Freitag, 7. Juni 2024

Betonung und Kontext

Bien­venue im di­gi­ta­len Log­buch ei­ner Sprach­ar­bei­te­rin. Was Dol­met­scher und Über­set­zer (und Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen) ma­chen, wie sie bzw. wir ar­bei­ten, be­schrei­be ich hier. Fran­zö­sisch ist mei­ne zwei­te Ar­beits­spra­che, Film mei­ne "drit­te" Spra­che, und da­ne­ben wird das Eng­li­sche im­mer wich­ti­ger. 

Absperrung, Straße, Baustelle
"Die Bau­stel­le bit­te um­fáh­ren!"
Zen­tral ist auch die stän­di­ge Be­schäf­ti­gung mit der manch­mal kom­pli­zier­ten Mut­ter­spra­che.

Es gibt Wör­ter im Deut­schen, die je nach Be­to­nung un­ter­schied­li­che Be­deu­tun­gen ha­ben. Bei­spie­le: Nie­mand darf die im Dorf frei­lau­fen­den Hüh­ner um­fah­ren. Der his­to­ri­sche Orts­kern ist ab­ge­sperrt, sie müs­sen ihn um­fah­ren. Hüh­ner nicht úm­fah­ren; den Orts­kern bit­te um­fáh­ren.

Der Ar­ti­kel ist nicht ge­lun­gen, Du musst ihn um­schrei­ben. Dei­ne Er­war­tun­gen kennst du noch nicht ge­nau, könntest du sie bit­te ein­mal grob um­schrei­ben? Ei­nen Ar­ti­kel úm­schrei­ben; die Er­war­tun­gen um­schr[éí]ben. (In ecki­gen Klam­mern steht nor­ma­ler­wei­se die Laut­schrift, [ʊmʃʁaɪ̯bən], hier "ei" in ecki­gen Klam­mern ge­setzt, um es her­vor­zu­he­ben.)

Mir fällt noch ein drit­tes Bei­spiel ein, bei dem aber ein- und das­sel­be Wort ge­gen­sätz­li­che Be­deu­tun­gen hat, al­ler­dings kann ich es nicht durch un­ter­schied­li­che Be­to­nun­gen un­ter­schei­den. Es sind die be­rühm­ten Un­tie­fen: Ein klei­ner Teich mit we­ni­gen Un­tie­fen. Oder: Der Fluss birgt na­tür­li­che Ge­fah­ren und Un­tie­fen, die le­bens­ge­fähr­lich wer­den kön­nen. Hier ist nicht die Be­to­nung ent­schei­dend, son­dern der Kon­text.

Auch sowas "kann" die KI nicht. Man­che er­war­ten, dass vie­le Wör­ter ver­schwin­den werden, dasss Kul­tur, Bil­dung, Dif­fe­ren­ziert­heit und Tie­fe ab­neh­men wer­den, weil sich die Men­schen an die Mit­tel­mä­ßig­keit der Ma­schi­nen an­pas­sen. Se­hen sie die Zu­kunft zu schwarz?

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Fo­to: C.E. (De­zem­ber 2020)

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