Bonjour, hier bloggt eine Französischdolmetscherin und
-übersetzerin. Dolmetscher und Übersetzer übertragen mündlich
und/oder sinngetreu, sie planen Reisen, machen Buchhaltung und
helfen Kollegen beim Büromanagement, sie müssen sehr viel
lesen und ständig weiterlernen.
Vor Jahren sagte mal jemand zu mir: „Dolmetscherin, was für ein anspruchsvoller Beruf! Da haben Sie im Studium wohl sehr viel lernen müssen! Aber später können Sie den Lohn für Ihre Mühen einfahren und sich ausruhen!“
Ein geruhsamer Beruf ist diese Dolmetscherei nicht.
Diese Person war höchst überrascht, dass ich weiterhin jeden Tag neue Wörter lerne. Einerseits verändert sich Sprache, entwickelt sich weiter, Modebegriffe tauchen auf und verschwinden oder Wörter, die mit einem Zitat in Zusammenhang stehen, bekommen eine neue Bedeutungsebene. Weitere Lernfelder sind die "Schnacks" bestimmter Gruppen,
also Soziolekte, und irgendwie alle Themenbereiche des Lebens. Wir
Spracharbeiter dürfen buchstäblich alles lesen, was immer wir möchten.
Vor Einsätzen pauken wir Fachbegriffe, von denen wir nicht alle ständig brauchen, Details geraten anschließend in Vergessenheit, werden vor dem nächsten Einsatz wieder aufgefrischt. Was langfristig hängenbleibt, erweitert die Allgemeinbildung.
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Alte Möbel |
Vor drei Wochen ging es um alte Möbel, verzierte Damensekretäre nach französischem Vorbild, die
Bonheur du jour heißen, wörtlich: "Glück des Tages".
Der Begriff bezeichnet aber auch zierliche Schreibtischlein ohne Aufsatz, die in den 1760-er Jahren in Frankreich aufkamen und im 18. Jahrhundert zu den beliebtesten Möbeln überhaupt zählen.
Solche Möbel weisen gerne Intarsien auf. Dieses Wort liest sich für Laienaugen, als wäre es ein Französisches, aber auch hier musste ich erst lernen, dass es nicht irgendwas mit
intars... ist, sondern
l'incrustation heißt, in manchen Fällen auch
la marqueterie, ein Begriff, der auch in Deutschland bekannt ist und, wie Wikipedia im Artikel
"Marketerie" warnt, keinesfalls als Synonym für 'Intarsie' verwendet werden darf. Soviel zum Versuch einer Klarstellung. Um solche "Fallen" muss ich wissen und gegebenenfalls nachfragen.
Gerne wird für diese Holzeinlegearbeiten besonderes Holz verwendet. In einem Fall ist von
acajou moucheté die Rede.
Ich sehe wunderschön rotbraunes Mahagoniholz mit dunklen Flecken, das meint wohl das
moucheté, von
la mouche - die Fliege. Ich suche im Netz nach der Entsprechung. Was da ein Antiquitätenhändler anbietet, ist sicher nicht die Übersetzung, wird hier doch
acajou moucheté mit "mahagonifurnierter Eichenholzkorpus" wiedergegeben (Mahagonifurnier heißt
placage d'acajou).
Auf Englisch geht es schneller, fündig zu werden, und mein Misstrauen der obenstehenden "Übersetzung" gegenüber findet ihre Bestätigung:
Acajou moucheté wird von
Oxford reference als
fiddle-back mahogany geführt, was mich ratlos zurücklässt, ein "Zurückfiedel-Mahagoni"? Ich suche dieses
fiddle-back per Fotosuche und freue mich, dass ich keine Spinnenphobie habe, denn mich springen förmlich Dutzende von nordamerikanischen Braunen Einsiedlerspinnen an. Es sind also tatsächlich die Flecken gemeint.
Ich suche nach einer Bestätigung. Grinsen durfte ich, als ich für das gleiche Holz
plum-pudding mahogany) fand: Dieser "Pflaumenpudding" ist DER englische Weihnachtskuchen schlechthin aus heller Masse mit dunklen Flecken.
Kurz: Fein gemasertes und geflecktes Mahagoni wird auch in deutschsprachigen Fachkreisen schlicht
Acajou moucheté genannt, hier gibt es keine Übersetzung. Das ist auch eine Erkenntnis!
Die Themen der letzten und kommenden Wochen: Menschenrechte, Musikwirtschaft, Wirtschaftsförderung für Startups, Energiedächer, Kryptowährungen und Bergbau. Das Wort
lifelong learning beschreibt unseren Spracharbeiteralltag wunderbar!
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Foto: C.E.