Dienstag, 6. September 2011

papivore

Bonjour! Sie sind auf einer Seite des Arbeitstagebuch einer Übersetzerin und Dolmetscherin für die französische Sprache gelandet, die vorwiegend in Berlin, oft aber auch in München, Hamburg, Paris, Cannes oder Marseille für Kunden aus Wirtschaft, Politik und Kultur tätig wird. Hier können Sie Einblicke in die Vielfalt der Sprachmittlerberufe nehmen. Dabei werden die beschriebenen Momente mit größter Sorgfalt so redigiert, dass Arbeitssituation und Auftraggeber nicht mehr erkannt werden können.

Letztens chattete ich mit einem jungen Mann, der in Jena lebt und von dem ich weiß, dass er Dolmetscher werden möchte. Er äußerte nebenbei, dass er ungern lese. Das ist keine gute Voraussetzung für diesen Beruf.

Dolmetscher müssen papivore sein, schönes französisches Wort, analog zu carnivore gebildet, "fleischfressend". Und mit papi- ist weder der "Daddy" noch der auf Französisch le papi heißende "Opi" gemeint, sondern le papier.

Menno!, würde jetzt der weltbeste Patensohn sagen, menno, jetzt hab ich die Pointe vermasselt, denn dieses Wortspiel hätte auch la chute ("Umkehrung", "Ende" und eben auch "Pointe") eines bitterbösen Textes über diverse liebe unlautere Konkurrentinnen auf meinem Weg über Studium, Journalismus und Kulturmanagement hin zum Dolmetschen sein können, die nicht davor zurückschreck(t)en, sich trotz moderner Zeiten zwecks Förderung der eigenen Karriere ... naja, für die andere papivore-Variante entschied, die mit dem sugar daddy. Nun sind die letzten |20| gefühlten zwölf Jahre nicht spurlos an uns vorübergegangen, da sollte die eine oder andere hinzugelernt haben. Mit Entsetzen ließ ich mir indes neulich zutragen, dass wieder ein fesches junges Weib (meiner Generation halt) aus Karrieregründen, hm, nun, die nächste Variante von le papi. Die Generation unserer Väter ist ja zumeist in den Großvaterstand vorgerückt.

Manchmal haben schon die Kleinsten
die Gesten der Alten drauf
Wie Sie sehen/Du siehst, schnitze ich heute meine Sätze weder sprachlich noch grammatisch restlos fertig, die Nebengedanken dürfen sich die Leser selbst machen, und so wäre es auch zu viel verlangt gewesen, dazu ein lustiges, nettes, launisches Textchen zu fabrizieren, das schön stringent und gebildet auf nämliche Pointe zusteuert. Denn bei diesem Thema bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Da bin ich nicht mehr nett und lustig. Demnächst aus der Distanz vielleicht an dieser Stelle mehr über besondere "französische Verführungskünste", die seit DSK (wie die Franzosen Strauss-Kahn immer abkürzen) nicht nur unter französischen Frauen wieder heiß diskutiert werden.

Nein, mein Eintrag heute ist auch kein galliger, blaustrumpfiger Emanzentext, sondern das Verweigern jeglichen Feuilletons in dieser wichtigen Thematik. (Feuilleton bedeutet laut Karl Kraus auf einer Glatze Locken zu drehen, da ist der Opa ja schon wieder!)

Es muss noch mehr Licht ins (gar zu feudale) Dunkel gebracht werden! Und La chute, siehe oben, war übrigens auch der französische Filmtitel für den deutschen Film "Der Untergang". Das mal so nebenbei. Möge dieses alte, auf die Ausnutzung sexueller Unterschiede basierende System bald untergehen!

In der Zwischenzeit fangen wir, und ich spreche jetzt für einige aus sich selbst heraus erfolgreiche Frauen meiner Generation, schon mal mit dem Ändern an, mit einer möglichst nicht geschlechtsorientierten, dafür auf den Werten der Menschenrechte basierenden Erziehung der Söhne und Töchter bzw. der kleinen 'angeliebten Familienmitglieder', getreu dem afrikanischen Sprichwort: Es braucht nur zwei Menschen, um ein Kind zu zeugen, aber ein ganzes Dorf, um es großzuziehen.

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