Donnerstag, 20. August 2020

COVIDiary (133)

Will­kom­men auf den Sei­­ten des ers­­ten deut­schen Dol­met­scher­blogs aus dem In­ne­ren der Dol­metscherkabine. Gerade schreibe ich vom Büro aus, das seu­chen­be­dingt brachliegt. Durch Co­ro­na verändert sich unsere Arbeit.

Eine Reihe Kaben sowie Empfangsgeräte im Vordergrund
Diese Nähe kommt mir heute unheimlich vor
Anfrage für Ferndolmetschen: Ein Simultaneinsatz, bei dem die Kollegin in Mitte sitzen soll, ver­bun­den wären wir un­­­ter­ein­­­an­der sowie mit den Kun­den coronabedingt übers In­ter­net.
Der Kunde bittet um einen Preis­nach­lass: "Es sind ja nur drei Stunden!" Darauf mein Lieblingssatz: "Sie bezah­len nur die Vor­be­rei­tung, wir dol­met­schen gratis."

Der stimmt jetzt nicht mehr so ganz seit RSI, wie Ferndolmetschen auch genannt wird, dermaßen um sich greift. Denn für erhöhten Stress ist ein Aufschlag nötig. Im Einsatz bedienen wir zu den üblichen "Knöpfen" hinzu auch noch einen Chat mit der Ko-Kabine. Unsere Team­ar­beit ist dadurch er­schwert, dass wir eben nicht ne­ben­ein­an­dersitzen und uns mit Blick oder einer Geste ver­stän­di­gen können. Am Vorabend des Events ist ein Technik­check nötig. Wir alle haben technisch auf­ge­rüstet, was jeden Monat Geld kostet.

Außerdem strengen die akustische Rahmen­be­ding­un­gen mehr an als das übliche Setting, das schon anstrengend genug ist. Nahezu jede und jeder hat in letzter Zeit an einer Onlinekonferenz teilgenommen und weiß um die größere Er­mü­dung.

Spricht jemand zu leise, verstärkt das System der Konferenzplattform den Ton au­to­ma­tisch. Allerdings schützt uns hier nicht wie bei normalen Konfe­renzen ein Ton­techniker vor plötzlichen Störungen oder geistesabwesenden Sprechern, die das Mikro falsch ausgerichtet haben und/oder über­fall­ar­tig mit dem Finger auf das­sel­be ein­dre­schen und fra­gen: "Hören Sie mich?"

Der Konferenzsound wird für die Übertragung erst codiert, dann de­codiert, wo­durch im­mer wieder akustische Artefakte entstehen; Echos, Rauschen und Rück­kopplungen rechnet das System heraus, überfordert aber damit oft die zu schmale Band­breite unserer Leitungen und die Leistungs­fähigkeit der Consumer-Hardware.

Und wenn Teilnehmende einen älteren Rechner nutzen und nicht ein­mal zu Kopf­hö­rern mit integriertem Mikrofonen greifen, ist das Ausgangs­ma­terial so schwie­rig, dass es auch durch allerfeinste Technik auf Seiten von uns Dolmet­schern nicht ver­bes­sert werden kann.

Aus diesen Gründen empfiehlt die Branche, dass ein Dolmetschtag per RSI für ein Duo nicht länger als vier Stun­den dauern soll. Ab der 5. Stunde soll eine dritte Kol­le­gin/ein dritter Kollege hinzukommen.

Zum Honorar: Üblich sind die normalen Tagessätze plus 25 Prozent wegen des er­höh­ten technischen Aufwands, der Investi­tionen und vor allem der erhöhten phy­si­schen Belastung durch den kom­primierten Ton. Außerdem ist es seelisch an­stren­gend, jetzt nur noch so wenig kon­trol­lie­ren zu können.

Last but not least haben wir alle in der letzten Zeit viel Zeit und auch Geld in Fort­bil­dung investiert. Am liebsten arbeiten wir im großen oder kleinen RSI-Hub, ei­nem digitalen Dolmetschar­beitsplatz, mit technischer Betreuung.

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Foto: C.E.

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