Gleich kommen sie! |
Weder die Tischdecke noch die Stoffservietten in den Silberringen waren gebügelt. Dafür kam später noch ein kleiner, verschwitzter Wiesenblumenstrauß (Mitbringsel) auf die Tafel. (Es ist der hier erwähnte englische Gateleg Table).
Die Ladies sind im Kindergartenalter. Fine Dining für eine Zweieinhalb- und eine Fünfjährige? Haben Mémé Hélène und Tata Laline noch alle Porzellantässchen im Buffet?
Haben sie. Fine Dining gilt als außergewöhnliches Erlebnis, ein besonderes Ambiente, exklusive Speisen und hervorragenden Service, so finde ich es im Internet beschrieben, Zitat: "Der Gast darf sich auf eine individuelle Menüfolge und Getränke freuen, die optimal aufeinander abgestimmt sind und schon bei der Präsentation für Bewunderung sorgen."
So war es denn auch. Die Mädchen, die manchmal abends, wenn sie zuhause essen, einen "lauten Krakeel anstimmen", so hätte es ihr Opa gesagt, wir hören sie von Küchenbalkon zu Küchenbalkon, entpuppten sich als junge Damen. Vorführeffekt! Sie waren das, was früher wohl "gesittet" genannt worden wäre, außerdem sehr aufmerksam, was die Speisen anging. Die Große hat nach dem Rezept der Salatsoße gefragt, denn wir kochen mitunter gemeinsam (Leinöl, Himbeeressig und Feigensenf, frisch gehackte Kräuter und Gartengemüsesalz (*)).
Los geht's mit dem Apéritif und Gemüsestics mit Dip. Die Kleine möchte dann keinen grünen Salat haben. Sie fragt sogleich nach dem Hauptgang. Darauf ich: "Wenn du keinen Salat essen möchtest, dann überspringst du diesen Gang einfach. Warte bitte kurz auf uns, wir essen dann alle gemeinsam den Hauptgang." Und sie legt selbst Messer und Gabel quer über den Teller und wartet ruhig.
Wir sitzen unter den Ahnenbildern aus dem Biedermeier und betreiben Tischkonversation, kleine lustige Kindergartenanekdoten. Es ist lustig.
Später zerdrückt die Große ihre Erdäpfel mit der Gabel. Ich lobe sie dafür. Sie fragt nach dem Grund, weshalb Kartoffeln nicht mit dem Messer geschnitten werden sollen. Früher ist das Besteck beim Kontakt mit Stärke, Säure oder Eiweiß angelaufen, so entstand diese Benimmregel, die heute offiziell nicht mehr gilt, deren Kenntnis aber zu den 'geheimen Codes' zählt. Was für Kartoffeln gilt, gilt übrigens auch für Klöße.
Und ich erzähle, natürlich stark vereinfacht, den Mädchen die Geschichte, als einer ihrer Urgroßonkel vor langer, langer Zeit mal, es war im Krieg, zu Heiligabend im Ausland als einziger Gast im Offizierscasino saß, das eigentlich ein sehr gutes Hotel war, und Gänsebraten mit Klößen aß. Mein Vater hat die Szene beschrieben: "Da trat der Direktor des Etablissements an seinen Tisch und sagte: Ich habe Sie beobachtet. Sie sind der einzige der Herren, die hier essen, der den Kloß reißt und nicht schneidet. Gestatten Sie, dass ich Ihnen eine gute Flasche auf Kosten des Hauses servieren lasse?"
Einschub und note to self zum Thema Aufstiegschancen von Kindern der Migration: Eigentlich müssten wir die Codes, das ganze Implizite, das Menschen aus der sogenannten "besseren Gesellschaft" von Kindesbeinen an mitbekommen, in den Projektwochen vor den Sommerferien an Mittelschulen vermitteln. Den Projektwochenkurs "Lernen lernen", den die olle Pandemie unterbrochen hat, werde ich nach meinen Pflegejahren auch wieder anbieten. Da haben wir weitergegeben, was Kinder in Bildungshaushalten an Arbeitsmethoden und -tricks am Abendbrottisch nebenbei lernen. Einschubende.
Für die größte "Bewunderung bei der Präsentation" der Speisen hat übrigens das Dessert gesorgt. Es gab Erdbeeren mit Ahornsirup. Als Tante weiß ich, was mit Jubel begrüßt wird.
Der vierte Gang war eine stattliche Käseplatte wie in einem französischen Fünf-Sterne-Restaurant. Alles wurde probiert, und was für gut befunden wurde, haben wir versucht, in Worten zu beschreiben. Statt "Das schmeckt mir nicht!" zu sagen, habe ich die jungen Damen gebeten, "Das schmeckt mir noch nicht!" zu sagen. Das kleine Wörtchen macht den großen Unterschied.
Der fünfte Gang bestand aus Bilderbuchvorlesen. Das Fernsehgerät kennen sie, wird aber seltenst genutzt. (Das Sandmännchen kann uns mal ... gestohlen bleiben.)
Natürlich haben sich die Fräuleins zwischendurch auch wie eine Zweieinhalb- und eine Fünfjährige verhalten. "Danebenbenehmen" (aus Omasicht) darf gerne wörtlich genommen werden. Die Kleine hatte noch ihr "Schlabberlätzchen" mit Auffangschale dabei. Unfallspuren auf Tischdecke und Servietten wurden später mit Fleckentferner (Firma Frosch, einigermaßen umweltfreundlich) bearbeitet und nach längerem Einweichen gewaschen.
