Donnerstag, 19. Juni 2025

Arbeit in der Marktforschung

Hal­lo, hier kön­nen Sie im 19. Jahr Epi­so­den aus dem Ar­beits­all­tag ei­ner Dol­met­scherin mit­le­sen. Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Deutsch. Vor al­lem an­de­ren ar­bei­te ich als Fran­zö­sisch­dol­met­scherin, aber auch aus dem Eng­li­schen ins Fran­zö­si­sche und schrift­lich ins Deut­sche. Kom­pli­ziert, ich weiß. Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt in die eng­li­sche Spra­che. Heu­te der letz­te Tag für die Wirt­schaft, dann folgt die Ar­beit für die Po­li­tik.

Computer mit Lexik, Tasse, Raum im Halbdunkel, gespiegelte Flaschen
POV (point of view) die­ser Ta­ge
Der Raum wirkt reiz­arm. Das ist gut für die Kon­zen­tra­tion. Und die brau­che ich heu­te. Das ein­zi­ge Bun­te hier sind die Ge­trän­ke­fla­schen im Kühl­schrank mit Glas­tür, die sich im One-way screen spie­geln, le miroir sans tain, ei­ner Glas­wand, durch die nur wir aus dem Be­ob­ach­tungs­‚ka­bi­nett‘ hin­durch­se­hen kön­nen. 

Drau­ßen ist Som­mer, drin­nen brummt die Kli­ma­an­la­ge, die wir re­gel­mä­ßig wie­der aus­schal­ten. Auch Mitt­woch saß ich im Mei­nungs­um­fra­ge- und Markt­for­schungs­ter­min.

Es ist an­stren­gend, der Kör­per pro­du­ziert viel Ad­re­na­lin. Am Abend wer­de ich lange brau­chen, um wie­der zur Ru­he zu kom­men.

Nach zwei- bis drei­stün­di­gen Ein­sät­zen brau­che ich vier Stun­den, um die nö­tige Bett­schwe­re zu ha­ben; nach ei­nem sol­chen Tag sind es eher acht Stun­den, was doof ist, wenn auch am Abend In­ter­views an­be­raumt wa­ren.

Die­se Ar­beit ist aber auch be­frie­di­gend, weil es bei meh­re­ren Grup­pen Wie­der­ho­lun­gen gibt und das Vo­ka­bu­lar kom­plett ver­fes­tigt wird. Es geht um Milch­pro­duk­te, ve­ga­ne Pro­duk­te, um die in­dus­tri­el­le, spritz­mit­tel­in­ten­si­ve Land­wirt­schaft, um Öko­land­bau.

Mei­ne Stim­me hält gut durch, ich be­dan­ke mich in­ner­lich je­des Mal bei mei­nen Aus­bil­der:in­nen in der Spre­cher­zie­hung. Ein­mal muss ich nie­sen, die Kli­ma­an­la­ge halt. Ich ste­he die hal­be Zeit, denn am meis­ten lei­det le derrière, das Da­hin­ten. Die Ge­sprächs­part­ner:in­nen auf der an­de­ren Sei­te kön­nen uns wie ge­sagt nicht se­hen, den Gast aus Pa­ris und mich, aber ich wer­de in­di­rekt vor­ge­stellt. Es wird al­ler­dings nicht ge­sagt, ob ich ei­ne Frau oder ein Mann bin.

Das Gan­ze lief ein­fach so durch mich hin­durch wie Was­ser durch ei­nen Fluss. Die Wör­ter und Sät­ze wa­ren da, der Atem hat ge­reicht. Der Kraft­akt lag al­lein in der Län­ge, und der Kör­per war an­schlie­ßend leer.

Die Ver­ab­schie­dungs­run­de dol­met­sche ich schon nicht mehr, sprin­ge am En­de auf wie ein "ge­öl­ter Blitz", so heißt es, und ren­ne in den restroom, um mich zu er­leich­tern. Beim Rück­weg grü­ße ich die In­ter­view­gäs­te am Coun­ter, die ge­ra­de ih­re Auf­wands­ent­schä­di­gung er­hal­ten und nicht ah­nen, dass ich auch an den Ge­sprä­chen be­tei­ligt war. Ko­mi­sches Mo­ment.

Ein Mo­ment, der sich dop­pelt. Di­gi­tal sind per Vi­deo­kon­fe­renz in Pa­ris noch mehr Men­schen zu­ge­schal­tet, die pro­to­kol­lie­ren, Ton mit­schnei­den oder ein­fach nur zu­hö­ren. Am En­de wer­den die bei­den Ton­spu­ren di­gi­tal trans­kri­biert, hal­lo KI, und am En­de von Pro­fis ab­gehört und kor­ri­giert.

Frü­her hät­te da ein gro­ßes Team ab­ge­tippt, was ei­ne recht stumpf­sin­nige Ar­beit ist. Ich hof­fe, dass die Stu­die­ren­den von heu­te, denn das war meis­tens ein Stu­dent:in­nen­job, krea­ti­ve­re Ar­beits­ein­sät­ze ha­ben, um Geld zu ver­die­nen.

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Fo­to: C.E.

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