Sonntag, 2. Dezember 2018

Wasser marsch!

Was Über­set­zer und Dol­metscher be­schäf­tigt, können Sie hier mit­lesen. Seit vie­len Jahren be­richte ich über den Beruf und meinen sprach­be­tonten Alltag. Sonn- und feiertags wer­de ich privat: Sonntags­fotos!

Gemaltes Wasser mit Lichtreflexen und Pflanzenschatten
Lichtspiele in Öl und Fensterglas
Am Sonn­abend war es son­nig, am Sonn­tag­abend dafür nicht schon wieder nur werk­tags­grau, sondern nass. Es reg­net in Ber­lin in diesen Ta­gen im­mer wieder. In ande­ren Jahr­zehn­ten hätte das kei­nen Nach­rich­ten­wert gehabt. Aber wir hatten sowas seit Mo­na­ten nicht mehr. Wie schnell man sich an ein bei­na­he regen­loses Le­ben ge­wöh­nen kann. Wo wurden die Re­gen­schir­me gleich noch hin­ge­räumt?

So, das war jetzt mal eine lang­wei­li­ge Ein­lei­tung. Ich habe eine Wet­te verloren, hier­mit ist der dafür zu zahlende Preis ent­richtet. Da­mit Sie mir bei der Stan­ge bleiben, liefere ich alsdann und subito die span­nen­de Ein­lei­tung nach.

Heute geht es um Kör­per­flüs­sig­keiten. Ja, Sex sells! Und um eine Fest­stel­lung: Die Berliner, arm und sexy, sind in der Regel nicht auf den Mund gefallen. Kostet ja die gleiche Miete. Wieso sich lang­wei­len im Leben, wenn es auch unter­halt­sam geht.

Einen Sinn für geist­volle Antwor­ten haben sie hier auch, la répartie auf Fran­zö­sisch, und das färbt ab. Aber auch nur in Gren­zen, was ich gleich be­wei­sen werde.

Regen war das Stich­wort. Im Sprüh­regen stehe ich Sonntag­abend an einer Berliner Am­pel und nie­se. Ein Frem­der: “Ge­sund­heit, junge Frau!” Ich: “Danke! Danke! Er: “Einmal be­dankt reicht oooch!” Ich: “Ein­mal war fürs Ge­sund­heit­sa­gen, einmal für die junge Frau!” Er: „Ich dacht schon, sie bedanken sich fürs Wetta!“, sagt er und grinst mich an. Ich schütt­le mich kurz. Er: „Aba det Wet­ta is doch wun­der­baaa!“ Ja, endlich Regen, denke ich, und schiele durch die Bril­le: „Mit Schei­ben­wi­scher auf den Glä­sern hätte ich mehr davon!“ Er: „Dafür ist der Re­jen wat janz be­son­de­ret! Det is nämlich Engels­schweiß! Schön‘n Abend noch!“

Die Ampel springt auf Grün, er geht vor­aus. Wer das letzte Wort hat, hat in diesem Spiel gewonnen.

Gemalte Figuren auf einem Berliner Stromkasten
Berliner am Wegesrand
Mir fällt darauf nichts mehr ein. Schach­matt schlurfe ich hin­ter­her. Mit meiner Ant­wort würde er nicht viel an­fan­gen können: Dieser reg­ne­ri­sche „Engelsschweiß“ heißt auf Französisch le crachin. Klingt wie cracher, ‚spucken‘. Ist al­so Spuck­regen. Und sein En­gels­schweiß würde über­setzt zu la sueur des anges. Klingt wie­de­rum nach la part des anges.

So heißt der Teil des Weins, der beim Aus­bau im Ei­chen­fass ver­duns­tet. Und so rat­tert mein Hirn und ich kann dem Mann, der sich kurz um­dreht und jo­vial winkt, nichts mehr ent­ge­gen­schleu­dern. Pech ge­habt. Meine Schlag­fer­tig­keit ha­ben die fremd­spra­chi­gen Assoziationen gekapert.

Und wie heißt dieser Re­gen auf Englisch? Um­gangs­­sprach­­lich wohl sprink­ling, miz­zle und mists, me­teo­ro­lo­gisch drizzle, spray, fine rain und spit! Ha, da ha­­ben wir ihn wie­der, den Spuck­­re­gen, denn to spit heißt ja auch spucken. So viele Wör­­ter für eine Sa­­che, das er­zählt seine ei­gene (Wet­ter-)Ge­­schich­te.

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Fotos: C.E./Moritz

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