In der Welt der Technik, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz, erleben wir derzeit einen bemerkenswerten Wandel. Die Integration von KI in verschiedenen Branchen wird an immer mehr Stellen forciert. Doch was bedeutet das für unseren Beruf, der zwischen Mundwerk und Kunst angesiedelt ist?
Ein Zug kann einen anderen verdecken |
Es locken schöne Umsätze, sogar dann, wenn die Ersparnis für die Kundschaft "nur" auf ca. 60 Prozent beziffert wird.
Es sei eine zweitägige Veranstaltung gewesen. Schon am Nachmittag des ersten Tages sei im Saal Englisch gesprochen worden, auch von Leuten, die offensichtlich ... nun ja. Französisches Englisch klingt eben anders. Der Veranstalter der Konferenz sei trotzdem nicht zurückgerudert, er habe sich selbst in der Schlussrede für den eigenen Mut, neue technische Wege zu gehen, auf die Schulter geklopft. Auch hier habe der diplomatische Grundton geführte Kritik oder eindeutigen Widerspruch verunmöglicht.
Die Person aus der Technik hat mir dann berichtet, dass bei einer anderen Veranstaltung im Vorfeld mehr IT-ler mit hinzugezogen worden wären, Leute, die versucht hätten, das Setting zu optimieren, sowie einige Praktikanten. Auch hier wurden die Erwartungen nicht erfüllt. Unter dem Strich habe die High Tech-Variante deutlich mehr gekostet, als Dolmetscher die ganze Zeit zu beschäftigen, zumal für eine seltene Sprache und eine Publikumsveranstaltung durchaus Kabinen aufgestellt worden wären. Und die berichtende Person ist ein Mann.
Hier versteckt sich hinter dem einen Thema möglicherweise noch ein anderes, könnte es ähnlich sein wie mit den Zügen in Frankreich.
Geldgier und Scaling vs. Nachhaltigkeit und Profiarbeit
Die Frage, ob die KI dazu technisch und sprachlich überhaupt in der Lage ist, habe ich schon beantwortet: Nein! Jene, die solche "Lösungen" anbieten, sind weder Sprachwissenschaftler noch Dolmetscher:innen, es sind Techniker. (Es gibt wohl die eine oder andere Technikbude, die sich als Feigenblatt einige ältere Kolleg:innen gegönnt haben soll, das weiß ich nur vom Hörensagen.)
Wichtig ist, dass in der Forschung an den Universitäten und bei den großen Entwicklern nie im Fokus stand, die menschliche Arbeitskraft durch Maschinen zu ersetzen. Hier sind die Profis. Sie wussten genau, dass das Setting unrealistisch ist. Und jetzt kommt das Gleiche wie bei der Klimakatastrophe: Die Wissenschaft klärt auf, andere halten sich (lachend) die Ohren zu oder schreien gegen den Wind. Zum Beispiel diese findigen, windigen Technikbuden, die jetzt das Gegenteil behaupten. Sie versuchen, drei unabhängig voneinander entwickelte Systeme hintereinanderzuschalten und es als "ein" Modell zu verkaufen. Wie ist es möglich, dass sie mit ihrer rein technisch qualifizierten Inselmeinung so weit in den Markt eindringen können, selbst beim Beweis der eigenen Unfähigkeit?
Ein Praxisbeispiel
Deshalb hatte ich letzte Woche hier um Erlebnisberichte dazu gebeten. Aus dem geneigten Publikum kamen leider keine Berichte. Als das Telefon geklingelt hat, war eine Person in fester Anstellung aus der Technik dran. Aus verständlichen Gründen steht sie nicht namentlich als Zeugin zur Verfügung und schilderte ein solches Setting so, dass bei einer Konferenz für drei Sprachen im Raum erst zwei, dann fünf IT-Fachleute hinzugezogen wurden, weil es in der Kaffeepause unter der Hand heftige Kritik an der "Übersetzung" gab. (Typisch für solche Veranstaltungen, die Leute äußern sich eher diskret.)
Es sei eine zweitägige Veranstaltung gewesen. Schon am Nachmittag des ersten Tages sei im Saal Englisch gesprochen worden, auch von Leuten, die offensichtlich ... nun ja. Französisches Englisch klingt eben anders. Der Veranstalter der Konferenz sei trotzdem nicht zurückgerudert, er habe sich selbst in der Schlussrede für den eigenen Mut, neue technische Wege zu gehen, auf die Schulter geklopft. Auch hier habe der diplomatische Grundton geführte Kritik oder eindeutigen Widerspruch verunmöglicht.
Die Person aus der Technik hat mir dann berichtet, dass bei einer anderen Veranstaltung im Vorfeld mehr IT-ler mit hinzugezogen worden wären, Leute, die versucht hätten, das Setting zu optimieren, sowie einige Praktikanten. Auch hier wurden die Erwartungen nicht erfüllt. Unter dem Strich habe die High Tech-Variante deutlich mehr gekostet, als Dolmetscher die ganze Zeit zu beschäftigen, zumal für eine seltene Sprache und eine Publikumsveranstaltung durchaus Kabinen aufgestellt worden wären. Und die berichtende Person ist ein Mann.
