stammt aus Deutsch­land, aus Mainz: Link. (In Aus­tra­lien soll ei­ne Fir­ma zeit­gleich Ähn­liches an­ge­fan­gen ha­ben, fin­de ich im Netz.)

In Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­ten lie­gen ton­nen­wei­se die Res­sour­cen buch­stäb­lich auf der Stra­ße: Schutt. Die­ser Ab­fall kann, und das ist bes­te Kreis­lauf­wirt­schaft, in Pres­sen zu le­go­ar­ti­gen Bau­stei­nen ge­formt wer­den, zu­gleich Low Tech und passt zur de­so­la­ten La­ge in den Ge­bie­ten.

Die Idee ent­stand im Bü­ro des Bau­in­ge­nieurs Al­fons Schwider­ski im Ge­spräch mit ei­nem sy­ri­schen Prak­ti­kan­ten: „Ei­nes Ta­ges bau­en wir Alep­po wie­der auf“, sag­te die­ser. Der Clou: Wo sonst en­er­gie­in­ten­siv­er Ze­ment ein­ge­setzt wird, kann Asche ge­nutzt wer­den. Er­probt wird die Me­tho­de in Deutsch­land und in Ga­za, wo ei­ne NGO in die Er­pro­bung ein­ge­bun­den ist. Die Stei­ne wie­gen rund elf Ki­lo, grei­fen in­ein­an­der. Das Roh­ma­te­ri­al lässt sich mit ein­fa­chen Brech­ma­schi­nen vor­be­han­deln. Selbst mehr­stö­cki­ge Ge­bäu­de können so ent­ste­hen, auch oh­ne Mör­tel.

Lo­kal ge­nutz­tes Ma­te­ri­al, mo­du­lar ver­ar­bei­tet, so lau­tet der Grund­ge­dan­ke. Die deut­sche Ge­sell­schaft für In­ter­natio­nale Zu­sam­men­ar­beit (GIZ) hat sich der Idee an­ge­nom­men. In Ni­ger et­wa un­ter­stütz­te sie den Bau ei­ner Schul­kan­ti­ne mit vor Ort pro­du­zier­ten Lehm­zie­geln. Auch mit Holz wird hier ex­pe­ri­men­tiert. Da­zu gibt es bis­lang nur High-end-Lö­sun­gen mit Mond­holz und me­tall­frei­en Ver­bin­dun­gen.

Wich­tig wä­re hier auch, neue Ab­hän­gig­kei­ten zu ver­mei­den. Pa­tent­freie Ide­en, die sich be­ste­hen­der Tech­nik be­die­nen, könn­ten hier der Gold­stan­dard sein. Ich muss an den Wie­der­auf­bau von Ber­lin den­ken. Hier wur­de der Schutt ein­fach nur weg­ge­schob­en, nach­dem die un­be­schä­dig­ten Zie­gel­stei­ne von Hand raus­ge­sucht wor­den war­en. Die Stadt „ver­dankt“ dem Krieg ei­ni­ge Hü­gel, hier wer­den sie „Ber­ge“ ge­nannt. Das Stadt­zen­trum ge­gen­über dem Ro­ten Rat­haus liegt an­der­thalb Me­ter hö­her als in der Vor­kriegs­zeit, ab­zu­le­sen an den Trep­pen an der Ma­ri­en­kir­che, die einst von ei­nem wun­der­schö­nen Vier­tel um­ge­ben war.

Je äl­ter ich wer­de und je mehr Fo­tos ich vom al­ten Ber­lin ge­se­hen ha­be, des­to un­ver­zeih­li­cher fin­de ich es, dass die Ge­schich­te über­all mit dem Hand­rü­cken weg­ge­wischt und kom­plett Neu­es, oft Häss­li­ches, Kurz­le­bi­ges aus dem Bo­den ge­stampft wur­de. In der Nach­kriegs­zeit lag das am Ma­te­ri­al­man­gel. Nicht aus­zu­den­ken, wo wir heu­te wä­ren, wenn es die­se bahn­bre­chen­de Idee des Bau­ma­te­ri­al­re­cyc­lings da­mals schon ge­ge­ben hät­te. Ich wün­sche, dass wir sie im heu­ti­gen Deutsch­land mas­siv ein­set­zen.

Wenn ich reich wä­re, wür­de ich also dort in­ves­tie­ren. Und ich wür­de Frie­dens­tau­ben züch­ten. Wie das geht? Weiß doch ich nicht! Dol­met­scher:in­nen wis­sen viel, aber auch nicht al­les.

So, jetzt muss ich noch die täg­li­che Me­lio­ra­ti­on in der Woh­nung um­set­zen, dann ler­nen. Wün­sche all­seits ein schö­nes Wo­chen­en­de.

P.S.: Mich hat wiederholt die Fra­ge er­reicht, wie in der Markt­for­schung die Ton­auf­nah­men (Ori­gi­nal­ton, mei­ne Dol­met­schung) tran­skri­biert wer­den. Ich ha­be die Fra­ge wei­ter­ge­reicht und auch in ei­nem Film­ver­band (Dok) ge­stellt. Da­zu gibt es dem­nächst hier ei­nen Blog­post.

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Fo­to: C.E. (Wal­de­mar- Ecke Pück­ler­str.)

2 Kommentare:

Vega hat gesagt…

Guter Einwurf von der Seitenlinie! Allerdings, Deinen Aspekt mit den ästhetischen Elementen finde ich unklar, mach den mal nachvollziehbar. Und hinzu kommt noch der klimaschädliche Aspekt der Baubranche! Derzeit rasseln wir komplett hinein, weil wir eigentlich schon gar nichts mehr ausstoßen dürften. zéro émissions !
Das Klima kippt vor unseren Augen, die Meeresspiegel steigen. Die Folgen werden sehr unschön sein.
Hugs, Bine

Hier nochmal die kurze Übersicht:
- Überflutung niedriger Küstengebiete ( = Lebensraum von ca. 9% der Weltbevölkerung, also etwa 680 Millionen Überflutungs-Migrant:innen in spe;
- zunehmend extremere und häufigere Sturmfluten
- zunehmende Küsten-Erosion
- immer mehr Extremwetterlagen, Hitze, Hochwasser, Erosion, zerstörte Ernten, Hungermigration

Warum verstehen die Leute das nicht? Sie zweifeln doch auch die Schwerkraft nicht an oder dass Wasser ab dem Siedepunkt kocht?

Peter hat gesagt…

The Brits do the same:

https://youtu.be/ihMoxDHvaf8?feature=shared