Montag, 19. Februar 2024

Wanderbühne

Wie Über­set­zer und Dol­met­scher ar­bei­ten, aber auch Über­set­zer­in­nen und Dol­met­sche­rin­nen, er­fah­ren Sie in die­sem Blog. Als Deutsch-Mut­ter­spra­ch­le­rin bin ich Teil ei­nes in­ter­na­tio­na­len Netz­werks, die Zweit­spra­che ist Fran­zö­sisch; die Bü­ro­kol­le­gin über­trägt Tex­te ins Eng­li­sche. Wir ar­bei­ten in den Fel­dern Wirt­schaft, Kunst, Land­wirt­schaft, Me­dien, Po­li­tik, So­zia­les. Ge­ra­de bin ich auf der Ber­li­nale.

Gruppenbilder mit Dolmetscherin, die ihren Platz sucht
Pfeil: Dolmetscherin bei der Arbeit
Schon vor zwei Jah­ren sollte Isa­bel­le Huppert der Goldene Eh­ren­bär für ihr Le­bens­werk über­reicht wer­den, nun wurde das nach­ge­holt. Eine sehr ent­spann­te Film­di­va stand heu­te Abend auf der Büh­ne des Zoo-Pa­lasts und er­zähl­te strah­lend von ih­rer Zu­sam­men­ar­beit mit An­dré Té­chi­né bei den Dreh­ar­bei­ten zu Les gens d'à côté

Es war ein sehr schö­ner Mo­ment, den ich zu­sam­men mit mei­ne Lieb­lings­film­über­set­zer­kol­le­gin A. ge­nos­sen habe. Die Un­ter­ti­tel des Films wa­ren auf Eng­lisch; auch das Film­ge­spräch wurde auf Eng­lisch ge­führt. Ei­ner der Dar­stel­ler sprach Fran­zö­sisch, eine Kol­le­gin hat dann FR<>EN ge­dol­metscht.

Das Mi­kro­fon sollte ganz am Rand der Büh­ne ste­hen, da­bei war nur an die Rich­tung FR>EN ge­dacht, also für die Oh­ren des Pu­bli­kums. Da­bei stell­ten auch eini­ge Zu­schau­er ih­re Fra­gen auf Fran­zö­sisch. Ei­ner der Schau­spie­ler war da­für dank­bar, dass die Dol­metsch­kol­le­gin ihm auf FR zu­min­dest die Fra­gen zu­ge­flüs­tert hat, die an ihn ge­rich­tet wa­ren. Dann muss­te sie sich sputen und ei­gent­lich spur­ten, al­so zum Mi­kro­fon ren­nen, so­was geht aber nicht auf of­fe­ner Büh­ne, weil es die Auf­merk­sam­keit von den Stars ab­zieht und La­cher pro­vo­ziert.

Ru­hig und wür­de­voll schritt sie al­so imm­er wie­der hin und her, no­tier­te sich (teils beim Ge­hen) das Ge­sag­te, dol­metsch­te ganz wun­der­bar, dann ging's wie­der zu­rück.

Irgend­wann wur­de es ihr (zu­recht) zu dumm und sie hat das Mi­kro­fon et­was nä­her an die Schau­spie­ler­grup­pe ran­ge­holt. Aber so rich­tig nah, wie sie hätte ste­hen müs­sen, stand sie am Ende nicht, das Mi­kro­fon­ka­bel war zu kurz. Und grund­sätz­lich gab es da ver­mut­lich ir­gend­ei­nen Or­der Mufti, da­mit die Dol­metsch­erin, ogottogott, nicht zu nah bei den Stars steht, sie könnte ja zu­fäl­lig auf ir­gend­wel­che Pres­se­fo­tos ge­ra­ten!

Die An­ord­nung auf der Büh­ne bringt mich lei­der ... zum Kopf­schüt­teln (be­müht um Di­plo­ma­tie). Wer plant sowas? Wer be­zieht da die Dol­metsche­r:in­nen nicht mit ein? War­um reißt aus­ge­rech­net im Be­reich Spra­che stän­dig die Wis­sens­wei­ter­lei­tung ab?

Vo­ka­bel­no­tiz: Die Büh­ne hier er­wies sich als "Wan­der­büh­ne". Für die Nicht-Mut­ter­sprach­le­r:in­nen: die­ser Begriff steht ei­gent­lich für rei­sen­des The­ater.

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Fo­tos:
C.E.

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