Samstag, 17. Februar 2024

Berlinale mit Kopfweh

Was und wie Kon­fe­renz­dol­met­scher und Über­set­zer (und Dol­met­sche­rin­nen und Über­set­ze­rin­nen) ar­bei­ten ist im 18. Jahr Ge­gen­stand von "Dol­met­scher Ber­lin". Mei­nen Be­ruf übe ich mit viel Lei­den­schaft aus. Wirk­lich leid­voll ist nur man­che kul­tu­rel­le Ent­wick­lung.

Dolmetschpult und Mikrofon
Dol­met­schen mit Na­mens­schild (die Aus­nah­me)
Es gibt bei jeder Ber­li­na­le ein neu­es "erstes Mal." Dieses Mal wa­ren Lieb­lings­film­über­set­zer­kol­le­gin A. und ich die letz­ten, die nach ei­nem Früh­stücks­emp­fang ih­re Män­tel und Ta­schen ab­ge­holt ha­ben! Tusch!
Frü­her bin ich nur kurz auf Emp­fän­ge ge­gan­gen, wenn es ei­ne Pau­se gab oder nichts vor­zu­be­rei­ten war. Jetzt durf­te ich Ge­sprä­che nach­ho­len und auch neue Men­schen ken­nen­ler­nen.

Zum Bei­spiel konn­te ich end­lich Wolf Sie­gert auf die Fra­ge ant­wor­ten, was die größ­te Her­aus­for­de­rung durch und nach der Di­gi­ta­li­sie­rung für mich per­sön­lich ist. Hier der Link zu vie­len groß­ar­ti­gen Ant­wor­ten, die je­weils das big pic­tu­re be­tref­fen. Nur ich war wie­der ein­mal auf mei­nen Be­ruf fixiert (weil die An­fein­dun­gen der­zeit so groß sind). Die fünf­te Ant­wort stammt von mir: www.daybyday.press

Es war be­rüh­rend, wie bei der Er­öff­nungs­ver­an­stal­tung al­le Freund:innen des Hau­ses be­grüßt wor­den sind und der Neben­satz fiel: "... denn nichts er­setzt die per­sön­li­che Be­geg­nung, das wis­sen wir seit den Co­ro­na­jah­ren". Auch das ist eine Ant­wort auf die Fra­ge "nach der Di­gi­ta­li­sie­rung": Le­bens- und Ar­beits­qua­li­tät durch per­sön­li­che Kon­tak­te (was sich nach den Jahren an­stren­gend und un­ge­wohnt an­füh­len kann).

Natür­lich war ich auch im Ki­no, ein­mal in der Re­tro­spek­ti­ve, die si­che­re Bank, ein an­de­res Mal habe ich Schau­spie­le­rin­nen und Film­tech­ni­kern bei der Ar­beit zu­ge­se­hen. Das ist durch die Blu­me ge­spro­chen ei­ne bit­ter­bö­se Kri­tik, denn der Film ging für mich nicht auf; charmante Ideen, Re­pli­ken, An­sät­ze, aber das hat kei­ne 90 Mi­nu­ten ge­tra­gen. Ich durf­te eini­ge Jah­re Stu­die­ren­de der Me­di­en- und Film­wis­sen­schaft un­ter­rich­ten, an die­se Zeit hat mich das er­in­nert. Das Pro­jekt hät­te ich, wä­re ich in die­sen Do­zen­tin­nen­jah­ren ge­fragt wor­den, wohl­wol­lend als Kurz­film­pro­jekt be­glei­tet, aber nie und nim­mer auf der Lein­wand ei­nes A-Fes­ti­vals ge­se­hen.

Be­rüh­rend na­tür­lich das Wie­der­se­hen mit den Ki­no­be­treu­ern, wir ken­nen uns zum Teil seit einem Vier­tel­jahr­hun­dert. In der Ber­li­na­le­ar­beit "aus den Ku­lis­sen" gibt es sonst kei­ne Über­schnei­dun­gen mehr mit ih­nen; und die Ber­li­na­le-Mit­ar­bei­ter­par­ties fan­den auch im­mer schön nach Sek­tio­nen ge­trennt statt bzw. es wur­den nicht ein­mal die Ter­mi­ne an­stän­dig kom­mu­ni­ziert.

