Montag, 16. Juni 2025

Montagsschreibtisch (94)

Im 19. Jahr be­schrei­be ich hier mei­nen sprach­be­ton­ten All­tag, als Fran­zö­sisch­dol­met­sche­rin und Über­set­ze­rin. In der Haupt­stadt ha­be ich mit ak­tu­el­len The­men zu tun. Das ist nicht im­mer ver­gnü­gungs­steu­er­pflich­tig.

Verschiedene Köpfe, bunte Schöpfe, Brillen, Münder oder auch nicht, Augen oder auch nicht, Hautfarben, Teints, Schlipse oder Westen oder Blusen oder ...
Wir sind das Volk!
Heu­te folgt wie­der mein Blick auf den Schreib­tisch die­ser Wo­che. Es wer­den wie­der vol­le Ta­ge.

Ich be­schäf­ti­ge mich mit fol­gen­den The­men:
❁ Hand­wer­ker:­in­nen und ihre In­ter­es­sens­ver­tre­tung in D'land
❁ Kü­chen­ma­schi­nen (Markt­for­schung)
❁ An­ti-Kor­rup­tions­ge­set­ze der EU und die Stim­mungs­la­ge da­zu in Deutsch­land

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Zum drit­ten Schwer­punkt die­ser Wo­che ei­ni­ge Wor­te. Es wird schmut­zig. Wäh­rend der­zeit in vie­len eu­ro­pä­i­schen Staa­ten neue Maß­nah­men ge­gen Kor­rup­tion auf den Weg ge­bracht wer­den, blo­ckiert die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land im EU-Mi­nis­ter­rat eine ge­plan­te Richt­li­nie zur Kor­rup­tions­be­kämp­fung, die zum Ziel hat, Amts­miss­brauch und an­de­re For­men von Kor­rup­tion EU-weit als Straf­ta­ten zu de­fi­nie­ren und ein­heit­li­che Min­dest­stan­dards dafür zu schaf­fen, wie Staa­ten Kor­rup­tions­ri­si­ken sys­te­ma­tisch ver­hin­dern sol­len.

Made in France ...
Ein­schub: Der fran­zö­si­sche Ex-Prä­si­dent Nico­las Sar­ko­zy ist nicht nur in­zwi­schen ein ver­ur­teil­ter Straf­tä­ter mit Haus­ar­rest, was eine Fuß­fes­sel kon­trol­liert, son­dern ihm wur­den kürz­lich die Aus­zeich­nun­gen der Eh­ren­le­gi­on aber­kannt. Zu­recht, denn wir dür­fen ihn als kor­rup­ten Po­li­ti­ker be­zeich­nen. Im Grun­de müss­ten auch sei­ne Al­ters­be­zü­ge um den An­teil ge­kürzt wer­den, die aus dem letz­ten gro­ßen Amt stam­men. Die Un­gleich­be­hand­lung, Nor­mal­bür­ger wan­dern für we­ni­ger in den Knast, er re­si­diert wei­ter­hin in sei­ner Vil­la, sorgt wei­ter­hin bei vie­len für Un­mut. Ein­schub­en­de.

Rück­sprung nach Deutsch­land. Die ak­tu­el­le Re­gie­rung ver­wei­gert nicht nur Zu­stim­mung zur neu­en Richt­li­nie, son­dern auch die Dis­kus­sion da­zu. Deutsch­land ist das Land, das sich gern als Ver­tei­di­ger rechts­staat­li­cher und de­mo­kra­tischer Prin­zi­pien prä­sen­tiert. In Brüs­sel und Pa­ris schüt­teln sie mit dem Kopf.

Der Fo­kus der ge­plan­ten EU-Richt­li­nie liegt kei­nes­wegs auf re­vo­lu­tio­nä­ren Maß­nah­men, es geht um Grund­le­gen­des: Trans­pa­renz, Nach­voll­zieh­bar­keit und in­sti­tu­tio­nel­le Schutz­me­cha­nis­men ge­gen Macht­miss­brauch. Die ab­leh­nende Hal­tung Deutsch­lands fällt um­so stär­ker ins Ge­wicht, da das Land selbst in den ver­gan­ge­nen Jah­ren im­mer wie­der mit Kor­rup­tions- und Lob­by­skan­da­len kon­fron­tiert war, ich nen­ne nur Mas­ken­deals in den Co­ro­na­jah­ren, en­ge Ver­bin­dun­gen zwi­schen po­li­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­gern und In­dus­trie­ver­tre­tern, um es di­plo­ma­tisch aus­zu­drü­cken.

