Diese Nähe kommt mir heute unheimlich vor |
Der Kunde bittet um einen Preisnachlass: "Es sind ja nur drei Stunden!" Darauf mein Lieblingssatz: "Sie bezahlen nur die Vorbereitung, wir dolmetschen gratis."
Der stimmt jetzt nicht mehr so ganz seit RSI, wie Ferndolmetschen auch genannt wird, dermaßen um sich greift. Denn für erhöhten Stress ist ein Aufschlag nötig. Im Einsatz bedienen wir zu den üblichen "Knöpfen" hinzu auch noch einen Chat mit der Ko-Kabine. Unsere Teamarbeit ist dadurch erschwert, dass wir eben nicht nebeneinandersitzen und uns mit Blick oder einer Geste verständigen können. Am Vorabend des Events ist ein Technikcheck nötig. Wir alle haben technisch aufgerüstet, was jeden Monat Geld kostet.
Außerdem strengen die akustische Rahmenbedingungen mehr an als das übliche Setting, das schon anstrengend genug ist. Nahezu jede und jeder hat in letzter Zeit an einer Onlinekonferenz teilgenommen und weiß um die größere Ermüdung.
Spricht jemand zu leise, verstärkt das System der Konferenzplattform den Ton automatisch. Allerdings schützt uns hier nicht wie bei normalen Konferenzen ein Tontechniker vor plötzlichen Störungen oder geistesabwesenden Sprechern, die das Mikro falsch ausgerichtet haben und/oder überfallartig mit dem Finger auf dasselbe eindreschen und fragen: "Hören Sie mich?"
Der Konferenzsound wird für die Übertragung erst codiert, dann decodiert, wodurch immer wieder akustische Artefakte entstehen; Echos, Rauschen und Rückkopplungen rechnet das System heraus, überfordert aber damit oft die zu schmale Bandbreite unserer Leitungen und die Leistungsfähigkeit der Consumer-Hardware.
Und wenn Teilnehmende einen älteren Rechner nutzen und nicht einmal zu Kopfhörern mit integriertem Mikrofonen greifen, ist das Ausgangsmaterial so schwierig, dass es auch durch allerfeinste Technik auf Seiten von uns Dolmetschern nicht verbessert werden kann.
Aus diesen Gründen empfiehlt die Branche, dass ein Dolmetschtag per RSI für ein Duo nicht länger als vier Stunden dauern soll. Ab der 5. Stunde soll eine dritte Kollegin/ein dritter Kollege hinzukommen.
Zum Honorar: Üblich sind die normalen Tagessätze plus 25 Prozent wegen des erhöhten technischen Aufwands, der Investitionen und vor allem der erhöhten physischen Belastung durch den komprimierten Ton. Außerdem ist es seelisch anstrengend, jetzt nur noch so wenig kontrollieren zu können.
Last but not least haben wir alle in der letzten Zeit viel Zeit und auch Geld in Fortbildung investiert. Am liebsten arbeiten wir im großen oder kleinen RSI-Hub, einem digitalen Dolmetscharbeitsplatz, mit technischer Betreuung.
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Foto: C.E.
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