Das unsichtbare Problem
Bahnübergang in Deutschland |
Die Sprachbranche ist in Deutschland zum überwiegenden Teil weiblich, laut Verband BDÜ zu 80 Prozent (Quelle hier, Stand Juli 2021). Der kurze Blick auf die IT-Welt: 2021 waren in Deutschland ganze 19 Prozent der in der IT-Branche Beschäftigten Frauen (Quelle: www.brainformatik.com, die Daten sollen aus EU-Statistiken stammen, nicht überprüft).
Die Techniknutzung mag manchen Entscheidern sogar Vertrauen einzuflößen. Liegt es nur an der Begeisterung für alles Neue? Ist es nur ein Technikhype?
Oder sind boys networks für manche männliche Auftraggeber schlicht die sympathischeren Teams? Wirken wir (überwiegend Frauen) auf sie zu dominant, wenn wir vor dem Termin mit sanftem Nachdruck Vorbereitungsmaterial einfordern? Oder hat das mit der großen Rolle rückwärts zu tun, die wir in den westlichen Gesellschaften derzeit beobachten müssen, in manchen Ländern wird Abtreibung verboten, während in den asozialen Medien irgendwelche "Influenzerinnen" als "trad wives" Geschlechterverhältnisse wie in den 1950-er Jahren zu feiern scheinen. Sie sehen mich ratlos.
Oder sind boys networks für manche männliche Auftraggeber schlicht die sympathischeren Teams? Wirken wir (überwiegend Frauen) auf sie zu dominant, wenn wir vor dem Termin mit sanftem Nachdruck Vorbereitungsmaterial einfordern? Oder hat das mit der großen Rolle rückwärts zu tun, die wir in den westlichen Gesellschaften derzeit beobachten müssen, in manchen Ländern wird Abtreibung verboten, während in den asozialen Medien irgendwelche "Influenzerinnen" als "trad wives" Geschlechterverhältnisse wie in den 1950-er Jahren zu feiern scheinen. Sie sehen mich ratlos.
Was in der Welt des geschriebenen Worts bereits auffällt, ist dieses Gut-genug-Moment. Man nutze die KI, weil deren Ergebnisse "gut genug" für die Bedürfnisse seien, ist manchmal zu hören, wenn unsereiner jemanden auf grob entstellende Fehler auf mehrsprachigen Webseiten hinweist. Es geht hier wohlgemerkt nicht um Privatseiten, sondern um Firmenauftritte.
Bitte mehr Kontext! Hier ist er!
Wichtig ist hier eine Klarstellung. Durch die Zunahme von Handelsbeziehungen und Tourismus wird jedes Jahr mehr Sprachtransfer gebraucht. Natürlich haben wir Profis nichts dagegen, wenn jemand ohne Dolmetscher im Ausland eine Ferienwohnung bucht oder nach dem Weg fragt. Auch ein Teil der eindeutigen, einfachen Informationen können unter den Augen von Menschen, die sich auskennen und inhaltliche Unstimmigkeiten aufspüren, von der KI übertragen werden. Hier ist neuer Bedarf entstanden, da ist die KI eine neue Lösung (für den bislang auch kein Budget eingeplant war). Und ja, in der Privatnutzung können die "Teile" bei kurzem, eindeutigem Infoaustausch und ohne jeden Zeitdruck, ohne Zweideutigkeiten und alles, was die komplexe Rede ausmacht, einigermaßen bis ordentlich funktionieren. Vor allem aber drohen bei Fehlern hier keine möglicherweise schwerwiegenden Folgen. Dann stehen Berlinbesuche:rinnen eben in der Mauerstraße anstatt in der Bernauer Straße.
Im professionellen Bereich der internationalen Kommunikation aber ist die KI nur ein Werkzeug für Profis, zum Beispiel beim Erstellen und Gegenlesen von Wörterlisten, unseren Lexiken. Es war nie geplant, uns zu ersetzen. Und erst recht nicht, den Wert der menschlichen Arbeit zu entwerten.
Kurzfassung: Der Austausch mit einem Technikanbieter brachte die beunruhigende Beobachtung ans Licht, dass bei manchen Konferenzen bereits großzügig IT-Manpower eingesetzt wird, hier wörtlich zu nehmen, überwiegend männlich, um die anspruchsvollen Aufgaben von uns Dolmetscherinnen, in der Mehrzahl weiblich, zu ersetzen. Dabei werden nicht einmal Mehrkosten gescheut. Die KI-Systeme sind dafür aber nicht gemacht. Sie können zwar gut Vokabellisten erstellen, aber um Sprachen, Feinheiten, Emotionen, Widersprüchlichkeiten von individuell vorgetragenen Inhalten zu übertragen, sind wir Menschen unersetzlich.
Bleiben Sie dran, kommenden Mittwoch geht's mit dem Thema hier weiter.
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Illustration und Foto: C.E.
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