Die jungen Damen möchten bald wieder bei Oma speisen. Vorher besorge ich uns ein Bügeleisen.
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Fotos:
C.E.
(*): "Adios Salz" aus dem Bioladen
Die Ladies sind im Kindergartenalter. Fine Dining für eine Zweieinhalb- und eine Fünfjährige? Haben Mémé Hélène und Tata Laline noch alle Porzellantässchen im Buffet?
Haben sie. Fine Dining gilt als außergewöhnliches Erlebnis, ein besonderes Ambiente, exklusive Speisen und hervorragenden Service, so finde ich es im Internet beschrieben, Zitat: "Der Gast darf sich auf eine individuelle Menüfolge und Getränke freuen, die optimal aufeinander abgestimmt sind und schon bei der Präsentation für Bewunderung sorgen."
So war es denn auch. Die Mädchen, die manchmal abends, wenn sie zuhause essen, einen "lauten Krakeel anstimmen", so hätte es ihr Opa gesagt, wir hören sie von Küchenbalkon zu Küchenbalkon, entpuppten sich als junge Damen. Vorführeffekt! Sie waren das, was früher wohl "gesittet" genannt worden wäre, außerdem sehr aufmerksam, was die Speisen anging. Die Große hat nach dem Rezept der Salatsoße gefragt, denn wir kochen mitunter gemeinsam (Leinöl, Himbeeressig und Feigensenf, frisch gehackte Kräuter und Gartengemüsesalz (*)).
Das Fräulein wartet und hört zu |
Wir sitzen unter den Ahnenbildern aus dem Biedermeier und betreiben Tischkonversation, kleine lustige Kindergartenanekdoten. Es ist lustig.
Später zerdrückt die Große ihre Erdäpfel mit der Gabel. Ich lobe sie dafür. Sie fragt nach dem Grund, weshalb Kartoffeln nicht mit dem Messer geschnitten werden sollen. Früher ist das Besteck beim Kontakt mit Stärke, Säure oder Eiweiß angelaufen, so entstand diese Benimmregel, die heute offiziell nicht mehr gilt, deren Kenntnis aber zu den 'geheimen Codes' zählt. Was für Kartoffeln gilt, gilt übrigens auch für Klöße.
Und ich erzähle, natürlich stark vereinfacht, den Mädchen die Geschichte, als einer ihrer Urgroßonkel vor langer, langer Zeit mal, es war im Krieg, zu Heiligabend im Ausland als einziger Gast im Offizierscasino saß, das eigentlich ein sehr gutes Hotel war, und Gänsebraten mit Klößen aß. Mein Vater hat die Szene beschrieben: "Da trat der Direktor des Etablissements an seinen Tisch und sagte: Ich habe Sie beobachtet. Sie sind der einzige der Herren, die hier essen, der den Kloß reißt und nicht schneidet. Gestatten Sie, dass ich Ihnen eine gute Flasche auf Kosten des Hauses servieren lasse?"
Einschub und note to self zum Thema Aufstiegschancen von Kindern der Migration: Eigentlich müssten wir die Codes, das ganze Implizite, das Menschen aus der sogenannten "besseren Gesellschaft" von Kindesbeinen an mitbekommen, in den Projektwochen vor den Sommerferien an Mittelschulen vermitteln. Den Projektwochenkurs "Lernen lernen", den die olle Pandemie unterbrochen hat, werde ich nach meinen Pflegejahren auch wieder anbieten. Da haben wir weitergegeben, was Kinder in Bildungshaushalten an Arbeitsmethoden und -tricks am Abendbrottisch nebenbei lernen. Einschubende.
Für die größte "Bewunderung bei der Präsentation" der Speisen hat übrigens das Dessert gesorgt. Es gab Erdbeeren mit Ahornsirup. Als Tante weiß ich, was mit Jubel begrüßt wird.
Der vierte Gang war eine stattliche Käseplatte wie in einem französischen Fünf-Sterne-Restaurant. Alles wurde probiert, und was für gut befunden wurde, haben wir versucht, in Worten zu beschreiben. Statt "Das schmeckt mir nicht!" zu sagen, habe ich die jungen Damen gebeten, "Das schmeckt mir noch nicht!" zu sagen. Das kleine Wörtchen macht den großen Unterschied.
Der fünfte Gang bestand aus Bilderbuchvorlesen. Das Fernsehgerät kennen sie, wird aber seltenst genutzt. (Das Sandmännchen kann uns mal ... gestohlen bleiben.)
Natürlich haben sich die Fräuleins zwischendurch auch wie eine Zweieinhalb- und eine Fünfjährige verhalten. "Danebenbenehmen" (aus Omasicht) darf gerne wörtlich genommen werden. Die Kleine hatte noch ihr "Schlabberlätzchen" mit Auffangschale dabei. Unfallspuren auf Tischdecke und Servietten wurden später mit Fleckentferner (Firma Frosch, einigermaßen umweltfreundlich) bearbeitet und nach längerem Einweichen gewaschen.
Die jungen Damen möchten bald wieder bei Oma speisen. Vorher besorge ich uns ein Bügeleisen.
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Fotos:
C.E.
(*): "Adios Salz" aus dem Bioladen
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