Mittwoch, 5. August 2020

COVIDiary (120)

Ob ge­plant oder zu­fäl­lig: Sie le­sen hier im ers­­ten deut­schen Dol­­met­scher­blog aus dem In­neren der Dol­metscherkabine. Gerade schreibe ich vom Büro aus, das seu­chen­bedingt brachliegt. Ich do­ku­men­tie­re hier auch unsere Zeit.

Kinderzeichnungen als Abstandsempfehlung
Gestern durfte ich öffentlich reden, das ging relativ anspannungsfrei. Nor­ma­ler­wei­se fühle ich mich als Kon­fe­renz­dol­metscherin auf dem Gedan­kenpfad einer anderen Person sicherer, dann trage ich nur die Verant­wortung für "meine" Sprach­ver­sion, nicht aber für alles, Inhalt, Form, Art des Vortrags. Und wo ich gerade schon mal am Mi­kro­fon war, entschied die Haus­ge­mein­schaft spontan, dass ich die Mode­ra­tion über­neh­men soll

Meine Nachbarinnen und Nachbarn wissen, dass ich auf Festivals regelmäßig nicht nur dol­met­sche, sondern auch moderiere. Vor Mikros habe ich keine Angst. So ging auch das ziem­lich ent­spannt.

Paketschnur und Foldback-Klammern
Besonders gefallen hat mir gestern und im Vorfeld aber die Arbeit als Kura­torin. Oha, das Wort "Arbeit" ist mal wieder gefal­len. Also richtig viel Arbeit im Sinne von "Auf­wand" war's nicht, schon gar keine im Sin­ne eines bezahlten Einsatzes.

Da ein Immobi­lien­spe­kulant nach unserem Haus greift, sind wir Mieter aktiv und ma­chen auf uns auf­merk­­sam in der Hoff­nung, ein städtisches Wohn­bau­un­ter­nehmen oder eine Genos­senschaft sowie den Ber­li­ner Senat für uns gewin­nen zu kön­nen, da­mit der Bezirk sein Vorkaufs­recht zu­guns­ten eines Dritten umsetzen kann. Hier der Link zu unserer Haus­web­seite: Maybachufer 17.

Die Farbe Rosa ist hier wichtig
Ein solches Verfahren ist möglich, da wir mitten im Mi­lieu­schutz­ge­biet liegen. Zwei Nach­bar­häuser sind bereits vor Jah­ren verkauft worden, da gab es den Milieu­schutz noch nicht. Heute stehen dort viele Wohnungen, gefühlt die Hälfte, die meiste Zeit leer. Als Nachbarin­nen und Nachbarn sehen wir, wo was erleuch­tet und wo auch mal wer zugegen ist.
Dieses Syndrom kenne ich aus Paris, es lässt Städte ver­öden: Anleger kaufen auf­grund schicker Fotos und Wer­be­tex­te, immer mehr Inves­toren ziehen Ferien­ver­mietung ordent­licher Vermietung vor, schon sind Liegen­schaf­ten wie das Doppel­miets­haus neben uns, für normale Wohn­nut­zung verloren.

Passion in der Passionsblume
Da wir alle die Investitionen in die In­fra­struk­tur drumherum be­zahlt haben, wurde bis zur Einführung der Mi­lieu­schutz­re­geln lange das Ver­geu­­den von Volks­ver­mögen geduldet, die Wis­­sen­­schaft spricht von der "Fehlal­lo­kation von Res­sour­cen". Wa­rum sollen Was­ser, Ener­gie, ÖPNV, Bil­dung usw. für immer mehr Geis­ter­häuser in ex­klu­si­ver Lage be­reit­ste­hen? Die Steu­er­­po­li­tik vieler Länder mit lukrativen Ab­schrei­bungs­­mög­­lich­­keiten und die Geld­politik nach der Krise von 2008 ha­ben zu ab­sur­den Situationen geführt.

Zur Ausstellung: Unsere Nachbarin Laura Stromp, überdies auch noch ein mu­si­ka­li­sches Talent, hat im Frühjahr ihren Ab­schluss am Lette-Verein gemacht.

Coronabedingt fiel die damit üblicher­weise verbundene Ausstellung ins Wasser. Wir durften uns glücklich schätzen, dass sie statt­dessen die Blätter als Vorab­prä­sen­ta­tion in unserem Hofgarten gezeigt hat.

Zur Arbeit schreibt der Lette-Verein: "Die Zukunft — vielleicht sogar die Ge­gen­wart? — von Dating und Partnerschaft in virtuellen Welten beschäftigt Laura Stromp in ihrer Arbeit "Origin“. Als erzäh­lerische Tableaus inszeniert sie Figuren in seltsam un­ge­lenker Haltung an hoch­ar­ti­fi­ziel­len Orten. Obwohl physisch anwesend, schei­nen die Personen ihre Aufmerksamkeit ganz auf ihre Existenz in alterna­tiven Rea­li­tä­ten zu konzentrieren. Die Arbeit mit den Models, reale und vir­tu­el­le Lo­ca­tions, die Re­qui­site, das Licht und die Post Pro­duction greifen perfekt in­ein­ander, bre­chen mit unseren Seh­ge­wohn­­heiten und lassen die Gren­zen zwischen Wirk­lich­keit und Virtu­alität verschwimmen." (Sebastian Lux)

Laura hat mit ihrer Arbeit auch den ersten Förderpreis des Berufsverbandes Freie Fotografen und Filmgestalter e.V. gewonnen. Nachträglich herzlichen Glückwunsch zu Studienabschluss und Preis!

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Fotos: C.E. bzw. L.S.

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