Mittwoch, 7. November 2018

Generationswechsel

Hier bloggt eine Kon­­fe­­renz­­dol­­met­­sche­rin und Über­­set­ze­rin mit den Ar­beits­­spra­­chen Fran­zö­­sisch, Deutsch und Eng­lisch (das Idiom Shakes­peares in vie­len The­­men­­fel­dern nur als Aus­­gangs­­­spra­­che). Was wir im Alltag leisten, haben wir auf den Bänken der Uni oft nicht bis ins letzte Detail gelernt. Man­ches ver­dan­ken wir trotz­dem der Uni­ver­sität. Aber über­ras­chend anders.

Lampe, Tischuhr, Mini-Eiffeltum
Auf dem Sekretär
Bei einigen un­serer Dau­er­kun­den ist ge­ra­de Ge­nera­tions­wechsel an­gesagt. Wir wer­den gebucht, standen oben auf der Liste der externen Mit­arbei­terinnen, die Über­ga­be hat gut geklappt, die erste Zusam­men­arbeit mit den Neu­en verläuft prima, die Endkunden sind happy. Aber der Ge­ne­ra­tions­wechsel be­deu­tet Mehrarbeit, für das Fin­ger­spitzen­gefühl nötig ist.

Rück­sprung: Anfang der 1990-er warte ich mit einigen jungen Frauen und einem nicht mehr ganz so jungen Mann auf dem Flur einer deutschen Universität. Der Haus­meister kommt, schließt auf. Es ist der erste Tag im neuen Semester. Wir ge­hen in den Raum, alle zusammen. Vorher hatten wir einander vor­sich­tig ge­mus­tert. Wer ist das wohl, den ich da kennen­lernen werde, sind künftige Freun­de da­bei, Leidens­ge­nossen, was wird mir das Se­mester bringen.

Alle sind irgendwie gleichalt, plus oder minus zehn, fünfzehn Jahre, nur der Mann sieht deutlich älter aus. Man­che halten ihn für den Dozen­ten. Eine Stu­dentin sagt zur anderen: "Nein, es ist eine Frau, Madame Elia'!" Sie spricht das S nicht aus, was gram­ma­ti­kalisch korrekt ist. Eigen­namen folgen nicht immer der Gram­matik. Mar­gue­rite Duras wird auch DuraS ausge­sprochen, den Kom­mentar verkneife ich mir. (Noch bin ich Teil der Menge. Und zwei Studen­tinnen werden sich neben dem Mann später als älter als ich heraus­stellen.)

Und dann kommt auch schon der Moment: Wir gehen in den Seminar­raum, alle su­chen sich in den Reihen ihren Sitzplatz, ich nehme vorne Platz. Atme durch. Schaue mich freund­lich um. Lege los: "Bonjour ! Comment allez-vous ?"

Warum ich der erzähle? Die olle Kamelle, an die ich mich noch sehr lebendig er­in­ne­re, ist ja bald 20 Jahre alt. Die Stu­den­tinnen von einst sind längst im Beruf, schicken Sendungslinks und Babyfotos. (Es gab später dann auch mehr Studenten, die sind weniger kommunikativ.) Ich erinnere mich vermutlich heute so genau daran, weil ich dieses Unter­richten sehr bewusst angefangen habe. Als ein Sich-Lösen von der Menge, als Teil der Menge und dann doch eben als diejenige, die vorne Platz nimmt. Für mich waren Studis immer Mitlerner, jüngere Kol­legin­nen und Kol­legen, Men­schen mit Sorgen und Nöten und eben einem Aus­tauschprojekt. Das war und ist meine Grund­haltung.

Die­ser Tage habe ich Leute an der Strippe, die Mitte, Ende 20 sind. (Sie könnten meine Kinder sein.)

Lesesessel als Lehnstuhl und als Liege, der Lampenarm muss mitschwenken
Lesearbeitsplatz: Der Lampenarm muss mitschwenken
Sie sind neu im Job. Sie rufen die Dienst­leisterin an. Ei­gent­l­ich sind sie hier die Che­fin­­nen und Chefs. Ich will ihnen dieses Gefühl nicht neh­men, muss aber, um die Qua­li­tät unserer künf­ti­gen Ar­beit si­cher­stel­len zu kön­nen, vor­sichtig ihr Wissen ab­fra­gen und sie infor­mie­ren. Schulen oder nach­schulen, egal, wie man es for­mu­lieren möchte.

Ich bin wieder die Do­zen­tin. Frage vorsichtig, frage, ob sie einen Moment Zeit ha­ben, steuere das Ge­spräch ein wenig, bringe Witze rein, erzähle von eigenen Un­si­cher­heiten und Fragen.

"Klasse, wie Sie das machen! Vielen Dank für diese Hin­ter­grund­in­for­mationen!", habe ich eben ge­hört. Es ist die dritte Nach­wuchs­kraft dieses Jahr bei diesem guten Kunden, der ein großes Haus dar­stellt. Ich hab aber auch Glück mit meinen Ge­sprächs­partnern, da hat die Per­so­nal­ab­tei­lung gute Arbeit geleistet!
 
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Fotos: C.E. (Die Leselampe ist nicht ideal, denn
ich muss immer eine Schraube drehen!)

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