Samstag, 17. September 2011

Höfliche Dolmetscher

Heute habe ich gleich zwei Links der Woche. Der erste führt zu einer Studie, die vom Wall Street Journal zitiert wird, der zweite zu einem Kongress.

Für interessierte Sprachmenschen, die gerade in Wien sind, hier rasch eine Info, die mich selbst zu spät ereilte (ich wäre sonst hingereist): In der österreichischen Hauptstadt findet derzeit ein Kongress über Dolmetscher und ihre Rolle in Literatur und Film statt. Dazu nächste Woche mehr, dann werte ich Texte aus, die als Ergebnis der den Kongress begleitenden Pressearbeit entstanden sind. Journalisten scheinen im Vorfeld gut mit Infos versorgt worden zu sein, anders als die Zielgruppe außerhalb der österreichischen Grenzen ... (schluchz!)

Hier geht's zur Konferenz und zum Programm
Für die Leser, die jetzt nicht gleich zur Konferenz aufbrechen, hier noch ein Thema, das in der Sommerpause durch verschiedene Blätter rauschte und das diese Woche wieder in Frankreich hochkam: Freundliche Menschen bekommen weniger Geld für die gleiche Arbeit als unfreundliche Menschen.

Den aktuellen Link finde ich nicht mehr online, dafür den Artikel des französischen Magazins L'Express. Dort gab man wieder, dass unfreundliche Männer 18 % mehr Geld für ihre Arbeit bekommen als ihre netten Kollegen, bei Frauen sei der Unterschied nur 5 %. Diese Ergebnisse förderte eine Untersuchung verschiedener nordamerikanischer Universitäten zutage, die über 20 Jahre lang in vier großen Studien die Einkommenssituation von knapp 10.000 Angestellten verschiedener Alters- und Berufsgruppen hinterfragte. Als ein Grund dafür wird genannt, dass "Nettsein nicht unbedingt dem männlichen Image entspricht", so die Autoren dieser Studie, ein freundliches Wesen sei auch an harten Gehaltsverhandlungen hinderlich.

Nicht sehr überraschend, das wusste schon der Stammtisch: Unfreundliche Männer sind tough, unfreundliche Frauen sind Zicken. In anderen Artikeln lese ich, dass harte, raue Charaktere erforderlich seien, um Hierarchien aufrechtzuhalten, um sich am Markt durchzusetzen, um das Beste aus den Mitarbeitern herauszuholen. Jetzt ist dieses 'gefühlte Wissen' also leichter zitierbar.

Einige Fragen blieben für mich offen: Liegt der geringere Gehaltsunterschied bei Frauen nun daran, dass von Frauen eher eine umgängliche Art erwartet wird, oder vielleicht auch daran, dass Frauen im Durchschnitt weniger Geld bekommen als Männer, dass der "Spielraum nach unten" damit geringer ist? Wird von weiblichen Managern mehr Härte und mangelnde Freundlichkeit verlangt? Wie sind die Unterschiede nach Berufsgruppen sortiert?

Und wie gehe ich damit als Dolmetscherin um, wenn ich in Honorarverhandlungen allein "meinen Mann stehen" muss? Ich übe mich weiter darin, tough und freundlich zugleich zu sein. Nicht einfach ist es für mich, dass ich oft Hierarchien gegenüberstehe, die ich als Freiberuflerin nicht kenne und verstehe.

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Die ganze Studie wurde im Journal of Personality
and Social Psychology veröffentlicht (wie oft bei
amerikanischen wissenschaftlichen Texten nur
im Bezahlbereich zu lesen. Muss ich mal machen ...)
Hier der Bericht im Wall Street Journal.

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