Hallo, hier können Sie im 19. Jahr Episoden aus dem Arbeitsalltag einer Dolmetscherin mitlesen. Meine Muttersprache ist Deutsch. Vor allem anderen arbeite ich als Französischdolmetscherin, aber auch aus dem Englischen ins Französische und schriftlich ins Deutsche. Kompliziert, ich weiß. Die Bürokollegin übersetzt in die englische Sprache. Heute der letzte Tag für die Wirtschaft, dann folgt die Arbeit für die Politik.
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POV (point of view) dieser Tage |
Draußen ist Sommer, drinnen brummt die Klimaanlage, die wir regelmäßig wieder ausschalten. Auch Mittwoch saß ich im Meinungsumfrage- und Marktforschungstermin.
Es ist anstrengend, der Körper produziert viel Adrenalin. Am Abend werde ich lange brauchen, um wieder zur Ruhe zu kommen.
Nach zwei- bis dreistündigen Einsätzen brauche ich vier Stunden, um die nötige Bettschwere zu haben; nach einem solchen Tag sind es eher acht Stunden, was doof ist, wenn auch am Abend Interviews anberaumt waren.
Diese Arbeit ist aber auch befriedigend, weil es bei mehreren Gruppen Wiederholungen gibt und das Vokabular komplett verfestigt wird. Es geht um Milchprodukte, vegane Produkte, um die industrielle, spritzmittelintensive Landwirtschaft, um Ökolandbau.
Meine Stimme hält gut durch, ich bedanke mich innerlich jedes Mal bei meinen Ausbilder:innen in der Sprecherziehung. Einmal muss ich niesen, die Klimaanlage halt. Ich stehe die halbe Zeit, denn am meisten leidet le derrière, das Dahinten. Die Gesprächspartner:innen auf der anderen Seite können uns wie gesagt nicht sehen, den Gast aus Paris und mich, aber ich werde indirekt vorgestellt. Es wird allerdings nicht gesagt, ob ich eine Frau oder ein Mann bin.
Das Ganze lief einfach so durch mich hindurch wie Wasser durch einen Fluss. Die Wörter und Sätze waren da, der Atem hat gereicht. Der Kraftakt lag allein in der Länge, und der Körper war anschließend leer.
Die Verabschiedungsrunde dolmetsche ich schon nicht mehr, springe am Ende auf wie ein "geölter Blitz", so heißt es, und renne in den restroom, um mich zu erleichtern. Beim Rückweg grüße ich die Interviewgäste am Counter, die gerade ihre Aufwandsentschädigung erhalten und nicht ahnen, dass ich auch an den Gesprächen beteiligt war. Komisches Moment.
Ein Moment, der sich doppelt. Digital sind per Videokonferenz in Paris noch mehr Menschen zugeschaltet, die protokollieren, Ton mitschneiden oder einfach nur zuhören. Am Ende werden die beiden Tonspuren digital transkribiert, hallo KI, und am Ende von Profis abgehört und korrigiert.
Früher hätte da ein großes Team abgetippt, was eine recht stumpfsinnige Arbeit ist. Ich hoffe, dass die Studierenden von heute, denn das war meistens ein Student:innenjob, kreativere Arbeitseinsätze haben, um Geld zu verdienen.
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Foto: C.E.
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