Montag, 26. September 2011

Hobby?

Willkommen auf der Seite eines Arbeitstagebuchs. Hier schreibt eine Übersetzerin und Dolmetscherin für die französische Sprache, und zwar über bemerkenswerte Augenblicke der Arbeit ebenso wie über wiederkehrende Momente des Alltags, die vielleicht nicht so viel Spaß machen, das Ganze stets unter Wahrung dienstlicher Geheimnisse.


Ist schon mal jemand auf die Frage gekommen, beim Steakkaufen den Metzger zu fragen, ob er gerne arbeitet? Ob es ihm großen Spaß macht? Eine Lebensaufgabe ist? Oder hat schon mal einer einen Anwalt gefragt, ob er nicht vielleicht in der Freizeit seinen Beruf auch als Hobby ausüben möchte (aber bitte 2,5 Tage lang, von 10.00 bis 16.00 Uhr, von 9.00 bis 15.00 Uhr und von 9.00 bis 13.00 Uhr)?

Absurde Fragen. Wir Dolmetscher und Übersetzer hören sie oft. Gerne auch im Zusammenhang mit: "Ist ein spannendes Thema!" oder: "Sie können dann auch ABC (irgendeinen berühmten Star) kennenlernen!" Anwalt oder Metzger werden nicht um kostenlose (oder beinahe kostenlose) Dienstleistungen geben.

Oder den da: "Wir sind ein Kulturverein mit sozialem Engagement, und uns gibt's erst seit fünf Jahren. Wir veranstalten zum ersten Mal einen Kongress und sind selbst überrascht, wie viele Ministerien uns dabei helfen wollen. Wir konnten durch die Förderung sogar den kleinen Kongress um einen weiteren Tag verlängern. Leider reicht das Geld nur für die Panelgäste, ihre Reise und Unterbringung. Dummerweise haben wir vergessen, Dolmetscher zu kalkulieren. Könnten Sie nicht für ein Drittel des Sonstigen kommen? Sie haben doch eben erst zum Thema was für die Zeitung XYZ übersetzt, Sie sind doch eingearbeitet?"

Die Bemerkung stimmte. Ich finde es nach wie vor bemerkenswert, wie genau die Arbeitsbiographien der potentiellen Dolmetscher studiert worden sind. Doch wäre auch diese Konferenz nicht ohne ernsthafte Vorbereitung zu stemmen gewesen. Das Hauptproblem: Die Konferenz findet an 2,5 Tagen in der Hauptsaison des Debattiergewerbes statt. Für den Zeitraum habe ich bereits zwei weitere Anfragen.

Schick sind auch die staatlich finanzierten Einrichtungen, die einen "Freundschaftstarif" erbitten — "... und außerdem machst Du das doch mit links, Du beschäftigst Dich doch in Deiner Freizeit intensiv mit dem Thema!" — und einen danach nicht mehr kennen.

Eine Kollegin antwortet ganz schlicht auf Fragen, die mit: "... und wir haben kein Geld" enden: "Und ich bin nicht das Sozialamt, ich muss meine Miete auch zahlen!"

Zum Glück sind das Ausnahmen, aber sie kommen leider oft genug vor, um hier Erwähnung zu finden.

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Illustrationen: Archiv

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