Freitag, 14. Juni 2024

Schnack-Snack (3)

Wie Über­set­zerin­nen und Dol­met­scherin­nen ar­bei­ten, aber auch Über­set­zer und Dol­met­scher, er­fah­ren Sie auf die­sen Sei­ten. Ich bin als Deutsch-Mut­ter­sprach­le­rin mit Zweit­spra­che Fran­zö­sisch Teil ei­nes in­ter­na­tio­na­len Netz­werks. Die Bü­ro­kol­le­gin über­setzt ins Eng­li­sche. Als Lin­gu­is­tin ha­be ich im­mer ein Au­ge auf die Wör­ter.

"Wir wer­den am En­de des Ta­ges das gro­ße Bild ha­ben." Ja, ge­nau, am En­de des Vor­gangs wis­sen wir, wo­ran wir sind.

"Da ha­ben Sie ei­nen Punkt!" Wo ist er? Hab' ich Far­be auf der Na­se? Ich strei­che ge­ra­de die Kü­che. Ach, Sie mein­ten, dass ich recht ha­be? Pri­ma!

"Mit dem Vor­schlag bin ich fein." Gut, dann kön­nen wir ja wei­ter­ma­chen, wenn auch Sie ein­ver­stan­den sind.

Mit "Dep­pen-Apostroph"
"Nach ei­ner ent­spre­chen­den An­kün­di­gung am Diens­tag hat X an­ge­fan­gen, die Än­de­rung aus­zu­rol­len." Schön, dass X, frü­her be­kannt als Twit­ter (for­mer­ly known as ... = das frü­her Twit­ter hieß), ei­nen Neu­en Tep­pich be­kommt und sein Wohn­zim­mer auf­hübscht.

Gut, gut, ich weiß, Spra­che än­dert sich, ent­wi­ckelt sich wei­ter, es ka­men und kom­men Wör­ter von all­über­all her in un­se­re Spra­che, Neo­lo­gis­men, nicht nur "in 2024" (bes­ser: im Jahr 2024, die­ses Jahr).

Aber wenn die Ho­no­ra­re in der Syn­chron­bran­che ins Bo­den­lo­se ge­drückt wer­den und die Sät­ze der frei­en Mit­ar­bei­ter:in­nen in den Me­dien ist klar, dass sol­chen Ent­wi­ck­lun­gen da­mit Vor­schub ge­leis­tet wird. (Oder aber schlicht, weil ei­ne fest­an­ge­stell­te Re­dak­teu­rin/ein fest­an­ge­stell­ter Re­dak­teur es ei­lig hat­te oder denk­faul war.)

Die ur­sprüng­li­chen Be­grif­fe sind nicht alt­mo­disch oder ver­staubt, son­dern ge­ra­ten lei­der in un­se­rer Epo­che, in der DEng­lish do­mi­niert, ins Hin­ter­tref­fen. Wir brau­chen Na­tur­schutz für Wör­ter.

Tipp ei­ner Kol­le­gin für roll out: "flä­chen­de­ckend um­set­zen".

Der ei­gent­li­che Auf­re­ger des Spie­gel-Bei­trags ist aber ein ganz an­de­rer: Der Chef von X gibt vor, die Pri­vat­sphä­re der Nut­zer:in­nen zu schüt­zen und än­dert die Ein­stel­lun­gen so, dass z.B. bei Li­kes nicht mehr er­kenn­bar ist, wem da was ge­fällt. Bis­lang war die Ur­he­ber­schaft von Mar­kie­run­gen sicht­bar. In Zei­ten, wo Het­ze im Netz und ge­kauf­te Klicks von Bots ein Pro­blem sind, ist das ei­ne fa­ta­le Ent­schei­dung, die X wei­ter schwä­chen wird.

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Il­lus­tra­ti­on: Dall:e, im Stil von Henri Ma­tis­se

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