Donnerstag, 6. August 2020

COVIDiary (121)

Bonjour, hello, guten Tag. Hier bloggt im 14. Jahr eine Dol­met­sche­rin, übli­­cher­­wei­se mehr­mals die Woche. Das Coronavirus hat aus meinem Blog das COVIDiary gemacht. Trotz Seuche bleiben die drängendsten Probleme bestehen. Es spitzt sich sogar gerade zu. Wir müssen handeln.

Grüne Transition ist der neueste Vorschlag für die Übertragung des englischen Begriffs the transition, der in Fachkreisen für den Übergang in eine nachhaltige Gesellschaft gebraucht wird.

Gesehen in Baden-Württemberg
Verwendet hat ihn Elmar Krieg­ler vom Potsdam-Institut für Klimafol­gen­forschung (PIK) im Deutschland­funk, "Umwelt und Verbraucher", 06.08.2020. Es geht um den Über­gang in ein nachhaltiges Leben, das wir dringend in allen Bereichen brauchen. Résumé: Wir müssen massiv CO2 einsparen, wenn wir die programmierte Katastrophe ein wenig abmildern wollen.

Das ist jetzt keine Überraschung. Überraschend finde ich eher, dass dieses Wissen nur langsam das Verhalten des Homo sapiens ändert. Oft liegt es an der Spra­che. Mancher Fachbegriff sickert nur langsam in den Alltags­wort­schatz ein. Von der Not­wen­digkeit, Gen­trifi­zierung zu "übersetzen", habe ich erst neu­­lich berichtet. (Heute ist das in man­chen Kreisen übrigens noch immer nötig.)

Um Änderungen anzustoßen, brauchen wir Wörter, die allgemeinverständlich be­schreiben, was geschieht und solche, die Auswege aus der Krise anbieten und der drohenden Lähmung Handlungs­mög­lichkeiten entgegensetzen. Menschen lieben Ge­wohn­hei­ten. Wir müssen diese Verhaltens­veränderungen schick machen. Dafür sorgen, dass schädliches Verhalten bald als "unmögliches Tun" empfunden wird.

Die Gesellschaft bewegt sich in Moden fort, hier meine ich "Fortbewegung" durch­aus auch ironisch, nämlich weg vom Eigentlichen. Nehmen wir das Beispiel der Schotter­flächen in Vorgärten, die sogenann­ten Steingärten, in deren Mitte gerne mal eine für Bienen und Insekten komplett irrelevante Thuja oder eine Steinrose in einer Urne thront. Lange galt derlei als schick und pflegeleicht. Dicke Plas­tik­pla­nen unter den Stein­flä­chen verhindern, dass "Unkraut" seinen Weg ins Licht findet. Das Plastik sorgt aber auch dafür, dass kein Regenwasser ablaufen kann und der Boden darunter ver­ödet.

Zäune und Zonen des Grauens
In Baden-Württemberg sind die wüsten Steingarten jetzt ver­boten. Endlich!
Andere Bun­des­­län­der sollten schnellst­mög­lich folgen. Letztes Jahr ist mir auf einer Dreh­reise aufgefallen, auf der ich für ein franzö­sisches Team dol­met­schen durfte, dass in manchen deutschen Regionen gefühlt 50 Prozent der Vor­gärten von Ein­fa­mi­lien­häu­sern geschottert waren.

So sieht es aber auch in der Großstadt aus, in der durch Stürme die meisten alten, großen Bäume verloren gingen, die andren wegen mangelnder Stabilität gefällt wurden. Neulich war ich bei einer Freundin in einer solchen Wohn­gegend von Ber­lin, da reihte sich Sonnen­schirm an Sonnen­schirm, der Asphalt sah vor der Ampel aus wie ein versteinertes Meer, in dem sich Wellen abzeichnen, denn dort, wo die Bäume fehlten, gab der weiche Asphalt der Last der anfahrenden SUVs nach.

Mein Dolmetschsymbol für "Grüne Transition"
In vielen Vorgärten standen keine Buchsbaumhecken mehr als Einfassungen, der Buchs­baum­zünz­ler hat auch hier gewütet. Stattdessen um­gaben die Steinwüsten immer öfter Kirsch­­lor­beer­hecken. Diese Pflanze aus Klein­­asien wächst zwar schön dicht und ist ro­bust, scha­det aber un­se­rem Öko­­system, denn ihre Blätter und Samen sind schäd­lich für Mensch und Tier.

Nur Amseln und andere Drosseln fressen die Beeren prob­lem­los, denn sie zer­kau­en die giftigen Kerne nicht. Kirsch­lorbeer schreckt sogar Mikroben ab, seine Blätter ver­rot­ten deshalb fast nicht im Kompost­haufen.

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Fotos: C.E. (Archiv)

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