Feh­len­de Kon­se­quenz bei Ver­stö­ßen
Auch im Be­reich von Steu­er­ver­mei­dung und ‑hin­ter­zie­hung hat Deutsch­land trotz wie­der­hol­ter An­kün­di­gun­gen we­nig un­ter­nom­men, um ef­fek­ti­ve Sank­tio­nen zu eta­blie­ren. Be­son­ders gra­vie­rend sind die Schä­den durch so­ge­nann­te Cum-Cum- und Cum-Ex-Ge­schäf­te. Bei die­sen il­le­ga­len Steu­er­tricks lie­ßen sich Be­tei­lig­te Ka­pi­tal­er­trags­steu­ern mehr­fach vom Fis­kus er­stat­ten, die sie gar nicht ge­zahlt hat­ten. Der Fis­kus sind im Grun­de wir: die Sum­me al­ler, die Steu­ern zah­len.

Laut Re­cher­chen des Tax Jus­tice Net­work und der Platt­form Cor­rec­tiv be­lau­fen sich die durch Cum-Ex/Cum-Cum ver­ur­sach­ten Ver­lus­te in Eu­ro­pa auf min­des­tens 55 Mil­li­ar­den Eu­ro, da­von al­lein über 10 Mil­li­ar­den in Deutsch­land. Die Dun­kel­zif­fer dürf­te deut­lich hö­her lie­gen. Auch das Bun­des­zen­tral­amt für Steu­ern und der Bun­des­rech­nungs­hof kri­ti­sier­ten mehr­fach, dass die recht­li­chen und or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ge­gen­maß­nah­men un­zu­rei­chend sind. Bank­leu­te spre­chen da­von, dass die Mo­del­le in ver­än­der­ter Form bis heu­te lau­fen.

Ein Glaub­wür­dig­keits­pro­blem
Wenn ein Land in­ner­halb der EU An­ti-Kor­rup­tions­maß­nah­men blo­ckiert und gleich­zei­tig bei der Auf­ar­bei­tung wirt­schafts­kri­mi­nel­ler Prak­ti­ken hin­ter­her­hinkt, stellt sich un­wei­ger­lich die Fra­ge nach der po­li­ti­schen Glaub­wür­dig­keit. Es geht da­bei nicht nur um ein­zel­ne Fäl­le, son­dern um struk­tu­rel­le Ver­ant­wor­tung: Wer po­li­ti­sche Äm­ter und öf­fent­li­che Res­sour­cen schützt, muss auch be­reit sein, sich wirk­sa­men Kon­troll­me­cha­nis­men zu un­ter­wer­fen. Das gilt auch für die in­ter­natio­nale Ebe­ne.

De­bat­ten um Rechts­staat­lich­keit dür­fen nicht se­lek­tiv ge­führt wer­den. Ein Land, das Un­garn oder Po­len re­gel­mä­ßig für De­fi­zi­te im Jus­tiz­sys­tem kri­ti­siert, soll­te auch ei­ge­ne De­fi­zi­te be­nenn­en und ab­stel­len.

Fa­zit
Ge­ra­de in Zei­ten glo­ba­ler Kri­sen be­steht die Ge­fahr, dass wich­ti­ge in­nen- und eu­ro­pa­po­li­tische Ent­wick­lun­gen aus dem Blick­feld ge­ra­ten. Doch der Schutz de­mo­kra­tischer In­sti­tu­tio­nen be­ginnt nicht mit spek­ta­ku­lä­ren Skan­da­len, son­dern bei der Be­reit­schaft, grund­le­gen­de, trans­pa­ren­te Stan­dards zu ge­währ­leis­ten. Wer bei der Kor­rup­tions­be­käm­pfung bremst, ris­kiert das Ver­trauen der Be­völ­ke­rung. Er treibt ex­tre­mis­ti­schen Par­tei­en neu­es Wahl­volk zu.

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Il­lus­tra­tion: Pixlr.com (Zu­falls­fund)

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