Es gab dann noch die An­fra­ge zu ei­nem Ber­li­na­le-Um­feld-Ein­satz, wo ich im Vor­feld ei­nen Film hät­te se­hen müs­sen, nur war kein Link vor­han­den oder kein Wunsch, die­sen zur Ver­fü­gung zu stel­len, wer weiß das schon. Mir wur­de von ei­ner jun­gen Mit­ar­bei­te­rin des Fes­ti­vals je­den­falls schnip­pisch be­schie­den, ich müs­se den Film nicht se­hen, ich sol­le doch nur das Ge­spräch dol­met­schen.

Als ich dann noch wag­te, die Not­wen­dig­keit der na­ment­li­chen Ak­kre­di­tie­rung oh­ne Ticket­pflicht für Dol­met­scher an­zu­spre­chen (al­so über ei­nen Ta­ges­pas­sier­schein hin­aus, der uns bei Be­darf zu­ge­scho­ben wird), weil Bu­chun­gen aus der In­dus­trie im­mer kurz­fris­ti­ger rein­kom­men wür­den und un­se­reiner oft kei­ne Zeit für Ticket­be­schaf­fung ha­be, wuss­te die Da­me nur zu ant­­wor­ten: "Wir sind das Fes­ti­val, die Ver­lei­her und Welt­ver­trie­be sind ein an­de­res Paar Schu­he."

For­mal­ju­ris­tisch rich­tig; frü­her aber ha­ben wir kom­mo­de Ak­kre­di­tie­run­gen be­kom­men, mit de­nen wir bei Be­darf un­se­re Dol­metsch­kund:innen auch zur nächs­ten Etap­pe im Ta­ges­ab­lauf be­glei­ten konn­ten, bei Be­darf bis hin­ter die Büh­ne, was by the way an­de­ren Fes­ti­val­mit­ar­bei­tern Zeit ge­spart hat. Da­mals wa­ren wir ei­ne Fes­ti­val­fa­mi­lie, jetzt gibt es er­höh­ten Ver­wal­tungs­auf­wand.

Die Aus­wei­se durf­ten auch da­zu ver­wen­det wer­den, Zeit in die ei­ge­ne vi­su­el­le Kul­tur zu in­ves­tie­ren und z.B. Filme von Krea­ti­ven zu se­hen, die viel­leicht aus­nahms­wei­se nicht vor Ort wa­ren, die aber wahr­schein­lich mit ih­rem nächs­ten Werk wie­der auf ein deut­sches Fes­ti­val oder ins deut­sche Ki­no kom­men wür­den. Die­sen Ge­dan­ken kom­men­tier­te die Da­me mit dem Satz: "Ih­re Film­kul­tur kön­nen Sie sich on­li­ne ho­len, die An­bie­ter ha­ben ja al­les" (was lei­der nicht stimmt).

Für mich ist das Gan­ze Aus­druck ei­nes Kul­tur­ver­falls. Den Nie­der­gang der Ber­li­na­le be­kla­gen vie­le, nicht nur ich. Na­tür­lich än­dern sich die Zei­ten, jun­ge Ge­ne­ra­tio­nen sind am Start, Stof­fe wer­den neu er­fun­den, Ex­pe­ri­men­te wie­der­holt; und man­cher Film mag in der Fes­ti­val­sich­tung in ei­nem klei­nen Team noch auf­ge­hen, wenn das Um­feld des Ge­sich­te­ten nicht sehr stark ist, es spie­len im­mer vie­le Fak­to­ren rein, manch­mal eben auch der Be­kannt­heits­grad einer Ma­che­rin, ei­nes Pro­du­zen­ten, ei­ner Dar­stel­le­rin, ei­nes Au­tors.

Und nein, die im Ti­tel ge­nann­ten Kopf­schmer­zen ge­hen nicht auf Al­ko­hol zu­rück.

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Foto:
C.E. (Archiv)

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