Freitag, 30. August 2024

Telefonscam

Wie Dol­met­sche­rin­nen und Dol­met­scher ar­bei­ten, aber auch Über­set­ze­rin­nen und Über­set­zer, be­schrei­be ich hier im 17. Jahr in mei­nem di­gi­ta­len Ta­ge­buch. Es geht um Dol­met­schen (münd­lich) und Über­set­zen (schrift­lich).

Mit­hör­mu­schel an der Rück­seite
Wie Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen ar­bei­ten ist kaum be­kannt, und ja das gilt auch für Dol­met­scher und Über­set­zer, die we­ni­gen Män­ner im Be­ruf. Ne­ben der Sprach­ar­beit müs­sen wir (in der Mehr­zahl) So­lo­selb­st­stän­di­gen al­les sel­ber ma­chen, auch wach­sam sein und uns zu Gefah­ren fort­bil­den. Be­trü­ge­r:in­nen gibt es im Netz an al­len Ecken und En­den.

Vor­hin klin­gelt mein Mo­bil­te­le­fon, auf der an­de­ren Sei­te ist eine Da­me dran mit einer Fest­netz­num­mer aus Kiel. Beim Te­le­fo­nie­ren habe ich die In­ten­tio­nen des Geg­en­übers rasch vor Au­gen, und ich hö­re mir selbst beim Spre­chen zu, ganz so, als wür­de ich in ei­ner Dol­metsch­ka­bi­ne sit­zen. In mei­nem Kopf steckt ei­ne ganz ei­ge­ne Mit­hör­mu­schel.

Da­me: Wir ar­bei­ten für die "Goo­gle-Fir­men­ein­trä­ge". Ich ha­be ge­se­hen, dass Sie ei­nen Fir­men­ein­trag ha­ben. Möch­ten Ih­re Sicht­bar­keit ver­bes­sern?
Ich: Mit wem spre­che ich denn?
Wir ar­bei­ten für die "Goo­gle-Fir­men­ein­trä­ge". Sind sie Frau Eli­as?
Sind Sie von Goo­gle? Ich wuss­te gar nicht, dass Goo­gle in Kiel ei­nen Sitz hat. [Pau­se] Hal­lo? Ha­ben Sie Sich schon vor­ge­stellt?
Ich bin die Frau Mül­ler. Und Sie, sind Sie die Ge­schäfts­füh­re­rin des Un­ter­neh­mens "Dol­met­scher Ber­lin"?
Sie spre­chen mit der Dol­met­sche­rin­, die Sie an­ge­ru­fen ha­ben. Wo­rum geht's denn?
Ich muss das wis­sen, sind Sie die Ge­schäfts­füh­re­rin des Un­ter­neh­mens?
 [Im Be­fehls­ton] Bit­te tra­gen Sie Ihr An­lie­gen vor!
Wir prü­fen die Bran­chen­­ein­trä­ge und sen­den Ih­nen kos­ten­los ein Pro­to­koll da­rü­ber zu mit al­len De­tails, al­so wie Ih­re po­ten­ti­el­len Kun­den Sie se­hen und wie Sie im Ver­gleich zur Kon­kur­renz da­ste­hen. Da­zu er­hal­ten Sie von uns kos­ten­los Tipps und Tricks, wie Sie Ih­ren Web­auf­tritt ver­bes­sern kön­nen. Möch­ten Sie ei­ne kos­ten­lo­se Erst­be­ra­tung, ja oder nein? 
Sen­den Sie mir bit­te ei­ne E-Mail mit Ih­rem An­ge­bot zu.
Wir kön­nen das nicht per Mail ma­chen.
Ach nein? Tja, dann kom­men wir nicht ins Ge­schäft!

Und ich ha­be gruß­los ein­ge­hängt.

Das Ge­spräch dürf­te auf­ge­zeich­net wor­den sein. Of­fen­sicht­lich woll­te die Da­me nur ein Wort von mir hö­ren, und zwar ein Ja. Dann hät­te die Fir­ma ver­mut­lich ir­gend­wel­che an­de­ren Fra­gen da­zwi­schen­ge­schnit­ten und mir ei­ne ge­pfe­fer­te Rech­nung über ei­nen ge­werb­li­chen In­ter­net­ein­trag bei "gel­ben Sei­ten.ai" für 5000 Eu­ro zu­ge­schickt oder ei­ne En­c­yclo­pæ­dia Uni­ver­sa­lis in 24 Bän­den oder ei­nen klei­nen ro­sa Ba­by­ele­fan­ten und dann im­mer mit der an­geb­li­chen Zu­sa­ge am Te­le­fon ge­we­delt, auch vor Ge­richt, "wir ver­wei­sen auf das Te­le­fon­pro­to­koll". 

Ich hat­te in der Si­tua­ti­on auch noch das Pro­blem, dass mei­ne Mut­ter vor mir her­ging und gleich­zei­tig ih­re Fra­gen ge­stell­t hat und ich muss­te klar ant­wor­ten, oh­ne "ja" zu sa­gen.

Das Selb­stän­di­gen­le­ben ist nicht ein­fach!

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Fo­to: C.E. (Archiv)

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