Sonntag, 20. Oktober 2019

Saisonwechsel

Bonjour und hallo! Hier schreibt ei­ne bin Kon­­fe­­renz­­dol­­metscherin und Über­set­ze­rin. Seit bald drei­zehn Jah­ren finden Sie hier Notizen aus mei­nem Sprach­all­tag. Sonn­tags werde ich privat.

Der Sound klingt nach Spätherbst: Graugänse, Silberreiher und Kraniche schnattern in V-Formation durch die Lüfte. Sie fliegen in ihr südliches Winterquartier. Um die 150.000 Zugvögel sollen im Großraum Berlin halt machen, um sich hier für den Wei­­ter­­flug zu stärken. Neulich hat mir ein Vogel­kundler erzählt, dass dabei immer mehr Kraniche in der kalten Jahres­­zeit in Berlin hängenbleiben. 



20 Grad an einem 20. Oktober, sowas nennt sich Klima­wandel. An der Südwand un­seres Hofgartens sind die Pas­sions­früchte so gereift, dass wir jetzt viel Saatgut fürs nächste Jahr ernten konnten. Die Zucchini blüht noch ein we­nig, die letzten To­ma­ten reifen, eine der Pflan­zen hat sogar neue Blüten aus­ge­bildet. 



Sehr aufmerk­sam beobachtet das Gartenteam das Wetter. Bislang hatten wir nur eine einzige Frost­nacht, da ging das Thermometer nur kurz unter Null, aber ir­gend­wann muss unser botanischer Garten ins Foyer. Au­ßer­dem habe ich zwei Oli­ven­­bäu­me in Schöneberg entdeckt, die her­ren­los vor einem seit Monaten ge­schlos­se­nen Geschäft stehen. Ich war schon einige Male zum Gießen dort, habe Müll aus den Töpfen ge­sam­melt, mit Kompost­erde ge­düngt. Wenn das so wei­ter­geht, wer­den wir die retten müssen. 



Reifung und Ernte von fast 100 Samen

Sonntag bedeutet, mit der Nach­barin in der Spät­vor­mit­tags­son­ne zu klö­nen und sich Ge­dan­ken übers Hof­grün des nächs­ten Jah­res zu machen, die Essensreste des Vortags aufzuessen, Mittags­schlaf zu halten, auf den Ufer­floh­­markt zu gehen und dort zwei, drei Bücher zu adoptieren. Dann im Café zu lesen und die Sonne zu genießen, bis sie um die Ecke biegt. Zwischen­durch wie jeden Tag zwei Mal zwei Stunden Vokabeln zu pauken, ein bekanntes Wortfeld zu beackern.

Irgendwie mutet das alles sehr dörflich an. Aber in einem echten Dorf könnte ich wohl nicht mehr gut leben. Das Hin­ter­land meines direkten Umfeldes hat es mir erlaubt, un­ter­schied­­liche Be­rufe auszuüben und mich regel­mäßig neu zu erfinden, ohne umziehen zu müssen. Darin ähneln sich übrigens Berlin und Paris, wo ich ja meine zweite Heimat habe.

Die Samen sind geschält und getrocknet. Wer ein be­heiz­ba­res (Fens­ter­bank-)Ge­wächs­haus sein ei­gen nennt und mir ei­ni­ge Zei­len darüber schreibt, wie er/sie Dolmetscher erlebt hat (mit möglicher Ver­öf­­fent­li­chung, wenn's passt), bekommt von mir zehn Sa­men per Post zu­ge­schickt. (So­lan­ge der Vorrat reicht.) Für die Aussat in der Zeit, wenn wir an die Rückkehr der Zugvögel denken ...

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Foto: C.E.

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