Mittwoch, 5. Dezember 2018

Er ist on air

Guten Tag oder guten Abend! Sie sind mit­ten in ein Ar­beits­­ta­­ge­buch hinein­­ge­ra­ten, in dem sich al­les um Spra­che, Dol­met­­schen, Über­­setzen und Kult­uren dreht. Als frei­be­ruf­li­che Sprach­­mitt­lerin ar­bei­te ich in Pa­ris, Berlin, München, Cannes und dort, wo Sie mich brauchen.

Der Redner hat uns keinen Text vorab gegeben, wir kennen nur den An­kün­di­gungs­text seines Bei­trags auf einer internen Tagung. Et­liches war direkt auf Eng­lisch disku­tiert worden sein, vieles aber auch auf Deutsch. Es gibt zwei Kabi­nen, die die Sprachen DE, FR und EN bedienen.

"On Air" als Schild bei einem Tonstudio, "er" von einem Ladenschild
Zwei Sprachen, ein Klang (*): air/er
Der Sprecher ist Deutsch-Mut­ter­sprach­ler. Immer wieder rutscht er ins Englische ab, weil er sich zwi­schen­durch auf Eng­lisch mit ei­ni­gen Kollegin­nen und Kollegen unter­halten hat und diese direkt anspricht. Allerdings ist sein Eng­lisch nicht wirk­lich mut­ter­sprach­lich und wir dürfen um die Ecke denken, um mögliche falsche Be­grif­fe in der Ziel­sprache nicht zu verwenden. Manch­mal wissen wir es aber auch nicht sofort, müssen länger zuhören.
Obwohl er mit zwei Sprachen jong­liert, macht er uns nicht die Freu­de, wenigstens langsam zu spre­chen.

Das erhöht den Schwierigkeitsgrad für uns. Wir müssen also immer erst hinhören, welche Sprache er gerade spricht, bevor wir beim deutschen Englisch eigentlich drei Grammatiken parallel denken müssen. Gelegentlich baut er ein Wort aus der anderen Sprache in seine Sätze ein, weil ihm das Gesuchte nicht gleich einfällt.

Das Fotobeispiel ist hingegen vermeintlich einfach: Wir können schlichte Wörter sehen, Einsilber, die wir rasch erfassen, weil sie bekannt sind. Das scheint so schwer nicht zu sein. Wir müs­sen aber kom­plexe Sach­ver­halte rein akus­tisch erfas­sen.

Am Ende sind wir so müde wie nach fünf Rednern. Hier die Gründe:
1. Der Inhalt war für uns free style ohne Vorbereitungsmaterial zu verdolmetschen (unsere Arbeit besteht zum Großteil aus Vorbereitung). Sowas fühlt sich gerne mal wie Arbeitsverhinderung an;
2. Hohes Sprechtempo plus Stolperer plus Nuschelei;
3. Normales Dolmetschen ist ermüdend genug;
4. Die dritte Sprache und Grammatik;
5. Das Ärgern über die Missachtung unserer Arbeit, die wir nicht zulassen dürfen, die wir währenddessen verdrängen müssen, weil wir sonst nicht dolmetschen könnten.

______________________________
Foto: C.E.
(*) ... wenn ein Deutscher spricht ;-)

Keine Kommentare: